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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 09.06.2006
Aktenzeichen: 9 K 92/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG 1977 § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

9 K 92/04

Tatbestand:

Streitig ist, ob Wege von einer zweiten Wohnung der Kläger (Kl), die von ihren Arbeitsstätten weiter entfernt liegt, in vollem Umfang als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte berücksichtigt werden können.

I.

Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute ohne Kinder. Der Kl arbeitet als Bankangestellter in -Y-, die Kl'in als Angestellte in einem Immobilienbüro in -A-. Der Kl stammt aus -X-, die Kl'in ist in -M- aufgewachsen und wohnte vor ihrer 1988 erfolgten Heirat in -B-.

Im Streitzeitraum war der Kl aufgrund vorweggenommener Erbfolge neben seinem Bruder Miteigentümer eines Hauses in -X-, das während seiner Abwesenheit allein von seiner Mutter genutzt wurde. Der Mutter stand aufgrund eines Vorbehaltsnießbrauchs zwar die Nutzung des gesamten, eine Wohnfläche von 200 qm umfassenden Gebäudes zu, doch nahm sie von den sieben Zimmern nur zwei in Anspruch. Den Kl stand ein eigenes Bad zur Verfügung. Die Mutter des Kl litt an Alzheimer und wurde während der Anwesenheit der Kl von diesen, im Übrigen vom Bruder des Kl und einem ambulanten Pflegedienst betreut.

An ihren freien Tagen hielten sich die Kl fast ausschließlich in -X- auf. Da die Kl'in in der Gestaltung ihrer Arbeitszeit freier war als der Kl, verbrachte sie aufgrund des sich im Streitzeitraum verschlechternden Gesundheitszustandes der Schwiegermutter auch während der Woche einzelne Nächte in -X-.

Ihre Freizeitaktivitäten entfalteten die Kl ausschließlich in -X-. Hier hatten sie ihren Freundes- und Bekanntenkreis, hier feierten sie auch größere Feste wie den 30. Geburtstag der Kl im Jahr 1998 und den 50. Geburtstag des Kl im Jahr 1999. Beide Kl können auf eine langjährige aktive Mitgliedschaft im Tennisclub -X- zurückblicken. Der Kl ist Schatzmeister des in -V- bei -X- ansässigen .....Clubs ..........., auch die Kl ist dort aktiv. In -X- geht der Kl zur Jagd. Er ist Mitglied des ....-Ortsverbandes -X-. Arztbesuche der Kl finden in -X- statt. Die Kraftfahrzeuge des Kl sind in -X- gemeldet, die .......-Führerscheine der Kl sind auf die -X- Anschrift ausgestellt. Der Kl hat seit vielen Jahren sein Bankkonto bei der ..... bank -X-.

Die Kl haben nach ihrer Heirat vier Jahre lang in -X- gewohnt. 1992 haben sie eine Doppelhaushälfte in -A- erworben. Ausschlaggebend dafür war in erster Linie, dass sie von der Vergünstigung des § 10e Einkommensteuergesetz (EStG) Gebrauch machen wollten. Nach ihren Vorstellungen sollte das Anlageobjekt den Weg zur Arbeitsstätte des Kl verkürzen. Da den Kl Angebote im Raum -Y- zu teuer erschienen, entschlossen sie sich zu der Anschaffung in -A-, was für die Kl'in den Vorteil hatte, dass sich der Weg zu ihrer Arbeitsstätte verkürzte. In -A- waren die Kl, die oftmals bis spät in den Abend arbeiteten, am Aufbau weiterer Beziehungen nicht interessiert. Die bestehenden Beziehungen zu Verwandten und Freunden waren nach den Angaben der Kl'in nicht ausschlaggebend für den Erwerb der Wohnung in -A-. Sie legte vielmehr das Schwergewicht auf den -X- Freundes- und Bekanntenkreis ihres Ehemannes, in den sie sich von Anfang an einbinden ließ. Die Wohnung in -A- war als Erstwohnsitz der Kl angemeldet, die Wohnung bei der Mutter in -X- als Zweitwohnsitz. Nur für die Wohnung in -A- bestand ein Telefonanschluss auf den Namen der Kl. Inzwischen wohnen die Kl nicht mehr im Haus der am 25. Mai 2004 verstorbenen Mutter, sondern haben sich eine Mietwohnung in -X- genommen.

II.

