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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: 13 K 2037/05
Rechtsgebiete: InvZulG, AO, InsO


Vorschriften:

InvZulG 1999 § 2 Abs. 1 S. 1
AO § 251 Abs. 3
InsO § 179 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

13 K 2037/05

Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 Abgabenordnung -AO- für Investitionszulage 1999 bis 2002

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 13. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. Mai 2008

durch

den Richter am Finanzgericht ... als Vorsitzender,

den Richter am Finanzgericht ...,

den Richter ... sowie

die ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob eine Betriebsunterbrechung von einem Jahr und zehn Tagen zu einer Verletzung der Bindefristen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Investitionszulagengesetzes - InvZulG- 1999 führt.

Die ... GmbH erhielt für Investitionen auf ihrem ... in ... in den Jahren 1999 bis 2002 Investitionszulagen nach § 2 InvZulG 1999. Am 1. Juni 2004 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts ... (Az. .../04) über das Vermögen der ... GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der ...betrieb wurde in ... am 21. Juni 2004 eingestellt. Gleichzeitig wurden die Mitarbeiter der ... GmbH in ... von ihrer Arbeitsverpflichtung freigestellt und unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gekündigt. Ab dem 1. Juli 2005 wurde der ... aufgrund eines am 28. Juni 2005 geschlossenen Pachtvertrages an einen Dritten verpachtet und der ...betrieb wieder aufgenommen. Am 11. Januar 2006 kaufte der Pächter den ... .

Wegen der Einstellung des ...betriebs forderte der Beklagte die für die Jahre 1999 bis 2002 gewährten Investitionszulagen zurück und meldete die Forderungen zur Insolvenztabelle an. Der Kläger bestritt diese Forderungen im Prüfungstermin.

Mit Bescheid vom 24. November 2004 stellte der Beklagte daraufhin folgende Insolvenzforderungen nach § 251 Abs. 3 AO i.V.m. § 179 Abs. 1 Insolvenzordnung -InsO- fest:

 - Investitionszulage 1999EUR13.393,29 (fällig 1.6.2004)
- Investitionszulage 2000EUR479.871,46 (fällig 1.6.2004)
- Investitionszulage 2001EUR851.979,98 (fällig 1.6.2004)
- Investitionszulage 2002EUR208.632,55 (fällig 1.6.2004)

In den festgestellten Insolvenzforderungen waren keine Zinsforderungen enthalten. Den gegen den Feststellungsbescheid gerichteten Einspruch wies der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2005 als unbegründet zurück.

Nachdem der Kläger am 20. Dezember 2005 Klage eingereicht hatte, erließ der Beklagte am 28. Juni 2006 einen geänderten Feststellungsbescheid. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass für die vor dem 1. Januar 2000 begonnenen Investitionen eine dreijährige Bindefrist gelte. Der Beklagte minderte die Insolvenzforderungen wie folgt:

 - Investitionszulage 1999EUR13.393,29 (fällig 1.6.2004)
- Investitionszulage 2000EUR439.522,86 (fällig 1.6.2004)
- Investitionszulage 2001EUR805.707,04 (fällig 1.6.2004)
- Investitionszulage 2002EUR208.632,55 (fällig 1.6.2004)

Der Kläger macht geltend, dass die Bindefristen nicht verletzt worden seien und deshalb kein Anspruch auf Rückzahlung der Investitionszulage bestehe. Trotz der Betriebsunterbrechung komme es allein darauf an, dass die Anlagegüter jederzeit einsetzbar gewesen seien. Dies könne von dem Zeugen Z bestätigt werden. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH-, wonach eine Betriebsunterbrechung von mehr als zwölf Monaten schädlich sei, sich auf eine Bindefrist von nur drei Jahren beziehe. Aufgrund der Verlängerung der Bindefristen auf fünf Jahre müsse auch die vom BFH genannte Frist von zwölf Monaten verlängert werden.

