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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 14.07.2009
Aktenzeichen: 5 K 7461/05 B
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1a
UStG § 2 Abs. 2
UStG § 13 Abs. 1
UStG § 17 Abs. 1
UStG § 17 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 5. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14. Juli 2009

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

die Richterin am Finanzgericht ...,

den Richter am Verwaltungsgericht ... sowie

die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Frau ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Zum Gegenstand des Unternehmens der G AG, der heutigen Beigeladenen zu 1, gehörten die Entwicklung, Produktion, Co-Produktion, Verwertung, Vermarktung und der Vertrieb/ Lizenzierung von Kino- und Fernsehproduktionen und anderen Medienprojekten jeglicher Art im eigenen und fremdem Namen. Die G AG war Muttergesellschaft mehrerer Tochtergesellschaften, unter anderem der H GmbH. Einer der Hauptauftraggeber der G AG war die Beigeladene zu 2. Im Dezember 2000 schlossen die G AG und die Beigeladene zu 2 eine Ergänzungsvereinbarung zu einem zwischen der Beigeladenen zu 2 und der H GmbH abgeschlossenen Produktionsdienstleistungsvertrag. Nach dieser Ergänzungsvereinbarung war die G AG verpflichtet, so genannte Nebenrechtsprodukte herzustellen.

Dafür erhielt sie von der Beigeladenen zu 2 ein Budget in Höhe von 22,33 Millionen DM zuzüglich Umsatzsteuer. Zur Verwahrung des Geldbetrages wurde ein Treuhänder eingesetzt. Die G AG unterwarf die Zahlung der Umsatzsteuer. Die Beigeladene zu 2 machte aus dem Umsatz Vorsteuern geltend.

Im Streitjahr 2002 kam es zwischen der G AG und der Beigeladenen zu 2 zu Streitigkeiten über die Fortsetzung der Zusammenarbeit. Im Geschäftsanteilskaufvertrag vom 16./17.10.2002 (Blatt 21 ff der Gerichtsakte) vereinbarten die Vertragsparteien den Übergang aller im Zusammenhang mit der Beigeladenen zu 2 stehenden Tätigkeiten, Verträge und Forderungen von der G AG auf die H GmbH sowie die Übertragung der Gesellschaftsanteile an der H GmbH und an weiteren Tochtergesellschaften von der G AG auf die I Beteiligungsgesellschaft mbH. Für die Übertragung der Geschäftsanteile an den Gesellschaften wurde ein Kaufpreis in Höhe von 5,8 Millionen EUR vereinbart. Zu den übergehenden Verträgen gehörte auch die zwischen der G AG und der Beigeladenen zu 2 abgeschlossene Ergänzungsvereinbarung. Das aufgrund dieser Ergänzungsvereinbarung eingerichtete Treuhandkonto wies zum Stichtag 16./17.10.2002 abzüglich aufgelaufener Kosten und Zinsen noch einen Saldo in Höhe von 6.749.382,00 EUR auf. Die weiteren übergehenden Verträge und Forderungen waren in der Anlage 6 a des Vertrages im Einzelnen aufgeführt (Blatt 42 ff der Gerichtsakte). Die H GmbH wurde in der Folgezeit zur Klägerin umfirmiert. Mit Gesellschafterbeschluss vom 11.7.2003 erfolgte die Umwandlung der G AG in die Beigeladene zu 1.

Im Jahr 2004 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung betreffend das Streitjahr 2002 durch. Im Prüfungsbericht vom 3.3.2004 (Blatt 62 ff der Gerichtsakte) vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die Klägerin den zum Zeitpunkt des Geschäftsanteilskaufs auf dem Treuhandkonto vorhandenen Betrag versteuern müsse.

Es habe sich bei dem Betrag um eine Anzahlung gehandelt, die mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden sei, besteuert werden müsse. Dem sei die Klägerin nicht nachgekommen. Soweit sich die Klägerin während der Prüfung auf eine Minderung des Entgelts durch eine im Oktober 2003 vorgenommene Auszahlung berufen habe, könne diese im Streitjahr 2002 nicht berücksichtigt werden.

Eine Berücksichtigung sei frühestens für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2003 denkbar. Die Prüferin schlug vor, die steuerpflichtigen Umsätze um 6.749.392,24 EUR zu erhöhen.

