Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 14.09.2007
Aktenzeichen: 8 V 49/06
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 2 S. 8
FGO § 69 Abs. 3 S. 4
EStG § 22 Nr. 1 S. 3a
EStG § 37 Abs. 5 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

8 V 49/06

Tatbestand:

I. Streitig sind in der Hauptsache die Festsetzung der Einkommensteuer 2005 und die Festsetzung der Vorauszahlungen zur Einkommensteuer 2006 und 2007.

Der am 31. Januar 1931 geborene Antragsteller ist verheiratet und nach eigenen Angaben pensionierter Beamter. Der Antragsteller wurde im Veranlagungszeitraum 2005 (Streitjahr) zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Er bezog im Streitjahr eine Pension, die als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit dem Lohnsteuerabzug unterlag. Daneben bezogen sowohl der Antragsteller als auch seine Ehefrau im Streitjahr jeweils Leibrenten. Mit Bescheid für 2005 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 31. August 2006 setzte der Antragsgegner die Einkommensteuer des Antragstellers und seiner mit ihm zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehefrau bei einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 24.343 EUR auf 1.710 EUR und die Kirchensteuer auf 136,80 EUR fest. Unter Abrechnung der im Rahmen des Lohnsteuerabzugs im Streitjahr bereits entrichteten Lohnsteuer in Höhe von 877 EUR und Kirchensteuer in Höhe von 70,11 EUR hatten die Eheleute insgesamt noch Einkommen- und Kirchensteuer in Höhe von 899,69 EUR bis spätestens 4. Oktober 2006 zu entrichten. Ebenfalls mit Datum vom 31. August 2006 setzte der Antragsgegner mit Vorauszahlungsbescheid 2006 und 2007 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer Vorauszahlungen für 2006 zum 10. Dezember 2006 in Höhe von 506 EUR Einkommensteuer und 40 EUR Kirchensteuer sowie für 2007 jeweils zum 10. März 2007, 10. Juni 2007, 10. September 2007 und 10. Dezember 2007 in Höhe von 126 EUR Einkommensteuer und 10 EUR Kirchensteuer, insgesamt also 136 EUR, fest.

Mit Schreiben vom 12. September 2006 erhoben der Antragsteller und seine Ehefrau Einspruch sowohl gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 als auch gegen den Vorauszahlungsbescheid 2006 und 2007. Mit ihrem Einspruch beantragten der Antragsteller und seine Ehefrau erstmals die Berücksichtigung von Umzugskosten, die aufgrund eines wegen ihrer Schwerbehinderung notwendigen Umzugs in eine behindertengerechte Wohnung entstanden seien. Gleichzeitig wurde die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Mit Schreiben des Antragsgegners vom 10. Oktober 2005 wurde dem Antragsteller und seiner Ehefrau mitgeteilt, eine Aussetzung der Vollziehung komme nicht in Betracht. Der Antragsteller gab darüber hinaus den Hinweis, dass ab 2006 Umzugskosten als haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigungsfähig seien. Wie im Streitjahr 2005 zu verfahren sei, werde derzeit auf Bundesebene geprüft, so dass das Verfahren ausgesetzt werden könne. Mit Einspruchsentscheidung vom 21. November 2006 wurde der Einspruch des Antragstellers und seiner Ehefrau gegen die mit Bescheid vom 31. August 2006 festgesetzten Einkommensteuervorauszahlungen für 2006 und 2007 sodann vom Antragsgegner als unbegründet zurückgewiesen. Über den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid des Streitjahrs ist - nach Kenntnis des Senats im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung - noch nicht entschieden. Der Jahressteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 2006 mit Datum vom 30. August 2007 ist inzwischen ergangen. Die Einkommensteuer wurde mit vorgenanntem Bescheid bei einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 23.631 EUR auf 1.548 EUR und die Kirchensteuer auf 123,84 EUR festgesetzt. Mit Bescheid - ebenfalls mit Datum vom 30. August 2007 - setzte der Antragsgegner die vierteljährlichen Vorauszahlungen für das Kalenderjahr 2008 auf jeweils insgesamt 57 EUR fest und setzte gleichzeitig die Vorauszahlung für 2007 zum 10. Dezember 2007 von insgesamt 136 EUR auf 0 EUR herab.

Mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 erhob der Antragsteller Klage gegen den Vorauszahlungsbescheid 2006 und 2007 vom 31. August 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. November 2006 sowie wegen Fehlens einer weiteren Einspruchsentscheidung bezüglich des Einkommensteuerbescheids vom 13. - richtig 31. - August 2006. Gleichzeitig wurde die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Das Hauptsacheverfahren, das unter dem Az. 8 K 298/06 geführt wird, ist noch anhängig.

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass die festgesetzten Vorauszahlungen zu einer erheblichen Einschränkung führen würden. Die behindertengerechte Unterbringung trage dazu bei, dass ein wesentlicher Mehraufwand entstehe. Seine Ehefrau und er selbst seien nur Bezieher von zwei kleinen Renten. Der Bezug seiner Rente kürze darüber hinaus seine Versorgungsbezüge. Eine Einspruchsentscheidung über seinen Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 31. August 2006 sei nicht erfolgt. Trotz des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung habe man eine Zahlungsaufforderung vom Antragsgegner erhalten. Die Beträge seien zwischenzeitlich unter Vorbehalt angewiesen worden. Eine weitere Antragstellung beim Antragsgegner auf Aussetzung der Vollziehung erübrige sich, da der Antragsgegner grundsätzlich gegen den Antragsteller eingestellt sei. Für den Antragsteller sei es eine Selbstverständlichkeit, dass er als ehemaliger Beamter seine Steuern zahle, nur in der Zahlungsweise solle man ihm entgegenkommen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Vollziehung des Bescheids für 2005 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 31. August 2006 sowie des Vorauszahlungsbescheids über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für 2006 und 2007 vom 31. August 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. November 2006 aufzuheben bzw. auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner ist unter Bezugnahme auf die Gründe der Einspruchsentscheidung vom 21. November 2006 in Übrigen der Ansicht, dass aus dem Vorbringen des Antragstellers nicht erkennbar sei, inwieweit die angefochtenen Steuerfestsetzungen unzutreffend sein sollen. Ebenso sei kein Sachverhalt einer unbilligen Härte erkennbar.

Auf den Inhalt der Schriftsätze des Antragstellers vom 4. Dezember 2006 (Blatt 4 - 5 Prozessakte zu 8 V 49/06) und vom 24. Januar 2007 (Blatt 13 Prozessakte zu 8 V 49/06) sowie auf den Inhalt der Mitteilung des Antragsgegners über die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung vom 10. Oktober 2006 (Blatt 10 Einkommensteuerakte, Abschnitt "Einspr. 2005, 2006 VZ") und der Einspruchsentscheidung vom 21. November 2006 (Blatt 40 - 45 Einkommensteuerakte, Abschnitt "Einspr. 2005, 2006 VZ") wird verwiesen. Weiterhin wird auf den Inhalt der Einkommensteuerakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

II. 1. Der Antrag auf Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2005 sowie des Vorauszahlungsbescheids für 2006 und 2007 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.

a) Soweit der Antragsteller die Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung des Vorauszahlungsbescheids für 2006 begehrt, ist der Antrag auf Aussetzung des inzwischen ergangenen Jahressteuerbescheids 2006 auszulegen und als solcher auch statthaft. Der Antrag auf Aufhebung bzw. Aussetzung des Vorauszahlungsbescheids für 2006 ist durch den inzwischen ergangenen Jahressteuerbescheid 2006 gegenstandslos, daher nicht statthaft und rechtsschutzgewährend als statthafter Antrag auf Aussetzung des Jahressteuerbescheids 2006 auszulegen. Vorauszahlungsbescheide sind wie Steueranmeldungen nur bis zum Ergehen des Jahressteuerbescheids vollziehbar und aussetzungsfähig (vgl. Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung - FGO -, 6. Auflage, § 69 Rz. 55 "Vorauszahlungsbescheide"). Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung eines Vorauszahlungsbescheids entfällt somit wie bei Steueranmeldungen mit dem Jahressteuerbescheid. Vorläufiger Rechtsschutz kann in diesem Fall nur durch Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung des Jahressteuerbescheids gewährt werden (vgl. Bundesfinanzhof - BFH - Beschluss vom 24. September 1999 XI S 18/98, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2000, 451; Koch in Gräber, FGO, 6. Auflage, § 69 Rz. 55 "Steueranmeldungen"). Im Hauptsacheverfahren wird ein Vorauszahlungsbescheid durch einen nachfolgenden Jahressteuerbescheid abgelöst und nach § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens, ohne dass hierzu ein Antrag eines Beteiligten erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 3. Dezember 2002 IX R 71/00, BFH/NV 2003, 600 m.w.N.; a. A. von Groll in Gräber, FGO, 6. Auflage, § 68 Rz. 75 m.w.N.). Im Aussetzungsverfahren kann aus prozessökonomischen Gründen nichts anderes gelten. Die rechtsschutzgewährende Auslegung des Antrags auf Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung des Vorauszahlungsbescheids für 2006 als statthafter Antrag auf Aussetzung des Einkommensteuerbescheids 2006, der nach § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens wurde, ist somit eröffnet.

