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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 16.10.2007
Aktenzeichen: 12 K 8357/04 B
Rechtsgebiete: FGO, AO, HGB


Vorschriften:

FGO § 91 Abs. 2
AO § 26 S. 1
HGB §§ 284 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

12 K 8357/04 B

Körperschaftsteuer 1996 und 1997, gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1996, Solidaritätszuschlags zur körperschaftsteuer 1996 und 1997, Gewerbesteuermessbetrags 1997, Gewerbesteuer 1997, Zinsen zur Gewerbesteuer 1997, gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 kstg auf den 31. Dezember 1996 und den 31. Dezember 1997

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg -12. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Oktober 2007

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts ...

die Richterin am Finanzgericht ...

den Richter am Finanzgericht ... sowie

die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herr ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Die Klägerin wurde im Jahre 1995 gegründet. Ihr Zweck ist die Bauträgertätigkeit, der Erwerb und Vertrieb von Immobilien sowie die Verwaltung von Immobilien. Gesellschafter je zur Hälfte und gleichzeitig Geschäftsführer der Klägerin waren in den Streitjahren die Herren G und S, die gleichzeitig auch Geschäftsführer zweier weiterer Gesellschaften, nämlich der R GmbH und der B GmbH, waren. Seit Mitte 2003 ist Herr K alleiniger Gesellschafter der Klägerin. Er war zunächst auch ihr Geschäftsführer.

Der Beklagte führte bei der Klägerin im Jahre 2002 eine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 1995 bis 1997 durch. Dabei stellte der Prüfer u.a. fest, dass die Klägerin ihren beiden Gesellschafter-Geschäftsführern im Jahr 1997 kein festes Gehalt gewährt, sondern lediglich eine Tantieme von je 25% des handelsrechtlichen Jahresüberschusses vor Abzug der Tantiemen und der ertragsabhängigen Steuern zugesagt hatte. Die Gesellschafter- Geschäftsführer der Klägerin bezogen aufgrund dieser Vereinbarung im Streitjahr insgesamt eine Vergütung in Höhe von DM 1 460 771,10. Der Beklagte sah demgegenüber - angesichts der Tatsache, dass die Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin auch noch für weitere Gesellschaften tätig waren, dass mehrere Geschäftsführer für die Klägerin tätig wurden, aufgrund des Alters und der Berufserfahrung der Gesellschafter- Geschäftsführer der Klägerin und der Tatsache, dass sich die Klägerin noch in der Aufbauphase befunden habe - Bezüge von DM 128 000 für jeden der Gesellschafter- Geschäftsführer als angemessen an und behandelte die Differenz in Höhe von DM 1 204 771,10 als unangemessen und demzufolge als verdeckte Gewinnausschüttung. Wegen der Berechung des vom Beklagten als angemessen angesehenen Betrages bezieht der Senat sich auf das Schreiben des Beklagten an die früheren Bevollmächtigten der Klägerin vom 14. März 2002, S. 13.

Am 17. März 2004, der Klägerin mittels Postzustellungsurkunde zugestellt am 18. März 2004, erließ der Beklagte entsprechend den Ergebnissen der Außenprüfung geänderte Bescheide für die Veranlagungszeiträume 1996 und 1997. Der Einspruch der Klägerin dagegen hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 09. September 2004). Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide lehnte zunächst der Beklagte und sodann das seinerzeit zuständige Finanzgericht Berlin (Beschluss vom 18. März 2005, Aktenzeichen 8 B 8044/05) ab.