Der Beklagte folgte dem und erließ am 27.7.2004 einen entsprechenden geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2002. In den Erläuterungen zu dem Umsatzsteuerbescheid führte der Beklagte aus, dass in dem Geschäftsanteilskaufvertrag vom 16./17.10.2002 eine nicht umsatzsteuerbare Teilbetriebsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1 a Umsatzsteuergesetz - UStG - zu sehen sei. Danach sei aber nur die bloße Veräußerung des Teilbetriebes nicht umsatzsteuerbar. Die übrigen umsatzsteuerrechtlich relevanten Vorgänge blieben davon unberührt. Das gelte auch für die von der G AG geleistete Vorauszahlung, soweit sie zum Zeitpunkt des Geschäftsübergangs auf dem von der Klägerin übernommenen Treuhandkonto noch vorhanden gewesen sei. Da die Klägerin nach § 1 Abs. 1 a Satz 3 UStG an die Stelle der G AG getreten sei, sei ab dem Zeitpunkt des Übergangs nicht mehr die G AG gegenüber der Beigeladenen zu 2 verpflichtet, sondern die Klägerin. Damit sei die von der G AG in Bezug auf die geleistete Anzahlung erklärte Umsatzsteuer nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG teilweise zu berichtigen. Die Klägerin habe die erhaltene Anzahlung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG zu versteuern. Dem sei die Klägerin bislang nicht nachgekommen. Eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft zwischen der Klägerin und der G AG habe nicht vorgelegen; sie stehe der Versteuerung der Anzahlung bei der Klägerin damit nicht entgegen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage zum Umsatzsteuerbescheid 2002 verwiesen (Blatt 67 f der Gerichtsakte).

In weiterer Umsetzung der vom Beklagten vertretenen Auffassung erstattete dieser der Beigeladenen zu 1 als Rechtsnachfolgerin der G AG die seinerzeit hinsichtlich der erhaltenen Anzahlung abgeführte Umsatzsteuer teilweise und forderte von der Beigeladenen zu 2 die von dieser geltend gemachte Vorsteuer teilweise zurück (Bescheid vom 3.1.2005, Blatt 164 der Gerichtsakte).

Die Klägerin legte gegen den Umsatzsteuerbescheid 2002 Einspruch ein, den der Beklagte mit der während des Klageverfahrens ergangenen Einspruchsentscheidung vom 9.2.2006 (Blatt 93 ff der Gerichtsakte) als unbegründet zurückwies.

Mit der Klage macht die Klägerin geltend, dass die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen vorgelegen hätten. Sie, die Klägerin, habe von der G AG das gesamte die Beigeladene zu 2 betreffende Geschäft einschließlich aller Vermögensgegenstände, Ansprüche und Verpflichtungen übernommen. Es habe sich dabei um ein Teilvermögen im Sinne des Art. 5 Abs. 8 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie gehandelt, welches den wesentlichen Geschäftsbetrieb der G AG ausgemacht habe. Der Begriff des Teilvermögens verdränge den im Rahmen einer Betriebsveräußerung im Ganzen bislang verwendeten Begriff des "gesondert geführten Betriebes". Unter dem Begriff des Teilvermögens sei eine Kombination von Wirtschaftsgütern zu verstehen, die zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreichten, auch wenn diese Tätigkeit nur Teil eines größeren Unternehmens sei, von dem sie abgespalten werde. Diese Voraussetzungen hätten jedenfalls aus der nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs maßgebenden Sicht des empfangenden Unternehmens vorgelegen. Bei der G AG seien nur eine Beteiligung an der J GmbH, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dieser GmbH sowie die der Serie J zuzuordnenden Verträge verblieben. Dies stehe der Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht entgegen, da es unschädlich sei, wenn bei dem Veräußerer Wirtschaftsgüter von untergeordneter Bedeutung verblieben. Mit den übertragenen Wirtschaftsgütern sei sie, die Klägerin, jedenfalls in der Lage gewesen, das in Bezug auf die K GmbH aus- geübte Unternehmen der G AG fortzuführen. Dass diese weiterhin ein Unternehmen ausgeübt habe, sei dabei ohne Bedeutung.

Der Vertrag vom 16./17.10.2002 könne nicht als Kündigung des zuvor zwischen der G AG und der Beigeladenen zu 2 bestehenden Vertragsverhältnisses ausgelegt werden. Der Vertrag sehe eine solche Kündigung nicht vor. Es sei vielmehr ausdrücklich die Übertragung der Geschäftsanteile sowie der bestehenden Rechtsverhältnisse vereinbart worden.

