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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 16.04.2008
Aktenzeichen: 12 K 3285/04 B
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

12 K 3285/04 B

Kapitalertragsteuer inkl. Solidaritätszuschlag

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 12. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. April 2008

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts ...

die Richterin am Finanzgericht ...

den Richter ... sowie

die ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Ablehnungsbescheid vom 10. Februar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. April 2004 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Kapitalertragsteuer in Höhe von EUR 69 699,31 sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von EUR 3 833,46 zu erstatten.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Gesellschafter der Klägerin waren ursprünglich B, C, D, E, F und G. Am 21. Dezember 2001 erwarb die Klägerin die Anteile der Gesellschafterinnen B und C mit dem Gewinnbezugsrecht zum 01. Januar 2001. Im Jahre 2002 erwarb die Klägerin die Anteile der Gesellschafterin D mit dem Gewinnbezugsrecht ab dem 01. Januar 2002. Mit Beschluss vom 16. Januar 2002 wurden sämtliche eigenen Anteile der Klägerin eingezogen.

Am 26. Juni 2002 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin eine Gewinnausschüttung für das Jahr 2001 in Höhe von EUR 2 556 459,41. Die Klägerin überwies die danach auszuschüttenden Beträge am selben Tag an ihre Gesellschafter, und zwar auch jeweils EUR 174 248,27 an B und C. Sie erstellte eine entsprechende Kapitalertragsteuer-Anmeldung, zahlte den danach zu entrichtenden Betrag an den Beklagten und erteilte allen Zahlungsempfängern Steuerbescheinigungen.

Am 13. August 2002 fasste die Gesellschafterversammlung der Klägerin folgenden Beschluss:

"Zur Tagesordnung wurde klarstellend zum Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 26.6.2002 folgendes ergänzt:

Die Bardividende, die auf die eigenen Anteile der A GmbH entfällt, ist nicht auszuschütten, so dass tatsächlich nur EUR 2.207.962,87 ausgeschüttet werden. Ein Gewinnbezugsrecht der A GmbH besteht nicht."

Am 14. August 2002 wurde die Bilanz der Klägerin auf den 31. Dezember 2001 festgestellt. Die Klägerin beschloss sodann, eine Bardividende an die gewinnbezugsberechtigten Gesellschafter in Höhe von EUR 2 207 962,87 auszuschütten. Die Klägerin forderte sodann B und C auf, die ihnen ausgezahlten Dividenden zurückzuzahlen sowie die entsprechenden Steuerbescheinigungen im Original zurückzureichen. Beide ehemaligen Gesellschafterinnen kamen dieser Aufforderung noch im August 2002 nach. Die zurückgezahlten Beträge verblieben endgültig bei der Klägerin. Sie wurden weder bei B und C noch bei E, F und G als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst.

Am 15. August 2002 übersandte die Klägerin dem Beklagten zusammen mit dem Gesellschafterbeschluss vom 13. August 2002 eine geänderte Anlage zur Kapitalertragsteuer 06/2002 und bat, die danach zuviel gezahlten Steuern zu erstatten. Am 11. Oktober 2002 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass B und C die erhaltenen Beträge zurückgezahlt und die Steuerbescheinigung zurückgesandt hätten. Die Steuerbescheinigungen waren dem Schreiben im Original beigefügt.

Der Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 10. Februar 2003 ab, der Klägerin Kapitalertragsteuer zurückzuerstatten. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 20. April 2004).

Die Klägerin ist der Auffassung, dass Kapitalertragsteuer hinsichtlich der zunächst an B und C geleisteten und von diesen zurückerstatteten Dividenden nicht entstanden sei. Beide seien zum Zeitpunkt der Zahlung nicht mehr gewinnbezugsberechtigte Gesellschafterinnen gewesen. Eine Zurechnung dieser Beträge zu den zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vorhandenen gewinnbezugsberechtigten Gesellschaftern komme hingegen nicht in Betracht, da diesen die entsprechenden Beträge nicht zugeflossen seien.

Die Klägerin beantragt,

den Ablehnungsbescheid vom 10. Februar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. April 2004 aufzuheben und ihr Kapitalertragsteuer in Höhe von EUR 69 699,31 sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von EUR 3 833,46 zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, dass der Gewinnverteilungsbeschluss vom 26. Juni 2002 nicht auslegungsfähig und die darin beschlossene Gewinnausschüttung bei der Klägerin auch tatsächlich abgeflossen sei. Die Klägerin verkenne, dass auch die Gesellschafterin D zum Zeitpunkt der Gewinnausschüttung nicht mehr gewinnbezugsberechtigte Gesellschafterin gewesen sei, so dass sie folgerichtig auch insoweit ihren Gewinnausschüttungsbeschluss hätte berichtigen müssen. Tatsächlich sei jedoch davon auszugehen, dass eine Gewinnausschüttung in Höhe von EUR 2 445 459,41 gewollt gewesen sei. Dieser Betrag sei den Gesellschaftern E, F und G zuzurechnen. Unerheblich sei, ob Teile dieses Betrages mittlerweile zurücküberwiesen worden seien.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Ablehnungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Klägerin hat Anspruch auf Rückerstattung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt EUR 73 532,77.

