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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 08.05.2008
Aktenzeichen: 7 B 9161/05 B
Rechtsgebiete: AO, UStG, InsO, StÄndG 2003


Vorschriften:

AO § 34
AO § 69
AO § 166
UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2
UStG § 13
UStG § 13c
UStG § 17
UStG § 17 Abs. 1 S. 2
InsO § 134 Abs. 1
StÄndG 2003 Art. 5 Nr. 14
StÄndG 2003 Art. 25 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

7 B 9161/05 B

Aussetzung der Vollziehung betreffend den Haftungsbescheid vom 21.04.2005

In dem Verfahren

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 7. Senat -

am 8. Mai 2008

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

die Richterin am Finanzgericht ... und

den Richter am Finanzgericht ...

beschlossen:

Tenor:

Die Vollziehung des Haftungsbescheides vom 21.04.2005 wird mit Wirkung vom Fälligkeitstag bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer Entscheidung über den anhängigen Einspruch oder dessen sonstiger Erledigung in Höhe von 173.723,84 EUR ausgesetzt.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller zu 79/100 und dem Antragsgegner zu 21/100 auferlegt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller als früherer Geschäftsführer der DGmbH gemäß § 69 Abgabenordnung -AO- für Umsatzsteuerverbindlichkeiten 2003 der DGmbH haftet.

Die D-GmbH wurde am 08.02.1999 als Vorratsgesellschaft gegründet. Am 28.07.1999 veräußerten die Gründungsgesellschafter ihre Anteile. Am gleichen Tag firmierten die Neugesellschafter die D-GmbH um, bestellten den Antragsteller zum Geschäftsführer und nahmen den operativen Geschäftsbetrieb auf.

Am 29.07.1999 schloss die D-GmbH mit der B einen Factoring-Vertrag, nach dem die B anbot, die Forderungen der D-GmbH gegen ihre Abnehmer unter Übernahme des Risikos für die Zahlungsunfähigkeit der Abnehmer anzukaufen. Der Kaufpreis entsprach dem Nennbetrag der angekauften Forderung abzüglich einer Factoring-Gebühr und eines Diskontbetrags. Letzterer bestand aus Zinsen für die Zeit zwischen der Auszahlung des Kaufpreises durch die B bis zur Begleichung der Forderung durch den Abnehmer oder dem Eintritt des Delkrederefalls (Zahlungsunfähigkeit des Abnehmers). Die Höhe der letztgenannten Gebühren ist nach Aktenlage nicht bekannt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Factoring-Vereinbarung nimmt das Gericht auf Blatt 58 ff. der Streitakte Bezug. In der Praxis wurde der Factoring-Vertrag in der Weise durchgeführt, dass die Kunden der D-GmbH, die bargeldlos zahlten, auf das Konto 1 bei der X-Bank zahlten, dessen Bestand täglich an die B abgeführt wurde, die auch allein für dieses Konto verfügungsberechtigt war. Die Kaufpreiszahlungen der B für die angekauften Forderungen wurden auf das Konto 2 bei der gleichen Bank geleistet, für das die B nicht verfügungsberechtigt war.

Die Jahresabschlüsse der D-GmbH wiesen zum 31.12.2001 und 31.12.2002 Fehlbeträge des Eigenkapitals in Höhe von rund 15.000.000,- DM zum 31.12.2001 und in Höhe von rund 41.000.000,- EUR zum 31.12.2002 aus. Jedenfalls teilweise bestanden die Verbindlichkeiten der D-GmbH gegenüber nahestehenden Gesellschaften, die Rangrücktrittserklärungen abgegeben hatten (vergleiche Blatt 106 ff. Vertragsakte).

Durch Vertrag vom 27.12.2002 wurde die P-AG mit Sitz in M Mehrheitsgesellschafterin der D-GmbH. Vorstand der P-AG war seinerzeit O, der durch Beschluss der Gesellschafterversammlung der D-GmbH vom 01.01.2003 neben dem Antragsteller zum Geschäftsführer der D-GmbH bestellt wurde (Blatt 26 der Haftungsakte). Die P-AG wurde dabei allerdings allein durch den Vorstand O und einen Prokuristen, nicht jedoch durch den Aufsichtsrat, vertreten. Daher erhob die Rechtspflegerin beim Handelsregister Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Bestellung des Geschäftsführers O, denen die D-GmbH durch Rücknahme des Eintragungsantrags wegen Unwirksamkeit des Beschlusses Rechnung trug (Blatt 33 Haftungsakte).

Mitte des Jahres 2003 fanden Verhandlungen zwischen der vom Antragsteller beherrschten A-GmbH und der P-GmbH über den Erwerb der Geschäftsanteile an der D-GmbH durch die A-GmbH statt. In diesem Zuge sollten auch die gegenüber den verbundenen Unternehmen bestehenden Verbindlichkeiten bereinigt werden. Zur Vorbereitung der dahingehenden Vereinbarungen beauftragte die A-GmbH am 22.07.2003 die W-GmbH mit einem Gutachten über die Kapitaldienstfähigkeit der D-GmbH. Im Einzelnen bestand der Auftrag der W-GmbH darin, auf der Basis der vom Antragsteller übergebenen Unterlagen eine Untersuchung vorzunehmen, inwiefern die D-GmbH künftig in der Lage sein werde, Zins und Tilgung auf die Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen zu leisten, wie sie in der bisher nicht geprüften Bilanz zum 31.12.2002 bzw. in der Zwischenbilanz zum 30.06.2003 ausgewiesen würden. Für die Prüfung waren zwei Tage vorgesehen. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Blatt 29 bis 31 der Streitakte Bezug. In der nach Darstellung des Antragstellers der W-GmbH übergebenen Anlage Liquiditätsentwicklung zum Unternehmenskonzept der D-GmbH vom 22.05.2003 sind an Zahlungsausgängen für Mehrwertsteuer zum 30.06. und 31.07.2003 jeweils 0 EUR, zum 31.08.2003 rund 32.000,- EUR, zum 30.09.2003 384.000,- EUR sowie zum 31.10.2003 387.000,- EUR vorgesehen (vergleiche Blatt 39 Streitakte).

Im Ergebnis dieser Prüfung formulierte die W-GmbH unter dem 30.07.2003 eine siebenseitige Stellungnahme, die u.a. mit den Vorbehalten versehen war, dass die zur Verfügung gestellten Planungsrechnungen ausschließlich unter Plausibilitätsgesichtspunkten und hinsichtlich der rechnerischen Richtigkeit geprüft worden seien sowie dass Prüfungshandlungen hinsichtlich Nachweis und Bewertung der in den Planbilanzen ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Schulden von der W-GmbH nicht durchgeführt worden seien. Nach einer in dem Prüfvermerk enthaltenen Aufstellung bestanden zum 30.06.2003 Verbindlichkeiten der D-GmbH gegenüber verbundenen Unternehmen in Höhe von 55.751.000,- EUR. Ferner weist der Prüfvermerk darauf hin, dass die vom Antragsteller vorgelegten Planungsrechnungen unter der Prämisse aufgestellt worden seien, dass die verbundenen Unternehmen zum 01.07.2003, nach Aufrechnung mit Forderungen der D-GmbH gegen verbundene Unternehmen, vollständig auf ihre Forderungen gegen die D-GmbH verzichten. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass bei der Plausibilitätsprüfung der Zwischenbilanz zum 30.06.2003 und der Planungsrechnungen die Planbilanzen und Plangewinn- und Verlustrechnungen nicht mit der Liquiditätsplanung abstimmbar gewesen seien. Unabhängig davon sei aus den Planungsrechnungen ersichtlich, dass die D-GmbH auch im dargestellten Zeitraum bis zum 31.12.2006 nicht in der Lage sein werde, Verbindlichkeiten von Gesellschaftern und Verbindlichkeiten, die zum 30.06.2003 mit einem Rangrücktritt versehen seien, zu bedienen. Daher seien die Forderungen von verbundenen Unternehmen gegenüber der D-GmbH nicht voll werthaltig. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Blatt 32 bis 38 der Streitakte Bezug.