Damit sei eine Schuldübernahme im Verhältnis der Klägerin zur G AG verbunden gewesen.

Durch die Geschäftsveräußerung im Ganzen sei sie, die Klägerin, Rechtsnachfolgerin der G AG geworden. Das ergebe sich aus § 1 Abs. 1 a Satz 3 UStG, dessen Rechtsfolge sich nicht auf die Berichtigungspflicht nach § 15 a UStG beschränke. § 1 Abs. 1 a Satz 3 UStG setze Art. 5 Abs. 8 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie um. Diese Norm sehe ebenfalls eine Rechtsnachfolge des Erwerbers vor, und zwar eine Gesamtrechtsnachfolge, was sich eindeutig aus den verschiedenen Sprachfassungen ersehen lasse. Mit der Rechtsnachfolge sei sie, die Klägerin, in das von der G AG begründete Steuerschuldverhältnis eingetreten.

Damit sei auch die Versteuerung der Anzahlung durch die G AG übergegangen, ebenso wie die Verpflichtung, eine Berichtigung nach § 17 UStG durchzuführen, wenn sich die Bemessungsgrundlage später ändere. Die G AG habe andererseits mit der Geschäftsveräußerung im Ganzen ihr Recht zur Berichtigung nach § 17 UStG verloren.

Abgesehen davon sei auch deswegen keine Umsatzsteuer entstanden, weil ihre, der Klägerin, Rechtsvorgängerin Organgesellschaft der G AG gewesen sei. Die H GmbH sei bis zum Abschluss des Geschäftsanteilskaufvertrags eine inaktive Gesellschaft gewesen. Sie habe lediglich für das "Executive Producing" im Außenverhältnis Verantwortung getragen.

Das habe auf einem Produktions-Dienstleistungsvertrag mit der Beigeladenen zu 2 vom 2.11.1999 beruht, wonach die H GmbH lediglich unterstützende Produktionsleistungen habe erbringen und Nebenprodukte habe entwickeln sollen. Diese Leistungen habe aber nicht die H GmbH erbracht, sondern auf der Grundlage eines ebenfalls am 2.11.1999 zwischen ihr und der G AG abgeschlossenen Vertrages die G AG. Die H GmbH sei zur Erbringung der Leistungen auch nicht in der Lage gewesen, zumal sie ausweislich der Jahresabschlüsse weder über ein Büro noch über Anlagevermögen verfügt und auch keine Aufwendungen für Telefon, Telefax, Internet und so weiter getätigt habe. Ihre Ausgangsumsätze seien somit ausschließlich mittels der G AG erbracht worden. Insgesamt habe die G AG damit die gesamte Tätigkeit der H GmbH übernommen. Eine stärkere wirtschaftliche Eingliederung in die G AG sei nicht denkbar.

Eine organisatorische Eingliederung habe ebenfalls vorgelegen. Der Geschäftsführer der H GmbH sei zugleich Mitglied des zweiköpfigen Vorstands der G AG gewesen. Allein das reiche aus, um eine organisatorische Eingliederung zu begründen (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 20.2.1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133). Im Geschäftsverteilungsplan der G AG (Blatt 84 der Gerichtsakte) sei dem Geschäftsführer zudem ausdrücklich die Aufgabe der Geschäftsführung der H GmbH zugewiesen worden.

Die Organschaft sei nicht durch den Geschäftsanteilskaufvertrag beendet worden. An der Geschäftsführungssituation habe sich durch den Abschluss des Geschäftsanteilskaufvertrages nichts geändert. Der Geschäftsführer habe den Vertrag vom 16./17.10.2002 unterschrieben.

Dies zeige, dass die organisatorische Eingliederung fortbestanden habe. Der Geschäftsführer habe sein Amt bei der H GmbH erst nach der Übertragung der geschäftlichen Aktivitäten niedergelegt, und zwar gegenüber dem neuen Gesellschafter der H GmbH. An der finanziellen Eingliederung habe sich zunächst auch nichts geändert. Ausweislich des abgeschlossenen Vertrages seien zunächst alle Aktivitäten in Bezug auf die Beigeladene zu 2 auf die H GmbH übergegangen. Erst anschließend sei es zu der Anteilsübertragung gekommen. Auch die wirtschaftliche Eingliederung habe fortbestanden.

Der Geschäftsbetrieb der H GmbH habe nicht geruht.