1. Am 9. Oktober 2002 gaben die Kl ihre Einkommensteuererklärung für 2001 ab.

Seine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erklärte der Kl wie folgt:

 1 Arbeitstag pro Woche mit Pkw von -X- nach -Y-,einfache Entfernung 172 km,insgesamt 38 Tage,
4 Arbeitstage pro Woche mit Pkw von -Z- nach -A- Hbfund von dort mit der Bahn nach -Y-(einfache Entfernung: 7 km)(einfache Entfernung: 89 km),insgesamt 152 Tage.

Die Kl'in beantragte die Berücksichtigung folgender Fahrten:

 2 Arbeitstage pro Woche mit Pkw von -X- nach -A-,einfache Entfernung 77 km,
insgesamt 102 Tage,3 Arbeitstage pro Woche mit Pkw von -Z- nach -A-,
einfache Entfernung: 8 km,insgesamt 123 Tage.

Nachdem er in den Vorjahren noch Fahrten von -X- aus anerkannt hatte, teilte der Beklagte (Bekl.) den Kl mit Schreiben vom 16. Oktober 2002 mit, dass sich "nach Aktenlage" ihr Lebensmittelpunkt in -A- befinde und ihre Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von -X- nach -Y- bzw. von -X- nach -A- nicht mehr berücksichtigt werden könnten.

Die Kl versuchten darauf hin den Bekl davon zu überzeugen, dass der Mittelpunkt ihres Lebensinteresses in -X- liege, weil sie dort gemeinsam mit der pflegebedürftigen Mutter ein Haus bewohnten. Der Bekl ließ dies nicht gelten. Im Einkommensteuerbescheid vom 19. November 2002 erkannte er beim Kl folgende Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an:

 Wege mit dem eigenen Pkw  
152 Tage x 7 km x 0,70 DM744,80745
Wege mit sonstigen Verkehrsmitteln  
152 Tage x 3 km x 0,70 DM319,20 
152 Tage x 86 km x 0,80 DM10.457,60 
zusammen10.776,80 
höchstens jedoch10.000,0010.000
Entfernungspauschale 10.745

2. Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 19. November 2002 legten die Kl Einspruch ein. Mit Entscheidung vom 16. Februar 2004 wies der Bekl den Einspruch zurück.

Bei Gesamtwürdigung aller Umstände befinde sich der Lebensmittelpunkt der Kl in -A-. Die in -X- genutzte Wohnung sei die Wohnung der Mutter, die von dieser auch genutzt werde. Nur in der Wohnung in -A- bestehe ein eigener Festnetzanschluss. Die Aufbewahrung privater Dokumente und die Abwicklung privater Rechtsbeziehungen erfolge in -A-. Von -A- aus begäben sich die Kl überwiegend zur Arbeit. -A- sei der einzige gemeinsame Familienwohnsitz der Kl, da sie während der Woche jeweils getrennt nach -X- reisten. Der Wohnort der Mutter werde durch die Notwendigkeit ihrer Betreuung nicht zum eigenen Lebensmittelpunkt der Kl, die Fahrten dorthin hätten den Charakter privater Besuche. Mangels entsprechender Nachweise sei auch zweifelhaft, ob die Kosten überhaupt in der geltend gemachten Höhe angefallen seien.

II.

Am 12. März 2004 haben die Kl Klage erhoben. Wenn nach der Rechtsprechung bereits eine Massenunterkunft für das Innehaben einer Wohnung tauge, so dürfe der Umstand, dass die pflegebedürftige Mutter die Sieben-Zimmer-Wohnung mitbewohne, nicht dazu führen, den Kl die tatsächliche Verfügungsmacht über die Wohnung in -X- abzusprechen. Dem Umstand, dass die Kl nur in der -A-er Wohnung einen Festnetzanschluss unterhielten, komme im Zeitalter von Mobiltelefonen keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zu. Der Umstand, von wo aus sich jemand häufiger an seine Arbeitsstätte begebe, könne zwar grundsätzlich ein Indiz dafür sein, wo der Mittelpunkt des Lebensinteresses liege. Doch seien die Herkunft des Kl aus -X-, der dortige Verwandten-, Freundes- und Bekanntenkreis, die dortigen Vereinsaktivitäten und nicht zuletzt die Pflegebedürftigkeit der Mutter gewichtigere Beweiszeichen dafür, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen in -X- liege. Die vom Bekl aufgestellte Behauptung, die privaten Dokumente würden in -A- aufbewahrt und die privaten Rechtsbeziehungen würden dort abgewickelt, treffe nicht zu. Die ihnen möglichen Nachweise für die durchgeführten Fahrten hätten die Kl erbracht.

