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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 10.06.2009
Aktenzeichen: 3 K 3331/04 B
Rechtsgebiete: BewG


Vorschriften:

BewG § 145 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 3. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. Juni 2009

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

die Richterin am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ... sowie

die ehrenamtliche Richterin ... und

den ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Änderung des Bescheids über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 1. Januar 2001 vom 6. Oktober 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. September 2004 wird der Grundbesitzwert für das Grundstück G.1. auf 2.296.000 DM (1.173.926 EUR) festgestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 43% der Klägerin und zu 57% dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand:

Streitig ist die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundstückswerts zum 1. Januar 2001 für das 7.358 m² große Grundstück G.1. in A, das zusammen mit anderen Grundstücken von X in das Betriebsvermögen der zuvor gegründeten Klägerin eingebracht worden war, die auf diesem Gelände den B - Betrieb betreibt. Zur Festsetzung der durch die Einbringung entstandenen Grunderwerbsteuer wurde die streitige Feststellung erforderlich.

Die Besonderheit im Streitfall bestand darin, dass für das zu bewertende Grundstück kein Bodenrichtwert von den Gutachterausschüssen festgestellt war. Allerdings war auf den Einbringungszeitpunkt 1. Januar 2001 ein Gesamtverkehrswertgutachten von der CGmbH für alle ...betriebe, die X zu diesem Zeitpunkt in die klagende GmbH eingebracht hatte, erstellt worden, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (s. 2 Aktenordner). Daraus ließ sich für das hier streitgegenständliche Grundstück ein Grund- und Bodenwert von 5.297.760 DM (7.358 m² X 720 DM) entnehmen. Die Klägerin fügte demgemäß ihrer Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwertes den entsprechenden Auszug aus dem Gesamtverkehrswertgutachten (überschrieben mit "Anlage IV-B") bei und begehrte den Ansatz des genannten Wertes.

Der Beklagte stellte mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundstückswerts zum 1. Januar 2001 vom 6. Oktober 2003 für das unbebaute Grundstück erklärungsgemäß einen Grundstückswert von 5.297.000 DM (2.708.313,09 EUR) fest. Dabei zog er zunächst einen Bodenrichtwert auf den 1. Januar 1996 von 1.300 DM/m² heran. Nach Berücksichtigung eines Abschlags von 20% ergab sich ein höherer Wert als aus dem Gesamtverkehrswertgutachten auf den 1. Januar 2001, so dass letzterer der Feststellung zugrunde gelegt wurde.

Mit ihrem fristgemäß eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, es müsse ein deutlich niedrigerer Grundstückswert festgestellt werden.

Zur Begründung bezog sie sich insbesondere auf ein von ihr vorgelegtes Wertgutachten des D vom .. . März 2004 über den Gesamtstandort des B - Betriebes, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (vgl. Heftung zur Streitakte). Dieses kam auf den Stichtag 31. Dezember 2000 für das streitbefangene Grundstück zu einem Bodenwert von 1.797.820 DM. Davon entfielen 1.785.820 DM auf 6.158 m² Bauland (290 DM/m²) und 12.000 DM auf 1.200 m² Grünfläche/Verkehrsfläche (10 DM/m²).

Da das zu bewertende Grundstück außerhalb von Bodenrichtwertzonen lag, verwendete der Gutachter für das Bauland den Bodenrichtwert der benachbarten Bodenrichtwertzone in Höhe von 1.150 DM/m² (Geschoßflächenzahl -GFZ- 2,50). Diesen Ausgangsbodenwert passte er mittels Umrechnungskoeffizienten an das zulässige Maß der baulichen Nutzung (GFZ 1,50) an. Unter Abzug von im Bodenrichtwert enthaltenen Erschließungsbeiträgen in Höhe von 100 DM/m², Berücksichtigung eines Wertfaktors für die Grundstücksgröße von 0,70, eines Lagezuschlags von 5%, eines Nutzungsabschlags wegen gemeinbedarflicher Zweckbindung von 50% und eines Zuschlags für die auf die Fläche entfallenden anteiligen externen Erschließungen in Höhe von 30 DM/m² wurde folgender Bodenwert ermittelt: (1.150 DM/m² - 100 DM/m²) X 0,7748 / 1,2003 X 0,70 X (1,00 + 0,05 - 0,50) + 30 DM/m² = 290,95 DM/m², gerundet 290 DM/m².

