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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 21.05.2008
Aktenzeichen: 11 K 1382/04 B
Rechtsgebiete: GrEStG


Vorschriften:

GrEStG § 1 Abs. 2
GrEStG § 16 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

11 K 1382/04 B

Grunderwerbsteuer

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 11. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 21. Mai 2008

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ... sowie

die ehrenamtlichen Richter ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Ablehnungsbescheid vom 16. Oktober 2002 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. August 2004 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. April 2001 aufzuheben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches der Klägerin abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der B. GmbH -, die wiederum zu 40% an der C. GmbH beteiligt war. Diese Gesellschaft beabsichtigte, das ihr gehörende Objekt X. in Y. nach umfangreichen Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen in Eigentumswohnungen aufzuteilen und zu veräußern. Als Generalübernehmer wurde die D. AG beauftragt. Die E. Bank finanzierte das Vorhaben.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 19. Dezember 2000 (UR-Nr. ...des Notars M.) erwarb die Klägerin verschiedene Eigentumswohnungen und Stellplätze von der C. GmbH. Der vereinbarte Gesamtkaufpreis betrug rd. 9,8 Mio. DM. Nach den vertraglichen Vereinbarungen standen der Klägerin als Käuferin die Gewährungsleistungsrechte nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch - BGB - für Mängel am Gebäude gegen die C. GmbH, die außerdem die lastenfreie Übereignung schuldete, zu. Für die verkauften Einheiten bestand ein Wohngeldrückstand. Nach Eintragung von Auflassungsvormerkungen für die Klägerin im Grundbuch kam es aber zu einer Eigentumsumschreibung nicht, vielmehr wurde am 9. April 2001 über das Vermögen der C. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt N. zum Insolvenzverwalter bestellt.

Durch Bescheid vom 27. April 2001 setzte der Beklagte für den Erwerb des o.g. Grundstückes durch die Klägerin die Grunderwerbsteuer in Höhe von 344.373,- DM bestandskräftig fest.

In der Folgezeit stellte sich heraus, dass das Gebäude insgesamt erhebliche Mängel aufwies. Der Insolvenzverwalter teilte mit Schreiben vom 17. August 2001 mit, dass er die von der C. GmbH gegenüber der Klägerin geschuldete Lastenfreistellung nicht herbeiführen könne. Deshalb weigerte sich die Klägerin, den geschuldeten Kaufpreis zu zahlen. Daraufhin wurde der Kaufvertrag vom 19. Dezember 2000 durch notarielle Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Insolvenzverwalter am 20. Dezember 2001 (UR-Nr. ...des Notars M.) aufgehoben.

Ebenfalls von dem Insolvenzverwalter erwarb die F. GmbH, eine weitere 100%ige Tochtergesellschaft der B. GmbH, am 20. Dezember 2001 die Eigentumswohnungen und Stellplätze, die Gegenstand des Aufhebungsvertrages mit der Klägerin waren (UR-Nr. ... des Notars M.), sowie mit Kaufvertrag vom 26. April 2002 (UR-Nr. ... des Notars M.) u.a. Wohn- und Gewerbeeinheiten der Käufer "O." und "P.", deren Finanzierungen gescheitert waren. Die F. GmbH zahlte einen Kaufpreis von 6,8 Mio. DM. Sie übernahm das Grundstück mit dem mangelbehafteten Gebäude und - im Kaufvertrag vom 26.April 2002 - sämtliche in den Abteilungen II und III der jeweiligen Grundbücher eingetragenen Lasten. Ferner verzichtete sie auf Mängelgewährleistungsansprüche gegenüber dem Insolvenzverwalter in den beiden Kaufverträgen. In § 10 der Verträge heißt es jeweils, dass "Besitz, Nutzungen, Lasten, Steuern, Abgaben und Gefahren bereits am 9. April 2001 auf den Käufer übergegangen" sind.

Die unter Berufung auf den Aufhebungsvertrag vom 20. Dezember 2001 beantragte Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung gemäß § 16 Abs. 1 Grunderwerbsteuergesetz - GrEStG - lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 2002 ab.

