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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 28.08.2009
Aktenzeichen: 11 V 11151/09
Rechtsgebiete: FGO, EigZulG, AO, StGB


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
EigZulG § 4
EigZulG § 15 Abs. 1
AO § 155 Abs. 4
AO § 169 Abs. 2
AO § 173 Abs. 1
StGB § 264
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Verfahren

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 11. Senat - am 28. August 2009

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ..,

den Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ...

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Durch notariellen Kaufvertrag vom 24. Februar 1998 erwarb die Antragstellerin eine Eigentumswohnung in A, G.1., zu Anschaffungskosten von insgesamt 248.960,27 DM.

Mit Antrag vom 25. Januar 1999 machte die Antragstellerin Eigenheimzulage geltend und gab an, dass sie die Wohnung ihrer Mutter unentgeltlich überlasse. Dem Antrag beigefügt war u.a. die Anmeldung der Mutter bei der Meldebehörde über den Einzug zum 30. November 1998.

Mit Bescheid vom 18. März 1999 wurde die Eigenheimzulage auf je 4.000,- DM für die Jahre 1998 - 2005 festgesetzt. Der Bescheid wurde am 21. Juli 2000 aufgrund der Geburt des zweiten Kindes der Antragstellerin dahin geändert, dass die Eigenheimzulage für die Jahre 2000 - 2005 auf jeweils 5.500,- DM festgesetzt wurde. Wegen der Geburt des dritten Kindes der Antragstellerin wurde die Eigenheimzulage für die Jahre 2001 bis 2005 mit Bescheid vom 08. März 2002 auf 7.000,- DM jeweils erhöht. Die den betreffenden Bescheiden beigefügten Vorbehalte der Nachprüfung hob der Antragsgegner am 14. März 2005 auf.

Infolge einer Anzeige von B" dem früheren Lebensgefährten der Mutter der Antragstellerin, kam es zu Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes ... gegen die Antragstellerin. In dem daraufhin ergangenen steuerlichen Kurzbericht vom 14. Mai 2008 wurde festgestellt, dass die streitige Wohnung an die Mutter und den Anzeigenerstatter entgeltlich vermietet worden sei. Die Miete sei auf Wunsch der Antragstellerin nicht auf ihr Konto, sondern auf das Konto der Lebenspartnerin des Bruders der Antragstellerin überwiesen worden.

Aufgrund dieser Feststellungen hob der Antragsgegner mit Bescheiden vom 08. Juli 2008 (betreffend Eigenheimzulage ab 2001), 11. Juli 2008 (hinsichtlich der Eigenheimzulage für 2000) und vom 16. Juli 2008 (bezüglich Eigenheimzulage 1998 und 1999) die Festsetzungen der Eigenheimzulage nach § 173 Abs. 1 Abgabenordnung - AO - auf. Dagegen erhob die Antragstellerin Einsprüche, über die der Antragsgegner noch nicht entschieden hat. Nach Einreichung des Antrages vom 03. November 2008 auf Aussetzung der Vollziehung der inzwischen vom Antragsgegner erlassenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Oktober 2008 sowie der dem zugrunde liegenden Steuerbescheide erklärte der Bevollmächtigte der Antragstellerin, Rechtsanwalt ..., mit Schreiben vom 26. November 2008 u.a., dass der "Geldfluss der Mutter an die Tochter ... lediglich zur Unterstützung zum einen bei der Kredittilgung, zum anderen als Unterstützung für X und ihre drei Kinder" und "nicht als Gegenleistung für das Wohnrecht" erfolgt sei.

Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2009 hat die Antragstellerin das Gericht gemäß § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung - FGO - angerufen unter Hinweis darauf, dass der Antragsgegner weiter vollstrecke, ohne die Einsprüche gegen die "Rückforderungsbescheide" zu bearbeiten.