Der Senat verkennt nicht, dass nach § 69 Abs. 3 Satz 4 FGO i. V. mit § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO die Aussetzung des Jahressteuerbescheids 2006 für den Fall eines erfolgreichen Antrags - im Gegensatz zur Aussetzung des Vorauszahlungsbescheids für 2006 - auf die festgesetzte Steuer u. a vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen beschränkt ist. Diese Beschränkung gilt nach § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO nur dann nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Im Streitfall kann eine möglicherweise eingetretene Einschränkung des effektiven Rechtsschutzes des Antragstellers durch Aussetzung des Jahressteuerbescheids statt des Vorauszahlungsbescheids im Falle seines Obsiegens allerdings dahinstehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit auch des Jahressteuerbescheids 2006 bestehen bei summarischer Prüfung - wie unten ausgeführt - jedenfalls nicht.

b) Der Antrag auf Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 sowie des Vorauszahlungsbescheids 2007 ist zulässig. Ein Antrag auf Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung beim Gericht der Hauptsache ist nicht erst zulässig, wenn die Behörde - wie im Streitfall - einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bereits zuvor ganz oder zum Teil abgelehnt hat (§ 69 Abs. 4 Satz 1 FGO), sondern bereits auch, wenn durch Vollstreckungsankündigung die Vollstreckung droht (§ 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO). Der Antrag ist auch hinsichtlich der Aufhebung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2005 nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil der Antragsteller - wenn auch unter Vorbehalt - die aus der angegriffenen Steuerfestsetzung des Streitjahrs 2005 resultierende Steuernachzahlung erbrachte. Nach erfolgreichem Vollzug, also der Verwirklichung des positiven Regelungsgehalts des Verwaltungsakts wird vorläufiger Rechtsschutz nicht mehr durch Aussetzung, sondern Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO gewährt. Im Wege der Aufhebung der Vollziehung kann vielmehr auch - wie im Streitfall vom Antragsteller teilweise begehrt - die vorläufige Rückzahlung der in freiwilliger Befolgung des angefochtenen Verwaltungsakts erbrachter Geldleistungen erreicht werden (vgl. BFH-Beschluss vom 15. März 1999 I B 95/98, BFH/NV 1999, 1205; Koch in Gräber, FGO, 6. Auflage, § 69 Rz. 40 m.w.N.).

c) Der Antrag auf Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung ist jedoch nicht begründet. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 bzw. Satz 3 FGO kann das Gericht die Vollziehung eines Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen bzw. aufheben, wenn gem. § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 bis 6 FGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE 87, 447, Bundessteuerblatt - BStBl - III 1967, 182 - ständige Rechtsprechung). Im Aussetzungsverfahren ist das Gericht der Hauptsache grundsätzlich auf präsente Beweismittel beschränkt und kann seiner Entscheidung in der Regel nur solche Tatsachen zugrunde legen, die sich entweder aus dem unstreitigen Sachvortrag oder zweifelsfrei aus dem Inhalt der vorgelegten Akten ergeben oder deren Vorbringen von der Partei, deren Vorbringen sich auf diese Tatsachen stützt, im Einzelnen glaubhaft gemacht wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Juli 1998 VIII B 38/98, BFHE 186, 379).

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts liegen im Aussetzungsverfahren hiernach nicht vor. Der Senat hat an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide keine ernstlichen Zweifel.

aa) Die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre 2005 und 2006 erscheinen bei summarischer Prüfung nicht als rechtsfehlerhaft.

