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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 24.06.2009
Aktenzeichen: 12 K 6154/05 B
Rechtsgebiete: GewStG, AO, BGB


Vorschriften:

GewStG § 9 Nr. 1 S. 2
GewStG § 9 Nr. 1 S. 3
AO § 39 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 744
BGB § 745
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

12 K 6154/05 B

Gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1998

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 12. Senat -

ohne mündliche Verhandlung

am 24. Juni 2009

durch

die Richterin am Finanzgericht ...,

den Richter ...,

den Richter am Finanzgericht ... sowie

die ehrenamtlichen Richter ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1998 vom 17. September 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01. April 2005 wird aufgehoben.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Beschluss:

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).

Die Klägerin ist eine GmbH, die bis zum 01. Januar 2002 eine von vier Komplementären der vermögensverwaltend tätigen B - KG war. Die B - KG verwaltete und vermietete das in C belegene ...gebäude; darüber hinausgehende Tätigkeiten übte sie nicht aus. Sie ist unstreitig nicht als gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen. Die Klägerin war weder zur Geschäftsführung noch zur Vertretung der B - KG befugt.

Die Klägerin machte in ihren Gewerbesteuererklärungen die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG geltend, die der Beklagte zunächst auch gewährte. Mit dem hier angefochtenen Änderungsbescheid versagte der Beklagte allerdings die erweiterte Kürzung und gewährte nur noch einen Kürzungsbetrag in Höhe von DM 7 186 gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG (1,2% des anteilig auf die Klägerin entfallenden Einheitswertes der B - KG).

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zustehe. Bei dem von der B - KG vermieteten und verwalteten Grundbesitz handele es sich um ihr, der Klägerin, zuzurechnenden eigenen Grundbesitz. Dies folge aus dem Beschluss des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 25. Juni 1984 (GrS 4/82, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1984, 751), nach dem Wirtschaftsgüter einer vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft bei einem betrieblich beteiligten Gesellschafter anteilig eigenes Betriebsvermögen darstelle. Nur die anteilig dem Gesellschafter zuzurechnenden Wirtschaftsgüter, nicht aber die Beteiligung selbst, sei folglich gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) von dem Gesellschafter in seiner Bilanz auszuweisen. Der Anteil an der Personengesellschaft selbst sei kein Wirtschaftsgut, sondern verkörpere die Summe aller Anteile an den zum Gesamthandsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern. Anders sei wegen des Vorrangs der §§ 15, 16 EStG vor § 39 Abs. Nr. 2 AO nur in dem hier nicht vorliegenden Falle der Beteiligung an einer gewerblich tätigen oder gewerblich geprägten Personengesellschaft zu entscheiden. Folglich verwalte sie, die Klägerin, lediglich eigenen Grundbesitz.

Das Halten einer Beteiligung an einer grundstücksverwaltenden Personengesellschaft stelle auch keine für die Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG schädliche Tätigkeit dar. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG verfolge den Zweck, die Gewerbesteuerbelastung von kraft ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften derjenigen von Einzelunternehmen oder Personengesellschaften, die lediglich Grundvermögen verwalteten und somit nicht gewerbesteuerpflichtig seien, anzunähern. Jede gewerbliche Tätigkeit, die nicht zu den in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten unschädlichen Nebentätigkeiten gehöre, schließe demnach die Gewährung der erweiterten Kürzung aus. Das gelte auch für die Beteiligung eines Grundstücksunternehmens an einer gewerblich tätigen oder gewerblich geprägten Personengesellschaft, da der Gesellschafter dann als Mitunternehmer anzusehen sei und aus der Beteiligung gewerbliche Einkünfte erziele. Sie, die Klägerin, sei aber lediglich an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft beteiligt, bei der sie zudem nicht zur Geschäftsführung befugt sei. Für eine solche Beteiligung seien die Überlegungen zum Ausschluss der erweiterten Kürzung nicht anwendbar.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1998 vom 17. September 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01. April 2005 aufzuheben,