Auch eine spätere Beendigung der Organschaft führe nicht zu einer Rückabwicklung der Versteuerung der Anzahlung bei der G AG und einer erneuten Versteuerung bei ihr, der Klägerin. Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 21.6.2001 V R 68/90, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2002, 255).

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer 2002 unter Änderung des Bescheides vom 27.7.2004 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 9.2.2006 auf ./. 61.443,30 EUR festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Abweichend von den Ausführungen in dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid ist der Beklagte nun der Auffassung, dass keine Geschäftsveräußerung im Ganzen erfolgt sei.

Denn die G AG habe auch nach Abschluss des Geschäftsanteilskaufvertrages ihren Geschäftsbetrieb als werbendes Unternehmen fortgesetzt. Es seien keine wesentlichen Betriebsgrundlagen eines gesondert geführten Betriebes und es sei auch kein Teilvermögen im Sinne eines Unternehmensteils übertragen worden. Übergegangen seien nur Rechte und Pflichten betreffend einen unselbstständigen Teil der von der G AG fortgeführten gewerblichen Tätigkeit. Die G AG habe sowohl das Anlagevermögen als auch die hochspezialisierten Mitarbeiter zurückbehalten. Da die Klägerin zum Zeitpunkt der Übertragung weder über Anlagevermögen noch über Personal verfügt habe, scheitere die Geschäftsveräußerung im Ganzen daran, dass diese gerade nicht in der Lage gewesen sei, ohne größere Investitionen die Aktivitäten fortzuführen.

Selbst wenn man eine Geschäftsveräußerung im Ganzen annehmen wollte, so ergäbe sich die von der Klägerin angenommene Rechtsfolge nicht. Aus § 1 Abs. 1 a Satz 3 UStG lasse sich nicht ableiten, dass auch die Berechtigung zur Berichtigung der Bemessungsgrundlage übergehe. Der Erwerber eines Unternehmens werde nicht Rechtsnachfolger hinsichtlich möglicher Umsatzsteuererstattungsansprüche.

Es habe auch keine umsatzsteuerrechtliche Organschaft vorgelegen. Eine wirtschaftliche Eingliederung könne nicht festgestellt werden. Die H GmbH habe einen von der G AG unabhängigen Geschäftsbetrieb unterhalten. Beide Gesellschaften seien in unterschiedlichen Phasen der Filmherstellung tätig gewesen. Eine Zweckabhängigkeit könne daher nicht festgestellt werden. Da die Wertschöpfung der H GmbH zeitlich nachgeordnet gewesen sei, habe diese keinen Einfluss auf die Wertschöpfung der G AG gehabt. Verträge habe die H GmbH eigenständig ausgehandelt und abgeschlossen. Die organisatorische Eingliederung habe ebenfalls nicht vorgelegen. Die G AG habe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung der H GmbH ausgeübt. Die einzelnen Projekte seien von Seiten der Buchhaltung und der Rechnungslegung getrennt voneinander behandelt worden. Schließlich hätten die Vertreter der Klägerin bei der Betriebsprüfung mehrfach betont, dass keine umsatzsteuerrechtliche Organschaft zur G AG existiert habe. Selbst wenn man eine solche annehmen wollte, sei die organisatorische Eingliederung spätestens am 17.10.2002 beendet worden, da der damalige Geschäftsführer an diesem Tag sein Amt niedergelegt habe. Erst danach sei der Kaufpreis für die vorgenommenen Übertragungen fällig geworden. Abgesehen davon habe zum Zeitpunkt der Übertragung der Treuhandgelder keine finanzielle Eingliederung mehr vorgelegen. Es lasse sich keine Zäsur zwischen dem Zeitpunkt der Übertragung der Gesellschaftsanteile und der Übertragung des Treuhandkontos ziehen. Die G AG sei berechtigt gewesen, die Umsatzsteuer hinsichtlich der erhaltenen Vorauszahlung zu berichtigen. Die Umsatzsteuerschulden und die Vorsteuervergütungsansprüche seien nicht auf die H GmbH übergegangen. Es sei - ebenso wie bei der Rückgängigmachung einer Fusion im Wege der Abspaltung oder Ausgliederung - nur zu einer teilweisen Gesamtrechtsnachfolge gekommen.