Dagegen erhob die Klägerin Einspruch und machte geltend, der Hintergrund für die Kompromissbereitschaft der Beteiligten zum Jahresende 2001 sei vielschichtig gewesen. Die E. Bank sei mit dem Jahreswechsel 2000/2001 in G. umbenannt worden und habe ein starkes innerbetriebliches Interesse gehabt, ihr Kreditengagement X. im ersten Geschäftsjahr nicht verlustreich zu beenden. Im Falle einer Zwangsversteigerung hätte sie als Grundpfandrechtsgläubigerin das Risiko der Erzielung eines akzeptablen Verwertungserlöses getragen. Auch der Insolvenzverwalter habe ein starkes Interesse daran gehabt, dass die C. GmbH nicht Schuldnerin der noch offenen Wohngeldforderungen werde, da er für derartige Verbindlichkeiten haftete. Ferner sei eine Gewerbefläche in der Größe von etwa 900 qm noch nicht ausgebaut und damit unvermietbar gewesen. Für die Erzielung eines "massegerechten" Preises hätten daher nur geringe Aussichten bestanden. Aufgrund der Mangelhaftigkeit des Gebäudes sei der Insolvenzverwalter auch an einer bloßen Vertragsanpassung mit ihr - der Klägerin - nicht interessiert gewesen. In diesem Fall hätte es sich aus ihrer Sicht um einen Rechtsverzicht gehandelt, der im Falle ihrer Insolvenz der Gefahr der Anfechtung ausgesetzt gewesen wäre. Da der Insolvenzverwalter von der Verpflichtung zur Mängelgewährleistung habe freikommen wollen, sei ein Änderungsvertrag für ihn nicht ausreichend gewesen. Dies ergebe sich aus seinem Schreiben vom 22. Januar 2002 an den beurkundenden Notar M., in dem der Insolvenzverwalter ausdrücklich auf dem vollständigen Ausschluss der Gewährleistungsrechte bestehe. Dieses Interesse habe er bereits im Rahmen der Vergleichsverhandlungen in Form des zweiten Kaufvertrages durchsetzen können. Eine Einigung in diese Richtung, d.h. Kaufpreisminderung gegen Verzicht auf Gewährleistungsrechte, mit ihr - der Klägerin - hätte aus Sicht des Insolvenzverwalters stets unter der möglichen Insolvenzanfechtung gestanden. Diese Umstände hätten letztlich zu der Rückabwicklung des ersten Kaufvertrages und auf Initiative des Insolvenzverwalters zur Neuverhandlung und zum Abschluss eines neuen Kaufvertrages mit wesentlich anderem Inhalt geführt. So enthalte der zweite Kaufvertrag z.B. einen Verzicht auf Gewährleistungsansprüche. Dabei habe der Insolvenzverwalter sein Interesse an einer Veräußerung unter Ausschluss jedweder Gewährleistung durchsetzen können.

