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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 10.12.2008
Aktenzeichen: 11 K 1222/05 B
Rechtsgebiete: GrEStG


Vorschriften:

GrEStG § 1 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit ...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 11. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. Dezember 2008

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ...

sowie die ehrenamtlichen Richter ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 13. Oktober 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 2005 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches der Klägerin abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

In der notariellen Verhandlung vom 1. November 2002 (UR-Nr. ... des Notars B. bot die Eigentümerin des Grundstücks Z., der A-GmbH oder Dritten den Abschluss eines Kaufvertrages über das Grundstück an.

Der Vertrag enthält u.a. folgende Vereinbarungen:

"An dieses Angebot hält sich der Anbieter unwiderruflich bis zum Ablauf des 15. Januar 2004 gebunden. Der Vertrag kommt zustande, wenn der Angebotsempfänger oder Dritte ... während des Bestands des Angebots dieses zu notarieller Urkunde annimmt, ohne dass es auf den Zeitpunkt des Zugangs der Annahmeerklärung beim Anbieter ankommt. ... Der Anbieter erteilt dem Angebotsempfänger über den Tod des Vollmachtgebers hinaus und mit dem Recht zur Erteilung von Untervollmacht sowie unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB auf den Kaufgegenstand bezogene Vollmacht ab dem Tag der Beurkundung: ... Vereinbarungen mit Versorgungsunternehmen zu treffen und die Erschließung des Grundstücks zu betreiben, ... Baugenehmigungsverfahren einzuleiten und zu betreiben, ... Mit Annahme des Angebots durch den Angebotsempfänger oder Dritte kommt ein dieser Urkunde als Anlage angefügter Grundstückskaufvertrag zwischen dem Anbieter/ Verkäufer einerseits und dem Angebotsempfänger/Käufer andererseits zustande, wobei der Angebotsempfänger oder Dritte berechtigt sein sollen, den Vertragsgegenstand dahin abzuändern bzw. neu zu bestimmen, dass an die Stelle des bisherigen Vertragsgegenstandes Trennstücke des angebotenen Grundstückes, soweit teilungsrechtlich zulässig, oder Miteigentumsanteile treten können."

Ferner heißt es in der notariellen Urkunde, dass die Klägerin unwiderruflich verpflichtet ist, die nicht bis zum 15. Januar 2004 durch Dritte erworbenen Teilflächen bis zu diesem Zeitpunkt selbst zu notarieller Urkunde anzunehmen. Ferner verpflichtete sich die Grundstückseigentümerin, bis zum Ablauf der Angebotsfrist sich jeglicher anderweitiger rechtsgeschäftlicher Verfügung über den in der Anlage bezeichneten Grundbesitz zu enthalten. Außerdem wurde der Vertreter der Klägerin ab dem 1. November 2002 ermächtigt, befreit von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - zur Eintragung in das vorbezeichnete Grundbuch beschränkt persönliche Dienstbarkeiten usw. zu bewilligen und zu beantragen, die der Entwicklung des Grundstücks dienen und für die Durchführung der Erschließung und Bebauung erforderlich sind.

Das betreffende Angebot nahmen laut Urkunden vom 1. April 2003 (UR-Nr. ... und ... des Notars B.) und vom 21. Mai 2003 (UR-Nr. ... des Notars B.) hinsichtlich Teilflächen drei Erwerbergemeinschaften an. In der notariellen Verhandlung vom 26. Mai 2003 (UR-Nr. ... des Notars B.) erklärte die Eigentümerin gegenüber den Erwerbergemeinschaften, "das zu vorgenannten Urkunde (richtig: Urkunden) angenommene (geänderte) Angebot uneingeschränkt wiederum anzunehmen und alle dort abgegebenen Erklärungen zu genehmigen." Der eben genannten Urkunde war ein Lageplan beigefügt, auf der für jede Erwerbergemeinschaft ein unvermessenes Trennstück und dessen Größe verzeichnet sind.

Mit Bescheid vom 13. Oktober 2003 erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Grunderwerbsteuerbescheid über -.- - - EUR mit einer Bemessungsgrundlage von ---.--- EUR. Als Sachverhalt ist dort angegeben, dass die Klägerin durch das notarielle Angebot vom 1. November 2002 und die Annahme vom 26. Mai 2003 (UR-Nr. ... des Notars B.) das streitige Grundstück erworben habe. In den Erläuterungen zu dem Bescheid heißt es:

"Mit dem Vertrag vom 1. November 2002 wurde Ihnen das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages unterbreitet. In diesem Vertrag haben Sie sich unwiderruflich verpflichtet, dieses Angebot ganz oder teilweise anzunehmen, soweit zwischenzeitlich nicht die Annahme durch Dritte erfolgt ist. Gleichzeitig hat sich die Veräußerin verpflichtet, sich jeglicher anderweitiger rechtsgeschäftlicher Verfügung über das Grundstück zu enthalten. Damit wurde ein der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 unterliegender selbstständiger Anspruch auf Übereignung des Grundstücks durch Sie begründet."

Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 2005 zurückwies; die Grunderwerbsteuer setzte er aufgrund eines zuvor erfolgten Verböserungshinweises erhöht auf -.- - - EUR fest. Zur Begründung führte er aus, nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 Grunderwerbsteuergesetz - GrEStG - unterliege der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründe, und nach Nr. 7 der genannten Vorschrift die Abtretung selbst, wenn ihr kein solches Rechtsgeschäft vorausgegangen sei. Zur Tatbestandsverwirklichung sei erforderlich, dass ein rechtswirksames Kaufangebot eingeräumt werde, die daraus sich ergebenden Rechte vom Berechtigten an den Dritten abgetreten würden und der Kauf zwischen diesem und dem Grundstückseigentümer tatsächlich zustande komme.

Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Die Veräußerin des Grundstücks habe der Klägerin oder Dritten ein unwiderrufliches Angebot zum Abschluss des in der notariellen Urkunde vom 1. November 2002 bezeichneten Kaufvertrages unterbreitet. Die aus diesem Angebot erwachsenden Rechte habe die Klägerin zunächst genutzt, um im Zusammenwirken mit der mit ihr verflochtenen C-GmbH eine Bauplanung für das Grundstück zu erstellen und Käufer für das Bauprojekt zu suchen. Ihre Rechte habe sie dann weiter dazu genutzt, dass sie nur den ihr bzw. der C-GmbH angenehmen Käufern - verdeckt - Zugang zum Grundstück verschafft habe. Diese Käufer hätten das Angebot dann am 1. April/21. Mai 2003 angenommen, sodass der Grundstückskaufvertrag zwischen ihnen und der Veräußerin zustande gekommen sei. Damit sei der Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG seinem Wortlaut nach erfüllt. Darüber hinaus habe die Klägerin mit dem Kaufangebot vom 1. November 2002 eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt. Bei einer Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG sei nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG der Grundbesitzwert die Bemessungsgrunde für die Grunderwerbsteuer. Das Finanzamt ... habe diesen zum 1. November 2002 auf ---.--- EUR ermittelt. Die Grunderwerbsteuer werde daher auf 3,5% von ---.--- EUR = -.- - - EUR festgesetzt. Die Klägerin sei mit Schreiben vom 28. Februar 2005 auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung hingewiesen worden.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage.

Die Klägerin macht insbesondere geltend, sie habe die Grundstücksverkäuferin bzw. deren Immobilienberater über ihr mangelndes weiteres Interesse an der eigenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks informiert. Außerdem hätten sich dritte Personen selbstständig mit der Verkäuferin in Verbindung gesetzt. Die ersten Käufer hätten sich zudem aufgrund eines Verkaufsschildes auf dem Grundstück mit der Telefonnummer der Grundstückseigentümerin bei dieser selbst gemeldet. Diese habe einen persönlichen Berater, der in keiner Beziehung zu ihr - der Klägerin - stehe, beauftragt, die Information an das Notariat B. zu leiten und die betreffenden Personen als Käufer zu benennen. Sie - die Klägerin - habe keinen Kontakt mit den Käufern gehabt und auch nicht in anderer Weise am Verkauf mitgewirkt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 13. Oktober 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, es könne dahingestellt bleiben, ob der Steuerbescheid vom 13. Oktober 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 2005 unterschiedliche Lebenssachverhalte erfassten, wenngleich beide Verwaltungsakte als Lebenssachverhalt auch das Angebot vom 1. November 2002 zugrunde legten. Da die Grunderwerbsteuer mit der Einspruchsentscheidung höher festgesetzt worden sei, stelle diese Entscheidung auch einen mögliche Fehler der Festsetzung vom 13. Oktober 2003 berichtigenden Steuerbescheid dar. Des Weiteren habe die Klägerin mit dem Kaufangebot vom 1. November 2002 wirtschaftliche Interessen der mit ihr verflochtenen C-GmbH verfolgt. Da sich die Grundstückseigentümerin bis zum 15. Januar 2004 an das Verkaufsangebot gebunden habe, hätte die mit der Klägerin zusammenwirkende C-GmbH Grundstücksbeplanungen durchführen und Interessenten für ihr Bauvorhaben suchen können. Im Übrigen werde die Klägerin die Verkaufsbemühungen auch bis zum erfolgreichen Ende begleitet oder der mit ihr verflochtenen C-GmbH übertragen haben, da sie zum Ankauf der am 15. Januar 2004 noch vorhandenen Teilflächen verpflichtet gewesen sei. Nur so lasse sich erklären, weshalb die Nacherwerber D. ihr Wohnhaus ausgerechnet bei der letztgenannten GmbH bestellt hätten.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Rechte der Klägerin.

