Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 17.06.2008
Aktenzeichen: 6 V 6027/08
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO 1977 § 193 Abs. 2 Nr. 2
AO 1977 § 195 S. 2
AO 1977 § 347
AO 1977 § 367 Abs. 3 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

6 V 6027/08

Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) -

Prüfungsanordnung vom 13.11.2007 für Einkommensteuer 2001 bis 2003

In dem Verfahren

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 6. Senat -

am 17. Juni 2008

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ..... ,

den Richter am Finanzgericht ..... und

den Richter am Finanzgericht .....

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Frage der Rechtmäßigkeit einer an den Antragsteller gerichteten Außenprüfungsanordnung betreffend Einkommensteuer 2001 bis 2003.

Der Antragsteller ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Fa. B... GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG), die zur sog. B...-Unternehmensgruppe gehört. Außerdem ist er an anderen Unternehmen als Gesellschafter beteiligt.

Der Antragsteller ist wohnhaft in B..., H...str. . Der Sitz der KG befindet sich in N.... Die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der KG erfolgt durch den Antragsgegner.

Mit Bescheid vom 12. April 2005 ordnete der Antragsgegner die Durchführung einer Außenprüfung bei der KG betreffend die gesonderte und einheitliche Einkünftefeststellung, Gewerbe- und Umsatzsteuer 2000 bis 2003 an.

Mit Schreiben vom 29. März 2006 beauftragte das Finanzamt N... den Antragsgegner gemäß § 195 Satz 2 der Abgabenordnung - AO 1977 - mit der Durchführung einer Außenprüfung beim Antragsgegner persönlich wegen Einkommensteuer 2000 bis 2003. Gleichzeitig übertrug es dem Antragsgegner die Befugnis zum Erlass einer entsprechenden Prüfungsanordnung (§ 5 Abs. 1 Satz 2 der Betriebsprüfungs-Ordnung - BpO -).

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2006 ordnete der Antragsgegner daraufhin die Durchführung einer Außenprüfung beim Antragsteller betreffend Einkommensteuer 2001 bis 2003 an. Zur Begründung führte er aus, die Prüfung des umfangreichen Auslandsvermögens und die Trennung zwischen Privat- und Sonderbetriebsvermögen seien an Amtsstelle nicht zweckmäßig. Nachdem der Antragsteller hiergegen Einspruch eingelegt hatte, leitete der Antragsgegner den Einspruchsvorgang mit Schreiben vom 6. März 2007 an das Finanzamt N... mit der Begründung weiter, dass jene Behörde über den Einspruch zu entscheiden habe (Hinweis auf rkr. Urteil des FG München vom 30. November 2004 2 K 1749/01, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2005, 579). Das Finanzamt N... hob die angefochtene Außenprüfungsanordnung mit Bescheid vom 17. September 2007 wieder auf.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2007 des Finanzamtes W... wurde der Antragsteller darüber unterrichtet, dass die örtliche Zuständigkeit für seine Veranlagung zur Einkommen-, Umsatz- und Kirchensteuer ab sofort nicht mehr beim Finanzamt N..., sondern bei ihm liege. Mit weiterem Schreiben vom 2. November 2007 erteilte nunmehr das Finanzamt W... dem Antragsgegner einen mit dem vorangegangenen Prüfungsauftrag des Finanzamtes N... inhaltlich identischen Prüfungsauftrag. Zur Begründung wurde angegeben: "Die Beauftragung erfolgt, weil der Steuerpflichtige Gesellschafter und Mitglied der Überwachungsorgane an Firmen im Konzernverbund "B... GmbH & Co. KG" ist. Es ist daher zweckmäßig, die Prüfung im Rahmen der Konzernprüfung durchzuführen."

Mit Bescheid vom 13. November 2007 ordnete der Antragsgegner unter Berufung auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 erneut die Durchführung einer Außenprüfung beim Antragsteller an, diesmal jedoch für die Einkommensteuer 2001 bis 2003. Als Begründung führte er dieselben Gründe an wie in seiner Prüfungsanordnung vom 16. Oktober 2006. Hiergegen legte der Antragsteller abermals Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, welche vom Antragsgegner mit Bescheid vom 12. Dezember 2007 abgelehnt wurde.