sowie,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, dass die Klägerin nicht eigenen Grundbesitz, sondern das Gesamthandsvermögen der B - KG verwalte. Steuerlich werde die Beteiligung als ideeller Anteil an den gesamthänderisch gebundenen Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens betrachtet. Gesamthandseigentum begründe jedoch keinen sachenrechtlich fassbaren Anteil an diesen gesamthänderisch gebundenen Wirtschaftsgütern. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO führe zu keiner anderen Beurteilung, denn die Vorschrift erfülle lediglich eine besteuerungstechnische Hilfsfunktion, indem sie es ermögliche, gesamthänderisch gebundenes Vermögen zu erfassen und einzelnen Steuerpflichtigen zuzurechnen.

Das Halten einer Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft sei auch deswegen schädlich im Hinblick auf die Gewährung der erweiterten Kürzung, weil diese Tätigkeit nicht zum Katalog der unschädlichen Tätigkeiten gehöre.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Klägerin steht die Gewährung der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu.

a) Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, an Stelle der Kürzung gemäß Satz 1 der Vorschrift (= 1,2 v.H. des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes) die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Begünstigt ist nur die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes (Vermögensverwaltung). Zweck der erweiterten Kürzung ist es, die Erträge aus der bloßen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes von der Gewerbesteuer aus Gründen der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen freizustellen, die nur Grundstücksverwaltung betreiben (dazu grundlegend BFH-Urteil vom 18. April 2000 - VIII R 68/98, BStBl. II 2001, 359 m.w.N.). Eine Betätigung, die nicht zu den in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten unschädlichen Nebentätigkeiten zählt, schließt daher die erweiterte Kürzung aus.

b) Die Klägerin erfüllt die in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG aufgestellten Voraussetzungen. Sie verwaltet und nutzt ausschließlich eigenen Grundbesitz.

aa) Der im Gesamthandsvermögen der B - KG befindliche Grundbesitz ist ihr steuerlich anteilig als eigenes Grundvermögen zuzurechnen. Das ergibt sich aus § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO, der hinsichtlich vermögensverwaltender Personengesellschaften nicht durch den Vorrang der Einheit der Personengesellschaft verdrängt wird (Brockmeyer in Klein, AO, Kommentar, 9. Auflage 2006, § 39 Rn. 44 f.).

bb) Die Klägerin verwaltet und nutzt dieses Grundvermögen auch. Die Nutzung liegt in der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die die Klägerin aus dem Grundvermögen - vermittelt durch ihre Beteiligung an der B - KG - zieht.

Die Verwaltung des eigenen Grundbesitzes ergibt sich ebenfalls aus der Beteiligung an der B - KG. Für die Anwendbarkeit der erweiterten Gewerbesteuerkürzung kann es nicht darauf ankommen, ob der Steuerpflichtige tatsächlich selbst tätig wird oder die entsprechenden Verwaltungsaufgaben einem Dritten überträgt. Für die Einschaltung einer Hausverwaltung ist dies - soweit ersichtlich - unstreitig. Aber auch die Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, die keine Mitunternehmerschaft darstellt, ist als Verwaltung des über diese Gesellschaft gehaltenen Grundbesitzes anzusehen, und zwar selbst dann, wenn der Steuerpflichtige - wie im Streitfall - keine Geschäftsführungsaufgaben übernimmt. Denn die Übertragung der Verwaltungsaufgaben hinsichtlich des eigenen Grundbesitzes ist hier durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages und der dort vereinbarten Geschäftsführungsbefugnisse erfolgt. Der Fall ist insoweit mit der Beteiligung an einer Miteigentümergemeinschaft vergleichbar, die - soweit ersichtlich, ebenfalls unstreitig - als unschädliche Verwaltung des eigenen Miteigentumsanteils angesehen wird, und zwar unabhängig davon, wie die Geschäftsführungsbefugnisse nach §§ 744, 745 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- verteilt sind (vgl. Gosch in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 9 GewStG Rn. 75 m.w.N.). Es ist nicht ersichtlich, warum für die Ausübung der Rechte, die dem Gesellschafter einer nicht als Mitunternehmerschaft zu qualifizierenden Personengesellschaft zustehen, etwas anderes gelten sollte (a.A. Gosch a.a.O.. Rn 92).

cc) Die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist auch nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen. Das Halten der Beteiligung an der B - KG stellt insbesondere keine kürzungsschädliche Betätigung der Klägerin dar.

