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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 30.10.2007
Aktenzeichen: 6 K 2335/03
Rechtsgebiete: EStG, HGB


Vorschriften:

EStG § 5 Abs. 1 S. 1
HGB § 255 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

6 K 2335/03

Gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung 1999

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 6. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30. Oktober 2007

durch

den Richter am Finanzgericht ... als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob Aufwendungen der Klägerin für den Ausbau einer Straße im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks in G... (Land Brandenburg) zum Zweck des Betriebs eines K... werks als sofort abziehbare Betriebsausgaben zu behandeln sind oder nicht.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine Kommanditgesellschaft, welche mit notariellem Vertrag vom 6. März 1991 als Fa. K... GmbH & Co. KG gegründet und im Rahmen einer Gesellschaftsänderung vom 29. Oktober 1991 umfirmiert wurde. Die Klägerin gehört zum Konzern des H... C... in D... . Gesellschafter waren im Streitjahr 1999 die Beigeladene zu 1. und die Fa. H... Verwaltungs GmbH als Komplementärinnen sowie E... C... , die Fa. K... GmbH & Co. KG sowie R... C... als Kommanditisten. Unternehmensgegenstand war die Herstellung und der Vertrieb von Baustoffen, insbesondere die Produktion von Kalksandsteinen sowie die Förderung von Baustoffen. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowohl aus der Produktion und dem Vertrieb der Kalksandsteine als auch aus der Beteiligung an der Fa. P... GmbH & Co. KG. Mit notariellem Vertrag vom 20. Juni 1991 erwarb die Klägerin von der T... , B... , ein Grundstück in G... , um dort ein K... werk zu errichten. Das Gelände hatte in früheren Zeiten den H...-Werken und ab dem Jahr 1975 der N... zu militärischen Zwecken gedient.

Am 14. Dezember 1994 schlossen die Fa. W... gesellschaft O... mbH aus H... , die Fa. K... & Sohn OHG aus G... sowie die Klägerin einen "Vertrag über die Sicherung der öffentlichen Befahrbarkeit der Haupterschließungsstraße zum Industriegebiet westlich der V... Straße, die Herstellung der notwendigen Erschließungsanlagen auf dem Flurstück 1... der Flur ... der Gemarkung G... .... und die Übertragung der endgültig hergestellten Haupterschließungsstraße an die Gemeinde G... " mit folgendem Inhalt:

"§ 1 Beabsichtigte Vorhaben der Beteiligten

Die K... & Sohn OHG beabsichtigt, auf der Grundlage des Vorhaben- und Erschließungsplanes Nr. 1 in dem westlichen Teil des Industriegebietes auf dem Flurstück 2... der Flur ... der Gemarkung G... ... ein Transportbetonwerk und einen Baustoffrecyclingbetrieb zu errichten.

Die W... gesellschaft O... mbH beabsichtigt, auf der Grundlage eines Bebauungsplanes auf dem Flurstück 1... der Flur ... der Gemarkung G... ... ein Gewerbegebiet zu entwickeln.

Die B... GmbH & Co. KG hat auf dem nördlich des Flurstücks 1... gelegenen Flurstück 3... der Flur ... der Gemarkung G... ein K... werk errichtet und die Produktion von Kalksandsteinen aufgenommen.

Für vorbezeichneten Grundbesitz Flurstücke 2... und 1... steht derzeit noch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen: T... , B... .

§ 2 Fertigstellung der Haupterschließungsstraße

Die W... gesellschaft O... mbH hat mit Kaufvertrag vom 28.04.1994 das Flurstück 1... der Flur ... der Gemarkung G... von der T... käuflich erworben: Dieser Kaufvertrag wird derzeit grundbuchlich durchgeführt. ...

Über den nördlichen Teil dieses Flurstücks verläuft bereits die zukünftige Haupterschließungsstraße des Industrie- und Gewerbegebietes, die noch fertiggestellt und an die L... angeschlossen werden muss.