Im Rahmen seines gerichtlichen Antrags auf Aussetzung der Vollziehung macht der durch Angehörige der steuerberatenden Berufe vertretene Antragsteller im Wesentlichen geltend, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung vom 13. November 2007 bestünden. Zum einen sei das Finanzamt W... für die Prüfungsauftragsvergabe gar nicht örtlich zuständig gewesen, was zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung führe. Im Streitfall sei nur das Finanzamt N... hierfür örtlich zuständig, weil die B...- Unternehmensgruppe ihren Sitz in N... habe und der Antragsteller im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Betätigung dieser Unternehmensgruppe Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe und auch noch weiterhin erziele (Hinweis auf § 19 Abs. 3 Satz 1 AO 1977).

Die streitgegenständliche Prüfungsanordnung sei zudem ermessenswidrig, weil sie gegen die in § 180 Abs. 1 AO 1977 angeordnete Trennung der Ebene der gesonderten und einheitlichen Einkünftefeststellung einerseits und der Ebene der einkommensteuerpflichtigen Steuersubjekte andererseits durch Bündelung der beiden Außenprüfungen in der Person des Antragsgegners verstoße (Hinweis auf Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 195 Rz. 12).

Schließlich sei die Prüfungsanordnung auch deshalb rechtswidrig, weil die Tatbestandsvoraussetzungen des hier allein in Betracht zu ziehenden § 193 Abs. 2 AO 1977 nicht vorlägen. Eine auf § 193 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 gestützte Außenprüfung sei nur in Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen (Hinweis auf Eckhoff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 193 Rz. 149). Seine, des Antragstellers, steuerlichen Verhältnisse seien weder besonders umfangreich noch besonders schwierig. Zwar sei er Gesellschafter von Personengesellschaften, die zum Teil über mehrere Tochtergesellschaften verfügten. Diese hätten jedoch bezüglich der Frage, ob besonders umfangreiche oder besonders schwierige Sachverhalte vorlägen, außer Betracht zu bleiben. Denn die KG bzw. deren Tochtergesellschaften seien selbst Prüfungssubjekt und somit Gegenstand eigenständiger Außenprüfungen. Außer Betracht zu bleiben habe ferner sein Sonderbetriebsvermögen, weil dieses gemäß § 194 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 ebenfalls Gegenstand der Außenprüfungen bei den betreffenden Personengesellschaften sei.

Seine übrig bleibenden Einkünfte aus Kapitalvermögen ergäben sich ausschließlich aus sehr überschaubaren Erträgnisaufstellungen, Steuerbescheinigungen und Depotabrechnungen, deren Übersendung zur detaillierten Prüfung er dem Antragsgegner wiederholt angeboten habe.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung der Prüfungsanordnung vom 13. November 2007 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hält die Verfahrensweise des Finanzamtes W... und die angefochtene Außenprüfungsanordnung in jeder Hinsicht für rechtmäßig.

Mit Schreiben vom 14. Januar 2008 leitete der Antragsgegner einen Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 3. Januar 2008 an das Finanzamt W... zur Klärung der Frage weiter, wer dort der Ansprechpartner für die Abgabe des Verwaltungsvorgangs zur Weiterbearbeitung durch das Finanzamt W... sei.

Dem Gericht hat bei seiner Entscheidung ein Band Außenprüfungsakten betreffend den Antragsteller (StNr. .../.../...) vorgelegen, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.

II.

