Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 16.04.2008
Aktenzeichen: 12 K 6147/05 B
Rechtsgebiete: GewStG


Vorschriften:

GewStG § 8 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

12 K 6147/05 B

Gewerbesteuer 1999

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 12. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. April 2008

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts ...

die Richterin am Finanzgericht ...

den Richter ... sowie

die ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid über Gewerbesteuermessbetrag und Gewerbesteuer für 1999 vom 10. Dezember 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. März 2005 wird dahingehend geändert, dass die hälftige Hinzurechnung von DM 604 948 als Dauerschuldzinsen i.S.d. § 8 Nr. 1 GewStG unterbleibt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist für die Klägerin hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Beschluss

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt die Verwaltung von Grundstücken einschließlich der Tätigkeit als Grundstücksmakler sowie die Durchführung von Baumaßnahmen für eigene oder fremde Rechnung. Sie erwarb im Jahre 1995 ein Grundstück in der ...straße in C in der Absicht, darauf eine Anlage mit acht Eigentumswohnungen und vier Kfz-Stellplätzen zu errichten. In ihren Bilanzen für die Jahre 1995 und 1996 wies die Klägerin das Grundstück als Umlaufvermögen aus.

Zur Finanzierung des Erwerbs und der Bebauung des Grundstücks nahm die Klägerin ein Darlehen in Höhe von DM 5 360 000 auf. In dem zugrundeliegenden Kreditvertrag ist unter dem Punkt "Kreditrückzahlung" geregelt:

"Der Kredit ist aus Kaufpreiserlösen der 8 Eigentumswohnungen und der 4 Kfz- Stellplätze, die von Ihnen mit insges. DM 6.250.000,-- kalkuliert werden, zurückzuführen. ..."

Diese Verbindlichkeit wurde von den Beteiligten zunächst als eine solche im Zusammenhang mit der Anschaffung von Umlaufvermögen und damit als Verbindlichkeit des laufenden Geschäftsverkehrs der Klägerin behandelt.

Im Dezember 1997 wurde ein Teil der Wohnungen an verschiedene Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaften) veräußert, an denen - neben natürlichen Personen - auch die Klägerin beteiligt war. Ihre Beteiligung an der GbR ...straße Whg. 1-4 betrug 94%; diesen Anteil veräußerte die Klägerin mit Vertrag vom 17. Dezember 2001. Die Beteiligung an der GbR ...straße Whg. 5 und GbR ...straße Whg. 7 betrug zunächst jeweils 94%; davon veräußerte die Klägerin mit Vertrag vom 15. Mai 1998 jeweils 91% an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer B, so dass bei ihr jeweils 3% verblieben. Die Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag gingen danach auf die Gesellschafter der BGB-Gesellschaften über. Die BGB-Gesellschaften vermieteten die Wohnungen. Die Klägerin wies in ihren Bilanzen für die Streitjahre die Beteiligungen an den BGB- Gesellschaften zunächst im Anlagevermögen aus. Bei ihr fielen in den Streitjahren Zinsaufwendungen in Höhe von DM 356 973 (1998) und DM 604 948 (1999) an.

Der Beklagte nahm bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Jahre 1997 bis 1999 vor. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Zinsaufwendungen als Dauerschuldentgelte gemäß § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) dem Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb hälftig hinzuzurechnen seien, und erließ u.a. den hier angefochtenen geänderten Bescheid über Gewerbesteuer und Gewerbesteuermessbetrag.

Der Einspruch der Klägerin gegen den Änderungsbescheid hatte keinen Erfolg.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die hier streitigen Darlehenszinsen keine Dauerschuldzinsen i.S.d. § 8 Nr. 1 GewStG darstellten, weil ihre Beteiligungen an den BGB-Gesellschaften nicht dauerhaft ihrem Betriebsvermögen hätten dienen sollen. Sie verweist insbesondere auf den Kreditvertrag mit der Dresdner Bank, aus dem hervorgehe, dass der Kreditbetrag mithilfe der geplanten Kaufpreiserlöse zurückgezahlt werden sollte. Weder die Wohnungen selbst noch die Beteiligungen an den BGB-Gesellschaften hätten dauerhaft in ihrem, der Klägerin, Betriebsvermögen verbleiben sollen. Dass sie die Wohnungen zunächst nicht wie geplant habe verkaufen können, sei keine Willensentscheidung gewesen, sondern sei auf den Zusammenbruch des ... Immobilienmarktes zurückzuführen gewesen. Im Jahr 2001 sei es dann gelungen, die Beteiligungen zu veräußern.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über Gewerbesteuermessbetrag und Gewerbesteuer für 1999 vom 10. Dezember 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. März 2005 dahingehend zu ändern, dass die hälftige Hinzurechnung von DM 604 948 für 1999 als Dauerschuldzinsen i.S.d. § 8 Nr. 1 GewStG unterbleibt,