Die bereits vorhandene, noch endgültig fertigzustellende Straße wurde von der K... & Sohn OHG und der B... GmbH & Co. KG auf eigene Kosten errichtet. Die W... gesellschaft O... mbH verpflichtet sich, die Planung einschließlich der weiteren Ausführung der oben bezeichneten Haupterschließungsstraße vorzunehmen sowie den Anschluss der Haupterschließungsstraße an die L... der Gemeinde G... ausführen zu lassen und für diese Leistungen zunächst die Kosten zu tragen.

§ 3 Künftige Gesamtgestaltung

Den Beteiligten dieses Vertrages ist bekannt, dass die Haupterschließungsstraße und die zugehörige Grundstückfläche nach endgültiger Fertigstellung und Herstellung der Anbindung an die L... der Gemeinde G... zu Eigentum übertragen wird. Danach soll durch die Gemeinde eine Umwidmung für den öffentlichen Verkehr erfolgen.

§ 4 Kosten der Haupterschließungsstraße

Die bisher angefallenen und künftigen Kosten für die Planung und Herstellung der Haupterschließungsstraße sowie die Anbindung an die L... werden von der W.. gesellschaft O... mbH, der B... GmbH & Co. KG und der K... & Sohn OHG zu je einem Drittel getragen. ....

§ 5 Bestellung von Grunddienstbarkeiten

......

Der Verlauf der Haupterschließungsstraße ergibt sich aus der beigefügten Karte, auf welcher die Haupterschließungsstraße grün umrandet eingezeichnet ist.

......"

Dem in § 2 Absatz 3 des o. g. Vertrages angesprochenen Straßenbauvorhaben liegt ein "Bauvertrag" vom 15. September 1993 zugrunde, der zwischen der Klägerin und der Fa. K... & Sohn OHG aus G... auf der einen Seite (= Auftraggeber) und der AT... GmbH aus K... auf der anderen Seite (= Auftragnehmerin) geschlossen wurde. Gegenstand des Bauvertrags mit einer Auftragssumme in Höhe von 233 930 DM zuzüglich Umsatzsteuer war das "Bauvorhaben Zufahrtstraße zum Gewerbegebiet G...", vertraglich vereinbarter Baubeginn war der 17. September 1993 (vgl. Tz. 4.1 des Bauvertrags).

Am 10. Dezember 2006 sandte die Fa. W... gesellschaft O... GmbH der Klägerin eine "Endabrechnung Haupterschließungsstraße Gewerbegebiet "A... " in G..." mit folgendem Inhalt zu:

"... die von uns durchgeführten Straßenbaumaßnahmen an der Haupterschließungsstraße des o. g. Gewerbegebiets sind beendet. Daher berechnen wir Ihnen entsprechend Vertrag UR-Nr. .../1994 vom ... die angefallenen Baukosten wie folgt:

Abrechnung Haupterschließungsstraße

Planung 23 407,99 DM

Rad-/Gehweg, Auffangbecken, Fertigstellung, Decke

Grünordnung Fa. Br... 450 000,00 DM Straßenbeleuchtung E ... 22 364,00 DM 495 771,99 DM

Von Ihnen und der Fa. K... Sand & Kies GmbH verauslagte Kosten lt. Rechnung vom 30.11.1994 525 597,00 DM

1 021 368,99 DM Wir berechnen Ihnen ein Drittel der angefallenen Kosten: 340 456,33 DM ........."

Die Klägerin aktivierte ihre Aufwendungen im vorliegenden Zusammenhang als Bilanzposten "Straße" und machte entsprechende jährliche Absetzungen für Abnutzungen (AfA) sowie Sonder- AfA geltend (vgl. Tz. 19 des BP-Berichts des FA für Betriebsprüfung der Land- und Forstwirtschaft M... vom ... betr. die Jahre 1993 bis 1995. Der Bilanzposten "Straße" betrug nach den Änderungen durch die Betriebsprüfung per 31. Dezember 1995 103 807,-DM (einschl. 1,-DM Erinnerungsposten): StB PB Zugang 6/94 262 798,50 262 798,50 ./. Sonder-AfA 131 399,-131 399, ./. AfA (6 Mon.) (10 v. H.) 13 139,50 (7 v. H.) 9 197,50 31.12.94 118 260,122 202,./. AfA 26 280,18 396,31.12.95 91 980,103 806,