Umzugskosten können zwar - wie vom Antragsteller im Rechtsbehelfsverfahren hinsichtlich des Einkommensteuerbescheids 2005 nachträglich begehrt - ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn der Umzug wegen einer Krankheit oder Behinderung zwingend erforderlich war (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1965 VI 102/65 U, BFHE 84, 311, BStBl III 1966, 113; Loschelder in Schmidt, EStG, 26 Auflage, § 33 Rz. 35 "Umzug" m.w.N.). Im Streitfall sind bisher weder die Höhe der Aufwendungen für einen Umzug noch die zwingende Erforderlichkeit des Umzugs aufgrund der Behinderung des Antragstellers und seiner Ehefrau nachgewiesen oder glaubhaft gemacht. Die Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung können nur solche Tatsachen zugrunde gelegt werden, die sich aus dem unstreitigen Sachvortrag oder zweifelsfrei aus dem Inhalt der vorgelegten Akten ergeben oder glaubhaft gemacht wurden. Hieran fehlt es im Streitfall hinsichtlich der Berücksichtigung der Aufwendungen eines Umzugs als außergewöhnliche Belastung. Hinzu kommt, dass die Notwendigkeit der Aufwendungen für ausnahmsweise abzugsfähige Folgekosten einer Krankheit oder Behinderung grundsätzlich durch eine im Vorhinein ausgestellte amts- oder vertrauensärztliche Bescheinigung oder eines gleichwertigen Nachweises zu belegen ist. Eine solche Bescheinigung liegt nicht vor. Ein nachträgliches Attest kann ausnahmsweise ausreichen, wenn der Amtsarzt den früheren Gesundheitszustand aufgrund von apparatemedizinischen Befunden, die vor durchgeführter Maßnahme - im Streitfall des Umzugs - erhoben wurden, zuverlässig beurteilen kann (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 2007 III R 28/06, nicht amtlich veröffentlicht - NV -). Eine diesen Anforderungen genügende nachträgliche Bescheinigung existiert nicht oder wurde vom Antragsteller zumindest nicht vorgelegt.

Die angegriffenen Einkommensteuerbescheide erscheinen bei summarischer Prüfung auch im Übrigen rechtsfehlerfrei. Der Senat vermag insbesondere die der Besteuerung der Leibrenten des Antragstellers im Streitfall zugrundeliegende Gesetzesbestimmung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe a.A. EStG in der für Veranlagungszeiträume ab 2005 geltenden Fassung nicht als verfassungswidrig zu beanstanden. Der Gesetzgeber hat die einkommensteuerliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Bezügen im Alter aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts (Bundesverfassungsgericht - BVerfG - Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99, BStBl II 2002, 618, Sammlung der Entscheidungen des BVerfG - BVerfGE - 105, 73) mit dem Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) vom 5. Juli 2004 ab dem Kalenderjahr 2005 neu geregelt und den Übergang von der vorgelagerten zur nachgelagerten Besteuerung der Renten mit einem Übergangszeitraum bis in das Kalenderjahr 2040 eingeleitet. Die Jahresrente des Antragstellers mit Rentenbeginn bis 2005 wird daher erstmals im Streitjahr 2005 nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe a.A. EStG mit einem Besteuerungsanteil in Höhe von 50 vom Hundert in die Besteuerung des Einkommens einbezogen. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch nach Aktenlage für den erkennenden Senat ersichtlich, dass die Besteuerung der Leibrente des Antragstellers in den Streitjahren mit einem Anteil von 50 vom Hundert zu einer Mehrfachbesteuerung führen und Rechte des Antragsstellers verletzen würde. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass aufgrund des nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe a.A. EStG im Streitfall vorgesehenen Besteuerungsanteils von 50 vom Hundert die aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge zur Rentenversicherungen höher sind, als der bereits zugeflossene und noch zu erwartende steuerfreie Rentenbezug des 1931 geborenen Antragstellers. Es besteht somit kein Anhaltspunkt für eine verfassungswidrige Mehrfachbesteuerung, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide der Streitjahre im Aussetzungsverfahren auslösen könnten (zur Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Leibrenten vgl. Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht - FG - Urteil vom 23. April 2007 3 K 148/05, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2007, 1077).