Hinsichtlich der übrigen Flächen (Nichtbauland) führte der Gutachter aus, diese seien im Sinne der Festsetzungen des Bebauungsplanes als Grünflächen mit gemeinbedarflichem Charakter und somit als begünstigtes Agrarland zu bewerten, so dass 10 DM/m² angemessen seien.

Wegen der Einzelheiten des weiteren Vorbringens der Klägerin im Einspruchsverfahren wird ergänzend insbes. auf die Schreiben vom 8. und 23. Oktober sowie vom 3. November 2003 (Bl. 22 ff., 27 ff, 29 ff. der Einheitswert- und Grundsteuerakte) Bezug genommen.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 1. September 2004 (vgl. Bl. 69 ff. Einheitswert- und Grundsteuerakte) als unbegründet zurück. Er führte aus, das eingereichte Gutachten des D sei in sich nicht schlüssig und plausibel und daher für den Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes nicht anzuerkennen.

Bei der Bodenwertermittlung sei unzulässigerweise von Bodenrichtwerten für parzelliertes Wohnbauland ausgegangen worden. Da der Gutachterausschuss von A für die ...grundstücke in A keine Bodenrichtwerte festgelegt habe, seien die anzusetzenden Bodenwerte aus geeigneten Bodenrichtwerten abzuleiten. Als Vergleichszone werde auf den 31. Dezember 2000 der Bodenrichtwert der Zone ...straße/...straße (Richtung ...) mit 1.300 DM/m² - G 2,5 - zu Grunde gelegt, da sich diese Zone in der Nähe des B - Betriebes befinde und hinsichtlich der Nutzung und Lage mit dem ...bereich vergleichbar sei. Der Bodenwert sei aufgrund der zulässigen GFZ des zu bewertenden Grundstücks von 1,5 durch eine Koeffizientenumrechnung anzupassen. Es ergebe sich somit ein Bodenwert von 977 DM/m².

Die Grünflächen des Grundstücks seien entgegen der Auffassung der Klägerin nicht als Agrarland, sondern als Flächen für Erholungszwecke zu bewerten, so dass ein Ansatz von nur 10 DM/m² nicht möglich sei.

Ein Nutzungsabschlag wegen gemeinbedarflicher Zweckbindung sei auszuschließen, da die ... privatwirtschaftlich genutzt würden und sich hieraus durchaus eine Marktsituation ergeben könne.

Auch sei kein Abschlag für Erschließungsaufwand vorzunehmen, da die ...grundstücke - wie auch vom Gutachter ausgeführt - ortsüblich nutzungsfähig erschlossen seien.

Die Klägerin hat fristgemäß Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie einerseits ihre Argumente aus dem Einspruchsverfahren und macht im Übrigen geltend, die Verfahrensweise des Beklagten bei den streitigen Feststellungsbescheiden verstoße gegen die in den §§ 145 Abs. 3, 147 Bewertungsgesetz - BewG - vorgegebene Systematik.