In der Folgezeit entwickelte sich der Bilanzposten "Straße" in den Bilanzen der Klägerin wie folgt: Zugang (Abrechn. v. 10.12.96) 77 657,83 DM Abgang 40 000,00 DM ./. AfA 26 927,83 DM ./. Sonder-AfA 38 829,00 DM 31.12.1996 63 882,00 DM Angleichung an BP 19 710,00 DM ./. AfA 23 362,00 DM 31.12.1997 60 230,00 DM ./. AfA 23 362,00 DM 31.12.1998 36 868,00 DM ./. AfA 9 237,00 DM 31.12.1999 27 631,00 DM

Der Beklagte stellte die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr 1999 erklärungsgemäß mit Einkünftefeststellungsbescheid vom 22. November 2000 auf ./. 593 952,00 DM fest. Der Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

In der Zeit ab dem 10. Juli 2001 führte das Finanzamt für Betriebsprüfung der Land- und Forstwirtschaft M... im Auftrag des Beklagten bei der Klägerin eine Betriebsprüfung betr. die Jahre 1996 bis 1999 durch. Im entsprechenden Prüfbericht vom ... 2002 heißt es zum hiesigen Thema unter Tz. 12:

" Haupterschließungsstraße

Die B... wurden 1992 auf einem bis dahin militärisch genutzten Gelände errichtet. Die frühere Zuwegung an eine weiter nördlich gelegene Straße existiert nicht mehr. Stattdessen wurde das neu zu errichtende Gewerbegebiet an die V... Straße angeschlossen, indem eine Stichstraße erstellt wurde, die sog. "Haupterschließungsstraße".

Die Kosten teilen sich die W... gesellschaft O..., die Firma K..., und die B...fa. Eigentümerin der Straße wurde die Gemeinde G... .

Bis zur Erstellung der Stichstraße gab es an dieser Stelle - nach Aussage der zuständigen Behörden - zu keiner Zeit eine andere Straße.

Die von der "W... gesellschaft O... GmbH" in Rechnung gestellten Herstellungskosten sind daher als Grund und Boden zu aktivieren (Hinweis auf Rechtsprechung).

Bisher sind die Kosten als "Straße" aktiviert und abgeschrieben worden. Soweit AfA in der Vorzeit (bis 1995) erfolgte, soll es dabei verbleiben.

Da sich die Abschreibung infolge Anpassung an die VorBP und Sonderabschreibungen kompliziert gestaltet, soll 1999 der Wert des Grund und Boden um die Beträge erhöht werden, die sich im Pz. gewinnmindernd ausgewirkt haben. Die Abschreibung des restlichen Buchwertes (27 630,-DM) kann dann wie vorgesehen, d.h. unverändert, erfolgen:

DM

Bisherige Abschreibung im Pz. 142 000 durch B...fa geminderter Veräußerungsgewinn Verkauf Gr. U. Bo. an P...werk 40 000 Rchg. Wfo G... (als Aufwand gebucht) 33 000 Rchg. Wfo H... (als Aufwand gebucht) 10 000 Insgesamt 225 000"

Mit Bescheid vom 29. Juli 2002 änderte der Beklagte den Einkünftefeststellungsbescheid vom 22. November 2000 entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung (Einkünfte aus Gewerbebetrieb: ./. 475 124,00 DM). Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin, mit dem sie die steuerliche Anerkennung des Bilanzpostens "Straße" als Aufwendungen für die Verbreiterung einer bereits früher am gleichen Ort vorhandenen Straße begehrt, blieb erfolglos und wurde vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 26. August 2003 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass Aufwendungen zur Durchführung erstmaliger Straßenerschließungsmaßnahmen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - den Anschaffungskosten des Grund und Bodens zuzurechnen seien, da sie dazu dienten, das Grundstück baureif zu machen und es damit im Sinne von § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches - HGB - in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen (Hinweis auf Urteile vom 14. März 1989 IX R 138/88, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1989, 633 undvom 2. Mai 1990 VIII R 198/85, Bundessteuerblatt - BStBl -II 1991, 448).

