Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 16.10.2008
Aktenzeichen: 10 K 5324/05 B
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 730 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

10 K 5324/05 B

Umsatzsteuer; Gewerbesteuer 1997

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 10. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Oktober 2008

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts ...,

die Richterin am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ...,

sowie

die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Frau ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Am 22. Januar 1996 erfolgte die Gewerbeanmeldung für die B Werbeagentur zum 1. Januar 1996 unter gleichzeitiger Anzeige der Betriebsaufgabe der C GbR Werbagentur zum 31. Dezember 1995. Nach dem Gesellschafterbeschluss vom 2. Januar 1996 wurde der Gesellschaftsvertrag über die Gründung der "B GbR" dahingehend geändert, dass bis zur vollständigen Übernahme der Gesellschafteranteile des Herrn I, Gesellschafterbeschlüsse zwischen Herr R und dem Kläger getroffen werden, die bis zu diesem Zeitpunkt über jeweils 50% der Gesellschafteranteile verfügen. Der Kläger kündigte den Gesellschaftsvertrag mit Schreiben vom 23. Dezember 1996, wobei man sich nachfolgend auf die Beendigung der Gesellschaft zum 31. Januar 1997 in ihrer alten Form einigte. Ausweislich des Urteils des Landgerichts Berlin vom 12. Februar 2004 (14 O 483/98) bestand die Gesellschaft nur aus den Herren R und S.

Die auf Grund geschätzter Besteuerungsgrundlagen und unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer 1997 vom 18. Oktober 1999 "A GbR" wurden dem Kläger unter dem 24. November 1999 bekannt gegeben. Die aufgrund der durch die Herren R und SE bzw. dem Bevollmächtigten der Gesellschaft nachgereichten Steuererklärungen geänderten Bescheide vom 6. April 2000 - wiederum auch bekannt gegeben an den Kläger - blieben unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Bevollmächtigte des Klägers legte am 8. Mai 2000 per Fax Einspruch gegen diese Bescheide für 1997 sowie den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte für 1997 aus Gewerbebetrieb ein. Unter dem Betreff ist die A GbR genannt - hier S - und es wird dargelegt: "Wir sind der steuerliche Vertreter von Herrn S. Wir legen hiermit fristwahrend gegen die o.g. Steuerbescheide gemäß § 347 AO den Rechtsbehelf des Einspruchs ein". Im Weiteren machte der Kläger geltend, angesichts seines Ausscheidens zum 31.Januar 1997 ergäbe sich ein wesentlich niedrigerer Zurechnungsbetrag. Darüber hinaus sei er nachträglich für Mietrückstände in Anspruch genommen worden. Bis zum 31.12.2003 seien Sonderbetriebsausgaben in Höhe von insgesamt 39.960,67 DM angefallen. Darüber hinaus werde im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagung die Berücksichtigung nachträglicher Vorsteuerbeträge begehrt.

Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 2005 verwarf der Beklagte die Einsprüche des Herrn S als unzulässig. Einsprüche wegen Gewerbesteuer und Umsatzsteuer könnten nach der Kündigung für die GbR nur gemeinschaftlich erhoben werden. Ein Gesellschafter sei nicht befugt, Bescheide über Betriebssteuern anzufechten.

Mit der dagegen in der Streitsache A GbR - vertreten durch den ehemaligen Gesellschafter S - erhobenen Klage wird im Wesentlichen geltend gemacht, die streitigen Bescheide seien Herrn S in seiner Eigenschaft als alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter bekannt gegeben worden. Er habe im Namen der GbR Einspruch eingelegt und diesen weiter begründet. Aufgrund der Einzelvertretungsbefugnis sei er auch klagebefugt. Er habe weder die Umsatz- noch die Gewerbesteuererklärung für 1997 noch den Jahresabschluss auf den 31. Januar 1997 unterzeichnet. Die Bevollmächtigung durch den alleinigen weiteren Gesellschafter, der auch die Erklärungen und den Jahresabschluss unterzeichnet habe, habe aufgrund der Zerstrittenheit und zivilrechtlichen Auseinandersetzungen erst aufgrund eines persönlichen Kontakts im Jahr 2006 beigebracht werden können. Es sei klärungsbedürftig, ob in einem Fall, in dem der Gesellschafter nicht an der Erstellung der Erklärungen beteiligt gewesen sei und diese nicht unterzeichnet habe, bei Einzelbekanntgabe dieses Bescheides an ihn nicht persönlich, dieser rechtsbehelfsbefugt sei.

Mit Schreiben vom 29. März 2006 forderte das Gericht binnen eines Monats ab Zustellung die Vorlage von Nachweisen für die Vertretungsmacht des Herrn S bzw. Vollmachten der weiteren Gesellschafter an. Daraufhin erfolgte am 2. Mai 2006 lediglich die Mitteilung, die beiden anderen Gesellschafter hätten trotz mehrerer Erinnerungen noch keine Vollmachten vorgelegt sowie der Verweis auf einen Zivilrechtsstreit der Gesellschafter. Auf weitere Ausschlussfrist von einem Monat wurde eine auszugsweise Kopie des Urteils des Landgerichts Berlin vom 12. Februar 2004 übersandt und am 27. Juli 2007 eine Vollmacht des Herrn R. Ein Vollmachtsnachweis für den anderen Gesellschafter erübrige sich, da dieser nach dem Urteil des Landgerichts nicht wirksam Gesellschafter geworden sei.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuer- und Gewerbesteuerbescheide 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 2005 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 13.902,39 EUR (27.190,72 DM) und die Gewerbesteuer 1997 auf Null festgesetzt wird;