Die Antragstellerin macht geltend, der Antragsgegner stütze sich zu Unrecht auf die Aussage des ehemaligen Lebensgefährten der Mutter, wonach die Zahlungen der Mutter Mietzahlungen auf die mit der Eigenheimzulage geförderte Immobilie darstellten. Vielmehr seien die betreffenden Leistungen in unterschiedlicher Höhe und bereits vor Beantragung der Eigenheimzulage geflossen. Auch seit dem Auszug aus der geförderten Wohnung leiste die Mutter noch monatliche Zahlungen an sie - die Antragstellerin - direkt. Im Rahmen ihrer Beschuldigtenvernehmung vom 14. Oktober 2008 habe sie - die Antragstellerin - bereits gegenüber der Steuerfahndungsstelle betont, dass die Zahlungen der Mutter lediglich zur Vermeidung von Missverständnissen für den Zeitraum der Eigenheimzulage über das Konto der Lebensgefährtin ihres Bruders fließen sollten. Dies sei auf ausdrücklichen Hinweis des mit der Finanzierung der Immobilie beauftragten Beraters der Deutschen Vermögensberatung, C, erfolgt. Dieser habe auch erst auf die Möglichkeit der Beantragung von Eigenheimzulage hingewiesen. Die Anzeige von B beruhe auf unwahren Angaben. Der vor dem Amtsgericht A abgeschlossene zivilrechtliche Rechtsstreit zwischen ihr und B habe mit einem Vergleich dergestalt geendet, dass sie B die Nutzung der Wohnung gestatte. Dies spreche gegen ein Mietverhältnis. Ferner habe B im Rahmen der zivilrechtlichen Auseinandersetzung erklärt, dass es sich nicht um Mietzahlungen, sondern um die Abzahlung des Kredits an das Geldinstitut handele. Dies stehe im Widerspruch zu der Behauptung in der Strafanzeige, in der B die Zahlung von Mietzins der Mutter an sie - die Antragstellerin - behaupte. Im Übrigen ergebe sich die unterschiedliche Höhe der Zahlungen der Mutter daraus, dass diese ihre Unterstützung an ihre Tochter und die Enkel von ihrer jeweiligen Zahlungsfähigkeit abhängig gemacht habe. Teilweise sei dieses Geld auch für die Tilgung des für den Wohnungskauf aufgenommenen Kredits verwandt worden. Dies stelle aber keinen Verstoß gegen die mit Beziehung der Eigenheimzulage verbundenen Bedingungen dar, den Wohnraum unentgeltlich an Verwandte zu überlassen. Darüber hinaus stelle die Vollstreckung und Vollziehung aufgrund des noch laufenden Steuerstrafverfahrens eine unzumutbare Härte dar, weil die dem behaupteten Schuldgrund zugrunde liegenden Sachverhalte noch nicht ausermittelt worden seien. Dies sehe die Steuerfahndung ebenso. Die Beiziehung der Ermittlungsakte in dem Verfahren (Aktenzeichen ...) werde dringend angeregt.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung der Bescheide vom 08., 11. und 16. Juli 2008 auszusetzen,

hilfsweise,

die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er weist darauf hin, dass die Antragstellerin im Rahmen ihrer Beschuldigtenvernehmung angegeben habe, dass zunächst am 30. September 1998 ein Mietvertrag über die streitige Wohnung geschlossen worden sei. Als sie dann von ihrem Finanzberater darauf hingewiesen worden sei, dass ein Mietverhältnis der Gewährung der Eigenheimzulage entgegenstünde, habe sie den Mietvertrag zerrissen. In dem Zivilrechtsstreit zwischen der Antragstellerin und dem ehemaligen Lebensgefährten der Mutter habe die Antragstellerin ebenfalls eingeräumt, seit 1999 über Umwege monatlich zunächst 300,- DM, später dann 600,00 DM von ihrer Mutter erhalten zu haben. Dem Einwand der Antragstellerin, es handele sich bei den regelmäßigen monatlichen Zahlungen nicht um Entgelte für die Wohnungsüberlassung, sondern um Unterstützungsleistungen, sei nicht zu folgen. Die Antragstellerin habe nämlich zusätzlich zum Elterngeld über erhebliche - in der Antragserwiderung bezifferte - Einnahmen verfügt. Des Weiteren könne davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin Unterhaltszahlungen für ihre Kinder erhalten habe. Eine monatliche finanzielle Unterstützung der Antragstellerin durch die Mutter sei danach nicht erforderlich gewesen. Zudem seien die monatlichen "Unterstützungsleistungen" auch vor und nach dem Zeitraum des Bezugs von Elterngeld gezahlt worden. Die Bruttolohnbezüge der Antragstellerin hätten in dem Kalenderjahr 1998 und 1999 69.262,21 DM und 70.708,52 DM betragen.