sowie,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist darauf, dass die Klägerin selbst die Beteiligungen an den BGB-Gesellschaften im Anlagevermögen ausgewiesen habe. Er äußert dazu die Vermutung, dass die Klägerin planmäßige Absetzungen für Abnutzung auf die Wohnungen geltend gemacht habe, was nur bei Anlage-, nicht aber bei Umlaufvermögen in Betracht komme. Zudem macht er geltend, dass ausweislich des Kreditvertrages das Darlehen bei Verkauf der Wohnungen hätte getilgt werden müssen; dieser Fall sei mit der Veräußerung der Wohnungen an die BGB-Gesellschaften eingetreten. Da die Klägerin den Kredit danach aber nicht zurückgezahlt habe, habe sie die Kreditsumme in der Folge in der Weise umgewidmet, dass diese der dauerhaften Verstärkung ihres Betriebskapitals habe dienen sollen. Schließlich verweist er darauf, dass die Wohnungen teilweise und zeitweise vermietet worden seien.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Gewerbesteuerbescheid und der Gewerbesteuermessbescheid 1999 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte hat die Schuldzinsen zu Unrecht zur Hälfte dem Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet.

a) Nach § 8 Nr. 1 GewStG in der im Streitjahr geltenden Fassung wurden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die bei seiner Ermittlung abgezogenen Zinsen für Dauerschulden zur Hälfte wieder hinzugerechnet. Neben Schulden, die mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen, sind Dauerschulden solche Schulden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Schulden dienen der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals, wenn ihr Gegenwert auf Grund ihrer tatsächlichen Laufzeit das Betriebskapital für längere Zeit verstärkt. Das ist bei Schulden, die eine Laufzeit von mehr als einem Jahr aufweisen, regelmäßig der Fall. Eine Ausnahme gilt allerdings für laufende Verbindlichkeiten, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr eines Unternehmens entstehen. Dabei handelt es sich insbesondere um Kredite, die ein Unternehmen zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines bestimmten Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens aufnimmt und die aus dem bei der Veräußerung dieses Wirtschaftsguts erzielten Erlös zu tilgen sind. Soweit Kredite dem laufenden Geschäftsverkehr zuzurechnen sind, kann aus der über ein Jahr hinausgehenden Laufzeit allein noch nicht auf den Charakter als Dauerschuld geschlossen werden. Auch ein längerfristiger Kredit dient vielmehr dem laufenden Geschäftsverkehr in diesem Sinne, wenn er in wirtschaftlichem Zusammenhang mit laufenden Geschäftsvorfällen steht und in der nach Art des Geschäftsvorfalls üblichen Frist getilgt wird. Der geforderte wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Kredit und finanziertem Geschäft ist gegeben, wenn vereinbart und nachprüfbar sichergestellt ist, dass der sich aus der Abwicklung des einzelnen Geschäfts ergebende Erlös zur Abwicklung des einzelnen Kreditgeschäfts verwendet wird und damit der freien Verfügung des Schuldners entzogen ist. Der Zusammenhang muss grundsätzlich vertraglich begründet und bei der Abwicklung des Kredits auch tatsächlich gewahrt werden. Maßgeblich ist nach zutreffender Ansicht des Bundesfinanzhofes (BFH), dass die Erlöse nicht anderen Verwendungen zugeführt werden und somit der freien Verfügung des Kaufmanns entzogen sind. Ist dies der Fall, kann es auch nicht darauf ankommen, ob die Kredite in der nach Art der Geschäftsvorfälle üblichen Frist getilgt werden (zum Ganzen BFH-Urteil vom 19. August 1998 - XI R 9/97, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1999, 33, unter II.1.-3. der Gründe).

b) Nach den vorgenannten Grundsätzen handelte es sich bei der Kreditverbindlichkeit gegenüber der Dresdner Bank nicht um eine Dauerschuld i.S.d. § 8 Nr. 1 GewStG.

Die Verbindlichkeit ist, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, zur Finanzierung eines Grundstücks, das dem Umlaufvermögen der Klägerin zuzuordnen war, aufgenommen worden. In dem Kreditvertrag war ausdrücklich vereinbart worden, dass der Kredit aus den Erlösen der von der Klägerin zu errichtenden Eigentumswohnungen zurückzuzahlen war. Es handelte sich dabei also zunächst um eine Verbindlichkeit, die dem laufenden Geschäftsverkehr der Klägerin zuzurechnen war und keine Dauerschuld i.S.d. § 8 Nr. 1 GewStG darstellte.