Ebenfalls am 30.07.2003 vereinbarten die bis dahin mit der D-GmbH verbundenen Gläubigerinnen mit der D-GmbH einen Forderungsverzicht gegen Besserungsschein. Wegen der Einzelheiten nimmt das Gericht auf Blatt 121 ff. Streitakte Bezug. Weiterhin rechneten die D-GmbH und die im Übrigen beteiligten Gesellschaften mit Forderungen der D-GmbH gegen diese Gesellschaften auf. Wegen der Einzelheiten nimmt das Gericht auf Blatt 92 ff. Streitakte Bezug.

Ebenfalls am 30.07.2003 veräußerte die P-AG ihre Anteile an der D-GmbH zum Nennwert von 22.500,- EUR zum Kaufpreis von 1,- EUR an die A-GmbH, die bereits über Anteile im Nennwert von 2.250,- EUR verfügte. Die Abtretung wurde am gleichen Tag wirksam.

Am 29.09.2003 wurde die Ehefrau des Antragstellers zur Geschäftsführerin bestellt.

Am 01.11.2003 wurden die Insolvenzverfahren über die Vermögen der ehemals verbundenen Unternehmen eröffnet. Im Verlaufe dieser Verfahren fochten die Insolvenzverwalter die am 30.07.2003 erklärten Forderungsverzichte in Höhe von 16.225.000,- EUR an.

Am 07.11.2003 und 10.12.2004 gingen die Umsatzsteuervoranmeldungen der D-GmbH für das III. und für das IV. Quartal 2003 beim Antragsgegner ein und wiesen eine Zahllast von 32.401,16 EUR bzw. ein Guthaben von 7.138,31 EUR aus. Jedenfalls die Umsatzsteuervoranmeldung III/2003 war wie nahezu alle Voranmeldungen seit Anfang 2001 von der Buchhalterin P unterschrieben. Der Umsatzsteuervoranmeldung IV/2003 stimmte der Antragsgegner zu.

Am 17.12.2003 ordnete der Antragsgegner eine Umsatzsteuersonderprüfung für das III. Quartal 2003 bei der D-GmbH an, die er am 12.03.2004 auf das IV. Quartal 2003 erweiterte. Die Ergebnisse der Umsatzsteuersonderprüfung wurden im Bericht vom 29.03.2004 zusammengefasst. Darin vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die Vorsteuer für das III. Quartal 2003 um 7.723.083,31 EUR zu korrigieren sei, nachdem die GmbH am 30.07.2003 mit mehreren Gläubigerinnen Forderungsverzichtsverträge abgeschlossen habe. Ferner sei davon auszugehen, dass auch für den Zeitraum ab August 2003 die Eingangsrechnungen nicht mehr bezahlt worden seien, so dass auch im Übrigen 2/3 der angemeldeten Vorsteuern des III. Quartals 2003 (= 904.988,50 EUR) sowie die Vorsteuern des IV. Quartals 2003 in Höhe von 1.249.075,41 EUR zu berichtigen seien.

Ausgehend von den Prüfungsfeststellungen ergingen am 30.04.2004 und 26.04.2004 von den Steueranmeldungen abweichende Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen III/2003 und IV/2003, gegen die die D-GmbH am 07.05.2004 Einspruch einlegte.

Bereits am 19.03.2004 hatte die D-GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, woraufhin am 19.03.2004 ein sogenannter schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde.

Am 01.06.2004 wurde das Insolvenzverfahren vom Amtsgericht N eröffnet und dauert bis heute an.

Auf Bitten des vorläufigen Insolvenzverwalters setzte die Prüferin die Umsatzsteuersonderprüfung fort. Dabei stellte die Prüferin fest, dass von den vom Forderungsverzicht umfassten Forderungen nur rund 15.000.000,- EUR mit Vorsteuer belastet seien. Andererseits seien auch durch Aufrechnung vorsteuerbelastete Forderungen der D-GmbH entfallen, so dass auch insoweit eine Korrektur zugunsten der D-GmbH erforderlich sei. So ergebe sich per Saldo eine Steuerkorrektur zu Lasten der D-GmbH von 1.838.956,05 EUR. Außerdem gab es noch einige betragsmäßig geringere Feststellungen, wegen derer auf die Verfügung der Umsatzsteuersonderprüfung vom 24.05.2004 (Umsatzsteuer- Sonderprüfungsakte am Ende) verwiesen wird. Die Prüferin fasste die Ergebnisse ungeachtet der eigentlich zutreffenden zeitlichen Zuordnung im IV. Quartal 2003 zusammen. Dem folgend erging am 08.06.2004 ein geänderter Bescheid über die Umsatzsteuervorauszahlung IV/2003, der in Unkenntnis des soeben eröffneten Insolvenzverfahrens an die D-GmbH bekanntgegeben wurde und eine Steuerfestsetzung von 1.908.832,07 EUR auswies, die in voller Höhe als rückständig ausgewiesen wurde. Auf entsprechenden Hinweis des Insolvenzverwalters hob der Antragsgegner diesen Bescheid am 12.01.2005 wieder auf und übersandte eine gleichlautende Steuerberechnung. Am 22.06.2004 übersandte er ferner eine Steuerberechnung für das III. Quartal 2003, wonach die Umsatzsteuer III/2003 wie angemeldet ermittelt wurde.

Da der Insolvenzverwalter in seinem Insolvenzgutachten mitgeteilt hatte, dass die D-GmbH im Jahre 2003 Umsätze in Höhe von 33.867.000,- EUR erzielt habe, schätzte der Antragsgegner für Zwecke einer Jahresveranlagung, dass die D-GmbH Umsätze in Höhe von 33.900.000,- EUR erzielt habe und ermittelte davon ausgehend unter Ansatz der im Umsatzsteuervorauszahlungsverfahren angesetzten Vorsteuern eine Jahresumsatzsteuer von 2.240.145,81 EUR, was zu einem Mehrsoll gegenüber dem Vorauszahlungsverfahren von 344.373,10 EUR führte. Diesen Betrag meldete der Antragsgegner u.a. zusammen mit den Rückständen laut Umsatzsteuerberechnung für das IV. Quartal 2003 am 10.08.2004 zur Insolvenztabelle an. Die Anmeldung wurde am 28.10.2004 vorläufig vom Insolvenzverwalter bestritten.

In der Folge minderte der Antragsgegner seine Anmeldungen betreffend Umsatzsteuer IV/2003 mehrfach wegen Aufrechnungen. Am 27.10.2006 erging ein Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO, wonach Steuerforderungen in Höhe von 3.631.735,81 EUR zur Tabelle festgestellt wurden, darunter Umsatzsteuer IV/2003 fällig zum 06.05.2004 in Höhe von 1.110.689,27 EUR, Umsatzsteuer IV/2003, fällig zum 01.06.2004 in Höhe von 666.894,95 EUR sowie Umsatzsteuer 2003, fällig zum 01.06.2004, in Höhe von 344.373,10 EUR. Der Feststellungsbescheid wurde bestandskräftig.

Am 12.08.2004 kündigte der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller an, dass er prüfe, ob eine Inhaftungnahme nach § 69 AO in Betracht komme. Ferner bat der Antragsgegner, einen Berechnungsbogen zur Ermittlung der quotalen Umsatzsteuerhaftung auszufüllen. Dieser Bitte kam der Antragsteller am 29.10.2004 nach. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Blatt 48 der Haftungsakte Bezug.

Am 21.04.2005 erließ der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller einen Haftungsbescheid gemäß § 69 AO, mit dem er ihn für Umsatzsteuer IV/2003 (fällig zum 06.05.2004) in Höhe von 513.111,- EUR, für Umsatzsteuer IV/2003 (fällig zum 18.06.2004) in Höhe von 279.038,- EUR und für Umsatzsteuer 2003 (fällig zum 06.09.2004) in Höhe von 40.610,- EUR (zusammen 832.759,- EUR) in Haftung nahm. Dem lagen rückständige Umsatzsteuer IV/2003 in Höhe von 1.893.219,80 EUR sowie fällige, rückständige Umsatzsteuer 2003 in Höhe von 97.057,27 EUR, zusammen 1.990.277,18 EUR zugrunde. Der Antragsgegner stützte die Inhaftungnahme darauf, dass der Antragsteller dafür habe Sorge tragen müssen, dass die D-GmbH die erst künftig fällig werdende Umsatzsteuer III/2003 habe tilgen können.

