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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 12.02.2009
Aktenzeichen: 10 K 10230/06 B
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32
EStG § 62 Abs. 1
EStG § 65 Abs. 2
EStG § 66 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 10. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. Februar 2009

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts ...,

die Richterin am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ... sowie

die ehrenamtlichen Richter ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 21. Juli 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. März 2006, geändert durch Bescheid vom 15. Januar 2008 in der Fassung der Erklärung vom 12. Februar 2009 verpflichtet, den Kläger hinsichtlich seines Anspruchs auf Kindergeld in voller gesetzlicher Höhe für seine Kinder B, C und D für den Zeitraum ab September 2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand:

Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und wohnt ausweislich des in Abschrift vorgelegten Mietvertrages vom 03.01.2005 bei seiner in X lebenden Schwester zur Untermiete.

Am 29.12.2004 meldete er beim ... von X seine gewerbliche Betätigung im Bereich Trockenbau, Holz und Bautenschutz sowie Export und Import von Bauelementen an. Unter dem 14.04.2005 beantragte der Kläger für seine beiden am 17.03.1989 geborenen Zwillingssöhne B und C sowie den am 27.04.2001 geborenen Sohn D, die zusammen mit der Mutter und polnischen Ehefrau des Klägers in Polen leben, Kindergeld. Ausweislich einer Bescheinigung der Anstalt für Sozialbeihilfe von Y vom 24.01.2005 bezog die Ehefrau des Klägers bis Januar 2005 Familienbeihilfe mit Zuschlägen für drei Kinder in Höhe von monatlich 139,00 PLN, deren weitere Auszahlung auf schriftlichen Antrag unter dem 21.01.2005 zunächst beendet, aber nach einer weiteren Erklärung der polnischen Verbindungsstelle vom 24.11.2008 am 01.09.2005 wieder aufgenommen wurde. Seit dem 01.04.2005 geht die Ehefrau des Klägers in Polen keiner beruflichen Tätigkeit mehr nach.

Mit Bescheid vom 21.07.2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung von Kindergeld mit der nicht weiter ausgeführten Begründung ab, nach den bislang vorliegenden Unterlagen seien die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 62 des Einkommensteuergesetzes - EStG - nicht erfüllt. Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs führte der Kläger unter Vorlage einzelner Rechnungen zu durchgeführten handwerklichen Arbeiten aus, er sei im Besitz einer unbefristeten EU-Freizügigkeitsbescheinigung und bestreite aus den Einkünften aus seiner gewerblichen Betätigung in Deutschland den Lebensunterhalt für sich und seine in Polen lebende vierköpfige Familie. Die Beklagte wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 20.03.2006 mit der Begründung zurück, der Kläger habe weder den Nachweis seines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland erbracht noch in anderer geeigneter Weise seine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nachgewiesen.

Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage macht der Kläger geltend, er sei in X ordnungsbehördlich angemeldet, habe seinen inländischen Wohnsitz entgegen der Auffassung der Beklagten unter Vorlage des Untermietvertrages mit Frau E ausreichend nachgewiesen und sei deshalb unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. In Polen gehe er ausweislich der Bescheinigung des Steueramtes in Z vom 10.02.2006 keiner wirtschaftlichen Betätigung nach. Ferner legte der Kläger weitere Rechnungen zu im Kalenderjahr 2005 erbrachten Handwerkerleistungen mit einem Gesamtumfang für dieses Jahr in Höhe von 8.015,00 EUR vor.