Nach diesen Vorschriften bestimme sich der Wert unbebauter wie auch speziell genutzter Grundstücke nach ihrer Fläche und den um 20 bzw. 30 v. H. ermäßigten Bodenrichtwerten. Die Bodenrichtwerte seien nach § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG von den Gutachterausschüssen nach dem Baugesetzbuch - BauGB - auf den 1. Januar 1996 zu ermitteln und den Finanzämtern mitzuteilen. Erst wenn entsprechende Bodenrichtwerte vorlägen, könne der Steuerpflichtige gegebenenfalls nachweisen, dass der gemeine Wert des unbebauten Grundstücks niedriger als der nach Satz 1 der Vorschrift ermittelte Wert sei, sodass dann der niedrigere gemeine Wert festzustellen sei. Diese Verfahrensweise entspreche auch den Anweisungen in R 160 Abs. 1 Satz 6 Erbschaftsteuer-Richtlinien - ErbStR -, wo es heiße, die Gutachterausschüsse seien verpflichtet, die Bodenrichtwerte für Zwecke der Bedarfsbewertung flächendeckend für bebaute Grundstücke und bei unbebauten Grundstücken zumindest für erschließungsbeitragspflichtiges oder erschließungsbeitragsfreies Bauland festzustellen und den Finanzämtern mitzuteilen. Würden Bodenrichtwerte nicht flächendeckend ausgewiesen, hätten die Gutachterausschüsse im Bedarfsfall eine den steuerlichen Anforderungen genügende ergänzende Bodenrichtwertermittlung zum 1. Januar 1996 durchzuführen.

Sofern diesen Verfahrensanforderungen genügt würde, würden sich deutlich niedrigere Bodenrichtwerte als die vom Beklagten aus angeblich vergleichbaren, teilweise weiter entfernten Bodenrichtwertzonen herangezogenen Vergleichswerte ergeben. Die vorliegend zu bewertenden Grundstücke seien als Sonderbauflächen nicht mit den anderen Richtwertzonen vergleichbar. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird insbesondere auf den Schriftsatz vom 11. Oktober 2004 (Bl. 15 ff. der Streitakte) Bezug genommen.

In der vom Finanzgericht ... durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 25. November 2005 ist dem Beklagten durch Senatsbeschluss im Hinblick auf R 160 Abs. 1 S. 7 ErbStR aufgegeben worden, unverzüglich beim Gutachterausschuss für Grundstückswerte in A eine ergänzende Bodenrichtwertermittlung zum 01. Januar 1996 u.a. für das vorliegend streitbefangene Grundstück einzuholen (wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 41 der Streitakte Bezug genommen).

Mit Schreiben vom 5. November 2005 (Bl. 58 der Streitakte) hat der Gutachterausschuss dem Beklagten u.a. folgendes mitgeteilt:

"Für die o. g. Grundstücke ermittelt der Gutachterausschuss keine Bodenrichtwerte, weil für diesen Standort ein festgesetzter Bebauungsplan ... mit dem Inhalt zulässige Nutzungsart Gemeinbedarfsfläche mit der Zweckbestimmung "..." besteht.

Eine privatnützige Verwendung wie in Gebieten mit baureifen Grundstücken ist deshalb ausgeschlossen. Bei der gedachten Vereinbarung von Rechtsgeschäften bestünde kein gewöhnlicher Geschäftsverkehr in Sinne des § 194 BauGB."

