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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 15.07.2009
Aktenzeichen: 12 K 12168/08
Rechtsgebiete: EStG, UmwStG


Vorschriften:

EStG § 10d
UmwStG § 12 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 12. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Juli 2009

durch

die Richterin am Finanzgericht ...,

den Richter ...,

den Richter am Finanzgericht ... sowie

die ehrenamtlichen Richter ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigungsfähigkeit eines bei der B GmbH (B) bestehenden Verlustvortrages bei der Klägerin nach Verschmelzung der B auf diese.

Die Klägerin übernahm zum 31. Dezember 2001 im Wege der Verschmelzung das Vermögen der B. Die B verfügte zum 31. Dezember 2001 über festgestellte verbleibende Verlustvorträge zur Körperschaftsteuer in Höhe von EUR 128 432 und zur Gewerbesteuer in Höhe von EUR 134 616. Zum 31. Dezember 2001 hatte die B Umsatzerlöse in Höhe von EUR 521 375 und beschäftigte vier Arbeitnehmer. Die Anzahl der Arbeitnehmer reduzierte sich auf 1,7 (2002: 2). Die Umsatzerlöse entwickelten sich wie folgt: 2002 EUR 283 070,51, 2003 EUR 202 583,92, 2004 EUR 168 371,00, 2005 EUR 751 123,00 und 2006 EUR 557,005,00. Das Anlagevermögen der B hatte zum 31. Dezember 2001 einen Buchwert von EUR 22 589,00, zum 31. Dezember 2002 von EUR 19 637,00 und zum 31. Dezember 2003 von EUR 15 563,00.

Der Beklagte erkannte die Verluste der B zunächst bei der Klägerin an und stellte die verbleibenden Verlustvorträge bei der Klägerin auf den 31. Dezember 2001 zur Körperschaftsteuer auf EUR 312 985 und zur Gewerbesteuer auf EUR 407 900 fest. Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte der Beklagte jedoch zu der Auffassung, dass der ehemalige Geschäftsbetrieb der B nach der Verschmelzung nicht mehr in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang fortgeführt worden sei, und verminderte mit den hier angefochtenen Änderungsbescheiden die verbleibenden Verlustvorträge der Klägerin auf den 31. Dezember 2001 zur Körperschaftsteuer auf EUR 184 583 und zur Gewerbesteuer auf EUR 273 283. Der Einspruch der Klägerin gegen die Bescheide hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 13. August 2008).

Die Klägerin trägt vor, dass die Umsatzerlöse nur in einigen der auf die Verschmelzung folgenden Jahre zurückgegangen, dann aber wieder auf das vor der Verschmelzung bestehende Niveau und sogar darüber angestiegen seien. Der vorübergehende Rückgang der Umsatzerlöse und der Anzahl der Arbeitnehmer sei auf externe Faktoren zurückzuführen, die sich ihrem, der Klägerin, Einflussbereich entzogen hätten, nämlich auf die Reduzierung der öffentlichen Aufträge wegen der angespannten Haushaltslage in Berlin und den neuen Bundesländern, den Wegfall von Großaufträgen im Bereich der Baubetreuung und Projektsteuerung wegen der Mittelverknappung bei den Auftraggebern sowie die Verschlechterung der wirtschaftlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen, die ständig steigende Zahl von Unternehmensinsolvenzen im mittelständischen Bereich und bei Handwerksbetrieben und den zunehmenden Konkurrenzdruck und Preisverfall. Diese Faktoren hätten strukturelle Anpassungen im Unternehmen zwingend erforderlich gemacht, um den Fortbestand insgesamt nicht zu gefährden; gleichwohl könne nicht davon die Rede sein, dass der verlustverursachende Geschäftsbetrieb der B über den Verschmelzungsstichtag hinaus nicht in vergleichbarem Umfang fortgeführt worden sei. Bei Vorliegen entsprechender Rahmenbedingungen wäre sie, die Klägerin, jederzeit bereit und in der Lage gewesen, Aufträge im Bereich der Anlagen- und Baustellensicherheit sowie des Projektmanagements in Qualität und Umfang abzuwickeln, die den Verhältnissen des Jahres 2001 entsprochen hätten. Betriebliche Anpassungsprozesse als Folge der Verschlechterung der allgemeinen wirtschaftlichen Situation, die sich außerhalb der Entscheidungsebene der Geschäftsführung vollzögen, dürften nicht dazu führen, dass dem fortgeführten Unternehmen die wirtschaftliche Identität abgesprochen werde. Eine solche Auslegung widerspreche dem Sinn des § 12 Abs. 3 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG), da sie eine Bestrafung betriebswirtschaftlich sinnvoller Entscheidungen des Betriebsfortführers bei seinen Bemühungen um den Erhalt des Unternehmens darstellten. Die vom Beklagten herangezogene Grenze von 50% für das schädliche Abschmelzen des verlustverursachenden Geschäftsbetriebes sei eine willkürliche Festlegung, die auch nach der herrschenden Meinung im steuerrechtlichen Schrifttum inakzeptabel sei. Teilweise werde insoweit die Bestimmung eines festen Prozentsatzes überhaupt abgelehnt, teilweise werde eine Grenze von 25% vorgeschlagen. Das Volumen der Umsätze, des Auftragsbestandes und die Anzahl der Arbeitnehmer der B sei aber nicht auf unter 25% des vor der Verschmelzung bestehenden Niveaus gesunken.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2001 und über den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 2001 vom 21. März 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. August 2008 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung seiner Auffassung, dass der Geschäftsbetrieb der B nicht in wirtschaftlich vergleichbarem Umfang fortgeführt worden sei, beruft er sich auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 16. April 1999, in dem ein Absinken um mehr als 50% als schädlich angesehen wird.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte hat zu Recht die Berücksichtigung der bei der B vorhandenen Verlustvorträge bei der Klägerin versagt.

a) Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 UmwStG in der im Streitjahr geltenden Fassung tritt bei einer Verschmelzung die übernehmende Körperschaft in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein. Nach § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG gilt dies auch für einen verbleibenden Verlustvortrag im Sinne des § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG), wenn der Betrieb oder Betriebsteil, der den Verlust verursacht hat, über den Verschmelzungsstichtag hinaus in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wird. Zweck der Vorschrift ist es, den Übergang eines "funktionslosen Verlustvortrages" zu verhindern (Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 12 UmwStG, Rn. 660). § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG fordert dementsprechend, dass die wesentliche Struktur des Betriebes in qualitativer wie in quantitativer Hinsicht gewahrt bleibt (Klingberg in Blümich, EStG, KStG, GewStG und Nebengesetze, § 12 UmwStG, Rn. 40 f). Nicht fortgeführt im Sinne der Vorschrift wird ein Betrieb nach wohl h.M. dann, wenn er nicht während des gesamten Fünfjahreszeitraumes in dem Umfange besteht, wie er in dem zugrundezulegenden Umfang bei der übertragenden Gesellschaft bestand (Widmann a.a.O.., Rn. 661, 678; offen gelassen von Klingberg a.a.O..). Kriterien für die Beurteilung der Fortführung eines Betriebes oder Betriebsteiles sind u.a. der Umsatz, das Auftragsvolumen, das Aktivvermögen und die Anzahl der Arbeitnehmer (Breuninger/Frey, GmbH-Rundschau - GmbHR - 1998, 866, 873; Hofmeister, FS Widmann, 2000, 413, 421; Klingberg a.a.O..; Müller-Gatermann, FS Widmann, 2000, 425, 437; Postertz, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2005, 1678, 1679; Widmann a.a.O.., Rn. 643; BMF-Schreiben vom 16. April 1999, Bundessteuerblatt - BStBl. - I 1999, 455, Tz. 17). Für die Gewerbesteuer gilt gemäß § 19 UmwStG entsprechendes.

Hinsichtlich des aufrecht zu erhaltenden Umfanges hält der Senat zwar eine starre Grenze von 50% des am Verschmelzungsstichtages bestehenden Geschäftsbetriebes für ungeeignet, um den zu beurteilenden Einzelfällen gerecht zu werden (vgl. Senatsurteil vom 10. September 2008 - 12 K 8279/05 B, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2009, 63, Rev. BFH I R 95/09; gl.A. Bock, GmbHR 1999, 279, 281). Maßgeblich müssen vielmehr die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalles sein. Allerdings hält der Senat die Grenze von 50% für einen geeigneten Richtwert. Nicht zuzustimmen ist der im Schrifttum demgegenüber geäußerten Ansicht, dass die Nichtvergleichbarkeit erst bei einem Absinken auf unter 25% des ursprünglichen Umfangen angenommen werden könne (Widmann a.a.O.., Rn. 648). Ein Geschäftsbetrieb, der 75% oder mehr seines ursprünglichen Umfanges verloren hat, ist mit dem ursprünglichen Geschäftsbetrieb allenfalls ausnahmsweise noch vergleichbar; regelmäßig endet die Vergleichbarkeit bei einem Absinken von unter 50% des ursprünglichen Geschäftsbetriebes. Dabei muss jedoch eine Kompensation in der Weise möglich sein, dass eine Erhöhung eines Kriteriums die Verminderung eines anderen Kriteriums ausgleicht, denn anderenfalls wäre die übernehmende Körperschaft gehindert, wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungsmaßnahmen vorzunehmen, die z.B. eine deutliche Erhöhung des Anlagevermögens bei deutlicher Verminderung der Arbeitnehmerzahl oder umgekehrt mit sich bringen könnten. Das Einräumen einer Kompensationsmöglichkeit erscheint auch deshalb geboten, weil das Gesetz ein Fortführen in vergleichbarem Umfang, nicht aber in vergleichbarer Art und Weise fordert (zum Ganzen Senatsurteil in EFG 2009, 63).