Die Klägerin macht geltend, dass die Änderungsbescheide von einer unzuständigen Behörde erlassen worden seien. Sie, die Klägerin, habe im Anschluss an den Erwerb ihrer Geschäftsanteile durch ihren derzeitigen Gesellschafter im Jahre 2003 den Ort ihrer Geschäftsleitung an den Wohnsitz ihres derzeitigen Gesellschafters in ...verlegt. Ihre Geschäftsräume befänden sich - ebenso wie die Geschäftsräume einer ...entwicklungs GmbH, an der ihr Gesellschafter ebenfalls maßgeblich beteiligt ist - nunmehr im Erdgeschoss des von ihrem Gesellschafter dort bewohnten Einfamilienhauses. Dort seien Regale, ein Schreibtisch, Stühle und ein Fotokopierer vorhanden. Auch die laufenden Akten würden dort gelagert. Bei schönem Wetter sei es möglich, diese Büroräumlichkeiten von außen durch das Fenster zu erkennen. Es seien ein Namensschild für sie, die Klägerin, dort angebracht und ein Sammelbriefkasten für sie und die ...entwicklungs GmbH eingerichtet worden. Sie, die Klägerin, empfange unter dieser Anschrift Post, und zwar auch Zustellungen des Beklagten. Zwar sei - nachdem ihr Gesellschafter zunächst auch ihr Geschäftsführer gewesen sei - inzwischen ein Herr P zum Geschäftsführer bestellt worden; die Unternehmensentscheidungen würden jedoch nach wie vor in ... zusammen mit ihrem Gesellschafter getroffen. Zuständig sei für sie, die Klägerin, demnach das Finanzamt (FA) ..., bei dem auch ihr Gesellschafter steuerlich geführt werde. Von diesem Umstand habe sie, die Klägerin, dem Beklagten durch verschiedene Schreiben, auch ihres steuerlichen Beraters und ihres Bevollmächtigten, in der Zeit zwischen Dezember 2003 und Juli 2004 Kenntnis gegeben.

In der Sache weist die Klägerin darauf hin, dass ihren Jahresabschlüssen für die Streitjahre der Anhang gemäß §§ 284 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB) gefehlt habe mit der Folge, dass die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse nichtig seien. Sie hätten damit auch nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden dürfen. Insbesondere beruhten die Tantiemeversprechen auf Beschlüssen, denen unwirksame Jahresabschlüsse zugrunde lägen, was zur Folge habe, dass die entsprechenden Beschlüsse ebenfalls unwirksam und mithin nicht existent seien, so dass sie nicht zur Grundlage irgendwelcher Beurteilungen für verdeckte Gewinnausschüttungen herangezogen werden könnten.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über Körperschaftsteuer 1996 und 1997, über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 1996 und zum 31. Dezember 1997, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1996 und auf den 31. Dezember 1997 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer 1997, sämtlich vom 17. März 2004, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09. September 2004, aufzuheben,

sowie,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, dass er Anfang des Jahres 2004 das FA ... von der Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung der Klägerin informiert habe. Das FA ... habe jedoch zunächst am 15. März 2004 und sodann erneut am 13. Juli 2004 die Übernahme des Steuerfalles abgelehnt, weil eine Nachschau an der angegebenen neuen Anschrift keine Hinweise auf die Klägerin zutage gefördert hätte. Damit stehe jedenfalls aus der Sicht des FA ... offenbar nicht zweifelsfrei fest, dass Umstände, die zu seiner Zuständigkeit führten, eingetreten seien.

In der Sache ist der Beklagte der Auffassung, dass die handelsrechtliche Nichtigkeit der Jahresabschlüsse wegen Fehlens eines Anhanges ihn nicht hindere, das Ergebnis der Gewinnermittlung der Besteuerung zugrunde zu legen.

Entscheidungsgründe:

1. Der Senat kann in der Sache entscheiden, obwohl der Klägervertreter nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, denn in der Ladung ist gemäß § 91 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

2. Die Klage hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

a) Die angefochtenen Bescheide sind nicht von einer örtlich unzuständigen Behörde erlassen worden. Örtlich zuständig für die Klägerin ist nach wie vor der Beklagte. Er war zunächst unstreitig örtlich zuständig. Ein Zuständigkeitswechsel hat bislang nicht stattgefunden.

Geht die örtliche Zuständigkeit durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände von einer Finanzbehörde auf eine andere über, so tritt der Wechsel der Zuständigkeit gemäß § 26 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) - erst - in dem Zeitpunkt ein, in dem eine der beiden Finanzbehörden hiervon erfährt. Die Finanzbehörde muss jedenfalls positive Kenntnis von den entsprechenden Umständen haben; ein Kennenmüssen oder Kennenkönnen reicht insoweit nicht aus (Urteil des Bundesfinanzhofes - BFH - vom 25. Januar 1989 - X R 158/87, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1989, 483, unter II.1.a) der Gründe; Brockmeyer in Klein, AO, Kommentar, 9. Auflage 2006, § 26 Rn. 1). Darüber hinaus wird zutreffend gefordert, dass die die Zuständigkeit ändernden Umstände aus der Sicht der betroffenen Finanzbehörden zweifelsfrei feststehen müssen (BFH in BStBl. II 1989, 483 a.a.O..; Brockmeyer a.a.O..). Diese Voraussetzung für den Wechsel der Zuständigkeit ist notwendig, weil die Zuständigkeit nur dann übergehen soll, wenn die Umstände, die dazu führen, auch tatsächlich eingetreten sind. Eine einfache Mitteilung des Steuerpflichtigen kann insoweit nicht ausreichen.