Die Kl beantragen,

die Einspruchsentscheidung vom 16. Februar 2004 aufzuheben und die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte des Kl und der Kl'in in der Höhe anzuerkennen, wie sie in der Einkommensteuererklärung vom 9. Oktober 2002 erklärt wurden.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Rechtsauffassung fest. Aus dem Umstand, dass die Kl eine Doppelhaushälfte in -A- erworben hätten, könne die Schlussfolgerung gezogen werden, dass sich der dort von der Kl'in vor ihrer Eheschließung inne gehabte Lebensmittelpunkt so verfestigt hatte, dass die Kl hätten in -A- bleiben wollen. Die Aufenthalte bei der Mutter des Kl in -X- hätten den Charakter privater Besuche gehabt. Der erste Anschein spreche dafür, dass sich am Ort der Tätigkeit der Ehefrau und des eigenen Wohnhauses mit eigenem Hausstand und eigener Wohnungseinrichtung auch der Lebensmittelpunkt der Kl befinde, zumal die Arbeitsstätte des Kl von -A- aus wesentlich verkehrsgünstiger erreichbar sei als von -X- aus. Außerdem sei die Anzahl der Fahrten weder schlüssig dargelegt noch nachgewiesen. Notwendig sei die datumsmäßige Benennung der einzelnen Fahrten und eine Erklärung, weshalb die Ehegatten jeweils getrennt, an verschiedenen Tagen nach -X- gefahren seien.

Am 17. März 2006 hat der Berichterstatter einen Erörterungstermin durchgeführt, bei dem der Kl angegeben hat, es sei von Wetter- und Verkehrsberichten abhängig gewesen, ob er mit dem Auto direkt von -X- nach -Y- oder von -X- nach -A- und von dort weiter mit der Bahn nach -Y- gefahren sei; auf die Niederschrift Bl. 54 der Gerichtsakten wird verwiesen. Ergänzend teilte der Kl mit Schriftsatz vom 7. April 2006 mit, dass er an 32 Wochenenden mit je einer Fahrt Montagmorgen von -X- nach -Y- und am Freitagabend von -Y- nach -X- gefahren sei und an 6 Tagen eine Hin- und Rückfahrt direkt zwischen -Y- und -X- stattgefunden habe. Da er, der Kl, über keine Aufzeichnungen mehr verfüge, habe er aus Vereinfachungsgründen die Tage nicht in seine Berechnung eingestellt, an denen er aus Witterungs- oder Verkehrsgründen bei Fahrten von -X- aus in -A- auf die Bahn umgestiegen sei oder an denen er aufgrund verspäteter Ankunft auf dem Bahnhof mit dem Pkw von -A- nach -Y- gefahren sei.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist begründet.

Der Einkommensteuerbescheid vom 19. November 2002 und die Einspruchsentscheidung vom 16. Februar 2004 sind rechtswidrig und verletzen die Kl in ihren Rechten aus § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EStG. Gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) wird deshalb die Einspruchsentscheidung aufgehoben und der Einkommensteuerbescheid wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO geändert. Gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO wird dem Bekl aufgegeben, die Steuer nach Maßgabe der im Entscheidungstenor bestimmten Verhältnisse neu zu berechnen.

1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EStG 1997 in der im Streitzeitraum geltenden Fassung des Art. 1 Gesetz zur Regelung der Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern vom 21. Dezember 2000 (Bundesgesetzblatt --BGBl-- I 2000, 1978) sind Werbungskosten auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,70 DM (0,36 Euro) für die ersten 10 Kilometer und 0,80 DM (0,40 Euro) für jeden weiteren Kilometer anzusetzen, höchstens jedoch 10.000 DM (5.112 Euro); ein höherer Betrag als 10.000 DM (5.112 Euro) ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt. Hat ein Arbeitnehmer mehrere Wohnungen, so sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Satz 7 EStG die Wege von einer Wohnung, die nicht der Arbeitsstätte am nächsten liegt, nur zu berücksichtigen, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird.

