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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 11.03.2004
Aktenzeichen: 8 K 100/01
Rechtsgebiete: EStG, GG, EStG 1997


Vorschriften:

EStG 1997 § 3 Nr. 10
EStG § 3 Nr. 9
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Finanzrechtsstreit

wegen Einkommensteuer 1999

hat der 8. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 11. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ... den Richter am Finanzgericht ... den Richter am Verwaltungsgericht ... und die ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die miteinander verheirateten Kläger (Kl.) wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kl. zu 1) war von 1991 bis 1999 Bürgermeister einer Gemeinde. Nachdem er nicht wiedergewählt worden war, wurde ihm ein Übergangsgeld nach § 47 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) ausgezahlt. Der Kl. wandte sich erfolglos dagegen, dass die Gemeinde auch hierfür Lohnsteuer einbehielt.

Mit seinem angegriffenen Einkommensteuerbescheid vom 09. November 2000 unterwarf der Beklagte (Bekl.) auch das Übergangsgeld der Einkommensteuer für das Jahr 1999.

Am 15. November 2000 erhoben die Kl. hiergegen Einspruch. Zu Unrecht habe das Finanzamt das bezogene Übergangsgeld als steuerbar angesehen. Nach § 132 des Landesbeamtengesetzes (LBG) sei der Beamte auf Zeit, also auch der Wahlbeamte auf Zeit, mit Ablauf der Amtszeit zu entlassen, wenn er nicht in den Ruhestand trete oder im Anschluss an seine Amtszeit erneut in das selbe Amt berufen werde. Ein Beamter mit Dienstbezügen, der nicht auf eigenen Antrag entlassen werde, erhalte nach § 47 BeamtVG Übergangsgeld nach den gesetzlichen Vorschriften, so dass der Tatbestand der Steuerbefreiung für Übergangsgelder nach § 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt sei. Die in den Einkommensteuerrichtlinien zitierte Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 02. August 1956 sei nicht einschlägig, weil das damalige Gesetz über die Versorgung von Landräten, Bürgermeistern und hauptamtlichen Beigeordneten inzwischen durch § 132 LBG ersetzt sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2001 hat der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Übergangsgelder seien nur dann nach § 3 Nr. 10 EStG steuerbefreit, wenn sie wie die steuerbefreiten Leistungen nach § 3 Nr. 9 EStG dem Ausgleich sozialer Härten dienten und auch der Höhe nach den Entlassungsentschädigungen entsprächen. Wenn ein Dienstverhältnis vereinbarungsgemäß durch Zeitablauf ende, fehle es an einer Entlassung i.S.d. § 3 Nr. 10 EStG. Dementsprechend habe der BFH für die Übergangsgebührnisse nach § 11 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) entschieden, dass diese - weil anlässlich der planmäßigen Beendigung eines zeitlich befristeten Dienstverhältnisses bezahlt - nicht nach § 3 Nr. 10 EStG steuerfrei seien. Gleiches gelte auch für den KL, der selbst erkläre, dass nach § 134 LBG auf Bürgermeister die Vorschriften für Beamte auf Zeit anwendbar seien. Dass § 132 LBG von einer Entlassung spreche, wenn der Beamte nicht erneut in sein Amt berufen werde, sei unerheblich, weil die steuerrechtliche Auslegung des Begriffes "Entlassung" entscheidend sei. Die Anerkennung der gesamten geltend gemachten Kosten für Fachliteratur führe nicht zu einer Änderung der festgesetzten Einkommensteuer.

Die Kl. beantragen mit ihrer am 19. März 2001 eingegangenen Klage sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid vom 09. November 2001 und die Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2001 aufzuheben, soweit dort Einkommensteuer für das vom Kl. zu 1) bezogene Übergangsgeld nach § 47 BeamtVG festgesetzt worden ist.

Zur Begründung nehmen die Kl. auf ihre im Verwaltungsverfahren dem Bekl. übersandten Schreiben Bezug. Ergänzend führen sie aus: Die beamtenrechtliche Entlassung sei eine aktive Entscheidung des Dienstherrn über die Auflösung des Dienstverhältnisses. Nach den §§ 132, 134 LBG seien auch Wahlbeamte auf Zeit nach Ablauf ihrer Dienstzeit zu entlassen. Hiermit werde dem Umstand Rechnung getragen, dass ein Wahlbeamter auf Zeit sich in der gleichen sozialen Lage befinde wie ein aufgrund der aktiven Entscheidung des Dienstherrn entlassener Beamter. Wenn der Wahlbeamte nicht mehr gewählt werde, sei dies eine aktive Entscheidung des Dienstherrn in Form der Wählerschaft, ihn nicht wieder zu berufen. Zweck des Übergangsgeldes sei wie bei Abfindungen nach § 3 Nr. 9 EStG ein sozialverträglicher Übergang nach Beendigung der Amtszeit. Auch der Höhe nach entspreche das Übergangsgeld entsprechenden Entlassungsentschädigungen in der Wirtschaft. Gerade die zitierte Begründung, wonach § 3 Nr. 10 EStG die Gleichstellung der Übergangsgelder mit arbeitsrechtlichen Entlassungsentschädigungen im Sinne des § 3 Nr. 9 EStG beabsichtige, stütze diese Rechtsauffassung der Kl. Die "verfassungsrechtlichen Bedenken", die zu einer einschränkenden Auslegung der Nr. 10 führten, seien in keiner Weise dargetan und nicht nachvollziehbar. Vielmehr verlange der Gleichbehandlungsgrundsatz die Gleichbehandlung der Übergangsgelder und -beihilfen mit den Tatbeständen des § 3 Nr. 9 EStG.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung. Die vom Bekl. und der Oberfinanzdirektion vertretene Rechtsauffassung sei nach wie vor im aktuellen Lohnsteuer-Handbuch 2001 H10 abgedruckt. Der Klageerwiderung war die Kopie eines Schreibens der Gemeinde ... vom 19. Juni 2001 beigefügt, wonach der Kl. von Januar bis Mai 1999 ein Übergangsgeld von ... DM bezogen hat.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 17. und 24. Februar 2004 auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Behördenakten des Bekl. (2 Hefte) Bezug genommen.