Nachdem der Kläger im weiteren Prozessverlauf eine Bescheinigung des Finanzamts W vom 10.09.2007 darüber beigebracht hatte, dass er seit dem 01.01.2005 als nach § 1 Abs. 3 EStG unbeschränkt steuerpflichtig geführt wird, hat die Beklagte durch Änderungsbescheid vom 15.01.2008 Kindergeld für seine drei Kinder ab April 2005 in Höhe von jeweils 77,00 EUR festgesetzt, für die beiden älteren Kinder befristet bis März 2007. Die Zahlung von Kindergeld nur in dieser Höhe begründete die Beklagte damit, dass der Kläger nach seinen Angaben in Deutschland nicht sozialversicherungspflichtig sei und deshalb ebenso wenig wie seine nicht berufstätige Ehefrau in Polen vom persönlichen Geltungsbereich der EWG-VO Nr. 1408/71 und der EWG-DVO Nr. 574/72 erfasst werde. Damit lasse sich auch eine vorrangige Leistungspflicht in Deutschland nicht aus der Konkurrenzregelung des Art 10 DVO herleiten mit der Folge, dass der Anspruch auf dem inländischen Kindergeld vergleichbare Familienleistungen in Polen den Anspruch in Deutschland nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG ausschließe. Diese Regelung sei jedoch nicht mit Sinn und Zweck der gemeinschaftsrechtlichen Konkurrenzvorschriften vereinbar, so dass im Rückgriff auf die Konkurrenzvorschrift des Art. 12 Abs. 2 VO i.V.m. Art. 7 Abs. 1 DVO deutsches Kindergeld in hälftiger Höhe zu zahlen sei. Mit Erklärung in der mündlichen Verhandlung am 12.02.2009 hat die Beklagte die streitigen Bescheide weiter dahin abgeändert, dass für den Zeitraum von April bis August 2005 für die drei genannten Kinder volles Kindergeld in der gesetzlichen Höhe gewährt wird.

Die Beteiligten haben den Rechtsstreit, soweit bereits Kindergeld bewilligt worden ist, in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 21. Juli 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. März 2006, geändert durch Bescheid vom 15. Januar 2008 in der Fassung der Erklärung vom 12. Februar 2009 zu verpflichten, dem Kläger für seine Kinder B, C und D Kindergeld für den Zeitraum ab September 2005 in voller gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich zuletzt nur noch dahingehend eingelassen, dass Kindergeld in voller Höhe nur gezahlt werden könne, wenn die polnische Verbindungsstelle mit Vordruckerklärung E 411 entsprechende Feststellungen treffe, dass in Polen kein Anspruch auf Familienleistungen bestehe. Nur für den Aufhebungszeitraum von April bis August 2005 sei dies bislang geschehen.

Die Kindergeldakte (ein Band) hat zur Entscheidung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist hinsichtlich der begehrten Teilaufhebung der streitigen Bescheide und mit der Maßgabe der Verpflichtung zur Neubescheidung begründet (§ 101 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Bescheide, mit denen es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger ab September 2005 Kindergeld über die bewilligte Hälfte hinaus in voller gesetzlicher Höhe von 154,00 EUR je Kind (§ 66 Abs. 1 EStG) zu zahlen, sind mit der hierfür gegebenen Begründung rechtswidrig und verletzen ihn in seinen Rechten. Da über den Kindergeldanspruch in der geltend gemachten vollen Höhe jedoch nur nach einer von der Beklagten durchzuführenden weiteren Klärung der Sach- und Rechtslage im Ausland (Polen) entschieden werden kann, kommt eine gerichtliche Verpflichtung zur Bewilligung der Zahlung weiteren Kindergelds gegenwärtig nicht in Betracht.

Es kann dahinstehen, ob die durch den Änderungsbescheid vom 15.01.2008 erfolgte Bewilligung von Kindergeld in hälftiger Höhe mit der dafür von der Beklagten angeführten Rechtsgrundlage einer (analogen) Anwendung von Art. 12 Abs. 2 der VO (EWG) 1408/71 - i.V.m. Art. 7 Abs. 1 VO (EWG) 574/72 - jeweils in aktualisierter Gesamtfassung veröffentlicht in ABlEG Nr. 1 28 vom 30.01.1997 - tragfähig ist, obwohl die Beklagte selbst davon ausgeht, dass weder der Kläger noch seine Ehefrau vom persönlichen Geltungsbereich der Verordnung erfasst werden (ablehnend jedenfalls bei einem wie hier von der Beklagten unterstellten ungekürzten Anspruch auf Familienleistung in Polen: Hessisches Finanzgericht , Urteile vom 23.05.2007 3 K 3143/06 und vom 12.07.2007 2 K 2908/06).