a) Die Kl hatten im Streitzeitraum zwei Wohnungen, von denen die in -Z- gelegene von ihren Arbeitsstätten in -Y- und -A- weiter entfernt lag als die Wohnung in -X-. Die von der Mutter des Kl aufgrund ihres Vorbehaltsnießbrauchs genutzte Wohnung in -X- ist den Kl als im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Satz 7 EStG eigene Wohnung zuzurechnen. Ein Arbeitnehmer "hat" im Sinne der genannten Vorschrift eine Wohnung nicht nur dann, wenn er Eigentümer derselben ist, sondern er ein Recht auf ihre Nutzung hat. Dieses Recht kann aufgrund eines Mietvertrages bestehen, jedoch auch aufgrund unentgeltlicher Nutzungsüberlassung. Im vorliegenden Falle war der Kl im Streitzeitraum Miteigentümer des von ihm genutzten Hauses. Soweit ihm die Nutzung nicht kraft Eigentums zustand, wurde ihm diese von seinem Bruder als dem anderen Miteigentümer und seiner Mutter, die insoweit auf die Ausübung des ihr zustehenden Vorbehaltsnießbrauchs verzichtete, überlassen. Da das Haus in -X- sieben Zimmer hatte und den Kl auch ein eigenes Badezimmer zur Verfügung stand, war eine hinlängliche räumliche Trennung gewährleistet, die es rechtfertigt, von einem eigenen Wohnbereich der Kl auszugehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 26. August 1988 VI R 92/85 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFHE--155,61, Bundessteuerblatt -BStBl--II, 1989, 144) sogar eine zweite gemeinschaftliche Wohnung eines noch eine weitere Wohnung besitzenden Steuerpflichtigen als eigene Wohnung im vorgenannten Sinne angesehen, wenn nachgewiesen wird, dass dieser dort seit längerer Zeit ständig lebt und übernachtet.

b) Die Kl haben sich in ihrer Freizeit nahezu ausschließlich in -X- aufgehalten und somit die dortige Wohnung nicht nur gelegentlich aufgesucht.

c) Die Wohnung in -X- bildete auch den Mittelpunkt der Lebensinteressen der Kl. Wo eine Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, wird bestimmt durch die persönlichen Beziehungen zu diesem Ort und die Art und Weise, wie die Beziehungen aufrechterhalten werden. Die persönlichen Beziehungen können ihren Ausdruck besonders in Bindungen an Personen (Eltern, Verlobte, Freundes- und Bekanntenkreis) finden, aber auch z.B. in Vereinszugehörigkeiten und anderen Aktivitäten. Hierdurch kann sich eine Person an einem Ort besonders verwurzelt fühlen (s. BFH-Urteil vom 20. Dezember 1982 VI R 64/81, BFHE 137, 463, BStBl II 1983, 306 unter 2b) dd), am Ende). Der Ort, zu dem ein Arbeitnehmer besondere Beziehungen hat, kann aber nur dann als Mittelpunkt der Lebensinteressen angesehen werden, wenn sich der Arbeitnehmer nachhaltig dort aufhält. Nur dann ist der Schluss gerechtfertigt, dass der Arbeitnehmer die Bindungen nicht nur durch gelegentliche Besuchsfahrten, sondern dadurch aufrechterhält, dass er weitgehend dort lebt (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1985, BFHE 145,386, BStBl II 1986,221). In seinem Urteil vom 10. November 1978 VI R 240/74 (BFHE 126, 522, BStBl II 1979, 224) hat der BFH den Mittelpunkt der Lebensinteressen eines Ledigen in einer Wohnung bejaht, weil dieser, von den Abenden an den Wochenarbeitstagen abgesehen, seine gesamte Freizeit am Ort dieser Wohnung verbracht hatte.

Im vorliegenden Falle sind die Kl in -X- verwurzelt. Fast ihr ganzer Freundes- und Bekanntenkreis befindet sich dort. Ihre Freizeitaktivitäten entfalten die Kl ausschließlich in -X-, hier sind sie seit Jahren aktive Mitglieder mehrerer Vereine, hier geht der Kl seinem Jagdhobby nach. Arztbesuche der Kl finden in -X- statt, die Kraftfahrzeuge des Kl sind in -X- gemeldet, die .......-Führerscheine der Kl sind auf die -X- Anschrift ausgestellt. Der Kl hat seit vielen Jahren sein Bankkonto bei der .......... bank -X-. Nach ihrer Eheschließung haben die Kl vier Jahre lang in -X- gewohnt, nach dem Tod der Mutter haben sie sich dort eine Mietwohnung gesucht. Ein wesentlicher Faktor für die Verwurzelung des Kl in seiner Heimatstadt - und in der Folge davon auch der Kl' in - war die Mutter, deren gemeinsam mit dem Bruder durchgeführte Pflege die Beziehungen nach -X- noch verstärkte.