Die Klägerin meint, die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG lägen vor. Neben der zivilrechtlichen Rückabwicklung sei das Geschäft auch tatsächlich rückabgewickelt worden. Die C. GmbH sei wieder in die Lage versetzt worden, in vollem wirtschaftlichen Umfang über das Grundstück zu verfügen. Bei ihr - der Klägerin - seien keine Rechte in grunderwerbsteuerlicher Hinsicht verblieben. Gemäß Nr. 2 des Aufhebungsvertrages sei vereinbart worden, dass sämtliche Ansprüche zwischen den Parteien aus dem aufgehobenen Kaufvertrag ausgeglichen seien und weitergehende Ansprüche von keiner Vertragspartei geltend gemacht werden können. Diese Formulierung stelle klar, dass sämtliche Ansprüche aus dem Kaufvertrag nicht mehr durchsetzbar sein sollten und dass alle bereits erlangten Rechtspositionen auf die andere Partei zurückübertragen würden. Dies umfasse auch den Besitz sowie Nutzen und Lasten. Hinsichtlich der Rückerlangung des Besitzes ändere der am selben Tag mit der F. GmbH geschlossene neue Kaufvertrag, in dem eine rückwirkende Besitzübergabe auf den 9. April 2001 vereinbart worden sei, nichts. Der Besitzerwerb sei ein rein tatsächlicher Vorgang und damit zivilrechtlich nicht rückwirkend vereinbar. Eine abweichende Bewertung nehme auch das Steuerrecht nicht vor. Damit sei der Besitz am 20. Dezember 2001 zunächst auf die C. GmbH übergegangen. Durch die vertragliche rückwirkende Besitzübertragung hätten die Vertragsparteien sich nur schuldrechtlich so stellen können, als wäre der Besitz früher übergegangen. An den tatsächlichen Besitzverhältnissen habe dies nichts geändert. Ferner habe der Verkäufer wieder die Lasten des Grundstücks tragen müssen und die Nutzungen hieraus ziehen können. Denn nur in diesem Fall stünde der Verkäufer so, wie er ohne den Vertrag gestanden hätte. Anders als beim Besitz sei der Übergang von Nutzen und Lasten eines Grundstücks grundsätzlich frei vereinbar. Deshalb habe es den Parteien des zweiten Kaufvertrages, C. GmbH und F. GmbH, freigestanden, den Übergang von Nutzen und Lasten rückwirkend auf den 9. April 2001 zu bestimmen. Dies setze aber denklogisch voraus, dass infolge des Aufhebungsvertrages die C. GmbH zunächst in die Lage versetzt worden sei, erneut über das Grundstück und damit über Nutzen und Lasten an dem Grundstück verfügen zu können. Damit habe die C. GmbH zwingend zunächst Besitz, Nutzen und Lasten im ersten Schritt (Aufhebungsvertrag) wiedererhalten. Im zweiten Schritt (Verkauf an die F. GmbH) habe sie darüber neu verfügt. Ferner könne nicht davon ausgegangen werden, dass ihr - der Klägerin - als ursprüngliche Käuferin nach dem Aufhebungsvertrag rein tatsächlich eine Stellung verblieben sei, die es ihr bei der Weiterveräußerung an die F. GmbH ermöglicht hätte, wie ein Zwischenhändler aufzutreten und damit im Ergebnis selbst wie ein Veräußerer das Grundstück an die F. GmbH weiter zu verkaufen. Ausschlaggebend sei in diesem Zusammenhang nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes - BFH - letztlich die Interessenlage der ursprünglichen Vertragsbeteiligten am Abschluss des neuen Vertrages. Sei dem ursprünglichen Käufer das weitere Schicksal des Grundstücks gleichgültig, so hindere eine Auswechselung des ursprünglichen Käufers gegen einen Dritten nicht die Anwendung des § 16 GrEStG. Verlange der ursprüngliche Verkäufer vor seiner Zustimmung zur Vertragsaufhebung vom Käufer die Präsentation eines Ersatzkäufers, so schließe auch dies die Anwendung der Steuervergünstigung nicht aus. Habe der Käufer durch den anschließenden Verkauf des Grundstücks an einen Dritten wirtschaftliche Vorteile, die über eine Vermittlungsprovision hinausgingen, so stehe dies der Anwendung des § 16 GrEStG entgegen (Hinweis auf den Beschluss des BFH vom 6. September 1987, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1987, 826). In dem vom BFH entschiedenen Fall habe der ursprüngliche Käufer durch den Weiterverkauf die Finanzierung eines Gesamtprojektes und damit einen ihm erteilten Auftrag zur Errichtung einer Appartementanlage sichern wollen. Darin habe der BFH die Verfolgung eigenwirtschaftlicher Interessen beim Weiterverkauf gesehen. Daran fehle es aber bei ihr - der Klägerin -. Ferner führe das Urteil des Finanzgerichts - FG - Hamburg vom 23. Mai 2000 (Umsatzsteuer- und Verkehrssteuer-Recht 2001, 117) zu keiner anderen Beurteilung. Danach sei zwar ein Einfluss des ursprünglichen Käufers auf die Auswahl des neuen Vertragspartners dann anzunehmen, wenn es sich um nahestehende oder gesellschaftsrechtlich verbundene Personen handele und wenn der Erstkäufer ein Interesse an dem Neuabschluss des Vertrages mit dem Zweitkäufer habe. Erst- und Zweitkäuferin sei es aber beim Fall des FG Hamburg darum gegangen, den ursprünglichen Vertragszweck zu Gunsten der Erstkäuferin - Unterbringung von Geschäftsfreunden der Gesellschaft - auch weiterhin verwirklichen zu können. Einen derartigen aufrechterhaltenen Zweck zu Gunsten der Klägerin gebe es jedoch im Streitfall nicht. Deshalb sei die Entscheidung des FG Hamburg nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar.