Dabei habe der Antragsteller mit Abschluss der Forderungsverzichtsverträge vom 30.07.2003 gewusst, dass entsprechende Berichtigungsbeträge nach § 17 Umsatzsteuergesetz - UStG - zu tilgen seien. Zwar sei die Umsatzsteuer IV/2003 erst zum 06.05.2004 bzw. 18.06.2004 fällig geworden, für das Haftungsverfahren sei jedoch die fiktive Fälligkeit zum 30.07.2003 zugrunde zu legen, da ab diesem Zeitpunkt Mittel zur Tilgung hätten bereitgehalten werden müssen. Denn bei frist- und wahrheitsgemäßer Anmeldung hätten die entsprechenden Verbindlichkeiten bereits zum 10.11.2003 entrichtet werden müssen. Die fiktive Fälligkeit der Umsatzsteuer 2003 sei auf den gesetzlichen Abgabetermin für die Umsatzsteuer IV/2003 festgelegt worden, da spätestens mit dieser Voranmeldung sämtliche im Kalenderjahr 2003 getätigten Umsätze anzumelden gewesen wären. Bei der Ermittlung der Haftungssumme für das Jahr 2003 seien die vom Insolvenzverwalter mitgeteilten Umsätze von 33.867.000,- EUR um die nach § 17 Abs. 1 zu korrigierenden Umsätze von 1.512.724,- EUR auf 32.354.276,- EUR zu mindern. Dies entspreche einer Umsatzsteuer von 5.176.184,10 EUR, von der nach Abzug der Vorsteuer und des Vorauszahlungssolls eine Nachzahlung von 97.057,27 EUR verbleibe. Der Antragsteller habe seine Pflicht zur anteiligen Tilgung der für die D-GmbH bestehenden Verbindlichkeiten verletzt. Im Haftungszeitraum hätten Verbindlichkeiten in Höhe von 35.895.467,- EUR bestanden. Dem hätten Zahlungen in Höhe von 18.719.000,- EUR gegenübergestanden. Da der Anteil der Steuerverbindlichkeiten an den Gesamtverbindlichkeiten rund 5 vom Hundert betragen haben, hätte der Antragsteller auch 5 vom Hundert der vorhandenen Mittel, also rund 935.950,- EUR, für die Tilgung von Steuern verwenden müssen. Tatsächlich seien jedoch nur Zahlungen in Höhe von 103.190,82 EUR geleistet worden, so dass in Höhe der Differenz von 832.759,- EUR ein Haftungsschaden entstanden sei, der anteilig auf die Steuerrückstände entfalle. Der Antragsteller habe auch grob schuldhaft gehandelt. Er hätte sich sehr wohl seiner Abgabe- und Zahlungspflicht als auch seiner Mittelbereithaltungspflicht sowie seiner Verpflichtung zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger bei insgesamt nicht ausreichend vorhandenen Mitteln bewusst sein müssen. Ferner sei er bei steuerrechtlich schwierig zu beurteilenden Sachverhalten gehalten gewesen, steuerlichen Rat in Anspruch zu nehmen. Dies habe er hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen unterlassen, was für sich allein bereits den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertige. Neben ihm werde auch die weitere Geschäftsführerin, die Ehefrau des Antragstellers, in Haftung genommen. Eine Inanspruchnahme der B nach § 13 c UStG werde noch geprüft.

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 29.04.2005 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Den Aussetzungsantrag lehnte der Antragsgegner am 17.05.2005 ab.

Daraufhin hat der Antragsteller am 23.05.2005 bei Gericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt.

Der Antragsteller macht geltend, der Antragsgegner erhebe zu Unrecht Ansprüche auf die Berichtigung von Vorsteuer. Denn die Vorsteuer hätte von vornherein der D-GmbH nicht gewährt werden dürfen, da diese Organgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG gewesen sei. Beherrschendes Unternehmen der gesamten Firmengruppe sei die M-GmbH gewesen. Darin sei die D-GmbH finanziell eingegliedert gewesen. Die wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung werde schon daraus deutlich, dass alle Gesellschaften nahezu zeitgleich hätten Insolvenz anmelden müssen.

Jedenfalls erhebe der Antragsgegner zu Unrecht den Vorwurf, der Antragsteller hätte selbst die Berichtigung der Vorsteuer vornehmen und dafür Mittel zurücklegen müssen. Denn es sei nicht dem Antragsteller anzulasten, wenn dieser trotz qualifizierter Beratung über die entsprechenden steuerlichen Folgen nicht aufgeklärt worden sei. Die Auffassung des Antragsgegners, der Antragsteller habe sich nicht qualifiziert beraten lassen, sei unzutreffend. Denn er habe die W-GmbH mit der Prüfung der Kapitaldienstfähigkeit der D-GmbH beauftragt. Diese als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zugelassene Gutachterin habe trotz Kenntnis vom Forderungsverzicht und trotz Ausweis von Umsatzsteuerbeträgen in den Liquiditätsplanungen keinen Anlass gesehen, den Antragsteller auf ein etwaiges umsatzsteuerliches Risiko hinzuweisen. Es gehöre aber zu den wesentlichen Vertragspflichten des Steuerberaters, den Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Der Antragsteller habe daher erwarten können, dass er von der W-GmbH auf ein entsprechendes Risiko würde hingewiesen werden. Auch bei einer bloßen Plausibilitätskontrolle hätte der W-GmbH auffallen müssen, dass in der Liquiditätsplanung keine Beträge für die Vorsteuerberichtigung vorgesehen waren.

Jedenfalls habe der Antragsgegner den Haftungsschaden nicht zutreffend berechnet, da die zutreffende Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung zu einem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis führe. Entgegen der Berechnung des Antragsgegners betrage die Gesamtsumme der Verbindlichkeiten 40.003.000,- EUR. Davon seien 18.837.000,- EUR getilgt worden. Die Tilgungsquote betrage daher 47%. Die Summe der Steuerverbindlichkeiten betrage lediglich 557.000,- EUR, da auch noch nach Insolvenzeröffnung durch die B Forderungen von Lieferanten beglichen und Vorsteueransprüche aus dem Haftungszeitraum dadurch bestehen geblieben seien. Wende man die Tilgungsquote von 47 vom Hundert auf die Steuerverbindlichkeiten in Höhe von 557.000,- EUR an, ergebe dies 262.285,- EUR. Ziehe man von diesem Betrag die vom Antragsgegner anerkannten Zahlungen in Höhe von 103.190,82 EUR ab, verbleibe ein Haftungsbetrag von lediglich 159.094,18 EUR. Jedenfalls müsse die Lohnsteuer sowohl bei der Ermittlung der Verbindlichkeiten als auch bei der Ermittlung der tatsächlich gezahlten Verbindlichkeiten außen vor gelassen werden. Die Lohnsteuer habe im Haftungszeitraum 439.662,- EUR betragen, so dass die Tilgungsquote auf 46,5 vom Hundert sinke. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Blatt 55 bis 57 der Streitakte Bezug.

Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Insolvenzverwalter der seinerzeit verbundenen Unternehmen die Forderungsverzichtsverträge angefochten hätten. Damit entfalle einerseits die Berichtigung der Vorsteuer nach § 17 UStG, andererseits verändere sich die Quotenberechnung zugunsten des Antragstellers.

Schließlich verkenne der Antragsgegner, dass die B gemäß § 13 c UStG vor dem Antragsteller vorrangig zur Haftung heranzuziehen gewesen wäre. Denn sämtliche Forderungen der D-GmbH seien an die B im Rahmen des Factoring-Vertrages abgetreten worden. Auf das Konto, auf das die Kunden der D-GmbH gezahlt hätten, hätte diese keinen Zugriff gehabt, da dieses Konto allein dem Zugriff der B unterlegen habe. Auch soweit die B Zahlungen an die D-GmbH auf das Konto 2 geleistet habe, hätten diese Beträge nicht zur freien Verfügung der D-GmbH gestanden, sondern hätten nur zur Bedienung bestimmter - von der B im Vorfeld bezeichneter - Verbindlichkeiten, wie z.B. Gehaltszahlungen, verwendet werden dürfen.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung des Haftungsbescheids vom 21.04.2005 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Nach seiner Auffassung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.