Der Kläger beantragt,

den Feststellungsbescheid vom 24. November 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2005 und des Änderungsbescheids vom 28. Juni 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht unter Verweis auf des Urteil des BFH vom 7. März 2002 (III R 41/98, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2002, 582) geltend, dass eine Produktionsunterbrechung von mehr als zwölf Monaten die Bindefristen verletze. Außerdem handele es sich im Streitfall nicht um eine Produktionsunterbrechung aus betriebswirtschaftlichen Gründen, sondern um eine Produktionsunterbrechung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Die Rückforderung der Investitionszulage 1999 betreffe Anzahlungen für die Anschaffung einer ...maschine, die zu einer am 18. Januar 2002 fertig gestellten Verpackungslinie gehöre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags nimmt das Gericht auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze einschließlich sämtlicher Anlagen sowie auf die beigezogenen Steuerakten Bezug. Dem Gericht lagen ein Band Investitionszulagenakten, eine Heftung Rechtsbehelfsakte sowie fünf Heftungen Betriebsprüfungsakten vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Der Feststellungsbescheid vom 24. November 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2005 und des Änderungsbescheids vom 28. Juni 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Beklagte hat die Insolvenzforderungen nach § 251 Abs. 3 AO i.V.m. § 179 Abs. 1 Insolvenzordnung -InsO- zutreffend festgestellt.

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 sind die Anschaffung und Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens begünstigt, wenn sie - unter anderem - mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören, in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben und in jedem Jahr zu nicht mehr als 10 v.H. privat genutzt werden (Zugehörigkeits-, Verbleibens- und Nutzungsvoraussetzung). Sofern die Investition vor dem 1. Januar 2000 begonnen worden ist, verkürzt sich die Bindefrist auf drei Jahre (§ 10 Abs. 4a Satz 1 InvZulG 1999). Für begünstigte Gebäude und Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sieht § 2 Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1999 unabhängig vom Beginn der Investition eine fünfjährige Bindefrist vor.

Aus den Bindefristen folgt, dass für die Förderung nicht allein die Anschaffung oder Herstellung bestimmter Wirtschaftsgüter, sondern vor allem deren längerfristiger Einsatz in der Betriebsstätte des Investors ausschlaggebend ist. Nur so kann das Ziel, die Wirtschaftskraft des Fördergebiets zu stärken (z.B. Beschaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen), erreicht werden. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, setzt die Begünstigung deshalb voraus, dass das Wirtschaftsgut während der Bindefristen zu einem aktiv am Wirtschaftsleben teilnehmenden Betrieb bzw. einer entsprechenden Betriebsstätte gehört. Ein nur noch abzuwickelnder Betrieb entspricht nicht dem Zweck der investitionszulagenrechtlichen Förderung. Bei Eintritt eines Betriebs in das Abwicklungsstadium vor Ablauf der Bindefristen sind die Förderungsvoraussetzungen nicht erfüllt (BFH-Urteil vom 19. September 2001 III R 84/97, BFHE 196, 447, BStBl II 2002, 106 m.w.N.). Entsprechendes gilt, wenn der Investor den Betrieb vor Ablauf der Frist stilllegt (BFH-Urteil vom 27. April 1999 III R 32/98, BFHE 188, 475, BStBl II 1999, 615; BFH-Urteil vom 7. September 2000 III R 44/96, BFHE 193, 182, BStBl II 2001, 37).

Kommt es lediglich zu einer vorübergehenden Produktionsunterbrechung, hat der BFH in einem Urteil vom 7. März 2002 (III R 41/98, BFHE 198, 173, BStBl II 2002, 582) offen gelassen, ob die Grundsätze zur Anschaffung von Wirtschaftsgütern vor Betriebsbeginn entsprechend anzuwenden seien und die infolge der Produktionsunterbrechung fehlende aktive Teilnahme des Betriebs am wirtschaftlichen Verkehr dann als unschädlich angesehen werden könne, wenn die Produktionsanlagen zügig umgebaut und alsbald wieder in Betrieb genommen würden. Allerdings sei eine Nichteinsetzbarkeit der Wirtschaftsgüter für mehr als ein Jahr in jedem Fall schädlich.

2. Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, ist die Festsetzung der Insolvenzforderungen durch den Beklagten rechtmäßig.