Mit Schriftsatz vom 5.9.2007 hat der Beklagte die Beiladung der Beigeladenen zu 1 nach § 174 Abs. 5 Abgabenordnung - AO - beantragt. Durch Beschluss vom 8.1.2008 hat die damals zuständige Berichterstatterin die Beigeladenen zu 1 und zu 2 zum Verfahren beigeladen.

Die Beigeladene zu 1 hat sich im Wesentlichen der Auffassung des Beklagten angeschlossen.

Sie ist der Auffassung, die Klägerin interpretiere den Begriff des Teilvermögens falsch. Es müsse sich dabei um einen selbstständigen Unternehmensteil handeln, der materielle und gegebenenfalls immaterielle Bestandteile umfasse, die zusammengenommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bildeten, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden könne, wobei die bloße Übertragung von Gegenständen wie der Verkauf eines Warenbestandes nicht erfasst werde. Der Klägerin seien nur immaterielle Wirtschaftsgüter übertragen worden. Dies reiche nicht aus, um den Begriff des Teilvermögens zu erfüllen. Die Selbstständigkeit des Teilvermögens müsse bereits bei dem Veräußerer vorgelegen haben. Denn nur dann könne dieses Teilvermögen selbstständig übertragen werden. Die von der Klägerin vertretene gegenteilige Auffassung lasse sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht entnehmen.

Bei der G AG habe kein derartiges selbstständiges Teilvermögen bestanden.

Die in Bezug auf die H GmbH ausgeübten Tätigkeiten seien in die Gesamttätigkeit der G AG eingegliedert gewesen. Diese habe sich für diese Aufgaben desselben Personals, derselben Geschäftseinrichtung, derselben Verwaltung sowie derselben geschäftlichen Kontakte und derselben Kenntnisse bedient. Die in Bezug auf die H GmbH ausgeübten Tätigkeiten hätten auch nicht den wesentlichen Anteil am Geschäft der G AG ausgemacht.

Ein wesentlicher Teil habe in der Produktion und dem Vertrieb der Serie J bestanden.

Hierauf basierend seien weitere Animationsfilmprojekte akquiriert und realisiert worden.

Hinzugekommen seien Dokumentarfilme. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 16.6.2009 (Blatt 245 der Gerichtsakte) verwiesen. All diese Produktionen seien bei der G AG einheitlich behandelt worden, so dass für den auf die H GmbH übertragen Bereich gerade keine Abspaltung bestanden habe.

Es seien keine wesentlichen Betriebsgrundlagen auf die H GmbH übertragen worden. Die G AG habe die wichtigste Betriebsgrundlage in Gestalt der hochspezialisierten Mitarbeiter zurückbehalten. Der gesamte Bereich sei stark durch das Personal geprägt. Ohne fachkundiges Personal, das über die entsprechenden Kenntnisse und Verbindungen verfüge, sei eine erfolgreiche Filmproduktion nicht möglich. Das gelte auch für die Verwertung von Filmrechten, die im Wesentlichen über persönliche Kontakte erfolge. Dies sei der Grund gewesen, warum die Beigeladene zu 2 die G AG seinerzeit beauftragt habe. Mit der Übertragung der Geschäfte auf die H GmbH sei auch kein Know-how übertragen worden. Die H GmbH habe nach ihrem eigenen Vortrag Räume anmieten und Personal einstellen müssen, was belege, dass nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen auf sie übergegangen seien.

Selbst wenn man eine Geschäftsveräußerung im Ganzen annehmen wollte, so führte dies nicht zu einer Gesamtrechtsnachfolge der H GmbH. Nach Art. 19 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie könnten die Mitgliedstaaten den Begünstigten der Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen. Zutreffend gehe die herrschende Meinung davon aus, dass der Erwerber nicht in das Steuerschuldverhältnis des Veräußerers eintrete. Denn dies ergebe sich weder aus § 1 Abs. 1 a Satz 3 UStG noch aus Art. 19 Abs. 1 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Die Regelungen zur Geschäftsveräußerung im Ganzen hätten nur zum Zweck, durch die Umsatzsteuerfreiheit Erleichterungen im Geschäftsverkehr zu erreichen. Der Eintritt des Erwerbers in das Steuerschuldverhältnis sei dabei nicht erforderlich. Dies entspreche auch der Auffassung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (Urteil vom 27.11.2008 - 6 K 2159/06, Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 295).