Die Anfechtung der Forderungsverzichtsverträge durch die Insolvenzverwalter der seinerzeit mit der D-GmbH verbundenen Unternehmen ändere nichts daran, dass die enthaltenen Vorsteuerbeträge zu berichtigen seien. Selbst wenn die Anfechtung zum Wiederaufleben der Forderungen führen würde, wären die Forderungen doch uneinbringlich und aus diesem Grunde die Vorsteuer zu berichtigen gewesen.

Es lägen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die D-GmbH bloße Organgesellschaft gewesen sei. Derartiges sei zwar bereits im Besteuerungsverfahren von der D-GmbH vorgetragen, jedoch auf weitere Nachfrage nicht belegt worden. Auch dem für die P-AG zuständigen Finanzamt seien keine Anhaltspunkte für eine Organschaft bekannt gewesen.

Die Beauftragung der W-GmbH schließe das im Haftungsbescheid angenommene grobe Verschulden des Antragstellers nicht aus. Die W-GmbH habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass keine Prüfungshandlungen hinsichtlich Nachweis und Bewertung der in den Planbilanzen ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Schulden durchgeführt worden seien. Ohnehin hätte es der Übergabe weitergehender Unterlagen bedurft, um die steuerlichen Auswirkungen der Forderungsverzichtsverträge detailliert überprüfen zu können. Denn es sei auf Forderungen in Höhe von 58.000.000,- EUR verzichtet worden, von denen lediglich 15.000.000,- EUR vorsteuerbelastet gewesen seien. Ferner hätten noch Aufrechnungen in Höhe von 2.800.000,- EUR (teilweise steuerpflichtig, teilweise steuerfrei) berücksichtigt werden müssen. Die Auswertung der Umsatzsteuersonderprüferin umfasse 16 Seiten.

Die Einwendungen gegen die Ermittlung der quotalen Haftung seien nicht stichhaltig. Entgegen der darin enthaltenen Berechnung hätten die Steuerverbindlichkeiten nicht nur rund 557.000,- EUR betragen, sondern 1.989.000,- EUR. Dem hätten Zahlungen von 103.000,- EUR gegenüber gestanden. Die Einbeziehung von Umsatzsteuer aus fakturierten Umsätzen und Vorsteuern aus bezahlten Rechnungen sei nicht zulässig. Von einem Umsatzsteuerguthaben im Finanzamt R sei nichts bekannt. Die Angabe, dass Rechnungen in Höhe von 23.876.000,- EUR bezahlt worden seien und daraus Vorsteuer in Abzug zu bringen wäre, stehe in Widerspruch zu der Aussage, dass Verbindlichkeiten nur noch in Höhe von rund 18.837.000,- EUR gezahlt worden wären. Lohnsteuerverbindlichkeiten seien bei der Ermittlung der Haftungssumme bei den anderen als Steuerverbindlichkeiten zu berücksichtigen, Lohnsteuertilgungen entsprechend bei den anderen getilgten Verbindlichkeiten. Die Anfechtungen der Forderungsverzichtsverträge hätten nur dann Einfluss auf die Quotenberechnung, wenn die Anfechtung bereits im Haftungszeitraum erfolgt sei. Dies sei bisher nicht nachgewiesen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei die Inanspruchnahme der B nach § 13 c UStG nicht vorrangig zu prüfen. Zwar bestehe kein Ermessen bei der Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners nach § 13 c UStG. Dies lasse jedoch die Haftungsinanspruchnahme nach anderen gesetzlichen Vorschriften unberührt. Ferner sei von der B vorgetragen worden, die vereinnahmten Beträge seien bis zur Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf ein Konto weitergeleitet worden (Nr. 2), auf das die B keine Zugriffsmöglichkeit gehabt habe. Wenn dies zuträfe, komme eine Haftung allenfalls noch auf eine eventuelle Marge (Differenz zwischen dem Kaufpreis der Forderungen und einem eventuell höheren Einzugsbetrag) und die darin enthaltene Umsatzsteuer in Betracht.

Nach Antragstellung hat der Antragsteller einen Entwurf für einen Jahresabschluss 2003 der D-GmbH eingereicht, der Umsatzerlöse in Höhe von 34.377.831,72 EUR ausweist.

Die B hat im sie betreffenden Haftungsverfahren vorgetragen, ihre Inhaftungnahme nach § 13 c UStG scheide aus, weil die D-GmbH für die abgetretenen Forderungen eine Gegenleistung in Geld vereinnahmt habe. Sie habe der D-GmbH für jede angekaufte Forderung den Gegenwert gutgeschrieben. Mit Schreiben vom 02.10.2007 hat der Antragsgegner der B ohne weitere Begründung mitgeteilt, dass ihre Inanspruchnahme nach § 13 c UStG nicht erfolgen werde.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung die Streitakten des Verfahrens 9 B 9161/05 B, die vom Antragsgegner für den Antragsteller geführte Haftungsakte unter dem Geschäftszeichen ... sowie zwei Bände Umsatzsteuer-Voranmeldungsakten sowie je ein Band Umsatzsteuer-, Körperschaftsteuer-, Bilanz-, Umsatzsteuersonderprüfungs-, Vertrags-, Gewerbesteuer- und Vollstreckungsakten, die vom Antragsgegner für die D-GmbH unter der Steuernummer ... geführt werden, vorgelegen.

II.

Der Antrag ist teilweise begründet. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, soweit der Antragsgegner den Antragsteller für Umsatzsteuer 2003 in Höhe von mehr als 659.035,16 EUR in Anspruch nimmt. Im Übrigen sind solche Zweifel jedoch nicht gegeben.

Die D-GmbH schuldet die im Haftungsbescheid vom 21.04.2005 zugrunde gelegten Umsatzsteuerverbindlichkeiten 2003 in Höhe von 1.990.277,18 EUR. Die Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Antragstellers als Haftungsschuldner, dass die entsprechende Steuerschuld entstanden ist und im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides noch besteht (Grundsatz der Akzessorietät, vergleiche Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 12.10.1999 VII R 98/98, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 190, 25, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2000, 486), ist erfüllt.

Dagegen lässt sich nicht einwenden, die D-GmbH sei Organgesellschaft gewesen, sei es bis zum 30.07.2003 oder ab dem 30.07.2003. Zwar war die D-GmbH vom 27.12.2002 bis 30.07.2003 in die P-AG und danach in die A-GmbH finanziell eingegliedert, weil diese jeweils die nach Gesetz und Satzung erforderliche Mehrheit von Stimmrechten besaßen (vgl. BFH, Urteil vom 19.05.2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl. II 2005, 671), jedoch fehlte es nach Aktenlage gegenüber der P-AG an der organisatorischen Eingliederung und gegenüber der A-GmbH an der wirtschaftlichen Eingliederung. Das vollständige Fehlen eines dieser Elemente kann nicht durch die anderen Elemente kompensiert werden (BFH, Urteil vom 05.12.2007 V R 26/06, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2008, 453 m.w.N.).

Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wirklich wahrgenommen wird. Die organisatorische Eingliederung kann sich insbesondere aus einer personellen Verflechtung über die Vertretungsorgane von Organträger und -gesellschaft, insbesondere bei Personenidentität in den Leitungsgremien, ergeben. Davon ausgehend ist für eine organisatorische Eingliederung der D-GmbH in die P-AG nach Aktenlage nichts ersichtlich. Zwar war der Vorstand der P-AG, O, auch zum Geschäftsführer der D-GmbH berufen worden, jedoch war diese Bestellung nicht wirksam und muss daher bei der Betrachtung der organschaftlichen Eingliederung außer Betracht bleiben. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass O trotz seiner unwirksamen Bestellung zum Geschäftsführer der D-GmbH deren Alltagsgeschäfte beeinflusst hat. Dass der seit Jahren unter verschiedenen Anteilseignern amtierende Antragsteller als Geschäftsführer nicht in der Lage gewesen sein soll, eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der D-GmbH zu entwickeln, ist daher weder dargelegt worden noch nach Aktenlage ersichtlich (BFH, Urteil vom 05.12.2007 V R 26/06, DStR 2008, 453 m.w.N.).