Die Klägerin vertritt nunmehr die Auffassung, mangels Vorliegens eines vom Gutachterausschuss ermittelten Bodenwertes sei kein Wert für den Grund und Boden ermittelbar, so dass der Grundbesitzwert für die unbebauten Grundstücke auf 0,- EUR festzusetzen sei. Sie trägt vor, aus der Regelung des § 147 Abs. 2 S. 1 BewG i.V.m. § 145 Abs. 3 BewG ergebe sich keine Befugnis der Finanzbehörde zum eigenständigen Ableiten von Bodenwerten. In der zum Besteuerungszeitpunkt 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Bewertungsgesetzes habe keine Rechtsgrundlage bestanden, die den Beklagten dazu ermächtigt habe, bei entsprechendem Bedarf die erforderlichen Bodenwerte aus vergleichbaren Flächen abzuleiten. Erst durch das Jahressteuergesetz 2007 sei eine derartige Handlungsermächtigung in § 145 Abs. 3 S. 4 BewG eingefügt worden. Wegen des verfassungsrechtlichen Verbots rückwirkender belastender Gesetze dürfe diese Vorschrift jedoch nicht rückwirkend auf den streitigen Sachverhalt angewendet werden. Der Beklagte dürfe somit nicht selbst den typisierenden Steuerwert des Grund und Bodens eigenständig aus einer Vergleichszone ableiten. Dieses werde auch durch das Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 26. April 2006 (II R 58/04, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2006, 793) bestätigt. Danach sollten die Finanzämter wegen ihrer diesbezüglich fehlenden Sachkompetenz und Erfahrung nicht selbstständig Bodenrichtwerte ermitteln können. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich und allein die Gutachterausschüsse aufgrund ihrer besonderen Sachnähe und Kompetenz ermächtigt, Bodenwerte zu ermitteln. Sei der Gutachterausschuss - aus welchen Gründen auch immer - nicht tätig geworden, fehle die Grundlage für die Ermittlung des Grundbesitzwertes. Es könne daher nicht zulasten des Steuerpflichtigen ein Bodenwert durch die Finanzverwaltung geschätzt werden.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Änderung des Bescheids über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 1. Januar 2001 vom 6. Oktober 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. September 2004 den Grundbesitzwert für das Grundstück G.1. auf 0,- DM festzustellen;

2. hilfsweise,

unter Änderung des Bescheids über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 1. Januar 2001 vom 6. Oktober 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. September 2004 den Grundbesitzwert für das Grundstück G.1. auf 1.797.000 DM festzustellen;

3. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage mit der Einschränkung nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 14. Dezember 2007 insoweit abzuweisen, als ein geringerer Wert als 371,- DM/m² für Bauland und 10,- DM/m² für Grünflächen begehrt wird.

Er hat zunächst geltend gemacht, er sehe nach Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Finanzen kein Erfordernis, Bodenrichtwerte durch den Gutachterausschuss feststellen zu lassen. Die Einschaltung des Gutachterausschusses sei bei fehlenden Feststellungen von Bodenrichtwerten nur dann erforderlich, wenn keine Vergleichsbodenrichtwertzonen vorhanden seien, für die Bodenrichtwerte festgestellt worden seien. Im Streitfall seien diese jedoch vorhanden. Nach früherer telefonischer Mitteilung des Gutachterausschusses sei für die hier vorliegende ...nutzung ein entsprechender G-Bodenwert (Vergleichszone, dienstleistungsorientiertes Gewerbe) als Vergleichswert maßgeblich. Dieser Wert sei hinsichtlich der Berücksichtigung der zulässigen GFZ anzupassen. Entsprechend sei der Beklagte bei seinen Feststellungen vorgegangen. Dabei habe sich im Wege des Abgleichs ergeben, dass die in dem Gutachten der C - GmbH ermittelten Bodenwerte sämtlich unter dem Vergleichsbodenrichtwert (nach Abschlag) gelegen hätten, sodass der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gem. § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG durch dieses Gutachten erbracht worden sei.

Auf das Gutachten von D könne wegen der in der Einspruchsentscheidung dargestellten Unschlüssigkeiten nicht zurückgegriffen werden.

Nach Eingang der Stellungnahme des Gutachterausschusses trägt der Beklagte nunmehr vor, da vom Gutachterausschuss keine Bodenwerte hätten ermittelt werden können, sei der typisierende Steuerwert des Grund und Bodens auf den 1. Januar 1996 aus einer Vergleichszone abzuleiten. Dieser werde für den B - Betrieb (Standort G.2., G.3., G.1., G.4.) gemäß § 147 Abs. 2 S. 1 BewG wie folgt ermittelt: Es sei von einem G-Bodenwert (Vergleichszone) auszugehen. Dieser Wert sei hinsichtlich der Berücksichtigung der zulässigen GFZ anzupassen. Diese betrage 1,5.