Denn dieser Teil des von der Beklagten bewilligten Kindergeldes ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

Rechtsgrundlage für den weiter gehenden Kindergeldanspruch des Klägers sind mit Blick darauf, dass ihn das zuständige Finanzamt seit dem 01.01.2005 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die Vorschriften der §§ 32 Abs. 3, 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b), 66 Abs. 1 EStG, deren Voraussetzungen unstreitig vorliegen. Daran anknüpfend ist nicht ersichtlich, dass die Zahlung von Kindergeld in voller gesetzlicher Höhe gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG für die Zeit ab April 2005 (nunmehr korrigiert ab September 2005) ausgeschlossen war. Nach dieser Vorschrift wird Kindergeld für Kinder nicht gezahlt, für die im Ausland dem Kindergeld vergleichbare Leistungen gewährt werden oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären. Diese inländische Konkurrenzvorschrift wird im vorliegenden Fall nicht durch vorrangige Regelungen der VO (EWG) 1408/71 und der VO (EWG) 574/72 verdrängt. Insoweit ist die Beklagte auf der bis zum Zeitpunkt der Abänderung der streitigen Bescheide bestehenden Erkenntnisgrundlage zwar zutreffend davon ausgegangen, dass das deutsche Kindergeld in den sachlichen Geltungsbereich der von Art. 4 Abs. 1 Buchst. h) VO (EWG) 1408/71 erfassten Familienleistungen fällt, aber der durch Art. 13 und Art. 73 VO (EWG) 1408/71 bestimmte Vorrang der Rechtsvorschriften im Beschäftigungsland deshalb nicht ausgelöst wird, weil weder der Kläger noch seine Ehefrau eine sozialversicherungspflichtige selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit im Sinne des EWG-Verordnungsrechts entweder in Deutschland oder in Polen ausübt. Jedoch ist andererseits nicht, wie die Beklagte dies annimmt, zweifelsfrei ersichtlich, dass der inländische Kindergeldanspruch des Klägers durch einen Anspruch auf Bewilligung von vergleichbaren Familienleistungen in Polen gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen wird.

In Polen wird auf der Grundlage des Gesetzes über Familienleistungen vom 28.11.2003 (GBl. 2003, Nr. 228, Pos. 2255) mit Wirkung ab 01.05.2004 Eltern oder einem Elternteil eine Familienbeihilfe gezahlt, die dem Zweck einer teilweisen Deckung der Aufwendungen für den Kinderunterhalt dient und die damit dem deutschen Kindergeld vergleichbar ist. Für den hier noch streitigen Zeitraum ab September 2005 bestand ein Anspruch auf polnisches Familiengeld jedoch nur, wenn das monatliche Netto-Einkommen pro Familienmitglied nicht höher war als 504 PLN (vgl. MISSOC, Gegenseitiges Informationssystem der Europäischen Kommission zur sozialen Sicherheit in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, im Europäischen Wirtschaftsraum und in der Schweiz, Vergleichende Tabellen, IX. Familienleistungen, Teil 6: u.a. Polen , Stand am 01.01.2007). Nach dem Stand vom 30. September 2005 lautete der Umrechnungskurs für 1 EUR 3,9185 PLN und nach dem Stand vom 30.09.2006 3,9713 PLN. Bei diesen Umrechnungskursen würde die familiengeldschädliche Einkommensgrenze für die fünfköpfige Familie des Klägers im Jahr 2006 bei 634,55 EUR monatlich und im Jahr 2005 bei 643,10 EUR monatlich liegen. Hieraus ergäben sich Jahresbeträge für 2006 in Höhe von 7.614,60 EUR und von 7.717,20 EUR für 2005. Für 2004 läge die Grenze wegen des für 1 EUR bei über 4 PLN liegenden Umrechnungskurses noch deutlich darunter. Nach dem nunmehr vom Finanzamt W an das Gericht übermittelten Einkommensteuerbescheid 2005 vom 15.09.2006 erzielte der Kläger in 2005 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 7.297,00 EUR und wurde die Einkommensteuer mit 317,00 EUR festgesetzt. In den Erläuterungen heißt es weiter, dass die ausländischen Einkünfte des Klägers mangels eingereichter Unterlagen (Anlage EU/EWR sowie Aufstellung über die Zeiträume, in denen der Kläger sich in Deutschland aufgehalten hat) geschätzt werden mussten und in Höhe von 3.000 EUR in die Berechnung des Steuersatzes (Progressionsvorbehalt, § 32 b EStG) einbezogen wurden. Gegen diesen Bescheid soll nach Angaben des Finanzamts ein noch zu bescheidender verspäteter Einspruch eingelegt worden sein. Für die Festsetzung der Einkommensteuer lag dem Finanzamt auch eine Bescheinigung des Steueramtes in Z vom 22.09.2006 vor, wonach das Einkommen des Klägers im Jahr 2005 7.193,65 PLN betrug, was zusätzliche ausländische Einkünfte in Höhe von umgerechnet 1.835,81 EUR ausmachen würde.