Durch Einspruchsentscheidung vom 3. August 2004 wies der Beklagte den Rechtsbehelf als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 GrEStG seien nicht erfüllt. Die Grundstücksveräußerin habe bis zur Grundstücksweiterveräußerung nicht ihre ursprüngliche Rechtsstellung, frei über das Grundstück zu verfügen, zurückerlangt. Die Klägerin sei am Schicksal des Grundstücks weiter interessiert gewesen. Dies werde dadurch bestätigt, dass Herr Q. als Geschäftsführer der Klägerin und der F. GmbH die Vertragsausführung und auch die Weiterveräußerung erst am 28. Dezember 2001 genehmigt habe, nachdem die Genehmigung der Grundstücksveräußerin vom 21. Dezember 2001 bereits vorgelegen habe. Im Hinblick auf diese zeitliche Abfolge der beiden Vereinbarungen griffen auch sämtliche Einwände der Klägerin, wonach die Weiterveräußerung an ihre Schwestergesellschaft nicht in ihrem Interesse erfolgt sei, nicht durch. Die personellen und gesellschaftsrechtlichen Bindungen zwischen den Konzerngesellschaften, die Übernahme der Kosten für die von der Grundstücksveräußerin zu vertretende Vertragsaufhebung durch die Klägerin und die Übernahme der Kosten der Lastenfreimachung durch die F. GmbH belegten das Interesse und auch die Macht der Klägerin, die Weiterveräußerung an die Konzernschwester durchzusetzen.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage.

Die Klägerin, die sich auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren stützt, beantragt,

den Ablehnungsbescheid vom 16. Oktober 2002 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. August 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. April 2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten beantragen hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte bezieht sich auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Ablehnungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Rechte der Klägerin. Der Beklagte ist zu einer Aufhebung des streitigen Grunderwerbsteuerbescheides verpflichtet.

Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 GrEStG sind erfüllt. So liegt eine zivilrechtlich wirksame Aufhebung der gegenüber der Klägerin bestehenden Übereignungsverpflichtung der C. GmbH vor. Es fehlt auch nicht an der nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, erforderlichen tatsächlichen Rückgängigmachung des streitigen Erwerbsvorganges. Im Falle der Weiterveräußerung eines - hier zuerst von der Klägerin erworbenen - Grundstücks knüpft der BFH die Nichtanerkennung einer tatsächlichen Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges an folgende Voraussetzungen:

Trotz wirksamer Aufhebung des ursprünglichen tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäfts muss dem Erwerber eine Rechtsposition verblieben sein.

Diese Rechtsposition muss aus dem ursprünglichen Erwerbsvorgang herzuleiten und der Verkäufer insoweit nicht aus seinen Bindungen entlassen worden sein.

Die verbliebene Rechtsposition kann auch unabhängig von dem aufgehobenen Grundstücksübereignungsanspruch bestehen geblieben sein, so etwa im Zusammenhang mit einer fehlenden vollständigen Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts (z.B. nicht erfolgter Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten auf den Veräußerer).

Im Falle einer Weiterveräußerung muss der Erwerber die Möglichkeit zur Verwertung der Rechtsposition haben.

Der Erwerber muss im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung diese seine Rechtsposition im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse tatsächlich verwertet haben (vgl. zu alledem Boruttau, GrEStG, 16. Auflage, § 16 Tz. 61 b mit Rechtsprechungsnachweisen).

Im Streitfall ist das letzte Kriterium nicht erfüllt, sodass § 16 Abs. 1 GrEStG anwendbar ist.

Allerdings hatte die Verkäuferin, d.h. genauer: der anstelle der C. GmbH verfügungsbefugte Insolvenzverwalter, die ursprüngliche Rechtsposition nicht in vollem Umfang zurückerlangt. Zwar hat die Klägerin die Löschung der zu ihren Gunsten eingetragenen Auflassungsvormerkungen bewilligt. Zu einem Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten auf den Insolvenzverwalter ist es aber im Zusammenhang mit dem Aufhebungsvertrag nicht gekommen. Hinsichtlich der Nutzungen und Lasten trifft es nicht zu, dass denklogische Voraussetzung für die Regelungen über den entsprechenden Übergang auf die F. GmbH die Verfügungsbefugnis des Verkäufers (Insolvenzverwalter) gewesen sei. Schuldrechtlich waren die beiden Kaufverträge zwischen dem Insolvenzverwalter und der F. GmbH auch bei fehlender Verfügungsbefugnis des Verkäufers wirksam, da - soweit es um den Kaufvertrag vom 20. Dezember 2001 geht - kein Fall der Unmöglichkeit gegeben ist (argumentum § 306 BGB a.F.) und da der Kaufvertrag vom 26. April 2002 in jedem Fall - selbst bei anfänglich objektiv unmöglicher Leistung - gemäß § 311 a Abs. 1 BGB n.F. wirksam ist. Des Weiteren bedeutet die Ausgleichsklausel im Aufhebungsvertrag lediglich, dass alles beim Alten geblieben ist, d.h. dass sich an dem durch den Kaufvertrag vom 19. Dezember 2000 herbeigeführten Rechtszustand nichts geändert hat. So sind die Mieteinnahmen wie auch die von der Klägerin getragenen Lasten bei dieser verblieben (vgl. die Ausgleichsklausel i.V.m. dem Schreiben der Klägerin vom 2. April 2001, Bl. 35 der Steuerakte). Eine Rückabwicklung hat insoweit gerade nicht stattgefunden. Dem steht ferner entgegen, dass der Wechsel von Nutzen und Lasten im Kaufvertrag vom 20. Dezember 2001 rückwirkend auf die F. GmbH erfolgte, ohne dass eine Einbeziehung des Insolvenzverwalters in diesen Wechsel erkennbar wäre. Die Zustimmung zu dem rückwirkenden Wechsel stellt noch keinen (vorübergehenden) Übergang von Nutzen und Lasten auf den Insolvenzverwalter dar.