An einer wirtschaftlichen Eingliederung gegenüber der A-GmbH fehlt es, weil nicht ersichtlich ist, ob und ggf. welcher operativen Geschäftstätigkeit die A-GmbH im Jahre 2003 nachging. Daher ist nicht ersichtlich, dass die Tätigkeiten der D-GmbH und der A-GmbH miteinander wirtschaftlich verflochten, aufeinander abgestimmt waren (vgl. BFH, Urteil vom 03.04.2003 V R 63/01, BFHE 202, 79, BStBl. II 2004, 434).

Der Antragsgegner geht auch zu Recht davon aus, dass die Vorsteuer aus den am 30.07.2003 durch Forderungsverzicht untergegangenen Forderungen gegenüber den ehemals verbundenen Unternehmen von der D-GmbH nach § 17 UStG geschuldet wird. Sollten die Forderungsverzichte wirksam gewesen sein, beruht dies auf einer Berichtigung des vereinbarten Entgelts. Sollten die Forderungsverzichte aufgrund der später erfolgten Anfechtungen unwirksam gewesen sein, wären die Entgelte gleichwohl uneinbringlich gewesen, da aus dem Gutachten der W-GmbH zum 30.07.2003 ersichtlich ist, dass die D-GmbH nicht in der Lage gewesen wäre, die Forderungen zu begleichen.

Da der Entwurf des Jahresabschlusses 2003 der D-GmbH Umsatzerlöse in Höhe von 34.377.831,72 EUR ausweist (also mehr als die vom Antragsgegner im Rahmen der Forderungsanmeldung vom 10.08.2004 zugrunde gelegten 33.900.000,- EUR), erscheint nicht ernstlich zweifelhaft, dass die vom Antragsgegner vorgenommene Schätzung der Jahresumsatzsteuer nicht über die tatsächlich von der D-GmbH geschuldete Umsatzsteuer 2003 hinaus geht.

Der Antragsteller haftet mit Ausnahme des im Tenor bezeichneten Betrags für die rückständige Umsatzsteuer 2003 der D-GmbH nach § 69 AO.

Dabei ist es unschädlich, dass im angefochtenen Bescheid als rückständige Umsatzsteuer in Höhe von 1.893.219,80 EUR die Umsatzsteuer IV/2003 bezeichnet wird, ebenso, dass in der Anlage zum Haftungsbescheid zwei Teilbeträge von Umsatzsteuer IV/2003 als diejenigen Beträge bezeichnet werden, für die der Antragsteller in Haftung genommen wird. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Umsatzsteuer, die anlässlich des Forderungsverzichts vom 30.07.2003 als Ergebnis der Vorsteuerberichtigung gemäß § 17 UStG geschuldet wurde, als Umsatzsteuer für das III. Quartal 2003 und nicht für das IV. Quartal 2003 entstanden ist.

Auch § 166 AO führt nicht dazu, dass der Antragsteller für Umsatzsteuer IV/2003 haften würde. § 166 AO ist im Streitfall schon deshalb nicht anwendbar, weil zwar Umsatzsteuer IV/2003 mit Bescheid vom 26.04.2004 festgesetzt wurde, dieser Bescheid jedoch nicht bestandskräftig wurde, da die D-GmbH am 07.05.2004 Einspruch eingelegt hatte, über den vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr entschieden wurde. Der weitere Verlauf des Verfahrens, insbesondere die Feststellung zur Insolvenztabelle, ist unbeachtlich, weil der Antragsteller darauf keinen Einfluss hatte. Zudem ist fraglich, ob von einer Eintragung zur Insolvenztabelle der D-GmbH Rechtswirkungen auf den am Insolvenzverfahren nicht beteiligten Antragsteller ausgehen könnten (BFH, Beschluss vom 13.07.2006 V B 70/06, BFHE 214, 467, BStBl. II 2007, 415).

Der Umstand, dass die Umsatzsteuersonderprüferin ihre Prüfungsfeststellungen aus technischen Gründen im IV. Quartal 2003 zusammengefasst hat und dies so vom Antragsgegner in seinen Steuer- und Haftungsfestsetzungen nachvollzogen wurde, führt nicht dazu, dass der Haftungsbescheid unbestimmt wäre (vergleiche jedoch Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.11.1998 5 K 3260/97, [...]) oder der Haftungsanspruch ins Leere ginge.

Im Streitfall ist der angefochtene Bescheid dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller für rückständige Umsatzsteuer 2003 haftet, die nach § 17 UStG durch den Forderungsverzicht vom 30.07.2003 ausgelöst wurde.

Ein Haftungsbescheid ist dann hinreichend inhaltlich bestimmt, wenn für den Betroffenen erkennbar ist, was von ihm - auch der Höhe nach - verlangt wird. Dabei genügt es, wenn aus dem gesamten Inhalt des Bescheids einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über das Verlangte gewonnen werden kann (BFH, Urteile vom 24.04.1990 VII R 114/88, BFH/NV 1991, 137; vom 16.07.1992 VII R 59/91, BFH/NV 1993, 146). Unbeachtlich ist, wie ein außenstehender Dritter den Bescheid auffassen würde. Entscheidend ist vielmehr, wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Maßstab ist also der sogenannte objektive Empfängerhorizont und damit der Inhalt, den der Empfänger dem Verwaltungsakt nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben geben konnte (BFH, Beschluss vom 17.11.1991 V B 161/91, BFH/NV 1992, 437; Urteile vom 08.11.1995 V R 64/94, BStBl. II 1996, 256; vom 13.10.2005 IV R 55/04, BStBl. II 2006, 404; vom 26.06.2007 IV R 75/05, Deutsches Steuerrecht - Entscheidungsdienst -DStRE- 2008, 341).

Aus der Anlage zum angefochtenen Bescheid in Verbindung mit dem Verfügungssatz auf Blatt 5 des Bescheids geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass der Antragsteller auf Zahlung für eine Haftungsforderung in Höhe von 832.759,- EUR in Anspruch genommen wird, die insgesamt Umsatzsteuer 2003 betrifft, wovon 792.149,- EUR die Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung betreffen. Damit ist der angefochtene Bescheid hinreichend bestimmt.

Dass die Haftungsschuld die Jahressteuer 2003 und dabei insbesondere die Berichtigung der Vorsteuer gemäß § 17 UStG betrifft, ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus Seite 2 des Haftungsbescheides unten, wo der Antragsgegner darlegt, dass die D-GmbH bereits in der Umsatzsteuervoranmeldung für das III. Quartal 2003 (wörtlich: 2004, jedoch offensichtlicher Schreibfehler) eine Vorsteuerberichtigung von 2.080.000,- EUR hätte vornehmen müssen. Im Folgenden wird dann die Jahressteuerschuld ausgehend vom Voranmeldungsverfahren ermittelt und darauf hingewiesen, dass es auf die fehlende Festsetzung der Jahresumsatzsteuerschuld 2003 nicht ankomme. Auch im Rahmen der weiteren Erwägungen (Blatt 4 des Bescheids) wird auf sämtliche Voranmeldungszeiträume abgestellt. Demgegenüber stellt der Hinweis auf die Umsatzsteuerverbindlichkeiten IV/2003 lediglich die Verbindung dazu dar, wie die Rückstände auf dem Steuerkonto der D-GmbH verzeichnet sind.