Es werde auf den 1. Januar 1996 der Bodenrichtwert der Zone ...straße/...straße (Richtung ...) mit 2.000 DM/m² - G 2,5 - zu Grunde gelegt. Diese Bodenrichtwertzone liege in der Nähe des B - Betriebes und sei hinsichtlich der Nutzung und Lage mit dem ...bereich vergleichbar. Der Bodenwert sei aufgrund der zulässigen GFZ des zu bewertenden Grundstücks von 1,5 durch eine Koeffizientenumrechnung anzupassen. Es ergebe sich somit ein Bodenwert von 1.503 DM/m² (2.000 DM/m² x 1,24/1,65). Nach Abzug von 30% gemäß § 147 Abs. 2 S. 1 BewG verbleibe ein anzusetzender Bodenwert von 1.052 DM/m². Dieser Bodenwert sei bei dem Vergleich von typisierendem Steuerwert und Gutachtenwert zu berücksichtigen.

Die in dem Gutachten des Sachverständigen D ermittelten Bodenwerte lägen sämtlich unter dem genannten Wert. Dieses Gutachten könne nach geringfügigen Änderungen (Nichtberücksichtigung von Erschließungskosten) als schlüssig angesehen werden. Es ergebe sich demgemäß ein Ansatz von 371 DM/m² (1.150 DM/m² x 0,7748/1, 2003 x 0,5= 371,17 DM/m²), die Grünflächen seien mit 10 DM/m² anzusetzen. Auf dieser Basis könne eine Erledigung in der Hauptsache herbeigeführt werden.

Der Ansatz der Bodenwerte mit 0,- EUR komme dagegen nicht in Betracht. Eine gesonderte Feststellung sei durchzuführen. Der Bundesfinanzhof habe in seinem Urteil vom 26. April 2006 dargelegt, dass die Grundlage für die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes fehle, sofern das Finanzamt trotz des Bestehens einer entsprechenden Verpflichtung des Gutachterausschusses innerhalb angemessener Frist mit der Ermittlung der Bodenwerte keinen Erfolg habe. Im vorliegenden Fall habe für den Gutachterausschuss jedoch überhaupt keine Verpflichtung zur Ermittlung der Bodenwerte bestanden, weil es sich bei den betreffenden Flächen um Gemeinbedarfsflächen mit Zweckbestimmung "..." handele.

Die Klägerin hatte hinsichtlich des angefochtenen Bescheides einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bezogen auf die in dem Gutachten des Sachverständigen D ermittelten Bodenwerte gestellt, dem das Finanzgericht ... mit Beschluss vom 15. Dezember 2004 (Az. ...) entsprochen hat.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Streitakte zum vorliegenden Verfahren die Streitakte zum Az. ... sowie die von dem Beklagten für das streitige Grundstück unter der Steuernummer ... geführte Einheitswert- und Grundsteuerakte sowie das von der C - GmbH erstellte Gesamtverkehrswertgutachten für die Grundstücke der Klägerin (2 Aktenordner) vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist in dem im Tenor bezeichneten Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

Nach Auffassung des erkennenden Senats war der Beklagte vorliegend nicht gehindert, einen Grundbesitzwert festzustellen.

Nach § 145 Abs. 3 BewG in der für den Stichtag geltenden Fassung -a.F.- bestimmt sich der Wert unbebauter Grundstücke nach ihrer Fläche und den um 20% ermäßigten Bodenrichtwerten (§ 196 BauGB). Die Bodenrichtwerte sind nach dieser Vorschrift von den Gutachterausschüssen nach dem BauGB auf den 1. Januar 1996 zu ermitteln und den Finanzämtern mitzuteilen. Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert des unbebauten Grundstücks niedriger als der nach Satz 1 der Vorschrift ermittelte Wert ist, ist der gemeine Wert festzustellen.