Der Antragsgegner meint, dass eine Gegenleistung - gleich welcher Art und Höhe - für die Wohnungsüberlassung eigenheimzulageschädlich sei. Das Bestehen eines Mietverhältnisses sei insofern nicht Voraussetzung, um eine Gegenleistung anzunehmen. Unentgeltlichkeit liege nur dann vor, wenn keinerlei Entgelt gezahlt werde. Der zeitliche Zusammenhang der Zahlungen mit der Wohnungsüberlassung werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Zahlungen vor der Antragstellung auf Eigenheimzulage begonnen hätten. Maßgeblich sei allein der wirtschaftliche und zeitliche Zusammenhang der Wohnungsüberlassung mit einer Gegenleistung. Sofern die Antragstellerin auch jetzt noch regelmäßige Zahlungen von ihrer Mutter erhalte, sei dies auch nur darauf zurückzuführen, dass sich - wie von Anfang an vereinbart - die Mutter an den Kosten des Darlehens beteilige, welches die Antragstellerin für den Erwerb der Wohnung aufgenommen habe.

II.

Der Antrag ist - wie der Antragsgegner in seiner Erwiderung vom 21. Juli 2009 zutreffend ausgeführt hat - zulässig (§ 69 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 FGO), aber nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin unbegründet.

Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Aufhebungsbescheide i. S. des § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO bestehen nicht. Eine unentgeltliche Überlassung der streitigen Wohnung an die Mutter liegt offensichtlich nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes - BFH - (Urteile vom 31. Juli 2001, IX R 9/99, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2002, 77; vom 24. Oktober 2007, IX B 122/07, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2007, 346) ist unentgeltlich i. S. des § 4 S. 2 Eigenheimzulagegesetz - EigZulG - eine Wohnungsüberlassung nur dann, wenn sie ohne Gegenleistung gleich welcher Art und Höhe erfolgt. Ob eine Gegenleistung vorliegt, ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse zu bestimmen. Erforderlich ist, dass der als Gegenleistung in Betracht kommende Vorteil im wirtschaftlichen (Veranlassung-) Zusammenhang (gerade) mit der Wohnungsüberlassung steht (vgl. BFH a.a.O.).

An einer voll unentgeltlichen Überlassung der streitigen Wohnung fehlt es hier, da die betreffenden Unterstützungsleistungen nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin auch zur Tilgung des für den Wohnungskauf aufgenommenen Kredites verwandt worden sind. Da die Antragstellerin den Kredit allein nicht abzahlen konnte, steht die finanzielle Unterstützung der Mutter bei der Zahlung der Schuldzinsen im wirtschaftlichen (Veranlassungs-) Zusammenhang mit der Wohnungsüberlassung. Im Falle der Nichtentrichtung der Kreditraten musste die Antragstellerin nämlich mit der Zwangsversteigerung der Wohnung rechnen mit der Folge, dass die Mutter die Wohnung hätte räumen müssen. Danach ist die - auch nur teilweise - Unterstützung im Rahmen der Kreditabzahlung notwendig auf die Überlassung der Wohnung bezogen. Die finanzielle Hilfe bei den Schuldzinszahlungen war zwangsläufig die Gegenleistung für die Überlassung der Wohnung, denn ein anderer Zweck ist insoweit aufgrund der Nutzung des betreffenden Objektes durch die Mutter nicht denkbar.

