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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 09.11.2006
Aktenzeichen: 6 K 342/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 S. 1
EStG § 12 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

6 K 342/05

Tatbestand:

Streitig ist, ob Aufwendungen des Klägers für den Wiedererwerb des Führerscheins für Pkw als Werbungskosten im Streitjahr 1999 zu berücksichtigen sind.

Der als Projektmanager im Außendienst berufstätige Kläger verursachte am 6. Dezember 1998 unter starkem Alkoholeinfluss (Blutalkoholkonzentration am 7. Dezember 1998, 0.40 Uhr : 1,75 Promille) mit seinem Firmenwagen einen Verkehrsunfall, indem er -lt. Strafbefehl des Amtsgerichts -Y-vom 8. März 1999 -infolge alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit trotz deutlich erkennbarer schneeglatter Fahrbahn einen in dieselbe Richtung fahrenden Lkw nebst Anhänger überholte, anschließend wegen eines Fahrfehlers vor diesem Fahrzeug ins Schleudern geriet und schließlich gegen den Lastzug prallte. Infolge dessen wurde sein Führerschein beschlagnahmt und bis einschließlich November 1999 eingezogen. Während dieser Zeit wurde der Kläger von der Klägerin zu den geschäftlichen Terminen gebracht.

Am 4. Mai 2001 reichten die zusammen veranlagten Kläger die Einkommensteuererklärung 1999 beim Beklagten ein. Hierin machten sie u.a. Kosten für die Wiedererlangung des Führerscheins als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers in Höhe von 3.758,40 DM wie folgt geltend (Bl. 9 der ESt-Akten):

TÜV-Kosten Fahreignungsuntersuchung 702,00 DM Verkehrspsychologische Behandlung 2.300,00 DM Rechtsanwaltskosten 440,80 DM Taxi + Bahnbelege 67,10 DM Erste-Hilfe-Kurs 40,00 DM Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis 208,50 DM.

Im Klageverfahren stellte sich heraus, dass die Rechtsanwaltskosten aus einer Beratung betreffend eine etwaige Strafverteidigung gegen den o.g. Strafbefehl resultierten.

Sämtliche Kosten fanden im Einkommensteuerbescheid 1999 vom 13. Februar 2002 keine Berücksichtigung. Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins gehörten auch dann zu den Kosten der privaten Lebensführung, wenn der Beruf die Nutzung eines Pkw erforderlich mache. Sie könnten nur dann abgezogen werden, wenn der Erwerb unmittelbare Voraussetzung für die Berufsausübung sei, etwa bei einem Berufskraftfahrer.

Hiergegen legten die Kläger am 27. Januar 2002 Einspruch ein. Sie führten aus, der Führerschein sei zwingende Voraussetzung für die Ausübung des Berufs und legten diesbezüglich eine Vereinbarung vor, die der Kläger am 18. November 1998 mit seinem Arbeitgeber über die Folgen des Unfalls geschlossen hatte (Bl. 6 der Rechtsbehelfsakten).

Dem Einspruch wurde im Bescheid vom 6. Dezember 2004 sowie in der Anlage zur Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2005 jeweils wegen in diesem Verfahren nicht gegenständlicher Streitpunkte abgeholfen; wegen der Führerscheinkosten wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Führerschein könne in nicht unbedeutendem Umfang auch für Privatfahrten genutzt werden; derartige gemischte Aufwendungen seien gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes -EStG- insgesamt den Kosten der privaten Lebensführung zuzuordnen.

Dagegen wenden sich die Kläger mit der Klage vom 29. November 2005. Im Urteil vom 26. Juni 2003 VI R 112/98 stelle der Bundesfinanzhof -BFH- klar, dass für die Unterscheidung zwischen beruflicher und privater Veranlassung ausschlaggebend sei, ob der Führerscheinerwerb überwiegend im eigenbetrieblichen Interesse des Dienstherrn liege.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 28. Oktober 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom selben Tage abzuändern und weitere Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers in Höhe von 3.758,40 DM zum Abzug zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

