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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 14.07.2009
Aktenzeichen: 10 K 10434/06 B
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 1
EStG § 32 Abs. 3
EStG § 62 Abs. 1
EStG § 63 Abs. 1
EStG § 64 Abs. 2
EStG § 65 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 10. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14. Juli 2009

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts ...,

die Richterin am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ..., sowie

die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Frau ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2006 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Der polnische Kläger lebt nach Aktenlage zusammen mit den beiden 1992 und 1993 geborenen Söhnen dauernd getrennt von der in Polen lebenden Kindesmutter. Der Kläger und seine Kinder verfügen seit Februar 1999 über unbefristete Aufenthaltserlaubnisse und sind in D gemeldet. Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 8. Juni 1999 Kindergeld in gesetzlicher Höhe gegenüber dem Kläger für beide Kinder fest. Der Kläger erhielt vom 1. Januar 2004 bis 17. Oktober 2004 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 5.409,69 EUR und vom 18. Oktober 2004 bis 31. Dezember 2004 Unterhaltsgeld in Höhe von 1.350,30 EUR. Nachfolgend bezog der Kläger durchgängig Arbeitslosengeld II, weitgehend unter Anrechnung geringen sonstigen Einkommens bzw. Erwerbseinkommens.

Auf Anfrage der Beklagten teilte der Kläger am 16. November 2005 mit, seine Frau beziehe in Polen keine Leistungen und sei nicht erwerbstätig. Die Beklagte setzte das Kindergeld mit Bescheid vom 7. Dezember 2005 ab Januar 2006 auf jeweils auf 77 EUR fest. Aufgrund des Wohnsitzes des anderen Elternteils in Polen träfen Ansprüche zweier Staaten aufeinander. Nach den Angaben im Antrag sei der Kläger in Deutschland nicht versicherungspflichtig und werde vom Geltungsbereich der EG VO 1408/71 nicht erfasst. Das treffe auch auf den anderen Elternteil zu, da dieser nicht erwerbstätig sei. Der Anspruch auf vergleichbare Leistungen in Polen schließe nach § 65 Abs.1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) den Anspruch auf Kindergeld in Deutschland aus. Aufgrund der allgemeinen Konkurrenzvorschrift des Art. 12 Abs.2 der EWG VO 1408/71 i.V.m. Art 7 Abs.1 DVO Nr. 574/72 führe der Ausschluss des Kindergeldanspruchs in Deutschland dazu, dass das hälftige Kindergeld in Deutschland zu zahlen sei.

Mit dem dagegen eingelegten Einspruch verweist der Kläger auf die Bescheinigung des städtischen Sozialhilfezentrums E vom 28. November 2005, wonach seine Frau keinen Anspruch auf Kindergeld in Polen habe. Die Kinder wohnten in Deutschland und gingen hier auch zur Schule. In Polen hätten sie zu keinem Zeitpunkt Kindergeld oder andere Leistungen bekommen. Die Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2006 als unbegründet zurück.