§ 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG nennt bestimmte erlaubte, aber nicht begünstigte Tätigkeiten, die die Gewährung der erweiterten Kürzung nicht ausschließen. Der Katalog der als unschädlich anzusehenden Nebentätigkeiten ist abschließend (Gosch in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 9 Rn. 55). Dazu gehören die Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens, die Betreuung von Wohnungsbauten und die Errichtung und Veräußerung von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern, Eigentumswohnungen und Teileigentum. Ob das Halten von Beteiligungen an grundstücksverwaltenden Personengesellschaften zu den unschädlichen Tätigkeiten zählt, wird uneinheitlich beurteilt (dafür Roser in Lenski/Steinberg, GewStG, Kommentar, § 9, Rn. 125; Gosch, StuW 1992, 350, 356; anders aber ders. in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 9 GewStG Rn. 92; Wendt, FR 2003, 159). Der BFH hatte bislang nur über die Beteiligung an gewerblich tätigen oder gewerblich geprägten Personengesellschaften zu entscheiden (BFH-Urteile vom 22. Januar 1992 - I R 61/90, BStBl. II 1992, 628; vom 17. Oktober 2002 - I R 24/01, BStBl. II 2003, 355; vom 30. November 2005 - I R 54/04, BFH/NV 2006, 1148). Der erkennende Senat folgt der Auffassung, dass das Halten einer Beteiligung an einer grundstücksverwaltenden Gesellschaft nicht kürzungsschädlich ist. Der Senat lässt sich bei dieser Beurteilung vom Sinn und Zweck des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG leiten, der darin liegt, vermögensverwaltende Grundstücksunternehmen, deren Einkünfte nur kraft Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegen, den vermögensverwaltenden Einzel- und Personenunternehmen gleichzustellen (dazu oben unter 1.a). Da sich die zivilrechtliche Beteiligung an einer grundstücksverwaltenden Personengesellschaft im Rahmen der erweiterten Gewerbesteuerkürzung als Nutzung und Verwaltung von eigenem Grundbesitz des Gesellschafters darstellt, spricht die abschließende Aufzählung der unschädlichen Nebentätigkeiten nicht gegen die hier vertretene Auslegung des § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG. Denn letztlich liegt gar keine Nebentätigkeit im Sinne dieser Regelungen vor, sondern die Aktivitäten der Klägerin beschränken sich von vornherein auf die Grundstücksverwaltung.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin Komplementärin der B - KG ist. Die Übernahme der Komplementärstellung ist entsprechend der Rechtsprechung des BFH zur Stellung von Sicherheiten (BFH-Urteil vom 17. Januar 2006 - VIII R 60/02, BStBl. II 2006, 434, unter II.1.c) der Gründe) ebenfalls als Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes und nicht als eine (schädliche oder unschädliche) Nebentätigkeit anzusehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Komplementärin - wie im Streitfall - keine besonderen Geschäftsführungsaufgaben bei der grundstücksverwaltenden Tochterpersonengesellschaft übernimmt.

2. Der Senat lässt die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu, weil die Frage, ob die Beteiligung an einer weder gewerblich tätigen noch gewerblich geprägten Personengesellschaft kürzungsschädlich i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist, von grundsätzlicher Bedeutung ist und vom BFH bislang nicht entschieden worden ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären, weil die Sache nicht so einfach war, dass die Klägerin sich selbst hätte vertreten können.

Ende der Entscheidung

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