Grundstücksbezogene Beiträge zur erstmaligen Errichtung von Straßenerschließungsanlagen seien nachträgliche Anschaffungskosten des Grund und Bodens, wenn durch die Baumaßnahmen, für die die Beiträge geleistet worden seien, eine Werterhöhung des Grund und Bodens eintrete, die unabhängig von der Bebauung des Grundstücks und dem Bestand eines auf dem Grundstück errichteten Gebäudes sei, und die Beiträge in einem Sachbezug zum Grundstück stünden (Hinweis auf BFH-Urteil vom 12. Januar 1995 IV R 3/93, BStBl II 1995,632). Die Grundstücksbezogenheit der Beiträge ergebe sich daraus, dass die Beitragspflicht den Grundstückseigentümer unabhängig von einer bestimmten Art der Grundstücksnutzung treffe (§ 134 Abs. 1 BauGB); die bleibende Werterhöhung werde mit der Erwägung bejaht, dass Beiträge zur Errichtung erstmaliger Erschließungsanlagen der allgemeinen Erweiterung der Nutzbarkeit (insbesondere der Bebaubarmachung) des Grund und Bodens dienen und damit dem Grundstück ein besonderes, über den bisherigen Zustand hinausgehendes Gepräge gäben. Auch Aufwendungen für die erstmalige Herstellung einer weiteren Erschließungsanlage seien daher den nachträglichen Anschaffungskosten des Grund und Bodens zuzurechnen (Hinweis auf BFH-Urteil in BStBl II 1995, 632). Nach Aussage des Bauamtes O...-Land und des damaligen Bürgermeisters von G.... , habe es bis zur Erstellung der Stichstraße im Rahmen der streitgegenständlichen Investitionen an dieser Stelle zu keiner Zeit eine andere Straße gegeben. Die Zufahrt zu dem betreffenden Gelände sei vorher über eine - von der neuen Erschließungsstraße - weit entfernten Straße erfolgt, die in etwa parallel zur Bahnlinie verlaufen sei. In der Umgebung der neuen Erschließungsstraße - etwa 50 Meter entfernt - gebe es lediglich einen Sandweg zu einer Badeanstalt (= Verbindung zwischen V... Straße und B... Weg). Diese Aussagen könnten ebenfalls von seiner Bewertungsstelle bestätigt werden.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass bereits vor Errichtung der Haupterschließungsstraße ein bereits erschlossenes Betriebsgrundstück vorhanden gewesen sei, so dass keine Veränderungen in Funktion und Wesen dieses Grundstücks eingetreten seien (Hinweis auf BFH-Urteile vom 26. Februar 1980 VIII R 80/77, BStBl II 1980, 687 und vom 2. Mai 1990 VIII R 198/85, BStBl II 1991, 448). Dieser Sachverhalt werde auch durch den Plan als Anlage zum Bauvertrag vom ... 1993 belegt, in dem neben der damals geplanten Straßenerweiterung die bereits "vorhandene Zufahrt" eingezeichnet sei. Die umfangreichen Zulieferungen von Anlagegütern für die im Jahr 1991 begonnene Errichtung des K...- und M...werkes hätte sich ohne Erschließung des Geländes und eine entsprechende Zufahrt nicht verwirklichen lassen.

Nach Fertigstellung des Werkes und Produktionsaufnahme hätten die Produkte in gleicher Weise ausgeliefert und die Rohstoffe angeliefert werden müssen. Diese Transportfahrten seien in den Jahren 1993 bis einschließlich 1996, also bereits vor der Verbreiterung der vorhandenen Straße im Rahmen der streitgegenständlichen Investitionen, durchgeführt worden. Bei den Kalksandsteinen könne ein Lastzug mit rund 7 000 NF (= Normalformat) Steinen beladen werden. Für die in dem Zeitraum bis Ende 1996 verkauften Mengen hätten daher mindestens folgende Lastzüge für die Auslieferungen eingesetzt werden müssen:

 VerkaufsmengeTsdNFAnzahlLastzüge
1993297244246
1994541897740
1995605528650
1996680439720

Hinzu kämen die Mörtellieferungstransporte sowie die Nutzung der vorhandenen Straße durch die Fa. K... & Sohn OHG, deren Betriebsgelände unstreitig im Anschluss der streitgegenständlichen Haupterschließungsstraße belegen ist. Die Existenz der Straße in ihrem ursprünglichen Zustand werde auch durch Fotos (Bl. 45 und 95/96 der Gerichtsakte) sowie den Lageplan des Vermessungsbüros B... (Bl. 46 der Gerichtsakte) belegt.