Der vom Kläger im Klageverfahren selbst beigebrachte Einkommensteuerbescheid 2006 weist Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 10.080,00 EUR und eine auf Null festgesetzte Einkommensteuer aus. Im Bescheid ist ausgeführt, dass ausländische Einkünfte in Höhe von 1.000 EUR in die Berechnung des Steuersatzes einbezogen wurden. Hieraus wird deutlich, dass das Netto-Einkommen des Klägers in diesen beiden Kalenderjahren wohl den Wegfall des polnischen Anspruchs auf Familiengeld in den auf diese Jahre als Bemessungsgrundlage abstellenden Anspruchszeiträumen vom 01.09.2006 bis 31.08.2007 und vom 01.09.2007 bis 31.08.2008 (in diesem Zeitraum nur noch für das Kind D) zur Folge gehabt haben dürfte.

Fraglich könnte dies allerdings für die Monate September 2005 bis August 2006 sein, weil es insoweit für die Einkommensgrenze auf das durchschnittliche monatliche Einkommen der Familienmitglieder im vorangegangenen Kalenderjahr 2004 ankam (vgl. die Erläuterungen zur Bemessungsgrundlage nach Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes über Familienleistungen in der Anmerkung zum Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 11.06.2008 5 K 2208/07, EFG 2009,194,197) und sich der Kläger ausgehend von seiner gewerberechtlichen Anmeldung erst seit Beginn des Jahres 2005 in Deutschland betätigt hat. Für die Folgezeit spricht dagegen bislang alles dafür, dass der inländische Kindergeldanspruch des Klägers zum Tragen kommt, weil er nicht durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen ist.

Gleichwohl lässt sich die für den inländischen Kindergeldanspruch bedeutsame Frage des in Polen bestehenden Anspruchs auf Familienbeihilfe zurzeit nicht abschließend beantworten, und ist das Gericht auch nicht verpflichtet, selbst bis zur Spruchreife aufzuklären, ob der Kläger für den hier streitigen Zeitraum den vollen inländischen Kindergeldanspruchanspruch hat. Es darf sich vielmehr darauf beschränken, die Rechtswidrigkeit des von der Beklagten für die Versagung von Kindergeld in voller gesetzlicher Höhe angeführten Grundes, der andere Elternteil habe aufgrund seines Wohnsitzes in Polen (zweifelsfrei) einen Anspruch auf dem Kindergeld vergleichbare Leistungen, aus den oben genannten Gründen festzustellen (vgl. BFH, Urteil vom 02.06.2005 III R. 66/04, BStBl II 2006, 184; Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 11.06.2008 5 K 2208/07 a.a.O).