a) Kapitalertragsteuer wird gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) u.a. bei Kapitalerträgen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erhoben. Die Steuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen. Maßgeblich für die Frage, ob Kapitalertragsteuer entstanden und abzuführen ist, ist die steuerliche Veranlagung des Gläubigers der Kapitalerträge (Urteil des Bundesfinanzhofes - BFH - vom 18. Februar 1970 - I R 97/66, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1970, 464; Lindberg in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 44 EStG Rn. 4). Als besondere Erhebungsform der Einkommensteuer kann Kapitalertragsteuer nur dort entstehen, wo bei dem Gläubiger der Einkünfte Einkommensteuer entsteht. Sind also bei dem Gläubiger der Kapitalerträge entsprechende steuerpflichtige Einkünfte zu erfassen, ist auch Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen. Liegen bei dem Gläubiger der Kapitalerträge hingegen keine entsprechenden Einkünfte vor, so ist allfällige einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer zu erstatten (BFH in BStBl. II 1970, 464, unter 3.; zu einem derartigen Zusammenhang zwischen § 43 Abs. 1 und § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch BFH-Urteil vom 17. Februar 1993 - I R 21/92, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofes - BFH/NV - 1994, 83, unter 2. der Gründe). Dementsprechend lassen Rückzahlungsverpflichtungen, die grundsätzlich am Zufluss einer einmal beschlossenen und zugeflossenen Gewinnausschüttung nichts zu ändern vermögen (Weber-Grellet in L. Schmidt, EStG, 26. Auflage 2007, § 20 Rn. 33), den Abzug der Kapitalertragsteuer grundsätzlich unberührt (BFH-Urteile vom 30. Juli 1997 - I R 11/96, BFH/NV 1998, 308;vom 26. Februar 2003 - I R 30/02, BFH/NV 2003, 1301, unter II.1.a)aa) der Gründe; Weber-Grellet in L. Schmidt, EStG, 26. Auflage 2007, § 44 Rn. 2). Das gilt auch bei teilweiser späterer Rückzahlung einmal erhaltener Ausschüttungen, etwa aufgrund einer nachträglicher Herabsetzung der Gewinnausschüttung durch Änderung des ursprünglichen Gewinnausschüttungsbeschlusses (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 13. November 1985 - I R 275/82, BStBl. II 1986, 193; BFH in BFH/NV 1994, 83, für den Fall einer Vorabausschüttung). Eine einmal beschlossene und durch Auszahlung verwirklichte Gewinnausschüttung lässt sich also für Zwecke der Kapitalertragsteuer nicht dadurch rückgängig machen, dass der Gesellschafter die erhaltene Dividende ganz oder teilweise an die Gesellschaft zurückzahlt.

b) Nach diesen Grundsätzen ist durch die Zahlungen an die Gesellschafterinnen B und C keine Kapitalertragsteuer entstanden; die von der Klägerin einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer ist ihr somit insoweit zurückzuerstatten.

Die Klägerin hat den Betrag in Höhe von EUR 348 496 (Differenz zwischen der am 26. Juni und der am 13. August 2002 beschlossenen Ausschüttung) nicht an einen Gläubiger von Kapitalbeträgen geleistet. Die Gesellschafterinnen B und C waren nicht Gläubigerinnen von Kapitalbeträgen, da ihnen ein Gewinnbezugsrecht für das Jahr 2001 nicht mehr zustand. Sie hatten demzufolge die ihnen irrtümlich als Dividende für das Jahr 2001 ausbezahlten Beträge - einschließlich der dafür erteilten Steuerbescheinigungen - als ungerechtfertigte Bereicherung zurückzugewähren. Die Gesellschafter E, F und G waren zwar Gläubiger von Kapitalbeträgen der Klägerin; ihnen ist jedoch der hier im Streit stehende Differenzbetrag nicht zugeflossen, und zwar weder die Nettodividende noch eine dafür ausgestellte Steuerbescheinigung. Insofern unterscheidet sich der Fall von den bisher entschiedenen Fällen, in denen jeweils ein Gesellschafter, der durchaus Empfänger einer Gewinnausschüttung sein konnte, eine erhaltene Dividende ganz oder teilweise zurückgewährt hat. Während in den bisher entschiedenen Fällen demzufolge die Gesellschafter trotz Rückgewähr der Dividende Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe des ihnen zunächst zugeflossenen Betrages zu versteuern hatten, war der Betrag von EUR 348 496 hier weder bei B und C noch bei E, F und G als Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu versteuern. Für B und C stellte der Betrag keine Dividende aus ihrem Anteil an der Klägerin dar, denn der Bezug einer Dividende war nach dem Vertrag über die Veräußerung der Gewinnanteile ausgeschlossen. Bei E, F und G fehlte es an dem bei den Einkünften nach § 20 EStG erforderlichen Zufluss. Dementsprechend ist der Betrag von EUR 348 496 weder bei B und C noch bei E, F und G der Besteuerung gemäß § 20 EStG unterworfen worden. Wenn aber keiner der Gesellschafter der Klägerin den Differenzbetrag in Höhe von EUR 348 496 als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern hatte, kommt mangels Entstehung einer Einkommensteuerschuld bezogen auf diesen Betrag die Einbehaltung von Kapitalertragsteuer - als besonderer Erhebungsform der Einkommensteuer - nicht in Betracht.

Ohne Erfolg weist der Beklagte darauf hin, dass nach dem Vortrag der Klägerin die angegriffene Steueranmeldung auch im Hinblick auf die Ausschüttung an die Gesellschafterin D zu ändern wäre. Abgesehen davon, dass das Gericht bei seiner Entscheidung an den Antrag der Klägerin gebunden ist und über diesen nicht hinausgehen darf, ist nicht ersichtlich, warum die Gesellschafterin D nicht für das Jahr 2001 Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe der ihr zugeflossenen Gewinnausschüttung hätte erzielt haben sollen, denn das Gewinnbezugsrecht dieser Gesellschafterin ging erst zum 01. Januar 2002 auf die Klägerin über.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).



Ende der Entscheidung

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