Die Rechtsansicht des Beklagten lasse jeden Bezug zu der Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Behandlung grundstücksbezogener Aufwendungen im Falle bereits voll erschlossener Betriebsgrundstücke vermissen.

Die Klägerin beantragt,

den früheren Bürgermeister der Gemeinde G... , Herrn S...., Frau B... (Bewertungsstelle des Beklagten) und Herrn G... (Betriebsleiter der Klägerin) zu der Frage zu vernehmen, ob im Zeitpunkt der Vornahme der streitgegenständlichen Investitionen durch sie auf dem streitgegenständlichen Grundstück in G... bereits eine Straße vorhanden gewesen ist oder nicht, hilfsweise, die Einkünftefeststellung 1999 unter Änderung des Bescheids vom 29. Juli 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. September 2003 dahin gehend vorzunehmen, dass ein Betrag in Höhe von ./. 700 124 DM als Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt wird, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Vernehmung von Herrn S... und Frau B... zu dem o. g. Beweisthema (siehe Anträge der Klägerin).

Er verweist zunächst auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 26. August 2003. Herr H... von der Straßenmeisterei N... habe ebenfalls ausgesagt, dass die Zufahrtsstraße erst in den Jahren 1994 bis 1997 errichtet worden sei und sich dort vorher nur ein Sandweg befunden habe. Auf den von der Klägerin eingereichten Fotos seien keine Datumsangaben vorhanden. Die auf dem eingereichten Lageplan verzeichnete Zufahrt sei lediglich durch Strichellinien gekennzeichnet und könne sowohl als Sandweg oder als erst noch zu bauende Zufahrt zu interpretieren sein. Er vermute überdies, dass die Haupterschließungsstraße bereits im Jahr 1996 an die Gemeinde G... übergeben worden sei. Sollte die Straße tatsächlich auf die Gemeinde übergegangen sein, würden sich andere steuerliche Konsequenzen als bisher von den Beteiligten erörtert ergeben. Dem erkennenden Gericht haben bei seiner Entscheidung 7 Bände Steuer-und Betriebsprüferhandakten und ein Hefter Rechtsbehelfsvorgang des Beklagten (StNr.: .../.../...) vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der geänderte Einkünftefeststellungsbescheid vom 29. Juli 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. August 2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Beklagte hat die von der Klägerin in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung 1999 vorgenommene Gewinnminderungen im Zusammenhang mit dem Bilanzposten "Straße" (vgl. Tz. 12 des Bp-Berichts vom 30. April 2002) zu Recht im Rahmen des Änderungsbescheids vom 29. Juli 2002 rückgängig gemacht. Die in diesem Bilanzposten zusammengefassten Aufwendungen der Klägerin von ursprünglich 262 798,50 DM (= hälftige Kosten laut Rechnung der AT... ... GmbH vom 30. November 1994) zuzüglich 77 657,83 DM (= anteilige Kosten laut Schlussabrechnung der Fa. W... gesellschaft O... mbH betr. die "Straßenbaumaßnahmen Haupterschließungsstraße Gewerbegebiet Am K... werk in G... vom 10. Dezember 1996) stellen nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts nachträgliche Anschaffungskosten des Grund und Bodens dar und sind daher nicht abschreibungsfähig.

a.) Zu den Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB gehören nach ständiger BFH-Rechtsprechung nicht nur die dem Veräußerer geschuldete Gegenleistung, sondern auch sonstige Aufwendungen, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anschaffung stehen, insbesondere zwangsläufig im Gefolge der Anschaffung anfallen und zu einer Erhöhung des Wertes des Wirtschaftguts führen (vgl. dazu nur BFH-Urteil in BStBl II 1995, 632 m.w.N.).

