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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 05.05.2008
Aktenzeichen: 13 K 9072/05 B
Rechtsgebiete: EStG, BGB


Vorschriften:

EStG § 33
BGB § 1897 Abs. 6
BGB § 1898
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

13 K 9072/05 B

Einkommensteuer 2003

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 13. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 5. Mai 2008

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ...,

den Richter ... sowie

die ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Berücksichtigung von Fahrt- und Telefonkosten als außergewöhnliche Belastungen.

Mit seiner Steuererklärung für 2003 machte der Kläger neben zunächst mit 468 EUR angegebenen eigenen Krankheitskosten außergewöhnliche Belastungen geltend, und zwar Fahrt- und Telefonkosten aufgrund eines beim Amtsgericht -AG- ... eingeleiteten Betreuungsverfahrens für seinen Vater sowie die geplante Unterbringung des Vaters in einem Pflegeheim in einer Gesamthöhe von 1.648 EUR sowie Beerdigungskosten in Höhe von 1.726 EUR. Zu dem Betreuungsverfahren reichte er ein Schreiben des AG ... vom 12. September 2003 ein. Daraus ergab sich, dass der Bruder des Klägers, ... , die Betreuung für den Vater angeregt hatte, nach anfänglicher Bereitschaft es aber abgelehnt hatte, als Betreuer zu wirken.

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für 2003 durch Einkommensteuerbescheid vom 9. Juni 2004 auf 3.810 EUR fest. Bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen wurden lediglich die eigenen Krankheitskosten in Höhe von 468 EUR als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, wobei die zumutbare Belastung allerdings mit 1.508 EUR berechnet wurde. In den Erläuterungen wies der Beklagte darauf hin, dass Besuchsfahrten zu einem nahen Angehörigen nicht außergewöhnlich im Sinne des Einkommensteuergesetzes - EStG- seien. Dies gelte auch für Besuche der Eltern in Pflegeheimen.

Dagegen wandte sich der Kläger mit dem am 6. Juli 2004 eingelegten Einspruch. In diesem wies er daraufhin, dass die Addition der eigenen Krankheitskosten bislang unzutreffend erfolgt sei und sich tatsächlich ein Betrag von 540,31 EUR ergebe. Des Weiteren führt er aus, die Fahrtkosten seien nicht für den Besuch des Vaters entstanden, sondern durch das beim AG ... anhängige Betreuungsverfahren. Dies seien Aufwendungen, zu denen er im Betreuungsverfahren verpflichtet gewesen sei. Die Bestallung als Betreuer sei allerdings nicht mehr erfolgt. Der Vater sei zuvor verstorben.

Durch die Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2005 wurde die Einkommensteuer für 2003 auf 4028 EUR festgesetzt. Im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Erhöhung der Einkommensteuer ergab sich durch eine anteilige Anrechnung des Sterbegeldes. Zu den geltend gemachten Fahrtkosten führte der Beklagte aus, ein besonderer Abzug der Fahrt- und Telefonkosten für die anstehende Pflegschaft des Vaters als außergewöhnliche Belastung könne nicht erfolgen. Diese Kosten dienten nur indirekt der Pflege. Über die Gewährung des anteiligen Pflegepauschbetrages hinaus sei eine Berücksichtigung nicht möglich.