Jedenfalls fehlt es an der Rückgängigmachung der Sachherrschaft über das Grundstück auf den Insolvenzverwalter und damit an einem Übergang des Besitzes auf diesen.

Ob die für den Besitzerwerb nach § 854 Abs. 1 BGB erforderliche Erlangung tatsächlicher Gewalt eingetreten ist, entscheidet sich nach der Verkehrsanschauung aufgrund zusammenfassender Wertung aller Umstände. Notwendig ist eine gewisse Dauer und Festigkeit der Beziehung zur Sache sowie eine Zugänglichkeit, die aufgrund physischer Innehabung oder Achtung Anderer vor fremdem Besitz eine jederzeitige Einwirkung ermöglicht. Eine nur symbolische Gewalterlangung reicht nicht (vgl. zu alledem Palandt, Kommentar zum BGB, 60. Auflage, § 854 Tz. 3 mit Nachweisen). Außerdem muss die Erlangung der tatsächlichen Gewalt von einem nach Außen erkennbaren Sachherrschaftswillen getragen sein (Palandt, a.a.O. Tz. 4).

Danach hatte der Veräußerer die tatsächliche Gewalt nicht zurückerlangt. In Wirklichkeit hatten die Klägerin und der Insolvenzverwalter eine tatsächliche Rückgängigmachung auch nicht beabsichtigt, weil in dem im Anschluss an den Aufhebungsvertrag (UR-Nr. ... vom 20. Dezember 2001) vereinbarten zweiten Kaufvertrag (... vom 20. Dezember 2001) der Übergang von Besitz, Nutzungen, Lasten, Steuern, Abgaben und Gefahr auf die F.- GmbH rückwirkend auf den 9. April 2001 bestimmt wurde (Ziffer 9.1.). Danach war eine Einschaltung des Insolvenzverwalters in den Besitz-, Nutzen- und Lastenwechsel nicht vorgesehen und auch nicht über die rechtlich zweifelhafte Konstruktion einer juristischen Sekunde erforderlich, weil der betreffende Wechsel unmittelbar von der Klägerin auf die F.-GmbH erfolgen konnte.

Die mangels tatsächlicher Vollzugsakte fehlende Besitzübertragung auf den Insolvenzverwalter ist des Weiteren nicht durch eine Einigung im Sinne des § 854 Abs. 2 BGB ersetzt worden. Eine Einigung der Klägerin mit dem betreffenden Verwalter über die Übertragung der bestehenden Besitzlage liegt nicht vor; die bloße Begründung eines Verfügungsrechts ist nicht ausreichend (vgl. Palandt, a.a.O. Tz. 10). Vielmehr muss der bisherige Besitzer, d.h. die Klägerin, die tatsächliche Sachherrschaft im Umfang der Besitzübertragung erkennbar aufgeben (Palandt, a.a.O.). Auch daran fehlt es hier.

Es kann indes nicht festgestellt werden, dass die Klägerin diese Rechtsposition im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung auch tatsächlich verwertet hat. Der Senat schließt sich der Auffassung (siehe Boruttau a.a.O. Tz. 61 b am Ende) an, dass die bloße Interessenlage allein noch nicht die Versagung der Steuervergünstigung rechtfertigt. Erforderlich ist zusätzlich die Verwertung eigener wirtschaftlicher Interessen (BFH a.a.O.). Dies setzt voraus, dass der Klägerin eine Rechtsposition verblieben ist, die mit der desjenigen vergleichbar ist, dem ohne eine Begründung eines Übereignungsanspruches die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück übertragen ist (Hofmann, GrEStG, 8. Auflage, § 16 Tz. 17). Daran fehlt es hier.