Mit der dagegen erhobenen Klage legte der Kläger eine Bescheinigung der Städtischen Zentrale für Sozialhilfe vom 18. August 2006 vor, wonach weder er noch die Ehefrau seit 1995 Kindergeld in Polen beziehen, da sich die Kinder seit 1995 in Deutschland aufhielten. Er habe seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland und pflege keine Beziehungen mehr zu Polen. Ihm stehe daher das Kindergeld in voller Höhe zu. Ausweislich des Inhalts der Bestätigung stehe auch nach polnischem Recht nach Art. 4 des Gesetzes vom 28. November 2003 das Kindergeld ausschließlich der Person zu, in deren Haushalt sich das Kind befindet. Da die Kindesmutter gegenüber der polnischen Behörde MOPS erklärt habe, die Kinder befänden sich bereits seit 1995 im Haushalt des Kindesvaters in Deutschland, habe diese ausdrücklich festgestellt, dass ihr ein Anspruch auf polnisches Kindergeld nicht zustehe. Ungeachtet dessen ergebe sich aus der Bescheinigung, dass die Kindesmutter im Zeitraum vom 1. September 2005 bis einschließlich 31. August 2006 keinerlei Anträge auf Kindergeld in Polen gestellt habe. Damit könnten die Konkurrenzregelungen der Europäischen Union nicht zum Tragen kommen. Mit Schreiben vom 30. März 2007 teilte der Kläger mit, seine Ehefrau habe trotz der gegenteiligen Auskunft der MOPS in E einen Antrag auf Zahlung des Kindergeldes in Polen gestellt. Auf die vom Gericht am 3. März 2008 nach § 79 b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) gesetzte Frist einen Nachweis darüber zu erbringen, dass die Ehefrau einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld/ Familienbeihilfe in Polen gestellt habe und ggf. einen Ablehnungsbescheid oder Bescheid über die Gewährung von Leistungen zu erbringen, erfolgten nur Anträge auf Fristverlängerung unter Verweis auf die bürokratischen Verhältnisse in Polen, auf die man keinen Einfluss nehmen könne. Zum Ergebnis der Antragstellung konnte der Bevollmächtigte auch im Termin keine Auskunft geben.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 07. Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2006 aufzuheben und Kindergeld für beide Kinder in Höhe von jeweils 154 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfweise

die Revision zu zulassen.

Da die Kindesmutter nach den vorliegenden Angaben in Polen nicht erwerbstätig sei, müsse unterstellt werden, dass dem Grunde nach ein Anspruch auf Familienleistungen in Polen bestehe. Die vorgelegten Bescheinigungen der polnischen Behörden seien insoweit nicht aussagekräftig. Es sei zu bezweifeln, dass Arbeitslosengeld II unter den maßgeblichen polnischen Einkommensbegriff falle. Das für Familienleistungen bei Wanderarbeitnehmern einschlägige Gemeinschaftsrecht enthalte keine Regelung für getrennt lebende Ehegatten. Art. 12 Abs. 2 der VO EWG 1408/72 sei daher entsprechend anzuwenden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid vom 7. Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs.1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Kläger hat Anspruch auf Kindergeld für die beiden im Klageverfahren streitigen Zeitraum Januar 2006 bis August 2006 minderjährigen Kinder in voller Höhe. Die von der Beklagten verfügte Herabsetzung auf Kindergeld in halber Höhe kann keinen Bestand haben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs beschränkt sich der Regelungsgehalt eines Bescheides, durch den die Kindergeldfestsetzung für die Zukunft aufgehoben oder abgelehnt wird auf die Regelung des Anspruchs für den Monat, in dem der Bescheid bekannt gegeben wird (BFH, Urteil vom 25. Juli 2001 - VI R 164/98, BStBl. II 2002, 88). Wird gegen diesen Bescheid Einspruch eingelegt, verlängert sich die Geltungsdauer des Bescheides bis zur Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, weil im Vorverfahren die Sach- und Rechtslage noch einmal umfassend geprüft wird (§ 367 Abs. 2 der Abgabenordnung) und der daraufhin angegriffene Bescheid nach § 44 Abs. 2 FGO in der Gestalt zum Gegenstand des Verfahrens wird, die er durch die Einspruchsentscheidung gefunden hat (Urteil des Senats vom 12. Februar 2009 - 10 K 10563/06 B, EFG 2009, 941 mit weiteren Nachweisen).