Ausschlaggebend ist zum einen, dass der Beklagte mit dem Bescheid vom 13. Oktober 2003 einen falschen Sachverhalt der Besteuerung unterworfen hat. Nicht die Klägerin, sondern die o.g. Erwerbergemeinschaften haben das Angebot der Eigentümerin vom 1. November 2002 angenommen. Da in dem Bescheid ausdrücklich auf das Angebot und die (angebliche) Annahme dieses Angebotes am 26. Mai 2003 durch die Klägerin Bezug genommen und in den Erläuterungen dementsprechend auf den angeblich von der Klägerin erworbenen Übereignungsanspruch abgestellt wird, hat der Beklagte einen Sachverhalt zugrunde gelegt, den die Klägerin in keiner Weise verwirklicht hat.

Soweit der Beklagte in der Einspruchsentscheidung auf andere Lebenssachverhalte, nämlich auf die Abtretung von Rechten aus einem Kaufangebot oder den Anspruch darauf, "umgeschwenkt" ist, handelt es sich offensichtlich um einen anderen Tatbestand, der in dem angefochtenen Bescheid in keiner Weise angesprochen wird. Der unter Umständen steuerbare Handel mit einem Kaufangebot ist in dem fraglichen Bescheid gerade nicht erwähnt, weil die Verweisung auf Angebot und Annahme vom 26. Mai 2003 sowie auf den Erwerb eines Übereignungsanspruchs eine Konstellation betrifft, die in keinem Fall unter § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 GrEStG subsumiert werden kann, sondern ggf. unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.

Der von dem streitigen Grunderwerbsteuerbescheid allein erfasste Lebenssachverhalt des Erwerbs eines Übereignungsanspruches ist ungeeignet, einen Steueranspruch gegenüber der Klägerin zu begründen, da sie einen derartigen Anspruch gegenüber der Eigentümerin nicht erworben hatte. Das Kaufvertragsangebot ist ebenso wenig ein Verpflichtungsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wie der Angebotsvertrag (siehe z.B. Hofmann, GrEStG, 8. Auflage, § 1 Tz. 66).

Der danach offensichtliche Mangel des Bescheides vom 13. Oktober 2003 kann nicht dadurch geheilt werden, dass der Einspruchsentscheidung der (möglicherweise) zutreffende, den Steueranspruch begründende Lebenssachverhalt zugrunde gelegt wird. Insoweit handelt es sich nicht lediglich um einen Begründungsmangel des Steuerbescheides. Die Einspruchsentscheidung ist vielmehr rechtswidrig, weil ihr ein anderer Lebenssachverhalt zugrunde gelegt worden ist als dem Steuerbescheid. Die dem Finanzamt im Einspruchsverfahren eingeräumte Überprüfungsberechtigung und damit seine Entscheidungsbefugnis wird durch den angefochtenen Verwaltungsakt begrenzt (Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 19. Januar 1994 II R 32/90, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1994, 758; Urteil vom 28. Juli 1993 II R 50/90, BFH/NV 1993, 712).

Die Auffassung des Beklagten, die Einspruchesentscheidung stelle einen mögliche Fehler der Festsetzung vom 13. Oktober 2003 berichtigenden Steuerbescheid dar, führt nicht weiter. Der Beklagte verkennt, dass seine Prüfungsbefugnis und damit auch seine Änderungsbefugnis nur im Rahmen des dem angefochtenen Steuerbescheid zugrunde gelegten Lebenssachverhaltes besteht und dass eine Berichtigung eines Steuerverwaltungsaktes nur im Rahmen der - hier außerdem nicht anwendbaren - §§ 129, 172 ff. Abgabenordnung - AO - zu einer "Heilung" eines fehlerhaften oder rechtswidrigen Verwaltungsaktes führen könnte. Auch die Berufung des Beklagten auf die zulässige "Ersetzung" eines nichtigen Verwaltungsaktes im Einspruchsverfahren (vgl. § 365 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AO) schlägt fehl, weil die Änderung oder Ersetzung eines Steuerbescheides im Rechtsbehelfsverfahren nur bei Identität des Besteuerungstatbestandes möglich ist (s. z.B. Pahlke/Koenig, AO, 2004, § 364 Tz. 24).

Zum anderen lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin mit dem auch ihr gegenüber gemachten Kaufangebot gehandelt hätte. Der Beklagte hat insbesondere nicht im Einzelnen dargelegt, dass die Klägerin die betreffenden Erwerbergemeinschaften gegenüber der Eigentümerin benannt hat und dass die Klägerin eigene oder wirtschaftliche Interessen eines Dritten, dem gegenüber sie im Hinblick auf die Ausübung des Benennungsrechts gebunden war, verfolgt hätte (vgl. Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 1 Tz. 483 f, 484c, 485). Darüber hinaus ist die Einspruchsentscheidung rechtswidrig, weil zu unbestimmt. Der Beklagte lässt nämlich offen, ob er den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder den des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG oder beide Tatbestände für verwirklicht hält. Die Verwendung des Wortes "bzw." ist ungenau, weil dies "oder", aber auch "und" bedeuten kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Rechtsmittelbelehrung

Die Revision ist nicht zugelassen worden.



Ende der Entscheidung

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