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zwar wäre möglicherweise eine Klage der GbR unter Berücksichtigung der nunmehr vorliegenden Vollmacht und der Entscheidung des Landgerichts wirksam erhoben. Es fehle jedoch am außergerichtlichen Rechtbehelfsverfahren. Das Einspruchsverfahren habe nur Herr S betrieben. Eine Auslegung des Einspruchs als solcher der GbR käme nicht in Betracht.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die Einsprüche zu Recht als unzulässig verworfen (§ 100 Abs.1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Bescheide sind einer materiell-rechtlichen Prüfung nicht mehr zugänglich. Auch bei möglicher Heilung der zunächst mangelhaft allein durch den Gesellschafter S eingelegten Einsprüche, kann wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist keine dem Klagebegehren entsprechende Sachentscheidung ergehen.

Richtet sich ein Bescheid gegen eine GbR als Steuerschuldnerin, muss ein Rechtsbehelf oder eine Klage gegen diesen Bescheid grundsätzlich im Namen der Gesellschaft durch alle Gesellschafter gemeinschaftlich erhoben werden (z.B. BFH, Beschlüsse vom 30. April 2007 -V B 194,06, BFH/NV 2007, 1523;vom 13. November 2003 - V B 49/03, BFH/NV 2004, 360;vom 6. Februar 1997 - V B 156/96, BFH/NV 1997, 458;vom 15. Januar 1997 - III R 78/96, BFH/NV 1997, 605; BFH, Urteil vom 25. Juli 2000 - VIII R 32/99, BFH/NV 2001, 178). Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung auch nach einer Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses (z.B. BFH;Beschlüsse vom 19. Oktober 2001 - V B 54/01, BFH/NV 2002, 370;vom 10. April 2001 - V B 116/00, BFH/NV 2001, 1220). Nach Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses einer GbR können gemäß § 730 Abs.2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entsprechend der Gesamtgeschäftsführung nur alle Gesellschafter gemeinsam die gegen die GbR gerichteten Umsatzsteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide anfechten (ständige Rechtsprechung - BFH, Beschluss vom 30. April 2007 - V B 194/06, BFH/NV 2007, 1523 mit weiteren Nachweisen). Ein Gesellschafter ist insoweit nicht einspruchs- bzw. klagebefugt, weil er nicht geltend machen kann, durch einen an die GbR als Steuerschuldnerin gerichteten Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 350 Abgabenordnung -AO-, § 40 Abs. 2 FGO). Auf die Bekanntgabe der Bescheide an den einzelnen Gesellschafter und ob dieser an der Erstellung der den Steuerfestsetzungen zugrunde liegenden Erklärungen mitgewirkt hat, kommt es daher nicht an. Der Beklagte hat hiernach zu Recht den allein vom Gesellschafter S eingelegten Einspruch - soweit er die hier streitigen Bescheide zur Umsatzsteuer 1997 und zu Gewerbesteuer 1997 betraf - als unzulässig verworfen.

Ein Vertretungsmangel im Verwaltungsverfahren kann zwar noch nach Ablauf der Einspruchsfrist mit rückwirkender Kraft geheilt werden (BFH, Urteil vom 16. September 1992 X R 171/90, BFH/NV 1993, 453: Urteil vom 18. Oktober 1988 - VII R 123/85, BStBl. II 1989, 76 mit weiteren Nachweisen) und das Gericht sieht sich hieran auch nicht durch die Einspruchseinlegung namens des Herrn S gehindert. Verfahrens- und Prozesshandlungen sind nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB im Sinne eines effektiven Rechtschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) auszulegen. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Rechtsbehelfsführer den Rechtsbehelf einlegen wollte, der seinen Belangen entspricht und zu dem von ihm angestrebten Erfolg führen kann (BFH, Urteil vom 19. Juli 2005 - XI B 206/04, BFH/NV 2006, 68: vom 17. August 2005 -IX R 35/04, HFR 2005, 575 mit weiteren Nachweisen). Die rückwirkende Heilung des Vertretungsmangels im Verwaltungsverfahren scheitert vorliegend aber am Ablauf der Festsetzungsfrist noch im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren.

Die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer und die Gewerbesteuer beträgt 4 Jahre, § 169 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung (AO). Sie beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird (§ 170 Abs.2 Nr.1 AO), vorliegend mit Ablauf des Jahres 2000. Sie endete damit mit Ablauf des Jahres 2004. Zwar endet die Festsetzungsfrist nicht, soweit der Bescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten wird, bevor hierüber nicht unanfechtbar entschieden ist. Das gilt aber nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist (§ 171 Abs. 3a Satz 2 AO). Durch den seinerzeit bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist unzulässigen Einspruch ist keine Ablaufhemmung eingetreten (§ 171 Abs.3a, Satz 2, 2. Halbsatz AO), so dass die Bescheide mit Ablauf der Festsetzungsfrist bestandskräftig geworden sind bzw. auch eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO nicht mehr möglich ist (§ 164 Abs.4 AO).

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs.1 FGO.

Die Revision war mangels der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.

Die Frage, ob bei einer mehrgliedrigen Gesellschaft auch ein Gesellschafter allein für die Gesellschaft rechtsbehelfs- bzw. klagebefugt ist, hat der Bundesfinanzhof bereits wiederholt entschieden.

Ende der Entscheidung

Zurück