Die von der Beklagten mit dem streitigen Bescheid vom 7. Dezember 2005 vorgenommene Änderung der bisherigen Festsetzung des Kindergeldes auf jeweils 77 EUR unter Verweis auf die analoge Anwendung des Gemeinschaftsrechts sollte wohl als Rechtsgrundlage § 70 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) - die Beseitigung eines materiellen Fehlers für die Zukunft - haben, obwohl sich die Beklagte im angefochtenen Bescheid auf keine Rechtsnorm stützt. Ein Antrag vom 30. November 2005, wie im Bescheid benannt, ist nach Aktenlage nicht feststellbar und auf eine Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 70 Abs. 2 EStG, sei es aufgrund des Beitritts Polens zur Europäischen Union oder den Wegfall der Arbeitnehmereigenschaft durch den Bezug von Arbeitslosengeld II ab Januar 2005, hat die Beklagte im Hinblick auf den zeitlichen Rahmen der vorgenommenen Änderung ersichtlich nicht abgestellt. Ein materieller Fehler, und mithin eine Grundlage für die vorgenommene Änderung ab Januar 2006, ist aber nicht gegeben.

Es kann dahinstehen, ob die durch den Änderungsbescheid vom 7. Dezember 2005 erfolgte Bewilligung von Kindergeld in hälftiger Höhe mit der dafür von der Beklagten angeführten Rechtsgrundlage einer (analogen) Anwendung von Art. 12 Abs. 2 der VO (EWG) 1408/71 - i.V.m. Art. 7 Abs. 1 VO (EWG) 574/72 - jeweils in aktualisierter Gesamtfassung veröffentlicht in ABlEG Nr. 1 28 vom 30.01.1997 - tragfähig ist, obwohl die Beklagte selbst davon ausgeht, dass weder der Kläger noch seine Ehefrau vom persönlichen Geltungsbereich der Verordnung erfasst werden. Denn dieser Teil des von der Beklagten bewilligten Kindergeldes ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits (vgl. schon Urteil des Senats vom 12. Februar 2009 - 10 K 10230/06 B, [...], mit weiteren Nachweisen).

Der Kläger hat darüber hinaus Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz in voller Höhe. Mit der vom Kläger beantragten Aufhebung des streitigen Änderungsbescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung besteht die bisherige Kindergeldfestsetzung in voller Höhe durch den Bescheid vom 8. Juni 1999 fort (Urteil des Senats vom 12. Februar 2009 - 10 K 10563/06 B, EFG 2009, 941).

Dem Kläger steht Kindergeld für die beiden minderjährigen Kinder in Deutschland zu, da er hier mit den Kindern seinen Wohnsitz hat und die Kinder in seinem Haushalt leben (§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs.1, 64 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 32 Abs.1 Nr.1, Abs.3 EStG).