Dass die Kl von -A- aus mehr Fahrten zu ihren Arbeitsstätten durchführten als von -X- aus, ändert am gefundenen Ergebnis nichts. Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Satz 7 EStG selbst zeigt, dass dem Verhältnis der jeweiligen Anzahl der durchgeführten Fahrten zueinander wenig Bedeutung zukommen kann. Denn selbst wenn eine zweite Wohnung nur wenig mehr als gelegentlich aufgesucht wird, kann sie den Mittelpunkt des Lebensinteresses des Arbeitnehmers bilden. Ebenso wenig ausschlaggebend ist, dass die Kl in -A- ein eigenes Einfamilienhaus besaßen und der Kl mit seiner Ehefrau während der Woche dort lebte. Als kinderloses Ehepaar waren die Kl beweglicher als eine Familie mit kleinen Kindern, bei denen das eigene Haus als "Nest" der Familie eine größere Bedeutung für die Bestimmung des Lebensmittelpunktes haben mag. Das Argument des Bekl, dass die Anschaffung des Einfamilienhauses in -A- der Aufrechterhaltung der Beziehungen dienen sollte, welche die Kl' in vor ihrer Eheschließung dort aufgebaut habe, ist nicht mehr als eine Mutmaßung, welche durch die tatsächlichen Umstände widerlegt wird. Denn nach ihrer Heirat hat auch die Kl ihre Freizeit- und Vereinsaktivitäten sowie den Schwerpunkt ihres Beziehungskreises nach -X- verlegt. Nebensächlich ist der Umstand, dass die Kl in -X- über keinen auf ihren Namen geführten Festnetzanschluss verfügten. Entscheidend ist, dass sie telefonisch erreichbar waren, wenn sie dies wollten. In einem Zeitalter, in dem es Mobiltelefone gibt und so gut wie jede Wohnung über einen Telefonanschluss verfügt, ist dies leicht auch ohne einen auf den eigenen Namen eingerichteten Festanschluss zu bewerkstelligen.

2. Das Gericht hält auch die Anzahl der von den Kl geltend gemachten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für glaubhaft. Beide Kl arbeiten 5 Tage in der Woche. Der Kl hat insgesamt 190 Tage mit Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angegeben, was es glaubhaft erscheinen lässt, dass er aus Vereinfachungsgründen - wie er sagt - noch einige wenige Tage weggelassen hat, in denen er aus Witterungs- oder Verkehrsgründen teilweise auf die Bahn umgestiegen oder aufgrund von Verspätungen mit dem Auto von -A- nach -Y- gefahren ist. Angesichts der Vielzahl der dargelegten Freizeitaktivitäten des Kl und des sich zunehmend verschlechternden Gesundheitszustandes der 2004 verstorbenen Mutter erscheint es nachvollziehbar, dass der Kl im Jahr 2001 38 Fahrten von -X- nach -Y- durchgeführt hat und auch dass dies wegen der mit der Bahnbenutzung verbundenen Umstände mit dem eigenen Kraftfahrzeug geschehen ist. Ebenso glaubhaft ist, dass die auf Grund ihres Berufes zeitlich flexiblere, sich als Frau aber auch auf Haushalt und Pflege besser verstehende Kl' in häufiger nach -X- gefahren ist als der Kl, zumal der Weg von -X- zu ihrer Arbeitsstätte in -A- mit 77 km wesentlich kürzer war als der des Kl nach -Y- mit 172 km. Bei den unterschiedlichen Arbeitszeiten der Kl und dem Umweg, der für den Kl mit der Bildung einer Fahrgemeinschaft verbunden gewesen wäre, erscheint es nachvollziehbar, dass die Kl, wie in der Steuererklärung erklärt, jeweils ihr eigenes Fahrzeug benutzt haben.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. mit §§ 708 Nr. 10 und 711 Zivilprozessordnung. Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung hält der Senat nicht für erforderlich.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Revisionsgründe vorliegt. Insbesondere liegt keine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung vor. Die dem Fall zugrunde liegenden Rechtsfragen sind durch die zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt.



Ende der Entscheidung

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