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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 15.07.2009
Aktenzeichen: 12 K 8375/06 B
Rechtsgebiete: EStG, UmwStG


Vorschriften:

EStG § 10d
UmwStG § 12 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 12. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Juli 2009

durch

die Richterin am Finanzgericht ...,

den Richter ...,

den Richter am Finanzgericht ... sowie

die ehrenamtlichen Richter ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigungsfähigkeit eines bei der ... GmbH (im folgenden: GmbH) bestehenden Verlustvortrages bei der Klägerin nach Verschmelzung der GmbH auf diese.

Die Klägerin war bereits vor ihrer Privatisierung 1992 im Textilbereich tätig. Mittlerweile ist sie sogenannter Vollausstatter im Bereich modischer Dienstbekleidung. Die GmbH betrieb auf eigenem Grundstück in C ein Unternehmen zur Herstellung von Schuhen und Lederaccessoires sowie den Handel und Vertrieb damit. Aufgrund eines am 10. Oktober 1994 mit der Klägerin geschlossenen Kooperationsvertrages übernahm sie außerdem die Lagerung, Lagerhaltung, Kommissionierung und den Versand von Textilwaren der Klägerin von ihrem Betriebsgrundstück in C aus. Im einzelnen war vereinbart worden, dass die GmbH "in ihren betrieblichen Räumen der A GmbH [der Klägerin] Lagerflächen zur Verfügung stellen und die Lagerhaltung führen, Lieferungen kommissionieren ..., Ware in Empfang nehmen sowie zum Versand vorbereiten und ähnliche damit zusammenhängende notwendige Arbeiten im Lager C verrichten" werde. Zudem vertrieb die GmbH von 1994 bis 1996 Damenoberbekleidung der Klägerin in einem Geschäft in D. Danach ging der Vertrieb von Damenoberbekleidung wieder allein auf die Klägerin zurück. Die GmbH vertrieb in der Folge von ihrem Firmensitz aus weiter Schuhe und Lederwaren. Zusätzlich erbrachte sie Dienstleistungen gegenüber der Klägerin. Der Lederhandel der GmbH ging nach und nach zurück; schließlich erbrachte sie nur noch Kooperationsleistungen gegenüber der Klägerin.

Die GmbH erwirtschaftete in den Jahren 1991 bis 1997 Verluste. Im Jahre 1999 meldete sie das Gewerbe "Herstellung von Schuhen aller Art einschließlich Vertrieb und Handel" ab. Der Warenbestand wurde - nicht an die Klägerin, sondern an eine außenstehende Person - veräußert.

Auf den 31. Dezember 2000 bestanden für die GmbH ein verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer in Höhe von DM 614 187 und ein vortragsfähiger Gewerbeverlust in Höhe von DM 583 844 (Bescheide des FA ... vom 31. August 2001).

Mit Vertrag vom 15. August 2001 wurde die GmbH rückwirkend zum 31. Dezember 2000 auf die Klägerin verschmolzen.

Der Beklagte erkannte die Übernahme der für die GmbH festgestellten Verluste durch die Klägerin zunächst an; mit den hier angefochtenen Bescheiden, die nach einer Außenprüfung bei der Klägerin ergingen, versagte er die Berücksichtigung der Verluste.

Die Klägerin trägt vor, dass der Schuh- und Lederwarenhandel im Rahmen der GmbH zwar eingestellt worden sei; es habe sich jedoch nicht um eine vollständige Einstellung gehandelt. Der Schuh- und Lederwarenvertrieb sei unter ihrem, der Klägerin, Dach im Rahmen des Konzeptes "Arbeitskleidung von Kopf bis Fuß" erfolgreich fortgeführt worden. Der Umstand, dass ein nicht unerheblicher Teil des Geschäftsbetriebes der GmbH bereits vor der Verschmelzung auf sie, die Klägerin, übergegangen sei, stehe der Anwendbarkeit des § 12 Abs. 3 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) nicht entgegen. Die sukzessive Verlagerung des Betriebes sei vielmehr als ein möglicher Fall der Übernahme des verlustbringenden Betriebes oder Betriebsteiles, der zur Fortführung der angefallenen Verluste berechtige, anzusehen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass in den Jahren 1994 bis 1996 Personalkosten für den Vertrieb von Damenoberbekleidung von ihr, der Klägerin, auf die GmbH verlagert worden seien, die sonst bei ihr, der Klägerin, angefallen wären. Zudem sei der Geschäftsführer der GmbH, Herr E, ab 1998 von ihr, der Klägerin, bezahlt worden, aber weiterhin auch für die GmbH tätig gewesen. Folglich seien die Personalaufwendungen der GmbH gering gewesen, obwohl dort noch Personal beschäftigt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

den Körperschaftsteuerbescheid 2000 sowie den Gewerbesteuerbescheid 2000, beide vom 25. Januar 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. Dezember 2006, dahingehend zu ändern, dass der auf den 31. Dezember 2000 festgestellte verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer in Höhe von DM 614 187 und der auf den 31. Dezember 2000 festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust in Höhe von DM 583 844 der GmbH bei ihr berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte hat zu Recht die Berücksichtigung der bei der GmbH vorhandenen Verlustvorträge bei der Klägerin versagt.

a) Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 UmwStG tritt bei einer Verschmelzung die übernehmende Körperschaft in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein. Nach § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG gilt dies auch für einen verbleibenden Verlustvortrag im Sinne des § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG), wenn der Betrieb oder Betriebsteil, der den Verlust verursacht hat, über den Verschmelzungsstichtag hinaus in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wird. Zweck der Vorschrift ist es, den Übergang eines "funktionslosen Verlustvortrages" zu verhindern (Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 12 UmwStG, Rn. 660). § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG fordert dementsprechend, dass die wesentliche Struktur des Betriebes in qualitativer wie in quantitativer Hinsicht gewahrt bleibt (Klingberg in Blümich, EStG, KStG, GewStG und Nebengesetze, § 12 UmwStG, Rn. 40 f). Nicht fortgeführt im Sinne der Vorschrift wird ein Betrieb nach wohl h.M. dann, wenn er nicht während des gesamten Fünfjahreszeitraumes in dem Umfange besteht, wie er in dem zugrundezulegenden Umfang bei der übertragenden Gesellschaft bestand (Widmann a.a.O.., Rn. 661, 678; offen gelassen von Klingberg a.a.O..). Kriterien für die Beurteilung der Fortführung eines Betriebes oder Betriebsteiles sind u.a. der Umsatz, das Auftragsvolumen, das Aktivvermögen und die Anzahl der Arbeitnehmer (Breuninger/Frey, GmbH-Rundschau - GmbHR - 1998, 866, 873; Hofmeister, FS Widmann, 2000, 413, 421; Klingberg a.a.O..; Müller-Gatermann, FS Widmann, 2000, 425, 437; Postertz, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2005, 1678, 1679; Widmann a.a.O.., Rn. 643; BMF-Schreiben vom 16. April 1999, Bundessteuerblatt - BStBl. - I 1999, 455, Tz. 17). Für die Gewerbesteuer gilt gemäß § 19 UmwStG entsprechendes.

b) Nach diesen Grundsätzen ist der Geschäftsbetrieb der GmbH nicht in einem für die Berücksichtigung der zum 31. Dezember 2000 bestehenden Verlustvorträge erforderlichen Umfang fortgeführt worden.

aa) Ein fortführungsfähiger Betrieb bestand zum 31. Dezember 2000 nicht mehr. Die GmbH erbrachte zu diesem Zeitpunkt nur noch die Kooperationsleistungen aus dem Kooperationsvertrag vom 10. Oktober 1994 gegenüber der Klägerin; dieser Betrieb ging mit der Eingliederung der GmbH in die Klägerin naturgemäß unter, da die Klägerin sodann die im Kooperationsvertrag festgelegten Leistungen nicht mehr als solche erbringen konnte. Weder das Zur-Verfügung-Stellen von Lagerflächen noch die entsprechende Lagerhaltung auf dem Grundstück in C waren weiterhin möglich, auch konnte die GmbH nicht weiterhin als Kommissionärin für die Klägerin auftreten.

bb) Der Senat kann offen lassen, ob - wie die Klägerin meint - ein verlustbringender Betrieb oder Betriebsteil grundsätzlich auch in der Weise fortgeführt werden kann, dass er schon vor dem Verschmelzungsstichtag sukzessive auf die übernehmende Gesellschaft übergeleitet wird. Nach dem Vorbringen der Beteiligten und den Darlegungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hat sie den Betrieb der GmbH nämlich nicht nach und nach übernommen. Dass die Klägerin bereits in den Jahren vor der Verschmelzung eine eigene Sparte "Handel/Ausstattung mit Lederwaren" betrieben hat, nötigt nicht zu der Beurteilung des Sachverhaltes dahingehend, dass sie insoweit den Betrieb der GmbH übernommen hat. Dagegen sprechen folgende Umstände: Die GmbH hat den gesamten verbliebenen Warenbestand vor der Einstellung ihrer Tätigkeit als Handelsunternehmen an einen Dritten veräußert. Auch der Kundenstamm der GmbH ist - wie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt - nicht auf die Klägerin übergegangen; vielmehr spricht die Klägerin als Kundenkreis - anders als die GmbH - Abnehmer von Dienstbekleidung an. Wenn aber weder Warenbestand noch Kundenstamm übergehen, so kann von einem Fortbestand des ursprünglichen Handelsunternehmens nicht gesprochen werden. Weitere Merkmale, die den Betrieb eines Handelsunternehmens in vergleichbarer Weise wie der Warenbestand und der Kundenstamm prägen, sind nicht ersichtlich. Das gilt insbesondere für das von der Klägerin weiterhin genutzte Betriebsgrundstück der GmbH und eine etwaige Übernahme von Lieferantenverträgen. Denn weder ein Betriebsgrundstück noch die Lieferantenverträge prägen den Betrieb eines Handelsunternehmens. Dies gilt zumindest dann, wenn - wie im Streitfall - keine Anhaltspunkte für die Einzigartigkeit der Lieferantenverträge erkennbar sind. Zudem hat die Klägerin ersichtlich auch keine Arbeitnehmer der GmbH übernommen. Lediglich der - offenbar nach weitgehender Einstellung des eigentlichen Handelsbetriebes der GmbH - dort als einziger Arbeitnehmer verbliebene Geschäftsführer ist seit der Verschmelzung für die Klägerin tätig, nicht hingegen ein einziger der zu Zeiten des Betriebes als Handelsunternehmen erforderlichen sonstigen Arbeitnehmer.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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