Die Beklagte hat bei der weiteren Aufklärung und Neubescheidung folgende erst im Verlauf des Klageverfahrens bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen: Die polnische Verbindungsstelle hat unter dem 17.11.2008 mit Vordruckerklärung E 411 bestätigt, dass für die drei Kinder des Klägers an dessen Ehefrau in der Zeit vom 01.04.2005 bis laufend Familienleistungen von insgesamt 12.563 PLN gezahlt worden sind, wobei es sich um monatliche und einmalige Zahlungen in unterschiedlicher Höhe gehandelt hat. Soweit die polnische Verbindungsstelle mit der weiteren Vordruckerklärung E 411 vom 24.11.2008 mitgeteilt hat, dass - laut Übersetzung durch die Beklagte- die Auszahlung der Familienleistungen "zum 01.02.2005 eingestellt wurde und der Beschluss über die Bewilligung (01.02.2005 bis 31.08.2005) aufgehoben wurde", hat die Beklagte dem zwar bereits durch die in der mündlichen Verhandlung erklärte Bescheidsänderung Rechnung getragen. Bestätigt wird jedoch von der Verbindungsstelle auch, dass im Zeitrum von 01.09.2005 bis 31.08.2008 für die drei Kinder weitere Leistungen in erheblichem Umfang ausgezahlt wurden. Mit einer ebenfalls beigefügten Vordruckerklärung E 001 vom 24.11.2008 fragt nunmehr die polnische Verbindungsstelle ihrerseits bei der Beklagten an, ob der Kläger in Deutschland berufstätig sei und ob und gegebenenfalls in welcher Höhe bis jetzt Familienleistungen für die drei Kinder bewilligt worden seien. Hieraus wird deutlich, dass die wahren und vollständigen Einkünfte der Familie des Klägers bislang in Polen unbekannt gewesen sein dürften und möglicherweise auch für weitere Beihilfezeiträume mit einer nachträglichen Aufhebung der bisherigen Bewilligung von Familienleistungen in Polen zu rechnen ist. Damit ist jedenfalls vom zeitlichen Umfang her der Ausschluss des inländischen Kindergeldanspruchs des Klägers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht weiter in der Schwebe und ausgehend von den oben dargestellten Einkommensverhältnissen eher nicht indiziert. Allein dem Umstand, dass Familienleistungen nach polnischem Recht zunächst tatsächlich gezahlt wurden, kommt keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Denn auf den Leistungsausschluss nach § 65 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG kann sich die Beklagte nach dem Wortlaut des Gesetzes nur berufen, wenn gegenüber dem polnischen Träger ein Anspruch auf die Familienleistungen bestand. Des weiteren wird zu klären sein, woraus und in welcher Höhe der Kläger ausländische Einkünfte gegebenenfalls abweichend von den vom Finanzamt W zu Grunde gelegten Beträgen hatte. Für das Jahr 2007 schließlich gibt es überhaupt noch keine Feststellungen. In der Bescheinigung des polnischen Steueramtes vom 22.09.2006 für 2005 wird neben dem Einkommensbetrag von 7.163,65 PLN überdies eine vom Einkommen abgezogene Sozialversicherungsgebühr in Höhe von 1.431,36 PLN bezeichnet, was wiederum die ebenfalls noch aufzuklärende Frage aufwirft, aus welchem Grund der Kläger in Polen (möglicherweise) einer Sozialversicherung unterfiel. Dass dies sogar zu einer vorrangigen Anwendung des EWG-Verordnungsrechts führen könnte, ist nicht auszuschließen, aber bislang weder von der Beklagten noch durch eine Erklärung der polnischen Verbindungsstelle für das vorliegende Klageverfahren verwertbar eingeführt worden.

Die Beklagte kann ihrer Verpflichtung zur Neubescheidung nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sie das begehrte volle Kindergeld nur bei einer für sie verbindlichen Feststellung im Verfahren der Bescheinigung mit dem Vordruck E 411 gewähren kann. Denn damit wird nur der Weg beschrieben, der regelmäßig zur Klärung der Sach- und Rechtslage führen wird und im vorliegenden Fall auch noch nicht ausgeschöpft ist. Lässt sich mittels des Vordrucks E 411, der im Übrigen wohl nur der zutreffenden Anwendung von Art. 76 VO (EWG) 1408/71 und Art 10 VO (EWG) 574/72 dienen dürfte, nicht verlässlich klären, ob im anderen Mitgliedstaat ein Anspruch auf Leistungen i. S. von § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG besteht, hat die Familienkasse dies selbst anhand des ausländischen Rechts und ggf. anderer aussagekräftiger Bescheinigungen zu klären. Gleiches gilt für das Gericht, das - wie oben partiell geschehen - sich gemäß § 155 Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 293 Zivilprozessordnung - ZPO - auch ohne Beweiserhebung vorhandener Erkenntnisquellen zum polnischen Recht bedienen durfte. Die weitere Frage, ob den Kläger die Feststellungslast für das Bestehen des Kindergeldanspruchs in voller Höhe trifft, zumal er über die Mitwirkungspflicht des § 68 Abs. 1 EStG hinaus hinsichtlich der Aufklärung von Sachverhalt im Ausland erhöht zur Mitwirkung verpflichtet ist (§ 90 Abs. 2 Abgabenordnung - AO -), stellt sich erst, wenn der Kläger (auch in Bezug auf seine Ehefrau) der Aufforderung zu bestimmten Angaben unter ggf. Beibringung von Belegen nicht nachkäme und die Rechtslage deshalb ungeklärt bliebe.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136 Abs.1 Satz 3, 138 Abs. 2 FGO.

Der Kläger ist ausgehend von den ursprünglich angefochtenen Bescheiden und der darin für die Versagung von Kindergeld in voller Höhe angeführten Gründe mit seinem Klagebegehren nur zu einem unerheblich geringen Teil unterlegen geblieben.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil das Gericht keinen der in § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO bezeichneten Gründe angenommen hat.

Ende der Entscheidung

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