b) Nach diesen Grundsätzen ist der Geschäftsbetrieb der B nicht in einem für die Berücksichtigung der zum 31. Dezember 2001 bestehenden Verlustvorträge erforderlichen Umfang fortgeführt worden. Die Anzahl der Arbeitnehmer ist unstreitig dauerhaft unter 50% des zum Zeitpunkt der Verschmelzung bestehenden Wertes gesunken. Das Umsatzvolumen ist jedenfalls in den Jahren 2003 und 2004 auf unter 50% des Vergleichswertes gesunken, so dass auch insofern eine Aufrechterhaltung des Betriebes während der gesamten fünf auf die Verschmelzung folgenden Jahre nicht gegeben ist. Das Anlagevermögen ist zwar bis 2003 nicht unter 50% des zum Zeitpunkt der Verschmelzung vorhandenen Anlagevermögen gesunken; ab diesem Zeitpunkt hat die Klägerin nach eigenen Angaben jedoch keine gesonderten Aufzeichnungen mehr geführt, so dass es wahrscheinlich erscheint, dass das zuletzt von der B vorhandene Anlagevermögen zu diesem Zeitpunkt abgegangen ist, denn anderenfalls hätte es nahegelegen, dass die Klägerin es - wie in den Jahren 2002 und 2003 auch - buchmäßig fortschreibt. Somit sind die Zahl der Arbeitnehmer, die Umsatzerlöse und der Wert des Anlagevermögens während der fünf auf die Verschmelzung folgenden Jahre gegenüber den entsprechenden zum Verschmelzungsstichtag bestehenden Werten zumindest teilweise auf unter 50% gesunken; damit ist das Merkmal des "vergleichbaren Umfanges" deutlich unterschritten. Hinzu kommt, dass die in den Jahren 2005 und 2006 zu verzeichnenden gegenüber den Vorjahren deutlich erhöhten Umsätze jedenfalls zu einem erheblichen Anteil aus einer Geschäftssparte stammen (Arbeitsschutz-Management), in der der übernommene Betrieb, soweit aus den Akten ersichtlich, gar nicht tätig war, so dass Zweifel bestehen, ob diese Umsätze in vollem Umfang dem übernommenen Betrieb zugerechnet werden können.

Ohne Erfolg beruft die Klägerin sich demgegenüber auf die äußeren Faktoren, die zu einer Reduzierung des Umfanges des Geschäftsbetriebes der B gezwungen hätten. Das Gesetz stellt in § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG nämlich allein auf den Umfang des Geschäftsbetriebes ab; ob dieser freiwillig oder aufgrund wirtschaftlicher Zwänge reduziert worden ist, ist insoweit unerheblich. Der Senat verkennt nicht, dass das Gesetz den Zweck verfolgt, die "Rettung" von Verlustvorträgen solcher Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb eigentlich vollständig einstellen wollen oder müssen, durch Verschmelzung auf andere Unternehmen zu verhindern. Es stand dem Gesetzgeber jedoch frei, dies in der Weise zu regeln, dass er die Berücksichtigung der bestehenden Verlustvorträge nicht nur bei vollständiger oder nahezu vollständiger Einstellung des Geschäftsbetriebes versagt, sondern für den Erhalt der Verlustvorträge eine Fortführung des Geschäftsbetriebes in vergleichbarem Umfang fordert, jedenfalls wenn man die Vorschrift, wie der erkennende Senat, so auslegt, dass eine Reduzierung von bis zu 50% im Regelfall unschädlich ist. Wird die 50%-Grenze jedoch im Hinblick auf alle in Betracht kommenden Vergleichskriterien unterschritten, so kann von einer Fortführung des Geschäftsbetriebes in vergleichbarem Umfang, wie § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG sie fordert, nicht mehr gesprochen werden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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