Die Verbindlichkeit hat ihren Charakter als eine solche des laufenden Geschäftsverkehrs nicht deshalb verloren, weil die Klägerin den Kredit zunächst nicht vereinbarungsgemäß zurückzahlen konnte. Nach der oben dargestellten Rechtsprechung ändert sich der Charakter einer Verbindlichkeit nicht schon dann, wenn die wirtschaftliche Entwicklung anders verläuft, als der Steuerpflichtige dies geplant hatte. Eine Umwandlung von laufender Verbindlichkeit zu Dauerschuld setzt vielmehr voraus, dass der Steuerpflichtige die Mittel in der Weise umwidmet, dass sie nunmehr sein Betriebskapital dauernd verstärken. Das ist z.B. dann der Fall, wenn er das Geld zur Tilgung anderer Kredite oder zur Anschaffung von Anlagevermögen nutzt. Das war hier jedoch nicht der Fall. Insbesondere war die Veräußerung der errichteten Wohnungen an BGB-Gesellschaften, an denen teilweise auch die Klägerin beteiligt war, keine Anschaffung neuen Anlagevermögens in diesem Sinne. Zum einen bestehen erhebliche Zweifel daran, die Beteiligungen an den BGBGesellschaften als Anlagevermögen der Klägerin zu qualifizieren. Nach der ständigen zutreffenden Rechtsprechung gehören zum Anlagevermögen solche Wirtschaftsgüter bzw. Vermögensgegenstände, die der planmäßig wiederholten betrieblichen Nutzung gewidmet sind, d.h. bei denen eine nicht nur temporal, sondern funktional dauernde Nutzung für den allgemeinen Geschäftszweck beabsichtigt ist (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2006 - VIII R 51/04, BStBl. II 2008, 137, unter II.2.b)aa) der Gründe). Das traf hier in Bezug auf die Anteile an den BGB-Gesellschaften nicht zu, denn die Klägerin hatte ersichtlich nicht die Absicht, sich geschäftsmäßig als Beteiligte von "Wohnungs-BGB-Gesellschaften" zu betätigen. Der zunächst von der Klägerin unrichtig gewählte Ausweis als Anlagevermögen ist insoweit nicht schädlich; maßgeblich ist die tatsächliche Qualifikation der Beteiligungen (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 28. Februar 2006 - 3 K 2610/01 G, F, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2006, 834). Auch die Tatsache, dass die Wohnungen teilweise und zeitweise vermietet worden waren, führt nicht dazu, die Anteile an den BGB-Gesellschaften zu Anlagevermögen zu qualifizieren. In der Vermietung mag das Bemühen der Klägerin zu sehen sein, den wirtschaftlichen Schaden, der in der zeitweisen Nichtveräußerbarkeit der Wohnungen lag, zu minimieren. Eine dauerhafte Vermietungsabsicht und damit die Absicht, die Beteiligungen an den BGB-Gesellschaften dauerhaft in ihrem Betriebsvermögen zu halten, hatte die Klägerin demgegenüber nicht, wie ihre anhaltenden Bemühungen zeigen, die Anteile an den BGB-Gesellschaften zu veräußern. Soweit der Beklagte geltend macht, dass die Klägerin auf die Wohnungen bzw. auf die Anteile an den BGB-Gesellschaften planmäßige Absetzungen für Abnutzung vorgenommen habe, hat er dies lediglich behauptet, aber nicht nachgewiesen.

Nach der Überzeugung des Senats handelte es sich bei den Beteiligungen an den BGB-Gesellschaften lediglich um ein Surrogat der errichteten Wohnungen, das die Klägerin ebenso wie zuvor die Wohnungen schnellstmöglich veräußern wollte, um die hier im Streit stehende Verbindlichkeit tilgen zu können. Die Klägerin konnte dementsprechend zu keiner Zeit frei über den Erlös der - in welcher Form auch immer - verwerteten Wohnungen verfügen, sondern hatte daraus nach wie vor den Kredit der Dresdner Bank zu tilgen. Der Beklagte irrt demgegenüber, wenn er meint, dass mit dem Verkauf der Wohnungen an die BGB-Gesellschaften die Pflicht der Klägerin, den Kredit zu tilgen, einhergegangen wäre. Die Klägerin war vertraglich verpflichtet, den Kredit aus dem Erlös des Verkaufs der Wohnungen zu tilgen. Einen Erlös konnte sie jedoch nicht erzielen, indem sie die Wohnungen an BGB-Gesellschaften, an denen sie maßgeblich beteiligt war, - und somit gleichsam an sich selbst - veräußerte. Eine verständige Auslegung der Kreditabrede führt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin den Kredit aus dem Erlös der Veräußerung der Wohnungen an Dritte zu bedienen hatte.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war für notwendig zu erklären, da die Sach- und Rechtslage nicht so einfach war, dass die Klägerin sich selbst hätte vertreten können.



Ende der Entscheidung

Zurück