Allerdings geht der Senat davon aus, dass die Weiterveräußerung auch im Interesse der B. GmbH erfolgt ist, da diese offensichtlich das Projekt weiterverfolgen wollte. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, ihr sei nur die Wahl zwischen zwei Übeln verblieben, schließt dies die Verfolgung eigener Interessen bei dem Aufhebungsvertrag und dem Kaufvertrag vom 20. Dezember 2001 nicht aus. Ob der Rücktritt vom ersten Kaufvertrag trotz des Eingeständnisses des Insolvenzverwalters, er könne die Lastenfreistellung nicht vornehmen (siehe Schreiben vom 17. August 2001 Seite 2 = Bl. 81 der Steuerakte), tatsächlich mit derartigen Prozessrisiken behaftet war, dass die Annahme des Kompromissvorschlages (siehe das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 17. August 2001 und das Schreiben der Rechtsanwälte R. vom 19. September 2001 = Bl. 150 ff. der Steuerakte) eine "reelle" Alternative war, sei dahingestellt. Aber auch wenn die Zustimmung zum Kompromiss sogar mit Übernahme der Kosten des Aufhebungsvertrages für ein Interesse der B. GmbH, das sich die Klägerin als zu 100% beherrschte Tochtergesellschaft zurechnen lassen muss, dafür spricht, das betreffende Projekt im Rahmen des Konzerns durchzuführen (vgl. oben), folgt daraus noch keine mit § 1 Abs. 2 GrEStG auch nur annähernd vergleichbare Rechtsposition der Klägerin in Zusammenhang mit dem Aufhebungs- und dem zweiten Kaufvertrag. Die Klägerin hat zum einen in der mündlichen Verhandlung ausführlich vorgetragen, dass der Insolvenzverwalter eine faktische Position, die er habe durchsetzen können, innegehabt habe und dass Sekundäransprüche (Schadensersatzansprüche) wegen der Insolvenz der C. GmbH praktisch nicht durchsetzbar gewesen seien. Der Insolvenzverwalter hatte es danach in der Hand, das Projekt scheitern zu lassen, d.h. es zu einer Zwangsversteigerung aufgrund eines entsprechenden Antrages der G.-Bank, die daran aber aufgrund der ungünstigen Marktverhältnisse kein Interesse gehabt habe, kommen zu lassen. Zum anderen führt aber auch das von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung hervorgehobene Interesse der B. GmbH, die getätigten Investitionen nicht verfallen zu lassen und deshalb die F. GmbH als Zweiterwerberin zu präsentieren, noch nicht zu einer mit § 1 Abs. 2 GrEStG irgendwie vergleichbaren Rechtsposition der Klägerin.

Es ist nicht erkennbar, dass die der Klägerin verbliebenen Rechtsposition im Bereich von Besitz, Nutzen und Lasten (siehe oben) ein Druckmittel gegenüber dem Insolvenzverwalter darstellte, aufgrund dessen die Klägerin die F. GmbH als neue Käuferin mit für die B. GmbH günstigen Bedingungen hätte durchsetzen können. Der Kaufvertrag mit der F. GmbH vom 20. Dezember 2001 enthält zwar einen niedrigeren Kaufpreis, dafür musste die betreffende Gesellschaft aber die Kosten der Löschung der in Abteilung II und Abteilung III eingetragenen Rechte übernehmen und vor allem auf Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Insolvenzverwalter verzichten (siehe §§ 3 Ziffer 3., 10, 11 des Kaufvertrages vom 20. Dezember 2001); im Kaufvertrag vom 26. April 2002 hat die F. GmbH zusätzlich die in Abteilung II und Abteilung III eingetragenen Lasten übernommen (siehe §§ 4 Ziffer 4.1., 11, 12). Im Ergebnis beruhte die Auswechselung des Käufers auf dem Bestreben des Insolvenzverwalters, die Vertragsanpassung wegen der von ihm befürchteten Insolvenzanfechtung nicht mit der Klägerin durchzuführen.

Nach alledem lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin eine mit § 1 Abs. 2 GrEStG vergleichbare Rechtsposition in ihrem Interesse oder dem der B. GmbH verwertet hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Frage, ob die der Klägerin verbliebene Rechtsposition (siehe oben) wegen fehlender Vergleichbarkeit mit einer an § 1 Abs. 2 GrEStG orientierten Verwertungsbefugnis der Anwendung von § 16 Abs. 1 GrEStG nicht entgegensteht, grundsätzliche Bedeutung hat.



Ende der Entscheidung

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