Maßgeblich für die Bewertung des Grund und Bodens ist demgemäß zunächst der jeweilige Bodenrichtwert, der von den Gutachterausschüssen zu ermitteln ist. Liegt kein Bodenrichtwert für ein zu bewertendes Grundstück vor, kann das Finanzamt die Bestimmung eines Bodenrichtwertes vom Gutachterausschuss anfordern. Die Finanzämter sind also nicht ohne weiteres selbst befugt, eine Bodenrichtwertlücke zu schließen, vielmehr müssen sie dazu erst den Gutachterausschuss einbeziehen, das heißt entsprechende Bodenrichtwerte anfordern. Dies ist vorliegend aufgrund der gerichtlichen Auflage geschehen.

Da der zuständige Gutachterausschuss jedoch mitgeteilt hat, er werde im Hinblick auf die Verwendung des Grundstücks keinen Bodenrichtwert ermitteln, war dieser zu schätzen (vgl. hierzu Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, § 145 Rn. 22; Urteil des Finanzgerichts - FG - München vom 21. August 2002 4 K 1068/99, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2003, 215). Dabei ist nicht zu beanstanden, wenn auf Bodenrichtwerte für angrenzende vergleichbare Bodenrichtwertzonen zurückgegriffen wird.

Dieser Verfahrensweise steht im Streitfall nach Auffassung des Senats auch die Rechtsprechung des BFH nicht entgegen. Sofern der BFH in seinem Urteil vom 26. April 2006 (a.a.O.) ausgeführt hat, die Finanzämter seien nicht berechtigt, die für die Bedarfsbewertung von Rohbauland maßgebenden Bodenrichtwerte aus den von den Gutachterausschüssen für erschließungsbeitragsfreies Bauland mitgeteilten Bodenrichtwerten abzuleiten, lag dieser Entscheidung eine andere Sachverhaltsgestaltung als die vorliegende zu Grunde. Zum einen stellt sich der BFH insbesondere gegen die Regelung in R 160 Abs. 2 S. 1 und 7 ErbStR, die vorsieht, dass der Bodenwert von Bruttorohbauland 50% und von Nettorohbauland 75% des Bodenrichtwertes erschließungsbeitragsfreier vergleichbarer Baulandflächen betragen soll. Die in R 161 ErbStR vorgesehenen "Ableitungen" des Bodenrichtwertes hält er demgegenüber für zulässig, weil dort lediglich vom Gutachterausschuss vorgegebene Differenzierungen beachtet würden. Zum anderen hat der BFH die Sache an das zuständige Finanzgericht zurückverwiesen, um dem Finanzamt Gelegenheit zu geben, beim Gutachterausschuss auf die Ermittlung und Mitteilung eines für die Bedarfsbewertung geeigneten Bodenrichtwertes hinzuwirken. Anders als im vorliegenden Fall wurde daher von einer Verpflichtung des Gutachterausschusses zur Ermittlung und Mitteilung eines maßgeblichen Bodenrichtwertes ausgegangen.

Aus der Entscheidung des BFH ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht zwingend zu folgern, dass es den Finanzämtern in allen Fällen, in denen die Gutachterausschüsse nicht bereit oder in der Lage sind, einen differenzierten Bodenwert aufzustellen, verwehrt ist, einen Grundbesitzwert festzustellen, mit der Folge, dass sie dann mangels Grundlagenbescheides an der Besteuerung des betreffenden Sachverhalts gehindert wären.

Vorliegend ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Gutachterausschuss, nachdem er ausdrücklich vom Beklagten angerufen worden war, erklärt hat, nicht zur Ermittlung verpflichtet zu sein. Zudem war eine Schätzung des Bodenrichtwertes unter Zugrundelegung von - vom Gutachterausschuss festgestellten - Bodenrichtwerten in unmittelbarer Nachbarschaft befindlicher Grundstücke möglich. Es handelt sich folglich nicht um eine völlig eigenständige Wertermittlung.