Zwar wäre es möglich gewesen, eine Haftungsschuld für das III. oder das IV. Quartal 2003 selbst dann festzusetzen, wenn die Anmeldung von Umsatzsteuer 2003 zur Insolvenztabelle der D-GmbH und der dieser Anmeldung bestätigende Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO als Jahresveranlagung anzusehen wären. Denn auch nach Festsetzung der Jahressteuerschuld besteht der Anspruch des Finanzamts auf Entrichtung der rückständigen Vorauszahlungsschulden fort, da sich die Vorauszahlungsansprüche in dem Anspruch auf Entrichtung der Umsatzsteuer-Jahresschuld fortsetzen (BFH, Urteil vom 12.10.1999 VII R 98/98, BFHE 190, 25, BStBl. II 2000, 486). Davon ausgehend kann die Finanzbehörde zwar auch nach Ablauf des Jahresbesteuerungszeitraums und auch nach Erlass eines Jahresumsatzsteuerbescheides Haftungsbescheide für einzelne Voranmeldungszeiträume erlassen (BFH, Urteil vom 12.10.1999 VII R 98/98, BFHE 190, 25, BStBl. II 2000, 486; Finanzgericht Berlin, Beschluss vom 12.03.2001 9 B 2477/00, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2001, 801; Urteil vom 30.08.2002 9 K 2456/00, EFG 2003, 354), jedoch ist die Finanzbehörde nicht darauf verwiesen, nach Ablauf des Veranlagungszeitraums Haftungsansprüche ausschließlich für einzelne Voranmeldungszeiträume geltend zu machen, auch dann nicht, wenn noch kein Jahressteuerbescheid ergangen ist.

Denn gemäß § 13 UStG entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des einzelnen Voranmeldungszeitraums. Damit ist mit Ablauf des letzten Voranmeldungszeitraums eines Jahresveranlagungszeitraums auch die Jahresumsatzsteuerschuld entstanden, die dann nur noch durch den Jahressteuerbescheid konkretisiert wird.

Der Festsetzung der Steuerschuld bedarf es jedoch nicht, um die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners zu ermöglichen (BFH, Urteil vom 07.11.1995 VII R 26/95, BFH/NV 1996, 379 a. E.). Dementsprechend ist es im Streitfall unbeachtlich, dass gegenüber der D-GmbH kein Jahresumsatzsteuerbescheid 2003 ergangen und möglicherweise auch nicht in der Forderungsanmeldung zum Insolvenzverfahren sowie in dem dazu ergangenen Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO eine Jahresveranlagung zu sehen ist.

Dem Haftungsbescheid kann jedenfalls deshalb nicht der Einwand der Unbestimmtheit entgegengehalten werden, weil die Konkretisierung des Haftungszeitraums der näheren Begründung des Haftungsanspruchs und des Haftungsbescheides dient. Sie erleichtert die Rechtsverteidigung des Haftungsschuldners, hat aber auf die inhaltliche Bestimmtheit des Bescheids keinen Einfluss (BFH, Urteil vom 24.04.1990 VII R 117/88, BFH/NV 1991, 137; vergleiche auch BFH, Urteil vom 17.03.1994 VI R 120/92, BFHE 174, 89, BStBl. II 1994, 536; vom 16.07.1992 VII R 59/91, BFH/NV 1993, 146).

Der Antragsteller hat seine, ihm nach § 34 AO der auferlegten Pflichten in der Weise grob fahrlässig verletzt, dass er die aus dem Forderungsverzicht herrührende Umsatzsteuer gemäß § 17 UStG nicht rechtzeitig angemeldet, dafür keine Rücklagen gebildet und sodann nicht vollständig oder jedenfalls im gleichen Anteil wie andere Verbindlichkeiten der D-GmbH beglichen hat. Dagegen hat der Antragsgegner nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller auch hinsichtlich der übrigen Rückstände seine Pflichten grob fahrlässig verletzt hat.

Die Pflichtwidrigkeit indiziert den Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit (BFH, Urteil vom 13.03.2003 VII R 46/02, BFHE 202, 22, BStBl. II 2003, 556 [560]).

Die grobe Pflichtverletzung des Antragstellers nimmt ihren Ausgangspunkt darin, dass der Antragsteller die Umsatzsteuer-Voranmeldung III/2003 durch die Buchhalterin P hat erstellen lassen, ohne sie einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe zur Überprüfung vorzulegen oder wenigstens die umsatzsteuerlichen Auswirkungen des Forderungsverzichts durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe begutachten zu lassen.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH, dass ein Geschäftsführer nicht verpflichtet ist, die steuerlichen Angelegenheiten der GmbH selbst zu erledigen. Er kann sie vielmehr auch anderen Personen übertragen. Aber er darf nur innerhalb gewisser Grenzen der Zuverlässigkeit seiner Hilfspersonen Vertrauen schenken, wenn er sich nicht dem Vorwurf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung aussetzen will. Der Geschäftsführer ist verpflichtet, diejenigen Personen, denen er die Erledigung der ihm als Vertreter des Steuerpflichtigen auferlegten steuerlichen Pflichten überträgt, sorgfältig auszuwählen und daraufhin zu überwachen, insbesondere sich ständig so eingehend über den Geschäftsgang zu unterrichten, dass er unter normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen kann bzw. dass ihm ein Fehlverhalten des beauftragten Dritten rechtzeitig erkennbar wird (BFH, Beschluss vom 05.03.1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325; vom 18.08.1999 VII B 106/99, BFH/NV 2000, 541; vom 04.05.2004 VII B 318/03, BFH/NV 2004, 1363; vom 30.05.2005 VII S 27/04 [PKH], BFH/NV 2005, 1487). Ferner entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass der Geschäftsführer bei mangelnder Sachkunde verpflichtet ist, fremde Hilfe durch einen Angehörigen eines rechts- oder steuerberatenden Berufes in Anspruch zu nehmen (BFH, Beschluss vom 04.05.2004, VII B 318/03, BFH/NV 2004, 1363).

Davon ausgehend war es nicht zu beanstanden, dass er grundsätzlich die Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen der Buchhalterin P überließ. Denn die Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen durch erfahrene Buchhaltungskräfte ist weit verbreitet und lässt nicht von vornherein fehlerhafte Ergebnisse erwarten. Frau P war jedenfalls seit dem Jahr 2000 mit den umsatzsteuerlichen Angelegenheiten der D-GmbH befasst und daher als erfahrene Kraft anzusehen. Die Überprüfung ihrer Tätigkeit durch Umsatzsteuersonderprüfungen führte zwar anfänglich zu erheblichen Feststellungen (vergleiche Bericht vom 20.11.2000 über den Prüfungszeitraum Mai bis Juli 2000), jedoch mit abnehmender Tendenz, so dass die am 18.06.2002 durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung für den Januar und Februar 2002 zu keinen Beanstandungen führte (Prüfungsmitteilung vom 01.07.2002).

Ein derartiges Vertrauen in die Fähigkeiten der Buchhalterin war jedoch nur gerechtfertigt, soweit es um die Erfassung alltäglicher Geschäftsvorfälle ging. Aufgrund der nur eingeschränkten Vermittlung steuerlicher Erkenntnisse im Rahmen einer Buchhalterausbildung kann der Geschäftsführer einer GmbH bei Geschäftsvorfällen, die aus dem allgemeinen Geschäftsverkehr heraus fallen, nicht davon ausgehen, dass diese von einer Buchhalterin umsatzsteuerrechtlich zutreffend aufbereitet werden. Solch einen, den Rahmen des üblichen Geschäftsverkehres sprengenden Geschäftsvorfall stellt der Forderungsverzicht vom 30.07.2003 dar. Schon wegen der erheblichen Größenordnung der in Rede stehenden Beträge hätte es sich aufgedrängt, einen Steuerberater zur Begutachtung der umsatzsteuerlichen Auswirkungen dieser Geschäftsvorfälle beizuziehen. Die Dringlichkeit dieser Beratung wird schon dadurch deutlich, dass bereits im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfung vom November 2000 Forderungsverluste und -verzichte zu erheblichen Feststellungen führten.

Auch das Finanzgericht Düsseldorf (Urteil vom 20.06.2001 5 K 1424/94 H [U], Wiedergabe der Entscheidungsgründe im BFH-Beschluss vom 07.01.2003 VII B 196/01, BFH/NV 2003, 445) ist davon ausgegangen, dass ein Forderungsverzicht Anlass gibt, sich beim steuerlichen Berater über die Rechtsfolgen des Forderungsverzichtes zu informieren.