Hier hat die Klägerin vorgetragen, dass die tatsächlichen Umstände sich in der Weise verändert hätten, dass das FA ... für sie örtlich zuständig geworden sei. Das allein reicht nach dem oben Gesagten für den Wechsel der Zuständigkeit aber nicht aus. Soweit die Klägerin weiter vorträgt, dass die Umstände, die zu dem Zuständigkeitswechsel führen, zweifelsfrei erkennbar seien, z.B. weil ihre Büroräume schon durch Inaugenscheinnahme des Hauses auszumachen und ein Namensschild und ein Briefkasten für sie angebracht worden seien, verhilft dies der Klage nicht zum Erfolg. Es stand nämlich für die betroffenen Finanzämter offensichtlich nicht zweifelsfrei fest, dass der Sitz der Klägerin verlegt worden war. Das Vorhandensein von Büroräumen hat der Beklagte zwar nicht in Abrede gestellt; es ist aber ebenso gut möglich, dass diese der ...entwicklungs GmbH und nicht der Klägerin zuzurechnen sind. Für die von der Klägerin behauptete Sitzverlegung ist daraus folglich nichts herzuleiten. Dass ein Namensschild und ein Briefkasten für die Klägerin existierten, hat der Beklagte bestritten. Die Klägerin, die insoweit die Feststellungslast trägt, hat für diese Behauptung keinen Beweis angetreten. Allein die Tatsache, dass Zustellungen sie unter der Anschrift ihres damaligen Geschäftsführers erreicht hätten, reicht nicht aus, um nachzuweisen, dass sich der Sitz der Klägerin in ... befunden hat, denn da der damalige Geschäftsführer der Klägerin unstreitig unter dieser Adresse wohnte, ist es naheliegend, dass er an die Klägerin gerichtete Schreiben in Empfang nahm und nimmt, ungeachtet der Frage, wo sich der Sitz der Klägerin befand.

b) Die angefochtenen Bescheide sind auch rechtmäßig. Der Beklagte hat die Tantiemezahlungen an die früheren Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu Recht in dem Umfange, wie geschehen, als verdeckte Gewinnausschüttungen qualifiziert.

Unerheblich ist insoweit die Tatsache, dass die Jahresabschlüsse der Klägerin wegen Fehlens von Anhängen handelsrechtlich nichtig sein mögen. Der Anhang hat den Zweck, zusammen mit den anderen Teilen des Jahresabschlusses - Bilanz und Lagebericht - insbesondere den Gläubigern der Gesellschaft, aber auch allen anderen Adressaten des Jahresabschlusses, ein ihren tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild zu vermitteln. Er dient somit der Informationsfunktion des Jahresabschlusses, nicht hingegen der Ausschüttungsbemessungsfunktion. Für das Steuerrecht hingegen ist die Ausschüttungsbemessungsfunktion wesentlich; es ist der Gewinn der Gesellschaft zu ermitteln, der der Besteuerung zu unterwerfen ist. Die Informationsfunktion des Jahresabschlusses hat demgegenüber für das Steuerrecht keine Bedeutung. Demzufolge ist auch ein Jahresabschluss ohne Anhang der Besteuerung zugrundezulegen.

Träfe demgegenüber der Vortrag der Klägerin zu, dass wegen der zugrundeliegenden nichtigen Jahresabschlüsse sämtliche Beschlüsse hinsichtlich der Tantiemeleistungen ebenfalls nichtig wären, wären die Tantiemeleistungen insgesamt und nicht nur teilweise als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen.

Die Tantiemezahlungen waren auch überhöht und stellten somit in dem von dem Beklagten angenommenen Umfang verdeckte Gewinnausschüttungen dar. Der Senat folgt bei dieser Einschätzung den Erwägungen des Beklagten, wie er sie in seinem Schreiben an die früheren Bevollmächtigten der Klägerin vom 14. März 2002 auf S. 13 dargelegt hat.

Die Klägerin ist dem nicht substantiiert entgegengetreten; aus dem Inhalt der Akten ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Wertung des Beklagten fehlerhaft sein könnte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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