Der Senat kann es im Aussetzungsverfahren letztlich dahinstehen lassen, ob die Besteuerung der Leibrenten ab dem Kalenderjahr 2005 verfassungsgemäß ist. Die Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung wäre auch dann zu versagen, wenn der Senat an der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Leibrenten ab dem Veranlagungszeitraum 2005 ernstlich zweifeln würde. Die Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung ist trotz ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nur zu gewähren, wenn darüber hinaus ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Juni 2006 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663 m.w.N.; Koch in Gräber, FGO, 6. Auflage, § 69 Rz. 88 m.w.N.). Im Hinblick auf den Geltungsanspruch eines jeden formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes hat neben ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Besteuerungsgrundlage grundsätzlich ein besonderes berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, das im Rahmen einer Abwägung des öffentlichen und individuellen Interesses festzustellen ist, hinzutreten (vgl. BFH-Beschluss vom 6. November 2001 II B 85/01, BFH/NV 2002, 508 m.w.N.; Koch in Gräber, FGO, 6. Auflage, § 69 Rz. 113 m.w.N.). Das öffentliche Interesse an einer geordneten und verlässlichen Haushaltsführung ist im Allgemeinen so gewichtig, dass das Interesse des Steuerpflichtigen an einer Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids - sein Individualanspruch - dahinter zurückzutreten hat (vgl. BFH-Beschluss vom 19. August 1994 X B 318/93 u a., BFH/NV 1995, 143 m.w.N.; Koch in Gräber, FGO, 6. Auflage, § 69 Rz. 113 m.w.N.). Das öffentliche Interesse einer geordneten Haushaltsführung ist gegenüber dem Individualinteresse nur dann nachrangig, wenn das Steuergesetz mit höherer Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig ist und nicht damit gerechnet werden kann, dass das BVerfG die Weitergeltung des Gesetzes anordnen wird (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2003 IX B 177/02, BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367). Dem Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist darüber hinaus ausnahmsweise dann Vorrang einzuräumen, wenn das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Fortbestand gesetzliche Regelungen schwerer wiegt als das Interesse des Gesetzgebers an der Änderung (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BFHE 209, 204, BStBl II 2005, 351) oder wenn dem Steuerpflichtigen durch die vorläufige Vollziehung irreparable Nachteile drohen, die den Rechtsschutz hinfällig werden lassen oder wenn das zu versteuernde Einkommen des Steuerpflichtigen abzüglich der zu entrichtenden Steuer unter dem sozialhilferechtlich garantierten Existenzminimum liegt (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 1991 III B 83/91, BFH/NV 1992, 246). Die vorgenannten Voraussetzungen, die für die Gewährung der Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung im Falle ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Besteuerungsgrundlage - die der Senat wie ausgeführt im Streitfall nicht zu erkennen vermag - hinzutreten müssen, um das berechtigte Individualinteresse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Abwägung zum öffentlichen Interesse an einer geordneten und verlässlichen Haushaltsführung zu überwiegenden, liegen im Streitfall nicht vor. Insbesondere verbleibt dem Antragsteller und seiner Ehefrau auch nach Entrichtung der Steuer in den Streitjahren 2005 und 2006 trotz eines Besteuerungsanteils der Leibrenten des Antragstellers und seiner Ehefrau in Höhe von 50 vom Hundert ein Einkommen nach Steuern, das für 2005 bzw. 2006 mit einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 24.343 EUR bzw. 23.631 EUR und einer festgesetzten Einkommensteuer in Höhe von 1.710 EUR bzw. 1.548 EUR deutlich über dem sozialhilferechtlich garantierten Existenzminimum liegt.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide der Streitjahre bestehen nicht allein deshalb, dass im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung zur Rechtsfrage der Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Altersrenten ein Revisionsverfahren beim BFH unter dem Az. X R 15/07 anhängig ist. Die bloße - im Streitfall vom Antragsteller nicht erhobene - Behauptung, das belastende Gesetz sei verfassungswidrig, reicht für ernstliche Zweifel zur Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung ebenso wenig aus wie der Umstand, dass die Verfassungswidrigkeit im Wege der Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG geltend gemacht worden ist (vgl. Koch in Gräber, FGO, 6. Auflage, § 69 Rz. 90 m.w.N.). Bei der - nach Kenntnis des Senats im Zeitpunkt der Entscheidung über den Aussetzungsantrag - noch nicht ergangenen Entscheidung über den Einspruch des Antragstellers und seiner Ehefrau gegen den Einkommensteuerbescheid des Streitjahrs 2005 wird der Antragsgegner das Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 3. August 2007 (Az. IV A 4 - S 0338/07/0003) zu beachten und im Hinblick auf das beim BFH unter dem Az. X R 15/07 anhängige Musterverfahren die Steuer hinsichtlich der Besteuerung der Leibrenten auch für das Streitjahr 2005 - wie mit Bescheid vom 30. August 2007 für das Streitjahr 2006 bereits erfolgt - vorläufig festzusetzen zu haben. Durch den im Streitfall noch zu erteilenden Vorläufigkeitsvermerk auch für den noch nicht bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid 2005 wird das Rechtsschutzbedürfnis der betroffenen Steuerpflichtigen - auch des Antragstellers - für die Streitjahre 2005 und 2006 gewahrt und gewährleistet, von einer nachfolgenden günstigen Entscheidung im Musterverfahren - ohne das Risiko weitere Gerichtskosten tragen zu müssen - selbst profitieren zu können.