Das Gericht folgt dem Antragsteller nicht darin, dass er sich durch die Beauftragung der W-GmbH im Rahmen der Bonitätsprüfung im Juli 2003 ausreichend um steuerliche Beratung bemüht hat. Zielrichtung und zeitlicher Umfang der am 22.07.2003 in Auftrag gegebenen Prüfung ließen nicht erwarten, dass die W-GmbH eine verlässliche Begutachtung der umsatzsteuerlichen Folgen des Forderungsverzichts vornehmen würde. Denn für die Prüfung waren lediglich zwei Tage vorgesehen, in denen ein bis zwei Prüfer die Zahlungsfähigkeit der D-GmbH, die Millionenumsätze erzielte, beurteilen sollten, wobei ausdrücklich darauf verwiesen war, dass der Auftrag ausgehend von den den Prüfern von der DGmbH übergebenen Unterlagen durchgeführt wurde. Es mag zwar sein, dass den Prüfern angesichts des Geschäftsgegenstands der D-GmbH und der in den Planungsunterlagen vorgesehenen vergleichsweise geringen Umsatzsteuerzahlungen Bedenken hinsichtlich der Schlüssigkeit des ihnen insoweit vorgelegten Zahlenwerks hätten kommen können.

Genauere Erkenntnisse waren jedoch nur durch eine genaue Analyse des Forderungsbestandes zum Prüfungszeitpunkt zu erwarten, die - wie die umfangreiche Ausarbeitung der Umsatzsteuersonderprüferin zeigt - nur mit erheblichem Zeitaufwand möglich war.

Das Gericht lässt dahingestellt, ob es den vertraglichen Nebenpflichten der W-GmbH entsprochen hätte, die D-GmbH darauf hinzuweisen, dass ihre Ansätze für Umsatzsteuerzahlungen möglicherweise zu niedrig angesetzt waren. Jedenfalls hätte sich ein an den Pflichten eines Organwalters im Sinne des § 34 AO orientierter Geschäftsleiter bei der D-GmbH nicht darauf verlassen, dass sich die W-GmbH unter weit ausgelegter Interpretation ihrer vertraglichen Nebenpflichten veranlasst sehen würde, die umsatzsteuerliche Auswirkung des Forderungsverzichts mit zu prüfen. Er hätte es vielmehr als naheliegend erachtet, dass den unter einem engen Zeitkorridor arbeitenden Wirtschaftsprüfern dieser Gesichtspunkt nicht ins Auge sprang oder von ihnen als nicht zum Gegenstand des Auftrags gehörend angesehen wurde. Vielmehr hätte er ausdrücklich einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe mit der Begutachtung der umsatzsteuerlichen Auswirkungen des Forderungsverzichts beauftragt.

Die Einschaltung eines Steuerberaters wäre auch geeignet gewesen, die unzutreffende Anmeldung der Umsatzsteuer III/2003 zu verhindern. Denn dass im Fall des Forderungsverzichts bei vorsteuerbelasteten Forderungen die Vorsteuer nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen ist, stellt kein steuerliches Spezialwissen dar, sondern ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz. Zudem wird die Frage in den Vordrucken zur Umsatzsteuervoranmeldung ausdrücklich angesprochen.

Dagegen kann kein grobes Verschulden festgestellt werden, soweit die Umsatzsteuererhöhung auf den Prüfungsfeststellungen gemäß den Ziffern 2 bis 5 der Stellungnahme der Umsatzsteuersonderprüferin vom 24.05.2004 sowie der Schätzung ausgehend von den Umsatzangaben des Insolvenzverwalters beruht. Der Antragsgegner hat bisher nicht dargelegt, dass und aus welchem Grunde es sich bei den weiteren Prüfungsfeststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung um Geschäftsvorfälle handelte, bei der sich dem Antragsteller die Begutachtung durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe hätte aufdrängen müssen. Aus welchen Gründen die Umsatzangaben im Insolvenzgutachten (und im vom Antragsteller vorgelegten Entwurf eines Jahresabschlusses 2003 für die D-GmbH) von den vorangemeldeten Beträgen abwichen, ist völlig unklar. Unter diesen Umständen bestehen insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides, weil das Gericht nicht von einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Antragstellers hinsichtlich dieser Gesichtspunkte ausgehen kann.

Die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, dass der Antragsteller nur nach den sogenannten Grundsätzen anteiliger Tilgung für die rückständigen, von ihm zu Unrecht nicht im III. Quartal 2003 angemeldeten Umsatzsteuerforderungen haftet. Zwar kommt es bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Nichtanmeldung von Steuern auch in Betracht, dass der Haftungsschuldner in voller Höhe haftet, nämlich wenn durch die fehlende Anmeldung aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeiten vereitelt wurden (vergleiche BFH-Urteile vom 25.04.1995 VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97; vom 06.03.2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100), jedoch ist nach Aktenlage nicht ersichtlich, dass bei einer rechtzeitigen Anmeldung die Vollstreckungsmöglichkeiten für den Antragsgegner besser gewesen wären als bei einer über den Haftungszeitraum verteilten Tilgung.

Der Antragsgegner hat auch zu Recht den Beginn des Haftungszeitraums auf den 30.07.2003, den Abschluss der Forderungsverzichtsverträge, terminiert, weil der Antragsteller bei pflichtgemäßer Einholung von Auskünften durch Angehörige der steuerberatenden Berufe ab diesem Zeitpunkt Anlass gehabt hätte, Mittel für die Steuerzahlung zurückzulegen (vergleiche die oben zitierte Rechtsprechung und BFH, Urteil vom 25.04.1995 VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97 a. E.).

Zu Recht wendet der Antragsteller ein, dass im Rahmen der Berechnung der Tilgungsquote die im Haftungszeitraum getilgte Lohnsteuer weder bei den Gesamtverbindlichkeiten noch bei den geleisteten Zahlungen zu berücksichtigen ist. Dies beruht auf der Sonderstellung der Lohnsteuer, die den Geschäftsführer zur vorrangigen und ungekürzten Abführung der Lohnsteuer an das Finanzamt vor der Begleichung sonstiger Verbindlichkeiten verpflichtet (BFH, Urteil vom 27.02.2007 VII R 60/05, BFHE 216, 487; Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2007, 944).

Andererseits sind die im Haftungszeitraum durch Umsätze anfallenden Umsatzsteuerverbindlichkeiten mit den im jeweils gleichen Voranmeldungszeitraum entstehenden Vorsteueransprüchen zu verrechnen, weil Gegenstand der Haftung und der Steuerzahlungspflicht nicht einzelne Besteuerungsgrundlagen sondern der sich aus dem Saldo der Besteuerungsgrundlagen ergebende Betrag der jeweiligen Umsatzsteuerfestsetzung ist (BFH, Urteil vom 07.11.1989 VII R 34/87, BFHE 159, 106, BStBl. II 1990, 201). Dementsprechend ist mit dem Antragsgegner von angemeldeten und gezahlten Steuern in Höhe von 103.190,82 EUR auszugehen.

Die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten ist jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Anfechtungsansprüche in Höhe von 16.225.000,- EUR zu erhöhen. Zwar geht das Gericht davon aus, dass die Anfechtungsansprüche erst nach dem Haftungszeitraum, also nach dem 19.03.2004, erhoben wurden, da der Antragsteller, der bis zu diesem Zeitpunkt Geschäftsführer der D-GmbH war, Gegenteiliges weder behauptet noch nachgewiesen hat, jedoch musste der Antragsteller nach Eröffnung der Insolvenzverfahren bei den früheren verbundenen Unternehmen bei sachgerechter Ausübung seines Amtes damit rechnen, mit solchen Ansprüchen konfrontiert zu werden. Denn es ist jedenfalls nicht fernliegend, dass es sich bei den Forderungsverzichtsverträgen um unentgeltliche Leistungen im Sinne des § 134 Abs. 1 Insolvenzordnung - InsO - handelte.