Als nachträgliche Anschaffungskosten von Grund und Boden hat die Rechtsprechung des BFH auch grundstücksbezogene Beiträge zur Errichtung erstmaliger Erschließungsanlagen angesehen. Voraussetzung für die Annahme nachträglicher Anschaffungskosten in diesem Sinne ist, dass durch die Baumaßnahmen, für die die Beiträge geleistet worden sind, eine Werterhöhung des Grund und Bodens eintritt, die unabhängig von der Bebauung des Grundstücks und dem Bestand eines auf dem Grundstück errichteten Gebäudes ist, und ferner, dass die Beiträge in einem Sachbezug zum Grundstück stehen. Die Grundstücksbezogenheit der Beiträge ergibt sich daraus, dass die Beitragspflicht den Grundstückseigentümer oder den Erbbauberechtigten unabhängig von einer bestimmten Grundstücksnutzung trifft (§ 134 Abs. 1 BauGB); die bleibende Werterhöhung wird mit der Erwägung bejaht, dass Beiträge zur Errichtung erstmaliger Erschließungsanlagen der allgemeinen Erweiterung der Nutzbarkeit (insbesondere der Bebaubarmachung) des Grund und Bodens dienen und damit dem Grundstück ein besonderes, über den bisherigen Zustand hinausgehendes Gepräge geben. Werden hingegen vorhandene Erschließungsanlagen ersetzt oder modernisiert, so führen Erschließungsbeiträge nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten, es sei denn, das Grundstück wird durch die Maßnahme in seiner Substanz oder in seinem Wesen verändert; Beiträge für ersetzende oder modernisierende Maßnahmen sind deshalb - ungeachtet einer etwaigen Werterhöhung des Grundstücks - nur dann zu aktivieren, wenn die grundstücksbezogenen Kriterien, die den Charakter eines Grundstücks bestimmen (insbesondere Lage, Erschließung und Grad der Bebaubarkeit) berührt werden. Auch ein Beitrag für eine erstmalige Herstellung einer weiteren Erschließungsanlage kann den nachträglichen Anschaffungskosten des Grund und Bodens zuzurechnen sein. Da nicht eine vorhandene Erschließungsanlage ersetzt oder modernisiert wird, ist für die Aktivierung eine Werterhöhung des Grundstücks entscheidend. Ob durch eine Zweiterschließung eine solche Werterhöhung bewirkt wird, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. zum ganzen Vorstehenden allgemein nur BFH-Urteile vom 18. September 1964 VI 100/63 S, BStBl III 1965, 85, vom 12. Januar 1995 IV R 3/93, a.a.O., undvom 3. Juli 1997 III R 114/95, BStBl II 1997, 811 m.w.N.; Ellrott/Brendt, in: Ellroth, u.a., Beck'scher Bilanzkommentar, 6. Aufl., § 255 Rz. 111 m.w.N.).

Die vorstehenden Rechtsprechungsgrundsätze gelten sowohl für Beiträge zur Finanzierung öffentlicher Erschließungsanlagen als auch für Aufwendungen für die Durchführung einer privaten Erschließungsmaßnahme, z.B. der Anlage einer Privatstraße (vgl. dazu rkr. Urteil des Nidersächsischen FG vom 21. November 1989 I 321/88, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1990, 297; Spindler, Der Betrieb - DB - 1996, 444).

b.) Nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts stellen sowohl die finanziellen Beiträge der Klägerin im Zusammenhang mit dem Abschluss des Bauvertrages vom 15. September 1993 als auch ihre Kosten im Zusammenhang mit dem Vertrag vom 14. Dezember 1994 Aufwendungen für die erstmalige Herstellung einer Erschließungsstraße für das Gewerbegebiet "A... " in G... im Sinne der o. g. finanzgerichtlichen Rechtsprechung dar.