Gründe

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten nach § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung, weil der Rechtsstreit eine reine Rechtsfrage betrifft und weitere Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich ist.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Steuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kl. deshalb nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 FGO).

Insbesondere hat der Bekl. zu Recht die Einkünfte des Kl. zu 1) aus den im Jahre 1999 bezogenen Übergangsgeldern der Einkommensteuer unterworfen. Diese sind entgegen der vom Kl. vertretenen Ansicht nicht nach § 3 Nr. 10 EStG steuerbefreit.

Nach § 3 Nr. 10 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I S. 402) sind Übergangsgelder und Übergangsbeihilfen auf Grund gesetzlicher Vorschriften wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis, höchstens jedoch 24.000 DM, steuerfrei. Nach § 52 Abs. 6 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 gilt, soweit die Übergangsgelder und Übergangsbeihilfen auf Grund gesetzlicher Vorschriften wegen Entlassung aus dem Dienstverhältnis dem Arbeitnehmer vor dem 01. April 1999 zufließen, § 3 Nr. 10 EStG i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. April 1997 (BGBl I S. 821), die bei im Übrigen gleichem Wortlaut keinen Höchstbetrag für die Steuerbefreiung der Übergangsgelder und -beihilfen enthält.

Die in Streit stehenden Geldleistungen sind weder Übergangsgelder noch Übergangsbeihilfen i.S. der obigen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, die wegen einer Entlassung aus dem Dienstverhältnis gezahlt worden sind. Zwar ist der Kl. zu 1) als hauptamtlicher Bürgermeister i.S.d. § 134 Satz 1 i.V.m. § 132 LBG mit Ablauf der Amtszeit entlassen worden, weil er nicht im Anschluss hieran erneut in dasselbe Amt für eine weitere Amtszeit berufen worden oder in Ruhestand getreten ist. Die an ihn gezahlten Gelder sind auch Übergangsgelder i.S.d. § 47 BeamtVG. Nach der Rechtsprechung des BFH zwingen der Grundsatz der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen und die enge Verbundenheit der beiden Vorschriften des § 3 Nr. 9 und Nr. 10 EStG jedoch dazu, § 3 Nr. 10 EStG im gleichen Sinne auszulegen wie § 3 Nr. 9 EStG in dessen bis zum Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 1965 vom 14. Mai 1965 (BGBl I 1965, 377) geltender Fassung, für die nach ständiger Rechtsprechung des BFH das Vorliegen einer sozial ungerechtfertigten Kündigung Voraussetzung war. Übergangsgelder und Übergangsbeihilfen können daher nicht in einem größeren Umfang steuerfrei bleiben als Entschädigungen aufgrund arbeitsrechtlicher Vorschriften, wenn sie auf dem sozialen Kündigungsschutz beruhen. Dementsprechend hat der BFH entschieden, dass Übergangsgelder nach § 9 des Landesgesetzes über die Versorgung der in den Jahren 1954 und 1955 aus dem Amt scheidenden kommunalen Landräte, Bürgermeister und hauptamtlichen Beigeordneten vom 01. März 1954 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1954 S. 28) nicht nach dem damaligen § 3 Nr. 9 EStG steuerbefreit waren (vgl. BFH, Urt. v. 02. August 1956 -IV 486/55-, Bundessteuerblatt -BStBl- III 1956, 292). Gleiches gilt für nach dem Ende eines Dienstverhältnisses als Soldat auf Zeit, das vereinbarungsgemäß durch Zeitablauf geendet hat, gezahlte Übergangsgebührnisse nach § 11 SVG (vgl. BFH, Urt. v. 01. März 1974 -VI R 47/71-, BStBl II 1974, 490 m.w.N. und Finanzgericht - FG- Münster, Urt. v. 30. Mai 1996 - 6 K722/95 L-, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG- 1997, 147). Weiter ist nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. das Urteil vom 18. September 1991 -XI R 8/90-, BStBl II 1992, 34) bei zeitlich befristeten Dienstverträgen das Übergangsgeld nach § 62 Abs. 1 BAT nicht nach § 3 Nr. 9 oder 10 EStG steuerbefreit.

Die Zahlung der hier streitigen Gelder beruht ebenso wenig auf dem sozialen Kündigungsschutz. Grund für die Zahlung ist vielmehr wie in den gerade genannten Fällen die Beendigung der Amtszeit wegen Zeitablaufs. Dem steht auch nicht entgegen, dass - wie oben dargelegt - der Kl. zu 1) als ehemaliger hauptamtlicher Bürgermeister anders als ein Zeitsoldat nach Ablauf seiner Dienstzeit (vgl. § 54 des Soldatengesetzes) im beamtenrechtlichen Sinne als entlassen gilt. Dementsprechend hat auch der BFH die Vorschrift des § 3 Nr. 10 EStG für nicht auf das an einen entlassenen Minister gezahlte Übergangsgeld anwendbar gehalten (Urt. v. 14. April 1967 -VI 15/65-, BStBl II 1968, 2).

Das Übergangsgeld ist auch nicht nach anderen Vorschriften des EStG steuerbefreit.

Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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