Soweit der Antragsteller die Tilgungsquote ausgehend vom Bestehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft ermittelt hat, ist ihm - wie oben dargelegt - nicht zu folgen. Ferner muss auch das behauptete Umsatzsteuerguthaben gegenüber dem Finanzamt R außer Betracht bleiben, da für dessen Existenz keinerlei Glaubhaftmachung angetreten wurde. Schließlich bleiben Tilgungen von steuerlichen und außersteuerlichen Verbindlichkeiten nach Ablauf des Haftungszeitraums außer Betracht, da sie nichts über die Pflichterfüllung des Antragstellers im Haftungszeitraum besagen.

Die im Haftungsverfahren anzusetzende Umsatzsteuerschuld mindert sich um weitere Vorsteueransprüche der D-GmbH in Höhe von 103.877,62 EUR. Insoweit hat zwar die Umsatzsteuersonderprüferin die Auffassung vertreten, etwaige weitere Umsatzsteuerguthaben würden durch Umsätze in gleicher Höhe wieder aufgewogen (vergleiche die wohl dem Antragsteller noch nicht übermittelte Stellungnahme vom 02.08.2005, Blatt 138 Haftungsakte 40280.1). Bei summarischer Prüfung kann das Gericht jedoch nicht davon ausgehen, dass die Gegenansprüche der D-GmbH in den umsatzsteuerbelasteten Forderungen enthalten waren, die der Antragsgegner zum Anlass genommen hat, die Umsätze der D-GmbH nach § 17 UStG zu berichtigen. Dementsprechend hat auch der Antragsgegner in seinen weiteren Stellungnahmen die Vorsteuerbeträge von 103.877,62 EUR weiterhin zum Abzug gebracht.

In die den sonstigen Verbindlichkeiten gegenüber zu stellenden Steuerverbindlichkeiten ohne Lohnsteuer geht neben der von der D-GmbH angemeldeten Steuer von 103.190,82 EUR nur die Vorsteuerberichtigung wegen des Forderungsverzichts in Höhe von 1.838.956,05 EUR ein. Für die weiteren, später festgesetzten Steuerverbindlichkeiten musste der Antragsteller im Haftungszeitraum noch keine Rücklagen bilden (siehe oben). Schließlich ist - wie oben dargelegt - die weitere Vorsteuer von 103.877,62 EUR zum Abzug zu bringen.

Mangels substantiierter Einwendungen geht das Gericht mit dem Antragsgegner von der Tilgung sonstiger Verbindlichkeiten einschließlich Lohnsteuer von 24.000.000,- EUR aus.

Davon ausgehend ergibt sich die folgende Berechnung:

 EUR
Verbindlichkeiten mit Lohnsteuer aber ohne sonstige Steuern im Haftungszeitraum39.446.000,00
Anfechtungsansprüche16.225.000,00
./. Lohnsteuer-439.662,00
Summe der sonstigen Verbindlichkeiten55.231.338,00
Steuerverbindlichkeiten ohne Lohnsteuer angemeldete Steuer103.190,82
Vorsteuerberichtung wg. Forderungsverzicht1.838.956,05
./. weitere Vorsteuer lt. Antragsteller-103.877,62
Summe Steuerverbindlichkeiten ohne Lohnsteuer1.838.269,25
Summe aller Verbindlichkeiten57.069.607,25
Mittelverwendung Tilgung sonstiger Verbindlichkeiten einschl. Lohnsteuer24.000.000,00
./. Lohnsteuer-439.662,00
Zwischensumme23.560.338,00
Steuerzahlungen ohne Lohnsteuer103.190,82
Summe der bezahlten Verbindlichkeiten23.663.528,82
Tilgungsquote über alle Verbindlichkeiten41,46%
Pflichtgem. zu tilgen (Steuerverbindlichkeiten x 41,46%)762.225,98
./. erfolgte Tilgung103.190,82
Haftungsschuld lt. FG659.035,16
Haftungsschuld lt. Antragsgegner832.759,00
auszusetzender Betrag173.723,84

Die Inanspruchnahme des Antragstellers wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Antragsgegner davon abgesehen hat, die B nach § 13 c UStG in Haftung zu nehmen. Zwar könnte es sich als ermessenswidrig darstellen, den Antragsteller nach § 69 AO in Haftung zu nehmen, wenn der Antragsgegner andererseits darauf verzichtet, die (zwingend) geltend zu machende Haftung nach § 13 c UStG zum Anlass eines Haftungsbescheides gegenüber der B zu nehmen. Jedoch ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass die B für die streitbefangenen Beträge nicht haftete.

Denn nach Artikel 25 Abs. 4 des Steueränderungsgesetzes 2003 vom 15.12.2003, Bundesgesetzblatt - BGBl. - I 2003, 2645 trat Artikel 5 Nr. 14 Steueränderungsgesetz 2003, durch den § 13 c UStG in das Umsatzsteuergesetz eingefügt wurde, am 01.01.2004 in Kraft. Dies gilt ungeachtet der Regelung in § 27 Abs. 7 UStG, nach der § 13 c UStG anzuwenden ist auf Forderungen, die nach dem 07.11.2003 abgetreten, verpfändet oder gepfändet worden sind. Die letztgenannte Regelung ist von Bedeutung, wenn für nach dem 31.12.2003 entstehende Umsatzsteuerforderungen Forderungsabtretungen im Sinne des § 13 c UStG von Bedeutung sind, die vor dem 01.01.2004 erfolgt sind. Im Streitfall sind die dem streitbefangenen Haftungsbescheid zugrunde liegenden Steuerforderungen jedoch bereits vor dem 01.01.2004 entstanden, so dass § 13 c UStG insoweit keine Anwendung findet (Abschn. 182b Abs. 45 Umsatzsteuer-Richtlinien 2008 - UStR 2008 -; Köhler in Plückebaum/Malitzky, UStG, § 13c Rz. 1, 3).

Schließlich hat die D-GmbH von der B ein Entgelt für die abgetretenen Forderungen erhalten, das auch auf dem frei verfügbaren Konto 2 einging, so dass B allenfalls für die sogenannte Marge (Differenz zwischen Nennbetrag und Kaufpreis) haften könnte (Abschn. 182b Abs. 27 UStR 2008; Küffner in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 13 c Rz. 85, 87). Nähere Angaben zur Höhe der von der B eingezogenen Forderungen und der von ihr einbehaltenen Beträge hat der Insolvenzverwalter dem Antragsgegner nicht gemacht.

Soweit die Umsatzsteuerverbindlichkeiten der D-GmbH nach Ablauf des Haftungszeitraums, insbesondere durch Aufrechnungen, gemindert wurden, berührt dies die Haftungsschuld nicht, da noch immer Umsatzsteuerverbindlichkeiten von mehr als 2 Mio. EUR zum Soll stehen (vgl. die korrigierte Anmeldung vom 25.10.2006, Bl. 175 Vollstreckungsakte), so dass weiterhin Anlass besteht, den Antragsteller in Höhe von 659.035,16 EUR in Anspruch zu nehmen.

Soweit durch Aufrechnungen mit Einkommensteuererstattungsansprüchen des Antragstellers und seiner Ehefrau Zahlungen auf die Haftungsschuld bewirkt wurden, kann dahingestellt bleiben, in welchem Umfang diese Zahlungen dem Antragsteller bzw. seiner Ehefrau zuzurechnen sind. Denn diese Zahlungen mindern die Haftungsschuld des Antragstellers auch dann nicht, wenn sie ganz oder teilweise seiner Ehefrau zuzurechnen sein sollten. Denn es ist davon auszugehen, dass die Ehefrau zunächst ihre eigene, gesamtschuldnerische Haftungsschuld tilgen wollte. Ferner ist der ihr gegenüber ergangene Haftungsbescheid mit dem Einspruch angefochten, so dass der Antragsgegner nicht zuverlässig davon ausgehen kann, die Zahlungen behalten zu dürfen (vgl. BFH, Urteil vom 04.12.2007 VII R 37/06, BFH/NV 2008, 526).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.

Das Gericht hat gemäß § 128 Abs. 3 in Verbindung mit § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Beschwerde zugelassen, weil es jedenfalls für diskussionswürdig hält, ob der Antragsgegner im Streitfall die Haftungsschuld zutreffend und ausreichend bezeichnet hat.



Ende der Entscheidung

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