aa.) Hinsichtlich der von der BP im Rahmen der Gewinnermittlung für das Streitjahr 1999 stornierten, anteiligen Gewinnminderungen, soweit sie auf die noch nicht abgeschriebenen Kosten in Höhe von 262 798,50 DM im Zusammenhang mit dem Bauvertrag vom 15. September 1993 entfallen, geht die Klägerin bei ihrem Sachvortrag selbst davon aus, dass vor Durchführung des "Bauvorhabens Zufahrtstraße zum Gewerbegebiet G... " aufgrund des Bauvertrags vom 15. September 1993 im Herbst 1993 am fraglichen Ort keine Vorgänger-Straße vorhanden gewesen ist, über die die von ihr behauptete tatsächliche Nutzung in Form von rund 30 000 Lkw-Fahrten in den Jahren 1993 bis einschließlich 1996 hätte durchgeführt werden können. Damit räumt sie selbst ein, dass es sich insoweit um Aufwendungen für die erstmalige Herstellung einer Erschließungsstraße handelt. Einer Durchführung der von ihr beantragten Zeugenvernehmung durch das Gericht bedarf es daher nicht. bb.) Aber auch bei den Ende 1996 angefallenen weiteren Kosten in Höhe von 77 657,83 DM aufgrund des Vertrags vom 14. Dezember 1994 handelt es sich nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts um Aufwendungen für die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage im Sinne der o. g. BFH-Rechtsprechung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beteiligten des Vertrages vom 14. Dezember 1994 die in den Jahren 1993 und 1994 geschaffene Zufahrt zum Gewerbegebiet als ein Provisorium angesehen haben oder nicht (vgl. dazu BFH-Urteil vom 19. Dezember 1995 IX 5/95, BStBl II 1996, 134). Entscheidend ist nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts in Übereinstimmung mit der ständigen BFH-Rechtsprechung, dass sich die Zufahrtsstraße in ihrem endgültigen Ausbauzustand ab Ende 1996 wesentlich vom Ausbauzustand Ende 1994 unterscheidet und sich damit auch die Nutzbarkeit des von der Klägerin erworbenen Betriebsgrundstücks verändert hat (vgl. dazu allgemein BFH in BStBl II 1996, 134 unter 2. b): Es wurden in den Ausbau der Zufahrtsstraße noch einmal fast 500 000 DM und damit fast ebensoviel Geld investiert wie im ersten Ausbauabschnitt (damals rund 526 000 DM). Es wurden laut Abrechnung vom 10. Dezember 1996 ein (vorher nicht vorhandener) Rad- und Gehweg, ein Auffangbecken, eine Begrünung und die Straßenbeleuchtung hergestellt, die Zufahrtsstraße wurde mit einer festen Teerdecke ausgestattet und durch eine Straßenerweiterung hinsichtlich der Fahrbahnbreite mehr als doppelt so breit wie bisher angelegt (vgl. eingezeichnete "geplante Straßenerweiterung" im Verhältnis zur "vorhandenen Zufahrt" in der Anlage zum Vertrag vom 14. Dezember 1994). Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von dem vom BFH in BStBl II 1996, 134 entschiedenen Fall, in dem durch die streitgegenständlichen Investitionen lediglich marginale Änderungen an der Beschaffenheit der bereits vorhandenen und in ihren äußeren Umrissen völlig unverändert gebliebenen Straße bewirkt worden sind. Der vorliegende Fall ist hinsichtlich der weiteren Kosten aufgrund des Vertrages vom 14. Dezember 1994 am ehesten mit dem Fall der erstmaligen Herstellung einer weiteren Erschließungsanlage vergleichbar, bei dem die betreffenden Investitionskosten nach der o. g. ständigen BFH-Rechtsprechung ebenfalls den nachträglichen Anschaffungskosten des Grund und Bodens zuzurechnen sind. Da die dieser Sachverhaltswürdigung seitens des Gerichts zugrunde liegenden Tatsachen (insbesondere Verdoppelung der Fahrbahnbreite, erstmalige Herstellung eines Rad-und Gehweges, eines Auffangbeckens, einer Begrünung und einer Straßenbeleuchtung) zwischen den Prozessbeteiligten unstreitig sind, bedarf es auch insoweit nicht einer Durchführung der von der Klägerin beantragten Zeugenvernehmung. Auch das Gericht geht nämlich davon aus, dass vor Beginn des 2. Bauabschnitts (ab Ende 1994) an Ort und Stelle aufgrund der in den Jahren 1993 und 1994 durchgeführten Tiefbaumaßmahmen bereits eine Straße vorhanden gewesen ist, die sich aber von ihrer Beschaffenheit her von der endgültig ausgebauten Strasse (nach Abschluss des 2. Ausbauabschnitts) grundlegend unterschieden hat.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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