Mit der am 4. März 2005 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren zunächst hinsichtlich des Sterbegeldes und der außergewöhnlichen Belastungen weiterverfolgt. Die Klage ist hinsichtlich des Sterbegeldes (nach Ergehen eines neuen Abrechnungsbescheides durch das Finanzamt ...) in der Folge "zurückgenommen" worden. Zur Begründung des verbliebenen Klagebegehrens trägt der Kläger vor, er habe sich dem Betreuungsverfahren nicht entziehen können. Die Fahrtkosten seien zwangsläufig entstanden, da der Vater testier- und geschäftsunfähig gewesen sei. Daher habe er in den Monaten August und September 2003 mehrmals von B nach S fahren müssen, um Termine beim AG ... und weitere Angelegenheiten im Sinn des § 1901 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- wahrzunehmen. Als Betreuer hätte er einen Anspruch auf Auslagenersatz gehabt. Durch die Einstellung des Verfahrens wegen des Todes seines Vaters sei ein solcher Anspruch aber nicht entstanden. Die rechtliche Zwangsläufigkeit der entstandenen Aufwendungen ergebe sich aus §§ 1898 Abs. 1, 1900 BGB. Außerdem habe eine sittliche Verpflichtung bestanden, da die drei anderen Söhne seines Vaters aus unterschiedlichen Gründen ungeeignet gewesen seien.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 9. Juni 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2005 abzuändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von weiteren außergewöhnlichen Belastungen für Fahrtkosten in Höhe von 1.648 EUR festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung des Klageabweisungsantrages führt der Beklagte aus, der Bruder des Klägers, der das Betreuungsverfahren eingeleitet habe, sei auch zunächst zur Übernahme der Betreuung bereit gewesen. Wenn der Kläger aus familiären Gründen das Amt als Betreuer habe übernehmen wollen, ergebe sich daraus keine Zwangsläufigkeit. Die geltend gemachten Aufwendungen seien durch den Pflegepauschbetrag in voller Höhe abgedeckt. Im Übrigen seien Fahrtkosten nur in Höhe der Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel zu berücksichtigen.

Dem Senat hat bei der Verhandlung und Entscheidung die beim Beklagten für den Kläger geführte Lohnsteuer-Arbeitnehmerakte (Band I) vor.

Entscheidungsgründe:

In dem nach Antragsbeschränkung verbliebenen Umfang ist die zulässige Anfechtungsklage unbegründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer in dem dort näher bestimmten Rahmen ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastungen).

Einer Berücksichtigung der geltend gemachten Fahrt- und Telefonkosten als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG steht das Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit entgegen.

Die Übernahme eines Ehrenamtes ist grundsätzlich nicht als zwangsläufig anzusehen (vgl. Schmidt/Drenseck EStG § 33 Rz. 35). Das zuständige Vormundschaftsgericht wollte den Kläger nicht als Berufsbetreuer (vgl. zu der steuerlichen Behandlung von Einkünften der Berufsbetreuer: Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 4. November 2004 -IV R 26/03-, Bundessteuerblatt -BStBl- 2005, 288) bestellen. Vielmehr ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers, dass er auf die Übernahme der Betreuung als Familienangehöriger angesprochen worden ist. Dieses Vorgehen des Vormundschaftsgerichts steht in Einklang mit der Regelung des § 1897 Abs. 6 BGB. Danach besteht ein gesetzlicher Vorrang bei Vorhandensein eines geeigneten ehrenamtlichen Betreuers (vgl. dazu auch Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2002, § 1897 Rn. 38).

Etwas anderes ist allenfalls denkbar, wenn der Steuerpflichtige zur Übernahme des Ehrenamtes verpflichtet war (vgl. Blümich/Heger EStG § 33 Rz. 281 "Ehrenamt"). Eine Verpflichtung in diesem Sinne sieht das BGB für die Übernahme der Betreuung jedoch nicht vor. Dem steht auch die Regelung des § 1898 Abs. 1 BGB nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat die Verpflichtung des von dem Vormundschaftsgericht Ausgewählten ausdrücklich als sanktionslose Rechtspflicht eingeführt. Aus § 1898 Abs. 2 BGB wird deutlich, dass das für die Betreuung notwendige Vertrauensverhältnis im Vordergrund steht. Dieses soll nicht dadurch gefährdet werden, dass ein Betreuer das Amt nur unter Zwang übernimmt. Selbst wenn jemand zunächst zur Übernahme bereit war und zum Betreuer bestellt worden ist, dann jedoch seine Bereitschaft widerruft, ist er aus dem Amt zu entlassen (vgl. dazu Palandt/Diedrichsen BGB § 1898 Rn. 3). Damit unterscheidet sich das Ehrenamt eines rechtlichen Betreuers erheblich von den Ehrenämtern, die tatsächlich - ggf. auch gegen den Willen des Betroffenen - ausgeübt werden müssen. Hier verweist der Senat beispielhaft auf die Verpflichtungen der zu ehrenamtlichen Richtern gewählten Personen, wie sie sich etwa für das Schöffenamt aus § 31 S. 1 Gerichtsverfassungsgesetz -GVG- ergeben. Nach § 56 GVG können Ordnungsgelder gegen Schöffen festgesetzt werden, die ihren Verpflichtungen aus diesem Ehrenamt nicht nachkommen.