In dem von den Klägern zitierten Urteil gehe es um die Frage, ob ein geldwerter Vorteil vorliege. Das hier entscheidungserhebliche Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 EStG finde auf die dortige Problematik keine Anwendung (BFH-Urteil vom 18. August 2005 VI R 32/03). Außerdem seien die Aufwendungen bereits deshalb nicht abzugsfähig, da Kosten, die unter Alkoholeinfluss angefallen seien, steuerlich der privaten Veranlassung zuzuordnen seien (BFH-Urteil vom 6. April 1984 VI R 103/79, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1984, 434).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, die vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten sowie die Niederschrift über den Verhandlungstermin vom 9. November 2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG definiert Werbungskosten als Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Die Rechtsprechung hat den Werbungskostenbegriff dem Begriff der Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG angeglichen (BFH-Urteil vom 4. März 1986 VIII R 188/84, BStBl II 1986, 373). Werbungskosten liegen danach vor, wenn sie durch den Beruf bzw. durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind.

Gemäß § 12 Nr. 1 EStG dürfen, soweit in den §§ 4 f, 10 Abs. 1 Nr. 1, 2 bis 5, 7 bis 9, §§ 10a, 10b und den §§ 33 bis 33b EStG nichts anderes bestimmt ist, die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Dazu gehören auch die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen, § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG.

Dass der Kläger den Pkw anlässlich der Berufsausübung benötigt, führt nicht dazu, dass vom Aufteilungsverbot des § 12 Nr. 1 EStG eine Ausnahme gemacht werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung dient das in § 12 Nr. 1 EStG enthaltene Aufteilungs- und Abzugsverbot vornehmlich der steuerlichen Gerechtigkeit. Ein Steuerpflichtiger soll nicht durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewusst herbeigeführte Verbindung von beruflichen und privaten Erwägungen Aufwendungen für seine Lebensführung nur deshalb steuerlich geltend machen können, weil er einen entsprechenden Beruf hat, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus versteuerten Einkommen decken müssen (BFH-Urteil vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01, BStBl II 2003, 407).

Die Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins gehören nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig zu den Kosten der Lebensführung (vgl. BFH-Urteile IV 621/55 U vom 6. September 1956, BStBl III 1956, 306; VI 251/63 U vom 8. April 1964, BStBl III 1964, 431). Darauf, ob der Steuerpflichtige beabsichtigte, den von ihm geführten PKW betrieblich oder beruflich zu benutzen und inwieweit dieser Gesichtspunkt für die Aufwendungen entscheidend war, kommt es nicht an. Denn in aller Regel wird der einmal erworbene Führerschein in nicht unbedeutendem Umfang auch für Privatfahrten benutzt. Es liegen somit die Voraussetzungen des § 12 Nr. 1 EStG vor, wonach Aufwendungen für die Lebensführung auch dann nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn sie der Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen dienen (BFH-Urteil vom 20. Februar 1969 IV R 119/66, BStBl II 1969, 433;Beschluss vom 24. Oktober 2000 VI B 85/00, Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2001, 444).

Ob eine andere Beurteilung dann gerechtfertigt ist, wenn der Erwerb des Führerscheins unmittelbare Voraussetzung zur Berufsausübung ist, wie z.B. für einen LKW- oder einen Taxifahrer, hat der BFH im Urteil5. August 1977 VI R 246/74 (BStBl II 1977, 834) offen gelassen; in der Literatur wird selbst dies verneint (Arndt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 12 Rdnr. B 61).

Der BFH erkannte zwar im Urteil IV 54/60 U vom 13. April 1961 (BStBl III 1961, 308) bei betrieblicher Nutzung eines nicht zum Betriebsvermögen gehörenden Gegenstandes die Berücksichtigung der anteiligen Absetzung für Abnutzung an, wenn die Trennung der betrieblichen von der privaten Nutzung nach objektiven Abgrenzungsmerkmalen leicht und einwandfrei möglich ist. Für die Ermittlung eines beruflich bedingten Anteils der Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins gibt es aber keine objektiven Merkmale, nach denen die spätere private von der betrieblichen Benutzung abgegrenzt werden könnte. Es lässt sich nicht voraussagen, in welchem Verhältnis insgesamt gesehen die zukünftige betriebliche oder berufliche Nutzung des Führerscheins zur privaten Nutzung stehen wird. Der mehr oder weniger zufällige Umfang der beruflichen und privaten Benutzung eines PKW im Jahr der Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins ist ebenfalls kein geeigneter Maßstab (BFH-Urteil vom 20. Februar 1969 IV R 119/66, BStBl II 1969, 433).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.



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