Eine Organschaft könne schließlich ebenfalls nicht angenommen werden. Zum Zeitpunkt des Übergangs der im Zusammenhang mit der Beigeladenen zu 2 bestehenden Aktivitäten sei die H GmbH wirtschaftlich nicht in die G AG eingegliedert gewesen. Dies setzte nämlich eine gewisse Unterordnung der eingegliederten Gesellschaft voraus, die hier nicht vorgelegen habe. Es habe auch an der organisatorischen und der finanzieller Eingliederung gefehlt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 16.6.2009 Bezug genommen.

Neben der Verfahrensakte und der Akte des Finanzgerichts Berlin zur Aussetzung der Vollziehung betreffend Umsatzsteuer 2002 (7 B 7461/04) haben dem Gericht bei der Entscheidung folgende Akten des Beklagten vorgelegen: Umsatzsteuerakte (blattiert bis Blatt 208), Akte mit Gesellschaftsverträgen mit Ergänzungen und Handelsregisterauszügen (blattiert bis Blatt 163), Bilanzakte für die Jahre 1999 bis 2002 sowie eine Akte mit Berichten über UmsatzsteuerSonderprüfungen (unblattiert).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG entsteht die Steuer in den Fällen, in denen der Unternehmer das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist. Führt der Unternehmer die Leistung oder Teilleistung später nicht aus, so hat er die Steuer nach § 17 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 UStG zu berichtigen. Geht die Leistungsverpflichtung auf einen anderen Unternehmer über und erhält er hierfür eine Vorauszahlung, so hat auch er die erhaltene Vorauszahlung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a Satz 4 UStG zu versteuern.

Das gilt auch im vorliegenden Fall.

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zur Vermeidung dieser Rechtsfolge darauf, dass ihre Rechtsvorgängerin, die H GmbH, insoweit Rechtsnachfolgerin der G AG gewesen sei, als sie von dieser alle Verträge und Aktivitäten übernommen habe, die die Beigeladene zu 2 betroffen hätten. Eine solche Rechtsnachfolge könnte allenfalls dann eingetreten sein, wenn in der Übernahme der Verträge und Aktivitäten eine Geschäftsveräußerung im Ganzen zu erblicken wäre, für die § 1 Abs. 1 a Satz 3 UStG vorschreibt, dass der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers tritt. Das ist jedoch nicht der Fall.

Eine Geschäftsveräußerung liegt nach § 1 Abs. 1 a Satz 2 UStG vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird.

Diese Regelung beruht auf der in Art. 19 Abs. 1 Mehrwertsteuersystemrichtlinie enthaltenen Ermächtigung, die sich zuvor in Art. 5 Abs. 8 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie fand.

Abweichend von § 1 Abs. 1 a Satz 2 UStG spricht Art. 19 Abs. 1 Mehrwertsteuersystemrichtlinie (ebenso wie zuvor Art. 5 Abs. 8 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie) nicht von der Übertragung des Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs, sondern von der Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens. Ob dies inhaltlich letztendlich zu einer Abweichung führt, kann offen bleiben. Denn selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin den vom Wortlaut her weiteren Begriff der Übertragung eines Teilvermögens zu Grunde legt, so scheitert die Annahme einer Geschäftsveräußerung im vorliegenden Fall gleichwohl daran, dass es sich bei den von der Klägerin übernommenen Verträgen und Aktivitäten nicht um ein Teilvermögen gehandelt hat.

Der Begriff des Teilvermögens ist in Art. 19 Abs. 1 Mehrwertsteuersystemrichtlinie ebenso wenig definiert wie zuvor in Art. 5 Abs. 8 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie. Der Europäische Gerichtshof versteht hierunter jedoch die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils, der jeweils materielle und gegebenenfalls immaterielle Bestandteile umfasst, die zusammen genommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Die bloße Übertragung von Gegenständen und der Verkauf eines Warenbestands stellen demgegenüber keine Geschäftsveräußerung dar (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 27.11.2003 - C-497/01 - Zita Modes, Sammlung der Rechtsprechung 2003, I-14393, Rz. 40). Daraus lässt sich entnehmen, dass es sich bei dem Teilvermögens um einen "selbstständigen" Unternehmensteil handeln muss. Diese Selbstständigkeit muss - worauf die Beigeladene zu 2 zutreffend hingewiesen hat - bereits vor der Veräußerung vorgelegen haben, weil nur dann eine Übertragung dieses selbstständigen Unternehmensteils und seine anschließende Fortführung denkbar sind.

