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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 06.05.2009
Aktenzeichen: 12 K 8142/06 B
Rechtsgebiete: KStG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 12. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 06. Mai 2009

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts ...,

die Richterin am Finanzgericht ...,

den Richter ... sowie

die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Frau ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2004 sowie die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2004, beide vom ... 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... 2006, werden dahingehend geändert, dass der vortragsfähige Verlust jeweils auf EUR 119 173 festgesetzt wird.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wurde am ... 1999 gegründet. Sie firmierte seinerzeit als B GmbH; ihr Unternehmensgegenstand bestand in dem Durchführen aller Arbeiten zum Errichten schlüsselfertiger Bauten und der Übernahme der Generalübernehmerfunktion für Sanierung und Modernisierung von Eigentums-, Wohn- und Gewerbeobjekten. Ab 2001 erweiterte die Klägerin ihre Tätigkeit um das Entwickeln und Vermarkten von Software für den Einsatz im Bereich des Gebäudemanagements. Am ... 2001 änderte sie ihre Firma in A GmbH Software und Service und erweiterte den Unternehmensgegenstand um "die Entwicklung und Vermarktung von Softwareprodukten einschließlich damit verbundener Dienstleistungen wie Beratung und Schulung". Am ... 2004 wurde das Stammkapital der Klägerin von EUR 25 000 um EUR 90 000 auf EUR 115 000 erhöht. Gleichzeitig wurde der Unternehmensgegenstand erneut in "Entwicklung und Vermarktung von Softwareprodukten einschließlich damit verbundener Dienstleistungen wie Beratung und Schulung" geändert. Die Stammeinlagen aus der Kapitalerhöhung wurden von zwei bis zu diesem Zeitpunkt nicht an der Klägerin beteiligten Gesellschaftern übernommen.

Ausweislich ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2004 betrug das Anlagevermögen der Klägerin zum 31. Dezember 2003 EUR 1 420 (Sachanlagen) und zum 31. Dezember 2004 EUR 2 774 (immaterielle Vermögensgegenstände EUR 584, Sachanlagen EUR 2 190).

Die Klägerin erwirtschaftete im Jahre 2000 einen Verlust in Höhe von EUR 51 562, im Jahre 2001 einen Verlust in Höhe von EUR 19 715, im Jahre 2002 einen Verlust in Höhe von EUR 7 787, im Jahre 2003 einen Gewinn in Höhe von EUR 8 321 und im Jahre 2004 einen Verlust in Höhe von EUR 26 041.

Der Beklagte ging davon aus, dass die Klägerin bis Ende 2001 als Bauunternehmen anzusehen war und dass sie ab dem Jahr 2001 teilweise und ab dem Jahr 2002 vollständig im Bereich der Softwareentwicklung tätig war. Er wertete die mit der Aufnahme neuer Gesellschafter verbundene Kapitalerhöhung als Anteilsveräußerung. Zudem sei der Klägerin per 31. Dezember 2004 im Vergleich zur Bilanz 31. Dezember 2003 überwiegend neues Aktivvermögen i.S.d. § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zugeführt worden.

Der Beklagte ging danach davon aus, dass die Klägerin zum ... 2004 ihre wirtschaftliche Identität verloren hatte, und erkannte den körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Verlustvortrag nur in Höhe von EUR 19 462 an.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass eine Kapitalerhöhung einer Anteilsübertragung i.S.d. § 8 Abs. 4 KStG nicht gleichgesetzt werden dürfe. Zwar änderten sich auch bei einer Anteilsübertragung die Mehrheitsverhältnisse der Kapitalgesellschaft, das bedeute aber nicht, dass im Umkehrschluss alle Änderungen der Mehrheitsverhältnisse - wie hier als Folge der Kapitalerhöhung - in den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 4 KStG fielen. Zudem sei ihr, der Klägerin, nicht überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt worden. Ihr Betriebsvermögen sei lediglich von EUR 12 699 zum 31. Dezember 2003 auf EUR 17 638 zum 31. Dezember 2004 angewachsen. Allerdings ist nach Ansicht der Klägerin lediglich das Anlagevermögen zu betrachten. Die Erhöhung ihres Anlagevermögens sei im wesentlichen auf Ersatzinvestitionen im Bereich der Büroausstattung zurückzuführen; insoweit könne nicht einmal von neuem Betriebsvermögen gesprochen werden.