Hierfür kann dahingestellt bleiben, ob es bei einer Produktionsunterbrechung, die - wie im Streitfall - nicht von vornherein nur vorübergehend ist, überhaupt einen unschädlichen Zeitraum geben kann. Entsprechend der BFH-Rechtsprechung führt jedenfalls eine Produktionsunterbrechung von mehr als einem Jahr zur Verletzung der Bindefristen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999. Da dies eine äußerste Begrenzung darstellt, kommt es auch nicht darauf an, dass die Frist nur um wenige Tage überschritten wurde. Dementsprechend brauchte nicht abschließend geklärt zu werden, ob die Wiederaufnahme des ...betriebs schon am 28. Juni 2005 mit Abschluss des Pachtvertrages oder - wie vom Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung zumindest für möglich gehalten - erst am 1. Juli 2005 erfolgte, d.h. dem Tag, für den nach dem Pachtvertrag der Übergang von Nutzen und Lasten vorgesehen war.

Nach Auffassung des erkennenden Senats kann auch die Verlängerung der Bindefristen von drei auf fünf Jahre nicht zu einer Verlängerung der Jahresfrist führen. Denn die Verlängerung der Bindefristen sollte gerade dazu führen, den Zweck der Investitionszulage besser erreichen zu können. Diesem Gedanken würde es widersprechen, auch die von der Rechtsprechung entwickelten Fristen für folgenlose Verletzungen der Bindefristen entsprechend zu verlängern. Außerdem kommt es nicht darauf an, ob die Wirtschaftsgüter während der Produktionsunterbrechung regelmäßig gewartet wurden und somit jederzeit einsatzbereit waren. Deshalb hat der Senat den entsprechenden Vortrag des Klägers als wahr unterstellt und auf die Vernehmung des Zeugen Z verzichtet.

Bei der Berechung der Höhe der Insolvenzforderungen sind nur diejenigen Investitionen einzubeziehen, deren Bindefristen am 21. Juni 2004 noch nicht abgelaufen waren. Da der Beklagte zunächst die Sonderregelung in § 10 Abs. 4a InvZulG 1999, wonach bei einem Investitionsbeginn vor dem 1. Januar 2000 eine dreijährige Bindefrist gilt, übersehen hatte, kam es im Laufe des Klageverfahrens zu einer Änderung des Feststellungsbescheids. In dem geänderten Feststellungsbescheid werden die Insolvenzforderungen jedenfalls nicht zu hoch ausgewiesen. Dabei hat der erkennende Senat auch berücksichtigt, dass die Bindefristen erst mit der Einstellung des Schlachtbetriebs am 21. Juni 2004 und nicht schon mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Juni 2004 verletzt worden sind. Dass der Beklagte die Fälligkeit der Forderungen im Feststellungsbescheid mit dem 1. Juni 2004 statt mit dem 21. Juni 2004 angegeben hat, ist mangels einer Festsetzung von Zinsforderungen nicht erheblich.

Schließlich handelt es sich bei den festgestellten Rückforderungsansprüchen um Insolvenzforderungen nach § 251 Abs. 3 AO i.V.m. § 179 Abs. 1 und § 38 InsO. Denn die Rückforderungsansprüche waren bereits zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Juni 2004 und nicht erst zum Zeitpunkt der Einstellung des ...betriebs am 21. Juni 2004 begründet. Die Investitionszulage wurde von vornherein unter dem Vorbehalt gewährt, dass sie bei Verletzung der Bindefristen zurückzuzahlen ist. Damit war der Rechtsgrund für die Entstehung des Rückforderungsanspruchs bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt (vgl. BFH-Urteil vom 14. Oktober 1977 III R 111/75, BFHE 124, 122, BStBl II 1978, 204; Neumann in: Beermann/Gosch, Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, § 251 AO Rn. 140). Der Zeitpunkt der steuerrechtlichen Entstehung des Rückforderungsanspruchs ist dagegen unbeachtlich (BFH-Urteil vom 17. Dezember 1998 VII R 47/98, BFHE 188, 149, BStBl II 1999, 423).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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