Bei den im Zusammenhang mit der Beigeladenen zu 2 stehenden Verträgen und Aktivitäten handelte es sich nicht um einen selbstständigen Unternehmensteil der G AG. Die G AG hatte nach den in der mündlichen Verhandlung getroffenen Feststellungen mehrere Auftraggeber. Alle Aufträge - auch diejenigen der Beigeladenen zu 2 - wurden in gleicher Art und Weise von allen Mitarbeitern der G AG erledigt. Es fand keine von anderen Aufträgen abgegrenzte Behandlung hinsichtlich der Aufträge der Beigeladenen zu 2 statt.

Diese Aufträge wurden insbesondere nicht in in einer gesonderten Unterabteilung erledigt.

Damit fehlte es an einer Verselbstständigung dieser Aktivitäten bei der G AG.

Die H GmbH war ferner nicht in der Lage, die wirtschaftliche Tätigkeit der G AG in Bezug auf die übernommenen Aktivitäten fortzuführen, wie dies nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aber ebenfalls Voraussetzung für eine Geschäftsveräußerung ist. Denn die H GmbH verfügte - wie die Beigeladene zu 2 unwidersprochen vorgetragen hat - weder über die erforderlichen sächlichen noch personellen Mittel. Diese hat sie auch von der G AG nicht übernommen. Übergegangen sind lediglich die Rechte und Pflichten aus den zwischen der G AG und der Beigeladenen zu 2 abgeschlossenen Verträgen, was nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für eine Geschäftsveräußerung gerade nicht ausreicht. Auf die von den Beteiligten weiter erörterte Frage, ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen überhaupt zu einer Rechtsnachfolge des Übernehmers führt, kommt es damit nicht an.

Der Pflicht zur Versteuerung der erhaltenen Anzahlung steht auch nicht entgegen, dass zwischen der H GmbH und der G AG eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bestanden hätte. Eine Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG voraus, dass eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls an der wirtschaftlichen Eingliederung. Diese zeigt sich in der Regel in der Verflechtung der Geschäftstätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft.

Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen aufeinander abgestimmt sein und sich fördern und ergänzen. Dafür genügt ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang (siehe Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 25.06.1998 - V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534; Urteil vom 03.04.2003 - V R 63/01, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2004, 434; Urteil vom 29.10.2008 -XI R 74/07 BStBl. II 2009, 256). Nach den in der mündlichen Verhandlung getroffenen Feststellungen ist schon zweifelhaft, ob eine solche Verflechtung vor dem Abschluss des Geschäftsanteilskaufvertrags überhaupt bestanden hat.

Denn nach dem Vortrag der Beigeladenen zu 2 bestanden bereits zwei Jahre zuvor keine geschäftlichen Aktivitäten mehr zwischen der H GmbH und der G AG. Dies hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert bestritten.

Selbst wenn man zugusten der Klägerin aber davon ausgehen wollte, dass vor dem Abschluss des Geschäftsanteilskaufvertrags eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bestanden hat, so endete diese spätestens mit dem Abschluss dieses Vertrages. Denn ab diesem Zeitpunkt stand fest, dass die H GmbH und die G AG nicht mehr zusammenarbeiten würden, so dass damit jedenfalls die wirtschaftliche Eingliederung entfiel. Zu diesem Zeitpunkt war der Restbetrag der ursprünglich von der Beigeladenen zu 2 an die G AG geleisteten Anzahlung noch nicht auf die H GmbH übergegangen. Dieser Restbetrag befand sich auf dem dafür eingerichteten Treuhandkonto. Nach Ziffer 3.1 des Geschäftsanteilskaufvertrags sollten sämtliche Ansprüche aus dem Treuhandverhältnis unter der aufschiebenden Bedingung des Eingangs des vollständigen Kaufpreises auf dem Auszahlungskonto von der G AG auf die H GmbH übergehen. Da der Kaufpreis erst einige Zeit nach dem Abschluss des Geschäftsanteilskaufvertrags einging, zu diesem Zeitpunkt die (unterstellte) Organschaft aber nicht mehr bestand, musste die H GmbH bzw. die Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin die übergehende Anzahlung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG versteuern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Klägerin waren nach § 139 Abs. 4 FGO aus Gründen der Billigkeit auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 aufzuerlegen, weil diese das Verfahren insbesondere durch ihren Schriftsatz vom 16.06.2009 erheblich gefördert hat.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 115 FGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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