Hilfsweise macht die Klägerin geltend, dass die Zuführung des neuen Betriebsvermögens - wenn solches denn vorläge - dem Zweck der Sanierung ihres, der Klägerin, Geschäftsbetriebes gedient habe. Ihre Sanierungsbedürftigkeit ergebe sich aus der Bilanz auf den 31. Dezember 2003; danach sei sie in Höhe von EUR 68 522 überschuldet gewesen. Um der wegen der Überschuldung drohenden Insolvenz zu entgehen, seien Sanierungsmaßnahmen geboten gewesen; diese seien in Form der Kapitalerhöhung ergriffen worden.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2004 sowie die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2004, alle vom ... 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... 2006, dahingehend zu ändern, dass der vortragsfähige Verlust jeweils auf EUR 119 173 festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Beklagte hat die Berücksichtigung des bis zur Kapitalerhöhung entstandenen Verlustes zu Unrecht versagt.

a) Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG ist Voraussetzung für den Abzug von Verlusten nach § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. § 8 Abs. 4 KStG definiert die "wirtschaftliche Identität" einer Körperschaft nicht, sondern bestimmt in Satz 2 lediglich beispielhaft, wann es an der wirtschaftlichen Identität fehlt, nämlich dann, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an der Körperschaft übertragen werden und sie danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt. Die Vorschrift setzt damit aber zugleich mittelbar einen Maßstab für die unter Satz 1 der Vorschrift zu fassenden Sachverhalte. Sie müssen Voraussetzungen erfüllen, die mit den in Satz 2 genannten wirtschaftlich vergleichbar sind. Nach dem Regelbeispiel in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG fehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität, wenn bezogen auf das gezeichnete Kapital mehr als die Hälfte der Geschäftsanteile übertragen wird, überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt und der Geschäftsbetrieb mit diesem neuen Betriebsvermögen fortgeführt oder wieder aufgenommen wird.

b) Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung ihre wirtschaftliche Identität nicht verloren.

Allerdings sind mehr als die Hälfte der Anteile an der Klägerin übertragen worden. Der Klägerin ist nicht darin zuzustimmen, dass eine Kapitalerhöhung einer Anteilsübertragung insoweit nicht gleichzusetzen sei. Im Schrifttum ist diese Frage umstritten; der Bundesfinanzhof hat mittlerweile allerdings entschieden, dass eine Kapitalerhöhung (ebenso wie eine Sacheinbringung) nach Maßgabe der Grundregel in § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG nicht anders behandelt werden könne als eine Anteilsübertragung (BFH-Urteil vom 27. August 2008 - I R 78/01, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2009, 497, unter C.2.a) der Gründe m.w.N.). Der erkennende Senat stimmt dem aus den in der genannten Entscheidung ausgeführten Gründen zu.

Der Klägerin ist jedoch nicht überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt worden. Zur Überzeugung des Senats ist in Fällen, in denen ein Branchenwechsel nicht vorliegt, im Regelfall auf eine maßgebliche Erhöhung des Anlagevermögens abzustellen; das Umlaufvermögen hat außer Betracht zu bleiben (vgl. Senatsurteil vom 14. Januar 2009 - 12 K 8293/06 B, [...]; Senatsurteil vom heutigen Tage - 12 K 12197/08; gl.A. Proschka, Betriebs- Berater - BB - 2008, 310, 312). Auch der BFH hat ein Erhöhen des Umlaufvermögens bislang nur dann ausreichen lassen, wenn gleichzeitig ein Branchenwechsel vorlag (BFH-Urteil vom 05. Juni 2007 - I R 9/06, BFH/NV 2008, 166). Er hat seine Auffassung, dass ein Verlust der wirtschaftlichen Identität der Gesellschaft eingetreten sei, damit begründet, dass derartige Betriebsvermögensänderungen bzw. -erhöhungen für das Unternehmen prägend sein könnten (BFH in BFH/NV 2008, 166, unter II.2.b)bb)bbb) der Gründe). Diese Erwägung greift nicht, wenn die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb innerhalb derselben Branche fortsetzt, denn dann kommt eine abweichende Prägung des Betriebsvermögens durch Veränderungen des Umlaufvermögens in aller Regel nicht in Betracht (Senatsurteil vom 16. Januar 2008 - 12 K 8403/04 B, EFG 2008, 723).