Eine sittliche Verpflichtung zur Übernahme der rechtlichen Betreuung bestand für den Kläger nicht. Eine Handlungspflicht aus sittlichen Gründen setzt voraus, dass ein Steuerpflichtiger nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen sich zu den Leistungen für verpflichtet halten kann. Aus der Vergleichbarkeit mit den rechtlichen Pflichten ist abzuleiten, dass sittliche Gründe nur zwangsläufig sind, wenn das sittliche Gebot ähnlich einem Rechtszwang von außen her als eine Forderung oder zumindest als eine Erwartung der Gesellschaft in der Weise in Erscheinung tritt, dass die Unterlassung Nachteile im sittlichmoralischen Bereich oder auf gesellschaftlicher Ebene zur Folge haben kann (vgl. hierzu Schmidt/Drenseck, EStG § 33 Rz. 25 m.w.N.). Es ist nicht ersichtlich, welche Folgen eine Weigerung des Klägers im Verhältnis zu seinen Brüdern hätte haben können, die ihrerseits nicht bereit waren, das Amt eines Betreuers zu übernehmen. Auswirkungen im direkten gesellschaftlichen Umfeld des in B lebenden Klägers sind ebenfalls nicht erkennbar. Zu dem Umstand, dass und wie sein direktes Umfeld von den Vorgängen in S hätte erfahren sollen, ist ebenso wenig vorgetragen wie zu der Frage, welche konkreten Folgen sich daraus ergeben hätten, wenn in B bekannt würde, dass er als am weitesten entfernt wohnender Sohn die Übernahme der persönlichen Betreuung abgelehnt hat.

Im Übrigen scheitert die Annahme der Zwangsläufigkeit daran, dass der Kläger nach eigenen Angaben keinen Versuch gemacht hat, den ihm grundsätzlich zustehenden Aufwendungsersatz zu erlangen. Es spricht insoweit alles dafür, dass der Kläger den Ersatz seiner konkret auf das Betreuungsverfahren gerichteten Aufwendungen nach den Regelungen der §§ 1835, 1908 i BGB hätte erlangen können. Es ist auch kein durchgreifender Grund erkennbar, dass es für den Kläger unzumutbar gewesen wäre, diese Ansprüche geltend zu machen (vgl. dazu Schmidt/Drenseck EStG § 33 Rn. 21). Die Tatsache, dass der Aufwendungsersatz ggf. auch aus dem Vermögen des Betreuten zu leisten sein könnte, führt nicht zu einer solchen Unzumutbarkeit.

Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers grundsätzlich von der Zwangsläufigkeit der dem Kläger erwachsenen Aufwendungen und damit von außergewöhnlichen Belastungen im vorbezeichneten Sinne ausgehen will, kann die Klage keinen Erfolg haben. Eine abweichende Steuerfestsetzung kann nicht erfolgen. Die für den Kläger im Streitjahr mit 1508,00 EUR errechnete und von diesem auch nicht angegriffene Grenze der zumutbaren Belastung ( § 33 Abs. 3 EStG) wird nicht überschritten. Den Umständen entsprechend notwendig und damit zwangsläufig sind nur die mit dem bei dem AG ... geführten Betreuungsverfahren direkt zusammenhängenden Fahrtkosten. Vom Kläger selbst angegeben ist lediglich 1 Fahrt zu einem vom AG ... angeordneten Anhörungstermin. Auch wenn man - ebenfalls zu Gunsten des Klägers - davon ausgehen will, dass auch 2 Fahrten zum Landratsamt als Betreuungsbehörde nicht für die tatsächliche Durchführung der Pflege des Vaters, sondern für das Betreuungsverfahren als solches erfolgt sind, wären nur Kosten für 3 Fahrten zu berücksichtigen. Die darauf entfallenden Kosten betragen 824,00 EUR. Auch unter Berücksichtigung der Krankheitskosten in Höhe von 540,31 EUR wird die Zumutbarkeitsgrenze nicht erreicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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