1. Der Antrag ist unzulässig, da das Finanzamt A... nicht der richtige Antragsgegner ist, sondern das Finanzamt W... .

Nach Auffassung des FG München (rkr. Urteil vom 30. November 2004 2 K 1749/01, EFG 2005, 579, m.w.N.), des FG Düsseldorf (Urteil vom 13. Dezember 2006 13 K 5642/02 AO, EFG 2007, 982, Revisionsverfahren VIII R 41/07 beim Bundesfinanzhof - BFH - anhängig) und der mittlerweile herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl. Eckhoff und Birkenfeld, in: Hübschmann/Hepp /Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 195 Rz. 37 bzw. § 367 AO Rz. 43; Tipke, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 367 AO Rz. 9; Höft, in: Pump/Lohmeyer, AO, § 367 Rz. 12; Pahlke, in: Pahlke/Koenig, AO, § 367 Rz. 63; a. A. Brockmeyer, in: Klein, AO, 9. Aufl., § 367 Rz. 18), der sich der Senat anschließt, hat bei einer Übertragung der Außenprüfungszuständigkeit nach § 195 Satz 2 gemäß § 367 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 das örtlich zuständige Finanzamt über den Einspruch gegen die vom beauftragten Finanzamt erlassene Prüfungsanordnung zu entscheiden. Das ergibt sich aus dem Wesen der Prüfungsanordnung. Der Entschluss der Finanzbehörde, die Außenprüfung nicht selbst durchzuführen, sondern damit nach § 195 Satz 2 AO 1977 und § 5 Abs. 1 Satz 2 BpO ein anderes Finanzamt zu beauftragen, ist eine Ermessensentscheidung (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1987 IV R 77/86, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1988, 322). Das beauftragte Finanzamt ist nur zuständig, zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Erledigung des Auftrags ergriffen werden (z.B. Beginn, Ort, vorzulegende Unterlagen, vgl. FG München, a.a.O.). Allerdings ist das beauftragte Finanzamt auch befugt, dem eingelegten Einspruch gegen die Auftragsprüfungsanordnung abzuhelfen (vgl. § 367 Abs. 3 Satz 2 AO 1977).

Während eines Einspruchsverfahrens im Sinne von § 347 AO 1977 ist für die Entscheidung über die Gewährung oder Ablehnung von Aussetzung der Vollziehung die Finanzbehörde zuständig, die über den Einspruch zu entscheiden hat (vgl. Birkenfeld, a.a.O., § 361 AO Rz. 292). Dies kann mithin eine andere Behörde sein als diejenige Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen und die damit nach der Grundbestimmung des § 361 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 für die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung zuständig wäre. Ein zwischenzeitlich eingetretener Zuständigkeitswechsel (z.B. aufgrund eines Umzugs des Steuerpflichtigen in den örtlichen Zuständigkeitsbereich eines anderen Finanzamtes) führt grundsätzlich auch zu einem Zuständigkeitswechsel im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung (vgl. dazu allgemein Hessisches FG vom 8. Oktober 1996 5 V 2983/96, EFG 1997, 90; Birkenfeld, a.a.O., § 361 AO Rz. 292; Seer, in: Tipke/Kruse, a.a.O., § 361 Rz. 7).

Im Streitfall ist der Antragsgegner ganz offensichtlich nicht bereit, dem Einspruch des Antragstellers gegen die Auftragsprüfungsanordnung vom 13. November 2007 gemäß § 367 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 abzuhelfen. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2007 an den Antragsteller hat er sogar eine Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Steuerverwaltungsakts mangels Vorliegens jeglicher Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit definitiv abgelehnt. Mit dieser von ihm getroffenen Entscheidung ist die Entscheidungskompetenz über den Einspruch gegen die angefochtene Prüfungsanordnung auf das Finanzamt W... als "Auftraggeberin" der streitgegenständlichen Außenprüfung übergegangen, und der Antragsgegner muss den betreffenden Verwaltungsvorgang an jenes abgeben.

Für ein Verfahren auf Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die angefochtene Prüfungsanordnung ist deshalb nach Auffassung des Senats nach Zugang des ablehnenden Schreibens des Antragsgegners vom 12. Dezember 2007 beim Antragsteller nur das Finanzamt W... der zutreffende Antragsgegner.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

Zurück