Auch die Tatsache, dass in der ab 1. Januar 2007 gültigen Neufassung des § 145 Abs. 3 S. 4 BewG (gemäß Jahressteuergesetzes 2007) geregelt ist, dass in den Fällen, in denen die Gutachterausschüsse nicht verpflichtet sind, Bodenrichtwerte festzustellen, der Bodenwert aus den Werten vergleichbarer Flächen abzuleiten und um 20% zu ermäßigen ist, ist ein wichtiges Indiz dafür, dass der Gesetzgeber den Finanzbehörden die Fähigkeit, beispielsweise einen Bodenwert aus vergleichbaren Flächen abzuleiten, nicht grundsätzlich abspricht (vgl. hierzu auch Verfügung der OFD Münster vom 21. Februar 2008, S 3014 b - 32 - St 23 - 35 sowie die gleich lautende Verfügung der OFD Rheinland, die besagen, dass in Fällen, in denen der Besteuerungszeitpunkt vor dem 1. Januar 2007 liege, sofern keine Einigung mit dem Steuerpflichtigen erzielt werden könne und der Gutachterausschuss auch auf Anfrage keinen Bodenrichtwert mitteile, dieser im Vorgriff auf die Neufassung des § 145 Abs. 3 S. 4 BewG unter Berücksichtigung der dazu ergangenen Regelungen abgeleitet werden solle; vgl. hierzu auch Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 145 Rn. 74).

Die genannte Vorgehensweise widerspricht auch nicht dem Typisierungs- und Vereinfachungszweck des § 145 Abs. 3 S. 1 und 2 BewG, da sie aufgrund der grundsätzlichen Verpflichtung der Gutachterausschüsse, Bodenrichtwerte für die jeweiligen Bodenrichtwertzonen zu ermitteln, nur in besonderen Ausnahmefällen wie dem vorliegenden infrage kommt.

Der Beklagte war demgemäß hier an der Feststellung eines Grundbesitzwertes für das streitbefangene Grundstück nicht gehindert, sondern durfte diesen zunächst auf der Grundlage des benachbarten Bodenrichtwertes auf den 1. Januar 1996 unter Vornahme der vorgetragenen GFZ-Anpassung und eines Abschlags von 20% ermitteln.

Hinsichtlich der Höhe des festzustellenden Wertes ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin von der durch § 145 Abs. 3 S. 3 BewG a.F. eröffneten Möglichkeit, einen niedrigeren Verkehrswert nachzuweisen, Gebrauch gemacht hat, indem sie das Wertgutachten des Sachverständigen D eingereicht hat.

Ein solches Gutachten kann zu Grunde gelegt werden, sofern es den rechtlichen Vorgaben der Wertermittlungsverordnung - WertV - und der Wertermittlungsrichtlinien - WertR - entspricht und inhaltlich schlüssig und nachvollziehbar ist (vgl. Rössler/Troll, a.a.O., § 145 Rn. 35 i.V.m. § 138 Rn. 26 ff, 32 ff.). Es unterliegt insoweit als sog. Privatgutachten der freien Beweiswürdigung des Gerichts. Dieses ist zudem nicht an jede einzelne Wertableitung gebunden, sondern kann im Detail bei Vorliegen triftiger Grunde davon abweichen und einen anderen Verkehrswert schätzen (vgl. hierzu Rössler/Troll, a.a.O., § 138 Rn. 32, 34).

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist das genannte Gutachten dem Grunde nach anzuerkennen, aber hinsichtlich einiger Positionen, hinsichtlich derer es an der erforderlichen Schlüssigkeit und Plausibilität fehlt, zu korrigieren.

Demgemäß ergibt sich der - auch vom Beklagten in seinem Schriftsatz vom 14. Dezember 2007 errechnete - Wert von 371 DM/m² für Bauland bzw. 10 DM/m² für die Grünflächen.

Der für den "Standort G.2." als Ausgangswert für den Bodenrichtwert angesetzte Betrag der benachbarten Bodenrichtwertzone i. H. v. 1.150 DM/m² (GFZ = 2,50) ist nachvollziehbar begründet und nicht zu beanstanden.