Ein Branchenwechsel lag hier nicht vor. Zwar wurde die Klägerin als Baugesellschaft gegründet und betreibt mittlerweile die Entwicklung und Vermarktung von Software. Dieser Branchenwechsel ging jedoch nicht mit der Anteilsübertragung einher; er fand vielmehr - wovon auch der Beklagte ausgeht - bereits im Laufe des Jahres 2001 statt und war spätestens Ende 2002 abgeschlossen. Das zeigt die Erweiterung des Unternehmensgegenstandes in Bezug auf die Tätigkeit im Softwarebereich und die damit einhergehende Umfirmierung, die die neue Ausrichtung der Tätigkeit der Klägerin widerspiegelt. In den folgenden etwa zweieinhalb bis drei Jahren wirtschafteten die ursprünglichen Gesellschafter der Klägerin mit dem ursprünglichen Betriebsvermögen im Bereich der Softwareentwicklung. Bei dieser Sachlage kann ein Zusammenhang zwischen dem Branchenwechsel und dem Anteilseignerwechsel nicht hergestellt werden. Nach dem Sinn und Zweck des § 8 Abs. 4 KStG, der darin liegt, den Handel mit Verlustvorträgen von nicht mehr aktiv tätigen bzw. in die Krise geratenen Gesellschaften zu verhindern, kann ein Branchenwechsel nur dann von Bedeutung sein, wenn er zeitlich mit der Anteilsübertragung einhergeht. Nur dann liegt der typische Fall eines sogenannten Mantelkaufs vor, der darin besteht, dass der oder die neuen Anteilseigner die "leere Hülle" der Kapitalgesellschaft für ihre Zwecke, insbesondere ihren Unternehmensgegenstand, nutzbar machen. Beteiligen sich hingegen der oder die neuen Anteilseigner in der Weise an der Kapitalgesellschaft, dass der Betrieb im mittlerweile angestammten Geschäftsfeld fortgesetzt wird, liegt ein solcher Fall nicht vor. Vielmehr beschafft sich eine in die Krise geratene Gesellschaft neue Finanzmittel, gerade um weiterwirtschaften zu können. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Unternehmensgegenstand der Klägerin anlässlich der Kapitalerhöhung - erneut - geändert worden ist. Es ist nämlich in der Sache kein anderer Unternehmensgegenstand festgelegt worden oder ein neuer Unternehmensgegenstand hinzugekommen, sondern die Klägerin hat die Kapitalerhöhung offensichtlich zum Anlass genommen, den ursprünglichen - mittlerweile nicht mehr ausgeübten - Unternehmensgegenstand - Baugewerbe - zu streichen. Damit hat die Klägerin lediglich eine formelle Bereinigung ihrer Satzungsverhältnisse vorgenommen, indem sie den Teil des Unternehmensgegenstandes, den sie tatsächlich nicht mehr betrieb, tilgte.

Anders könnte lediglich zu entscheiden sein, wenn das zeitliche Auseinanderfallen von Wechsel des Unternehmensgegenstandes und Anteilseignerwechsel auf einem Gesamtplan beruhte, also ein sachlicher Zusammenhang bestünde. Dafür hat der Beklagte - den insoweit die Feststellungslast trifft - jedoch nichts vorgetragen; aus dem Inhalt der Akten ergibt sich darauf auch kein Hinweis. Bei der relativ langen Zeitspanne von über zwei Jahren liegt eine entsprechende Vermutung auch nicht nahe.

Demzufolge ist für die Beurteilung, ob überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt worden ist, hier nur das Anlagevermögen maßgeblich. Der Fall bietet keine Besonderheiten dahingehend, dass ausnahmsweise das Anlagevermögen nicht oder das Umlaufvermögen besonders prägend für die Geschäftstätigkeit der Klägerin sein könnte. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, ist von "überwiegend neuem Betriebsvermögen" regelmäßig auszugehen, wenn das zugegangene maßgebliche Aktivvermögen den Bestand des vorher vorhandenen Restaktivvermögens übersteigt (BFH-Urteil vom 29. April 2008 - I R 91/05, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2008, 1965, unter C.2.a)aa) der Gründe). Das war hier nicht der Fall; das Anlagevermögen der Klägerin hat sich (selbst bei Betrachtung der Buchwerte) nicht mindestens verdoppelt, sondern ist von EUR 1 420 um EUR 1 354 auf EUR 2 774 angestiegen. Auch eine Betrachtung der Teilwerte würde zu keinem anderen Ergebnis führen, da stille Reserven allenfalls in bereits vorhandenen, nicht aber in dem neu zugegangenen Anlagevermögen ruhen können.

c) Auf die Frage der Sanierungsbedürftigkeit der Klägerin kam es danach nicht an.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Ende der Entscheidung

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