Dem Anspruch auf Kindergeld in Deutschland steht vorrangiges Gemeinschaftsrecht nicht entgegen. Die Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1408/1971 vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (konsolidierte Fassung - ABl. Nr. 1 28 vom 30.01.1997, S. 1 - im Folgenden: VO) und die hierzu ergangene Verordnung (EWG) Nr. 547/1972 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO (konsolidierte Fassung - ABl. Nr. 1 28 vom 30.01.1997, S. 1 - im Folgenden: DVO) finden auf den Kläger keine Anwendung. Zwar kommen hier die zitierten VO und DVO als überlagerndes Gemeinschaftsrecht in Betracht und das deutsche Kindergeld fällt auch in den sachlichen Geltungsbereich der VO. Es ist eine "Familienleistung" gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. h in Verbindung mit Art. 1 Buchst. u Ziff. i VO (BFH, Urteil vom 13. August 2002 VIII R 54/00, BFHE 200, 204, BStBl II 2002, 869 mit ausführlicher Begründung und weiteren Nachweisen). Eine Anwendbarkeit dieser Vorschriften kommt jedoch deswegen nicht in Betracht, weil der Kläger jedenfalls im streitigen Zeitraum Januar 2006 bis zum Monat der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung nicht dem persönlichen Geltungsbereich der VO unterfällt. Der persönliche Geltungsbereich der VO umfasst gemäß Art. 2 Abs. 1 VO Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende sowie deren Familienangehörige und Hinterbliebene. Im Hinblick auf die für den Kläger allein in Betracht kommende Gruppe der Arbeitnehmer ist für die Gewährung des - hier im Streit stehenden - deutschen Kindergeldes in Art. 1 Buchst a) Ziffer ii) VO i.V.m. Anhang I Nr. I. Buchst. E Buchst. a) VO bestimmt, dass als Arbeitnehmer nur gilt, wer für den Fall der Arbeitslosigkeit pflichtversichert ist oder im Anschluss an diese Versicherung Krankengeld oder entsprechende Leistungen erhält oder wer als Beamter aus dem Beamtenverhältnis eine Besoldung mindestens in dem Umfang erhält, der bei einem Arbeitnehmer zu einer Pflichtversicherung gegen Arbeitslosigkeit führen würde. Der Kläger ist Bezieher von Arbeitslosengeld II und damit kein Arbeitnehmer in diesem Sinne. Er ist nicht gegen Arbeitslosigkeit pflichtversichert. Insbesondere ist das ALG II kein Entgeltersatzleistung - wie das in §§ 116 ff Sozialgesetzbuch III (SGB III) geregelte "Arbeitslosengeld" -, sondern eine Leistung der Grundsicherung für Arbeitssuchende, die nach § 19 ff Sozialgesetzbuch II (SGB II) erbracht und nicht aus der Arbeitslosenversicherung finanziert wird, sondern aus Steuern. Der Bezug von ALG II ist weder davon abhängig, ob vorher versicherungspflichtig gearbeitet wurde, noch von einem etwaigen vorherigen Arbeitseinkommen, sondern nur davon, was zum Leben mindestens gebraucht und nicht selbst aufgebracht werden kann (FG Hessen, Urteil vom 12. Juli 2007 - 2 K 2908/06 [...]; FG Hamburg, Beschluss vom 22. August 2006 3 AR 8/06, EFG 2006, 1854 m.w.N.). Damit gilt der Kläger nicht als Arbeitnehmer und unterfällt nicht dem Regelungsbereich der Verordnung.

Die Zahlung des Kindergeldes ist auch nicht nach der inländischen Konkurrenzvorschrift des § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen. Hiernach wird Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt, für das Leistungen, die dem Kindergeld vergleichbar sind, im Ausland gewährt werden oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären. Das ist vorliegend nicht der Fall.

Dafür spricht schon die Bescheinigung der städtischen Zentrale für Sozialhilfe vom 18. August 2006. Hiernach gibt es für die beiden Kinder, die sich nicht in Polen aufhalten und mit dem Vater in Deutschland leben, keine Rechtsgrundlage für die Gewährung von Familienleistungen in Polen. Das entspricht nach Auffassung des Senats auch dem Inhalt der polnischen Regelungen über Familienleistungen (Gesetz vom 28. November 2003, Gesetzblatt Nr. 228/2003 Pos. 2255). Nach Art 1 Abs. 3 werden Familienleistungen u.a. an Eltern gezahlt, wenn sie in Polen ihren Wohnsitz haben und nach Art 4 Abs.1 soll das Kindergeld die Aufwendungen für den Unterhalt des Kindes teilweise decken. Das trägt die von der Sozialbehörde - an deren Zuständigkeit das Gericht ebenso wenig Anlass sieht zu zweifeln, wie am Getrenntleben der Eheleute und dem Schulbesuch der Kinder in Deutschland - getroffene Aussage, dass die in Polen lebende Kindesmutter keinen Anspruch auf Kindergeld für die im Haushalt des Kindesvaters in Deutschland lebenden Kinder hat.

Ein dem Anspruch des Klägers auf Kindergeld in Deutschland entgegen stehender Anspruch der Kindesmutter auf polnische Familienleistungen nach dem Gesetz vom 28. November 2003 scheidet aber jedenfalls aufgrund der Höhe des Einkommens des Klägers in Deutschland aus. Ein Anspruch auf Kindergeld besteht nach Art. 5 Abs.1 nur, wenn das Familieneinkommen pro Familienmitglied höchsten 504 PLN monatlich beträgt. Beihilfezeitraum für die Festsetzung von Familienleistungen in Polen ist nach Art. 3 Abs.10 der Zeitraum vom 1. September bis 31. August des nachfolgenden Kalenderjahres, für den der Anspruch auf Familienleistungen festgelegt wird. Als Familieneinkommen gilt nicht das im Beihilfezeitraum erzielte Einkommen, sondern nach Art. 3 Abs. 2 das durchschnittliche monatliche Einkommen der Familienmitglieder im Kalenderjahr, das dem Beihilfezeitraum vorangeht, und als Familienmitglieder gelten nach Art 3 Abs.16 die Ehegatten und die unterhaltenen Kinder.