Darüber hinaus folgt aus den Zahlungen der Mutter an die Lebensgefährtin des Bruders der Antragstellerin, dass die finanzielle Unterstützung gegenüber Dritten verheimlicht werden sollte. Geldzahlungen einer Mutter für die Tochter und minderjährige Enkelkinder erfolgen, wenn nichts verschleiert werden soll, unmittelbar an die Tochter. Der behauptete Rat des Vermögensberaters, die finanziellen Zuwendungen der Mutter an die Lebenspartnerin des Bruders der Antragstellerin zunächst zu leisten, um nicht den Eindruck von Mietzahlungen zu erwecken, ist abwegig, da eine eindeutige Bestimmung bei der (jeweiligen) Leistungserbringung einen derartigen Anschein vermieden hätte. Außerdem ist nach den Angaben des Antragsgegners zur Höhe der Einnahmen der Antragstellerin in den Streitjahren und dem Hinweis auf Unterhaltsverpflichtungen des Vaters der drei Kinder der Antragstellerin eine nur persönliche, von der Kreditzahlung völlig losgelöste Unterstützung nicht vorstellbar und stünde im Widerspruch zum eigenen Vorbringen der Antragstellerin (s. o.). Jedenfalls indiziert der fragliche Zahlungsumweg die Annahme, dass die Antragstellerin einen Subventionsbetrug i. S. des § 264 Strafgesetzbuch - StGB - begangen hat, indem sie dem damals zuständigen Finanzamt ... über subventionserhebliche Tatsachen - finanzielle Unterstützung durch die Mutter auch für die Kreditabzahlung - unvollständige Angaben gemacht hat, die für sie vorteilhaft waren.

Unter diesen Umständen liegen die Voraussetzungen für eine Aufhebung der betreffenden Eigenheimzulagefestsetzungen nach § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 155 Abs. 4 AO, 15 Abs. 1 S. 1 EigZulG vor, da es sich bei der streitigen Unterstützung durch die Mutter um eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache handelt. Der Aufhebung steht auch nicht die Festsetzungsverjährung nicht entgegen, da die Bescheide vom 08., 11. und 16. Juli 2008 innerhalb von zehn Jahren seit Antragstellung (25. Januar 1999) erlassen worden sind.

Allerdings ist umstritten, ob die Vorschrift des § 169 Abs. 2 S. 2 AO, wonach bei einer Steuerhinterziehung die Festsetzungsfrist zehn Jahre beträgt, hier anzuwenden ist. Bei dem Eigenheimzulage-Betrug handelt es sich nicht um eine Steuerhinterziehung i. S. des § 370 AO, weil die Eigenheimzulage keine Steuer ist (vgl. auch Klein, AO, 9. Aufl., § 370 Textziffer 12 f., § 169 Textziffer 11). Eine Anwendbarkeit von § 169 Abs. 2 S. 2 AO folgt auch nicht unmittelbar aus § 15 Abs. 2 EigZulG, weil es sich dabei um eine Zuständigkeitsvorschrift handelt (siehe z.B. Handzik/Meyer, Die Eigenheimzulage, 4. Auflage, Textziffer 600). Aus § 15 Abs. 1 S. 1 EigZulG, wonach für die Eigenheimzulage die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend gelten, folgt aber aus rechtssystematischen und teleologischen Gründen, dass das Erschleichen der Eigenheimzulage als vorsätzliche Straftat vom Unrechtsgehalt her ohne Weiteres mit einer Steuerhinterziehung i. S. des § 370 AO, einer Steuerhehlerei i. S. des § 71 AO oder dem ungerechtfertigten Erlangen einer Prämie oder Zulage vergleichbar ist.

Allerdings bildet der Normtext die Grenze für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift. Der Umstand, dass in § 169 Abs. 2 S. 2 AO der Subventionsbetrug nicht ausdrücklich erwähnt ist, hindert indes eine entsprechende Anwendung dieser Regelung auf den Fall des Subventionsbetruges nicht, da die gebotene Gleichbewertung von Steuerhinterziehung und Subventionsbetrug (s. auch § 15 Abs. 2 EigZulG) eine Wertungslücke im Anwendungsbereich der sogenannten langen Festsetzungsverjährung aufzeigt und deshalb aus Gründen der Sachgerechtigkeit eine korrigierende Ergänzung des § 169 Abs. 2 S. 2 AO erfordert (vgl. auch Zippelius, Juristische Methodenlehre, 4. Aufl., S 58 ff., 62; siehe auch Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1935, unveränderter Nachdruck 1987, S. 62 ff.). Weiterhin kann der Bezugnahme in § 15 Abs. 1 S. 1 EigZulG auf die entsprechende Anwendung der für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung eine zumindest stillschweigende Verweisung (zu deren Anerkennung in der Rechtsordnung siehe etwa Engisch, a.a.O., S. 26 f.) auf die entsprechende Anwendbarkeit des § 169 Abs. 2 S. 2 AO im Falle des Eigenheimzulage-Betruges entnommen werden (vgl. auch BFH, Urteil vom 28. August 1997, III R 3/94, BStBl II 1997, 827 für die Investitionszulage).