Auch die vom Gutachter vorgenommene Umrechnung der Geschoßflächenzahl ist gerechtfertigt. Eine solche Anpassung ist ausnahmsweise möglich, wenn aufgrund rechtlicher Beschränkungen eine Ausnutzung des Grundstücks mit der ortsüblich vorgegebenen GFZ ausgeschlossen ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 8. Oktober 2003 II R 27/02, BStBl II 2004, 179). Vorliegend beträgt die zulässige GFZ - zwischen den Beteiligten unstreitig - lediglich 1,5. Die angewandten Umrechnungskoeffizienten (vgl. Anl. 15.9.5 des Gutachtens) entsprechen den aufgrund des § 193 Abs. 3 BauGB gemäß § 8 WertV im Amtsblatt von A 2004, 1101 amtlich veröffentlichten Koeffizienten für den Einfluss der realisierbaren Geschossflächenzahl auf den Wert von Wohnbauland, eventuell mit geringer anteiliger nicht störender gewerblicher Nutzung, in Gebieten der geschlossenen Bauweise.

Auch der vom Gutachter vorgenommene Abschlag von 50% wegen gemeinbedarflicher Zweckbindung ist schlüssig dargelegt und begründet. Die vorgetragene Minderung der Renditemöglichkeiten des Grund und Bodens ist nachvollziehbar (vgl. zur Bindung wegen Gemeinbedarfs beispielsweise Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 4. Aufl. 2002, Teil V § 7 WertV Rn. 131 ff., § 4 WertV Rn. 475 ff.). Nach Auffassung des Senats ist der Abschlag daher dem Grunde und auch der Höhe nach angemessen.

Nicht plausibel sind allerdings die weiteren Wertminderungen, die der Gutachter im Hinblick auf die Erschließungs- und Erschließungsbeitragssituation des Grundstücks berücksichtigt hat. Etwaige insoweit gegebene Beeinträchtigungen sind nach Auffassung des erkennenden Senats durch die zuvor vorgenommenen Umrechnungen und Abschläge hinreichend abgegolten. Wie der Beklagte in seiner Einspruchsentscheidung zu Recht darlegt und auch der Gutachter selbst ausführt, ist das ...grundstück ortsüblich nutzungsfähig und erschlossen. Auch ist im Hinblick auf die genannten Umrechnungen und Abschläge, die der besonderen Situation des Grundstücks Rechnung tragen, kein Anlass ersichtlich, nochmals einen höheren potentiellen Erschließungsaufwand aufgrund der Größe des Grundstücks anzusetzen. Ein tatsächlicher Erschließungsrückstand oder eine über das übliche Maß hinausgehende Belastung mit Erschließungsbeiträgen ist zudem nicht hinreichend belegt.

Diese letztgenannte fehlende Plausibilität im Hinblick auf die im Gutachten berücksichtigte Erschließungssituation führt dazu, dass die diesbezüglichen Ansätze zu negieren sind, im übrigen aber ausgehend von der Berechnung des Sachverständigen der sachgemäße Bodenwert für das Bauland wie folgt zu ermitteln ist:

1.150 DM/m² x 0,7748/1,2003 x 50% = 371,17 DM/m², also rd. 371 DM/m²

Auch der Ansatz von 10 DM/m² für Nichtbauland ist nachvollziehbar und schlüssig begründet, so dass insoweit ebenfalls der Beurteilung des Gutachters zu folgen ist.

Demgemäß ergibt sich im Streitfall unter Berücksichtigung der Verteilung von Bauland und Grünfläche entsprechend der Anlage 15.10 des Sachverständigengutachtens, also 6.158 m² Bauland und 1.200 m² Grünfläche/Verkehrsfläche, nach Abrundung gemäß § 139 BewG ein Grundbesitzwert von 2.296.000 DM (2.284.618 + 12.000 = 2.296.618 DM).

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage, ob bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art die Finanzbehörde zur Feststellung eines Grundbesitzwertes berechtigt ist, gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO - zugelassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten beruht auf § 139 Abs. 3 S. 3 FGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Ende der Entscheidung

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