Maßgeblich ist für den streitigen Zeitraum Januar bis August 2006 mithin das durchschnittliche Familieneinkommen des Jahres 2004, da der Beihilfezeitraum hierfür im September 2005 beginnt und es auf das durchschnittliche Familieneinkommen des vorangegangenen Kalenderjahres ankommt. Im Kalenderjahr 2004 bezog der Kläger nach den vorgelegten Bescheiden Arbeitslosengeld und Unterhaltsgeld in Höhe von insgesamt 6.759,99 EUR. Was als Einkommen im Sinne des polnischen Kindergeldrechts anzusehen ist, ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1. Hierunter fallen nicht nur steuerpflichtige Erwerbseinkünfte, sondern auch steuerfreie Einnahmen, wie Renten, Krankengelder und Unterhaltszahlungen. Nachdem das Kindergeld entsprechend Art 4 Abs.1 und Art. 5 Abs.1 den Unterhaltsbedarf für Kinder nur bis zu einem gewissen eigenen Einkommen teilweise abdecken soll, ist nicht ersichtlich, warum die in Deutschland an den Kläger gezahlten Leistungen - die letztlich der Deckung des Lebensbedarfs des Klägers und seiner Kinder dienen - nicht unter den Einkommensbegriff des polnischen Kindergeldrechts fallen sollen. Der Senat ist daher der Auffassung, dass Arbeitslosengeld II (wie auch Unterhaltsgeld) als Sozialleistung und damit steuerfreie Einnahme als Einkommen zu verstehen ist (Urteil des Senats vom 12. Februar 2009 -10 K 10563/06, EFG 2009, 941; ebenfalls bejahend FG Düsseldorf, Urteil vom 22.01.2008 10 K 1462/07 Kg; vgl. auch Wüllenkemper, Anmerkung zum Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 11.06.2008 5 K 2208/07, EFG 2009, 194, 197).

Unter Zugrundelegung einer vierköpfigen Familie (4 x 504 PLN - 2.016 PLN) reichte im Jahr 2004 bei einem durchschnittlichen amtlichen Umtauschkurs von 4,5 (vgl. Umsatzsteuer- Umrechnungskurse Gesamtübersicht 2004, BStBl. I 2005, 411) ein Familieneinkommen in Höhe von 448 EUR monatlich, um einen Anspruch auf Kindergeld in Polen auszuschließen. Das durchschnittliche monatliche Einkommen des Klägers allein lag im Jahr 2004 schon aufgrund der Arbeitslosenhilfe und des Unterhaltsgeldes mit durchschnittlich 563 EUR deutlich darüber, so dass es auf die Berücksichtigung von Sozialversicherungs- und Krankenversicherungsbeiträgen nicht ankommt. Zudem sind dem Familieneinkommen ggf. noch Bezüge der Ehefrau in Polen hinzuzurechnen. Soweit der Kläger möglicher Weise seiner in Polen lebenden Ehefrau gegenüber unterhaltsverpflichtet war, wären diese Beträge wiederum als Einkommen der Ehefrau anzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich vorliegend die Frage nach einer sinngemäßen Anwendung von Art. 12 Abs. 2 VO EWG 1408/72 nicht stellt, da die Prämisse der Beklagten, das Bestehen von Familienleistungsansprüchen in Polen sei auf Grund fehlender Antragstellung im Ausland nicht zu klären, unzutreffend ist.

Ende der Entscheidung

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