Dem steht das aus Artikel 103 Abs. 2 Grundgesetz - GG - abgeleitete Analogieverbot nicht entgegen, weil es im Streitfall nicht um die Begründung eines neuen materiellrechtlichen Steuertatbestandes geht, sondern um die entsprechende Anwendung einer Verfahrensvorschrift. Auch die Erkenntnis, dass Vorschriften des formellen Rechts einen materiell-rechtlichen Charakter haben können (siehe z.B. Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl., Art. 84 Textziffer 4 a zu den sogenannten doppelgesichtigen Normen), führt zu keinem anderen Ergebnis, da § 169 Abs. 2 S. 2 AO eine formale Regelung darstellt; jedenfalls ist eine analoge Anwendung von Vorschriften des Verjährungsrechts nicht ausgeschlossen (siehe z.B. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl., Überblick vor § 194 Textziffer 12 m. N.).

Nach alledem handelt es sich nicht um die Neuschöpfung oder Erweiterung eines matereill- rechtlichen Steuertatbestandes, sondern um die Konkretisierung des § 169 Abs. 2 S. 2 AO durch Ausfüllung einer sicher erkennbaren Wertungslücke, so dass keine unzulässige Analogie vorliegt (vgl. allgemein dazu etwa Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, § 4 Textziffer 184 ff., 192). Unter Berücksichtigung dessen ist das auch im Steuerrecht geltende Bestimmheitsgebot (siehe dazu etwa Jarass/Pieroth, a.a.O., Artikel 20, Textziffer 57 f.) nicht verletzt, zumal der Richter nicht nur an das Gesetz, sondern auch an das Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG).

Aus diesen Gründen ist festzuhalten an der auf den vorliegenden Streitfall übertragbaren Rechtsprechung des BFH, wonach aus der im Investitionszulagegesetz - ebenfalls - vorgeschriebenen entsprechenden Anwendung der für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung die Anwendbarkeit der langen Verjährungsfrist des § 169 Abs. 2 S. 2 AO folgt (vgl. das Urteil vom 28. August 1997 a.a.O.).

Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Aufhebungsbescheide folgen ferner nicht aus der in der Literatur vertretenen Gegenmeinung, die eine Verlängerung der Festsetzungsfrist für den Subventionsbetrug ablehnt (siehe z.B. Pahlke/Koenig, AO, 2. Auflage, § 169 Textziffer 60 m. N.). Dieser Auffassung ist nicht zu folgen, da sie sich mit dem Problem der Wertungslücke nicht bzw. nicht überzeugend auseinandersetzt.

Bei dieser Sach- und Rechtslage braucht nicht darauf eingegangen zu werden, dass für den Zeitraum des von der Antragstellerin eingeräumten Leerstandes der streitigen Wohnung eine Eigenheimzulage ausgeschlossen ist. Außerdem kann offenbleiben, welche Bedeutung dem Aktenvermerk des Rechtsanwaltes D vom 29. August 2006 über seine Besprechung mit der Antragstellerin zukommt.

Unerheblich ist des Weiteren die Anregung der Antragstellerin auf Beiziehung der Ermittlungsakte. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren sind nur präsente Beweismittel zulässig (§ 155 FGO i.V.m. § 294 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Im Übrigen ergibt sich aus der Anregung nicht, welche Tatsachen durch welche Erklärungen oder Urkunden in der Ermittlungsakte glaubhaft gemacht werden sollen.

Schließlich dringt die Antragstellerin mit ihrer Berufung auf unbillige Härte i. S. des § 69 Abs. 2 S. 2 FGO nicht durch, da diese weder im Einzelnen dargelegt noch glaubhaft gemacht worden ist. Außerdem scheidet eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte aus, weil keine erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte bestehen (vgl. auch Gräber, FGO, 6. Aufl., § 69 Textziffer 158).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat hat die Beschwerde zugelassen, da die Frage, ob § 169 Abs. 2 S. 2 AO im Falle eines Eigenheimzulage-Betruges anwendbar ist, höchstrichterlich noch nicht entschieden ist.

Ende der Entscheidung

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