bb) Der Senat vermag auch hinsichtlich des angefochtenen Vorauszahlungsbescheids 2007 keine ernstlichen Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit zu erkennen. Vorauszahlungen sind nach § 37 Abs. 5 Satz 1 EStG festzusetzen, wenn sie mindestens 200 EUR im Kalenderjahr und mindestens 50 EUR für einen Vorauszahlungszeitpunkt betragen. Der Tatbestand dieser Norm ist im Streitfall erfüllt. Die Vorauszahlungen im Kalenderjahr 2007 waren mit vierteljährlich je 126 EUR festgesetzt und betrugen somit mehr als 200 EUR im Kalenderjahr und jeweils mehr als 50 EUR für einen Vorauszahlungszeitpunkt. Die festzusetzenden Vorauszahlungen bemessen sich nach § 37 Abs. 3 Satz 2 EStG grundsätzlich nach der Einkommensteuer, die sich - wie im Streitfall - nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge bei der letzten Veranlagung - im Streitfall 2005 - ergeben hat. Die Vorauszahlungen für 2007 wurden inzwischen - wie gesetzlich in § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG vorgesehen - vom Antragsgegner an die aktuelle Einkommensteuer angepasst. Nach Durchführung der Veranlagung 2006 setzte der Antragsgegner mit Vorauszahlungsbescheid vom 30. August 2007 die Vorauszahlung für 2007 herab.

cc) Das Gericht kann die Vollziehung der angefochtenen Verwaltungsakte nach § 69 Abs. 3 Satz 1 bzw. Satz 3 FGO i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO auch dann aussetzen bzw. aufheben, wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte oder - im Falle der Vollziehung - bereits hatte. Eine unbillige Härte i. S. der vorgenannten Bestimmung liegt vor, wenn durch die Vollziehung der angefochtenen Verwaltungsakte dem Antragsteller wirtschaftliche Nachteile drohen, die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (BFH-Beschluss vom 2. Juni 2005 III S 12/05, BFH/NV 2005, 1836; vgl. Koch in Gräber, FGO, 6. Auflage, § 69 Rz. 105 m.w.N.). Zwar mag es sein, dass durch die notwendige behindertengerechte Unterbringung ein wesentlicher Mehraufwand entsteht und der Antragsteller die zum Bestreiten seines eigenen Lebensunterhalts und den seiner Ehefrau aus Renten und Pension zur Verfügung stehenden Mittel als "klein" empfindet. Dies reicht für eine unbillige Härte zur Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung der angegriffenen Steuerbescheide jedoch nicht aus. Der Senat vermag weder aus den Akten noch aus dem Vortrag des Antragsstellers zu erkennen, dass die nach Vollzug der angegriffenen Steuerbescheide dem Antragsteller verbleibenden Mittel seine wirtschaftliche Existenz gefährden oder nicht bzw. nur schwer wieder gutzumachende wirtschaftliche Nachteile zur Folge haben würden. Gegen das Vorliegen einer unbilligen Härte im Streitfall spricht ferner, dass der Antragsteller wirtschaftlich in der Lage war, zumindest die Steuernachzahlung für das Streitjahr freiwillig - wenn auch unter Vorbehalt - zu erbringen. Hinzu kommt, dass die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren auch im Falle der Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte zu berücksichtigen sind. Sind Rechtmäßigkeitszweifel fast ausgeschlossen, ist die Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung selbst dann zu versagen, wenn die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte (BFH-Beschluss vom 2. Juni 2005 III S 12/05, BFH/NV 2005, 1836; vgl. Koch. in: Gräber, FGO, 6. Auflage, § 69 Rz. 107 m.w.N.). Der erkennende Senat zweifelt - wie bereits ausgeführt - an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide nach Aktenlage jedoch nicht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück