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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 20.03.2009
Aktenzeichen: 7 V 7249/08
Rechtsgebiete: BGB, FGO, AO


Vorschriften:

BGB § 649
FGO § 69 Abs. 4
AO § 171 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Verfahren

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 7. Senat -

am 20. März 2009

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

die Richterin am Finanzgericht ... und

den Richter am Finanzgericht ...

beschlossen:

Tenor:

Die Vollziehung der Umsatzsteuerfestsetzung 2001 vom 26. Mai 2008 wird mit Wirkung vom Fälligkeitstag an bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer Entscheidung über den Einspruch der Antragstellerin gegen diesen Bescheid oder dessen anderweitiger Erledigung ausgesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Die vornehmlich auf die Bereitstellung und das Betreiben von multimedialen Informationssystemen ausgerichtete Antragstellerin begehrt mit dem Ziel, außerordentliche Erträge im Zusammenhang mit der einvernehmlichen Auflösung eines mit dem Telekommunikationsunternehmen A geschlossenen Kooperationsvertrages von der Bemessungsgrundlage ihrer umsatzsteuerpflichtigen Lieferungen und sonstigen Leistungen ausnehmen zu können, die Aussetzung der Vollziehung der geänderten Umsatzsteuerfestsetzung 2001.

Die Antragstellerin ging unter dem 21./24. August 1998 mit dem Telekommunikationsunternehmen A einen mit einer Frist von einem Jahr zum Jahresende, erstmals zum 31. Dezember 2003 kündbaren Kooperationsvertrag über die europaweite Entwicklung und Vermarktung eines Informationssystems "..." ein. Dafür war vorgesehen, an öffentlich zugänglichen Stellen ... eine Mehrzahl von Bildschirmen aufzubauen, die die entsprechenden Informationen liefern, zugleich aber über Werbeeinblendungen und Sponsoringleistungen auch zu Einnahmen führen sollten. Die Vertragspartnerin der Antragstellerin hatte dabei 70 vom Hundert (v.H.) der projektbezogenen Kosten und die Sachinvestitionen vollständig zu tragen. Ebenso sollte sie der Antragstellerin 70 v.H. deren Eigenleistungen erstatten müssen. Umgekehrt war das Telekommunikationsunternehmen A an den Erlösen des Projekts mit 70 v.H. zu beteiligen.

Zum Kooperationsvertrag zählte auch eine in § 11 aufgenommene Ausschließlichkeitsvereinbarung. Nach ihr verpflichteten sich die Antragstellerin und das Telekommunikationsunternehmen A, das vorgesehene Projekt nur im Rahmen ihrer Partnerschaft zu verfolgen sowie vergleichbare Projekte nicht ohne Zustimmung des Partners mit jeweiligen Konkurrenten durchzuführen.

Mitte Mai 2000 kündigte das Telekommunikationsunternehmen A den Kooperationsvertrag fristlos. In diesem Zusammenhang beanstandete es vorrangig, keine Möglichkeit gehabt zu haben, eine ordnungsgemäße Verwendung der projektbezogenen Mittel kontrollieren zu können, zumal die Antragstellerin eine entsprechende Überprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer verweigert hätte. Zugleich verwehrte es die Bezahlung zweier Rechnungen vom 27. Oktober und 2. Dezember 1999 (R.-Nr. 99/6294 und 99/6317) über ... DM (netto) bzw. über ... DM (netto).

Die Antragstellerin trat der Kündigung entgegen. Sie warf ihrer Vertragspartnerin vor, ihrerseits gegen die in § 11 des Kooperationsvertrages geregelte Ausschließlichkeitsvereinbarung verstoßen zu haben. So habe sie mit zwei anderen Unternehmen Vertragsverhandlungen zum Aufbau des Betriebes vergleichbarer Informationssysteme aufgenommen. Unter diesen Umständen habe das Telekommunikationsunternehmen A bereits seit Mitte 1999 geplant, den zu ihr bestehenden Kooperationsvertrag zu beenden, und das gemeinsame Projekt seitdem hintertrieben.

Anfang August 2000 ließ die Antragstellerin dem Telekommunikationsunternehmen A diesbezüglich mitteilen, diese Vorgänge vor dem Landgericht zum Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung machen zu wollen. Daran anschließende außergerichtliche Verhandlungen führten die Antragsstellerin und das Telekommunikationsunternehmen A zu einer außergerichtlichen Einigung. Unter dem 19. Januar 2001 schlossen sie einen Vergleich, dem zur Folge das Telekommunikationsunternehmen A an die Antragstellerin u.a. eine Ausgleichszahlung in Höhe von ... DM zu entrichten und die Rechnungen Nr. 99/6294 und 99/6317 hälftig mit ... DM zzgl. Mehrwertsteuer auszugleichen hatte. Des Weiteren übernahm es das Telekommunikationsunternehmen A danach, der Antragstellerin jeweils für bestimmte Zeiträume bestimmte Übertragungskapazitäten u.a. auch eine Heranführungsleitung, kostenlos zu überlassen, darüber hinaus das in seinem Eigentum befindliche technische Equipment auf die Antragstellerin zu übertragen. Mit dem Vergleichsvertrag sollten dann alle wechselseitigen Ansprüche aus dem vormaligen Kooperationsvertrag geregelt und zugleich abgegolten sein.

In ihrer Buchführung erfasste die Antragstellerin insofern außerordentliche Erträge in Höhe von insgesamt ... DM. Dieser Betrag setzte sich aus der Ausgleichszahlung (... DM) sowie der Übertragung des technischen Equipments (... DM) zusammen.

Umsatzsteuerlich gab die Antragstellerin diese außerordentlichen Erträge dem gegenüber nicht an. Mit ihrer am 28. Oktober 2002 eingereichten, berichtigten Umsatzsteuererklärung 2001 kam sie nach einer auf negative Umsätze in Höhe von ... DM entfallenden Steuer in Höhe von ./. ... DM und dem Ansatz eines Vorsteuerbetrages in Höhe von ... DM vielmehr zu einem zu ihren Gunsten bestehenden Erstattungsbetrag in Höhe von ... DM. Ihr stimmte seinerzeit das Finanzamt M unter dem 21. November 2002 zu. Sie stand damit einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.

Einer auf die Umsatzsteuer-Voranmeldungen des Zeitraums Januar bis April 2001 bezogenen Umsatzsteuersonderprüfung im August 2001 schloss sich bei der Antragstellerin am 22. August 2006 eine u.a. auf die Umsatzsteuer der Jahre 2001 bis 2003 bezogene Außenprüfung an. Der zusammenfassende Bericht vom 28. Juli 2007 lautete im geänderten Prüfervermerk Nr. 3 betreffend die außerordentlichen Erträge im Wirtschaftsjahr 2001 dahin, dass die aus dem Vergleich vom 19. Januar 2001 vereinbarten Leistungspflichten des Telekommunikationsunternehmens A gegenüber der Antragstellerin im Rahmen eines Leistungsaustauschs und mithin um einer Gegenleistung willen erbracht worden seien. Sie unterlägen daher der Umsatzsteuer. Die Höhe der Gegenleistung (... DM) ermittle sich dabei aus der Ausgleichszahlung (brutto ... DM), dem gemeinen Wert des Equipments (brutto ... DM) und aus der Überlassung der Übertragungskapazitäten bzw. der Heranführungsleitung entsprechend den Wertangaben der Antragstellerin vom 11. September 2006 (brutto: ... DM). Die hierauf entfallende Umsatzsteuer belaufe sich dementsprechend auf ... DM.

Dem folgend setzte der Antragsgegner mit Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 26. Mai 2008 die Umsatzsteuer 2001 gestützt auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO - mit Verweis auf den Prüfungsbericht vom 28. Juni 2007 entsprechend herauf. Hierbei ging er von steuerpflichtigen Lieferungen und sonstigen Leistungen in Höhe von ... DM zum Steuersatz von 16 v.H. bzw. in Höhe von ... DM zum Steuersatz von 7 v.H. aus. Von der darauf entfallenden Steuer in Höhe von ... DM zog er einen Vorsteuerbetrag in Höhe von ... DM ab und setzte die Umsatzsteuer 2001 danach auf ... DM (= ... EUR) fest. Dies ergab zu Ungunsten der Antragstellerin einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von ... EUR. Einschließlich der in Höhe von ... EUR festgesetzten Zinsen zur Umsatzsteuer hatte die Antragstellerin damit ... EUR nachzuentrichten.

Eine Bescheidung des von der Antragstellerin hiergegen erhobenen Einspruchs steht seitens des Antragsgegners noch aus.

Ihren mit ihrem Einspruch verbundenen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerfestsetzung 2001 vom 26. Mai 2008 lehnte der Antragsgegner durch Bescheid vom 17. Juli 2008 ab. Den dagegen gerichteten Einspruch der Antragstellerin wies der Antragsgegner durch Einspruchsentscheidung vom 14. August 2008 als unbegründet zurück. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung vom 26. Mai 2008 seien nicht zu erkennen, zumal die Antragstellerin selbst mit Schreiben vom 25. Juli 2007 die streitgegenständlichen Zahlungen als umsatzsteuerpflichtig bezeichnet hätte. Unter diesen Umständen stelle sich auch nicht mehr die Frage, ob eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für eine Aussetzung der Vollziehung sprechen könnte.

Für ihr vorliegendes vorläufiges Rechtsschutzbegehren führt die Antragstellerin an, mit dem Aufhebungsvertrag vom 19. Januar 2001 nicht etwa auf die weitere Durchführung des Kooperationsvertrages und damit auf dessen wirtschaftlichen Wert verzichtet, sondern ausschließlich von der weiteren Auftragsdurchführung abgesehen zu haben. Ihre Ausgleichsansprüche hätten allein den um ihre ersparten Aufwendungen verminderten Vergütungsanspruch aus dem Kooperationsvertrag entgolten. Sie stellten daher kein Entgelt für einen Verzicht auf eine weitere Vertragsdurchführung dar. Ihnen läge deshalb kein Leistungsaustausch zugrunde. Vielmehr habe es sich nur um eine als Vergleich benannte Vereinbarung über den Umfang einer Schadensersatzleistung gehandelt. Mit einer derartigen Einigung aber verbinde sich kein Leistungsaustausch in Form eines Anspruchsverzichts gegen Zahlung.

Im Übrigen sei ihr Aussetzung der Vollziehung auch aus Gründen einer unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gedeckten Härte zu gewähren. Denn ohne eine Aussetzung der Vollziehung drohe ihr Zahlungsunfähigkeit und die Gefahr der wirtschaftlichen Überschuldung.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2001 vom 26. Mai 2008 in Höhe von ... EUR bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung über ihren Einspruch vom 25. Juni 2008 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er stützt seine Rechtsverteidigung wiederholend und vertiefend auf die Begründung der Einspruchsentscheidung vom 14. August 2008 betreffend die Zurückweisung des außergerichtlichen Aussetzungsantrages der Antragstellerin.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten ausgetauschten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die vom Antragsgegner eingereichten Steuerakten (je 1 Band Umsatzsteuer-, Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- und Kapitalertragsteuerakten; 1 Band Gesonderte Feststellung nach § 36 Abs. 7 KStG; 1 Band Betriebsprüfungsakten der Amtsbetriebsprüfungsstelle und der Außenstellen der Oberfinanzdirektionen; 4 Bände Betriebsprüfungsakten; 1 Ordner Rechtsbehelfsvorgänge; 1 Band Vertragsakte; 1 Band Bilanzakte) zur St.-Nr. ... Bezug genommen.

II. Der auf § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - gestützte vorläufige Rechtsschutzantrag ist bezogen auf § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zulässig, nachdem der Antragsgegner die an ihn gerichteten außergerichtlichen Aussetzungsantrag der Antragstellerin durch Bescheid vom 17. Juli 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. August 2008 abgelehnt hat.

Das vorläufige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung der geänderten Umsatzsteuerfestsetzung vom 26. Mai 2008 ist auch begründet. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Vollziehung eines Steuerbescheides unter anderem - u.a. - ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 10. Februar 1967 - III B 9/66 -, Bundessteuerblatt - BStBl - III 1967, 182; seitdem ständige Rechtsprechung). Die Aussetzung der Vollziehung setzt hierbei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (BFH, Beschluss vom 07. September 2007 - V B 97/07 - Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2008, 120 m.w.N.). Mit in diesem Sinne ernstlichen Rechtmäßigkeitszweifeln ist die angegriffene Umsatzsteuerfestsetzung 2001 vom 26. Mai 2008 bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung behaftet.

Der Antragsgegner war allerdings nicht etwa schon unter dem Aspekt des Eintritts der Festsetzungsverjährung gehindert, die zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Umsatzsteuerfestsetzung 2001 auf der Grundlage von § 164 Abs. 2 AO durch späteren Bescheid vom 26. Mai 2008 zu ändern. So ist die Änderung einer Steuerfestsetzung nach § 169 Abs. 1 AO zwar nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt bezogen auf die Umsatzsteuerfestsetzung im Regelfall vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Sie beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO), abweichend davon, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit dem Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).

Wird allerdings vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, nicht ab, bevor die auf Grund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO).

Danach begann im Falle der Antragstellerin, die ihre Umsatzsteuererklärung 2001 Ende Oktober 2002 eingereicht hatte, die Festsetzungsfrist am 1. Januar 2003 und endete an sich mit dem Ablauf von vier Jahren am 31. Dezember 2006. Der Ablauf der Festsetzungsfrist war jedoch durch die im August 2006 bei ihr bezogen u.a. auf die Umsatzsteuer 2001 aufgenommene Außenprüfung gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt. Unter diesen Umständen wahrte die mit Bescheid vom 26. Mai 2008 geänderte Umsatzsteuerfestsetzung 2001 die Festsetzungsfrist.

In der Sache selbst ist die geänderte Umsatzsteuerfestsetzung 2001 an § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr 2001 geltenden Fassung - UStG 2001 - zu messen. Danach unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Sonstige Leistungen sind dabei Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG 2001) und auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen können (§ 3 Abs. 9 Satz 2 UStG 2001). Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 2001 setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus (BFH, Urteil vom 16. Januar 2003 - V R 36/01 - BFH/NV 2003, 667, 668, und etwa auch Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 14. März 2007 - VIII ZR 68/06 - Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst - DStRE - 2008, 177, 179). Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt (BFH, Urteil vom 7. Juli 2005 - V R 34/03 - Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 211, 59, BStBl II 2007, 66, 67).

Der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 2001 angesprochene Leistungsaustausch ist gegeben, wenn der Leistende seine Leistung ausführt, um eine Gegenleistung dafür zu erhalten (BFH, Urteil vom 10. Dezember 1998 - V R 58/97 - BFH/NV 1999, 987, 989). Diese Voraussetzungen liegen grundsätzlich auch dann vor, wenn ein Steuerpflichtiger auf eine ihm, sei es auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage, zustehende Rechtsposition gegen Entgelt verzichtet (BFH, Urteil vom 7. Juli 2005 - V R 34/03 - a.a.O.. S. 67). Als steuerbarer Umsatz ist daher etwa die vertragliche Auflösung eines Mietvertrages gegen eine Abfindung in Betracht zu ziehen (BFH, Urteil vom 27. Februar 1969 - V R 102/65 - BFHE 95, 306, BStBl II 1969, 386, sowie Beschlüsse vom 26. März 1998 - XI B 73/97 - BFH/NV 1998, 1381, 1382, und vom 23. Januar 2002 - V B 161/01 - BFH/NV 2002, 553), des Weiteren beispielsweise auch der entgeltliche Verzicht eines auf Lebenszeit bestellten Testamentsvollstreckers auf eine weitere Ausübung seines Amtes (BFH, Urteil vom 6. Mai 2004 - V R 40/02 - BFHE 205, 535, BStBl II 2004, 854).

Echte Entschädigungs- oder Schadensersatzleistungen sind dem gegenüber kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlungsempfänger erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen hat (BFH, Urteil vom 10. Dezember 1998 - V R 58/97 - a.a.O.. S. 989). Von einem umsatzsteuerpflichtigen, zum Leistungsaustausch führenden Anspruchsverzicht gegen Zahlung lässt sich daher dann nicht mehr sprechen, wenn die Beendigung der vorangegangenen Vertragsbeziehung zwischen den Parteien feststeht (hierzu: BFH, Urteil vom 18. Januar 1990 - V R 6/85 - BFH/NV 1991, 130, 131) oder sie sich hierüber einig sind und sie nur noch der einen oder anderen Seite in Folge der Vertragsauflösung erwachsene Entschädigungs- oder Schadensersatzleistungen festgelegt haben. Von einer steuerbaren Leistung ist dem gegenüber aber dann auszugehen, wenn zwischen den Vertragsparteien Unsicherheit und Streit über das Fortbestehen der Vertragsbeziehung besteht und sie in dieser Situation übereinkommen, ihr Vertragsverhältnis vergleichsweise im Wege gegenseitigen Nachgebens und Rechtsverzichts durch Vereinbarung verschiedener Ausgleichsleistungen weiterem Streit zu entziehen (BFH, Urteile vom 18. Januar 1990 - V R 6/85 - a.a.O.. S. 131, und vom 10. Dezember 1998 - V R 58/97 - a.a.O.. S. 989).

Von einer nicht mehrwertsteuerpflichtigen Entschädigungsleistung ist insofern auch in den Fällen auszugehen, in denen die eine Vertragsseite von einer ihr von vornherein eröffneten Rücktrittsmöglichkeit Gebrauch macht, dem anderen Vertragsteil dann aber eine Anzahlung als pauschalierte Entschädigung zum Ausgleich des ihm infolge des Rücktritts entstandenen Schadens verbleibt (Europäischer Gerichtshof - EuGH - , Urteil vom 18. Juli 2007 - Rs. C-277/05 - Société thermale d'Eugénie-les-Bains - Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2007, 643). Dem entsprechend ist auch eine nach § 649 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - geschuldete Entschädigung nach Ausübung des gemäß § 649 Satz 1 BGB bestehenden Kündigungsrechts grundsätzlich nicht als steuerbares Entgelt anzusehen. Da die vorstehende Entscheidung des EuGH seine vorangegangenen anderen Judikate, die Rechtsverzichte umsatzsteuerbaren Leistungen zuordneten (EuGH, Urteil vom 15. Dezember 1993 - Rs. C-63/92 - Lubbock Fine & Co. -, BStBl II 1995, 480, und Urteil vom 4. Oktober 2001 - Rs. C-326/99 - Stichting Goed Wonen -, UR 2001, 484, 488 Rz. 38), in keiner Weise einschränkte oder relativierte, könnte die richtigen Abgrenzung einer umsatzsteuerbaren echten Verzichtsleistung von einer bloßen nicht mehrwertsteuerpflichtigen Entschädigungszahlung nunmehr auch davon abhängen, ob die Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten von vornherein eine Rücktritts- oder Kündigungsmöglichkeit vorsah und deshalb nicht erst die Entschädigung die Handlungsfreiheit des Zahlenden erweiterte. Eine abschießende höchstrichterliche Klärung, welche Auswirkung das EuGH-Urteil vom 18. Juli 2007 - Rs. C-277/05 - Société thermale d'Eugénieles- Bains - , UR 2007, 643 auf die umsatzsteuerliche Würdigung von Vertragsaufhebungen hat, steht jedoch noch aus.

Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung, ob eine bloße Entschädigungs- oder Schadensersatzleistung vorliegt oder von einem im gegenseitigen Austauschverhältnis stehenden Anspruchsverzicht zu sprechen ist, hängt dabei nicht von der von den Beteiligten gewählten Bezeichnung ab. Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, beurteilt sich vielmehr anhand objektiver Umstände nach umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben (BFH, Urteil vom 7. Juli 2005 - V R 34/03 - a.a.O.. S. 68).

Hieran gemessen ist s. S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO ernstlich zweifelhaft, dass die Antragstellerin mit dem Abschluss der Aufhebungsvereinbarung vom 19. Januar 2001 eine steuerbare sonstige Leistung erbracht hat, indem sie entgeltlich auf ihre Rechte aus dem vormaligen Kooperationsvertrag vom 21./24. August 1998 verzichtet haben sollte. Zwar handelte es sich bei der Aufhebungsvereinbarung zunächst äußerlich um einen gegenseitigen Vertrag, den beide vertragsschließende Seiten, die Antragstellerin und das Telekommunikationsunternehmen A, als Vergleich bezeichneten. Da dessen Wirksamkeit nach § 779 Abs. 1 BGB seinerseits bedingt, dass die Parteien Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigen, lag es allerdings nahe davon auszugehen, dass die Antragstellerin durch die Vereinbarung verschiedener Ausgleichsleistungen der vorzeitigen Beendigung des vorangegangenen Kooperationsvertrages zugestimmt und sich im Wege des Verzichts insofern ihrer aus der Kooperationsvereinbarung folgenden Rechtsstellung begeben haben sollte.

Inhaltlich ist jedoch zweifelhaft, dass die Antragstellerin einen Anspruchsverzicht auf Gegenleistungsbasis erklärt hat. Dies dürfte zwar nicht schon damit zu begründen sein, dass der Kooperationsvertrag vom 21./24. August 1998 im Kern den Vertragsschluss über gegenseitige werkvertragliche Leistungspflichten betraf und dem Telekommunikationsunternehmen A als Bestellerin daher nach § 649 Satz 1 BGB eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit zur Seite gestanden hatte. Unter diesen Umständen allerdings wäre von einem dem Besteller von vornherein eingeräumten Kündigungs- bzw. Rücktrittsrecht zu sprechen, das den mit der Aufhebungsvereinbarung einhergehenden Ausgleichsverpflichtungen das Gepräge einer nicht umsatzsteuerbaren, der Regelung von § 649 Satz 2 BGB entsprechenden Entschädigungsregelung geben würde (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - Rs. C-277/05 - a.a.O..). Denn die Vertragsparteien hatten durch § 10 des Kooperationsvertrages vom 21./24. August 1998, der unbefristet geschlossen wurde und erstmals zum 31. Dezember 2003 kündbar sein sollte, die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit des Telekommunikationsunternehmens A als Bestellerin nach § 649 Satz 1 BGB erkennbar abbedungen. Dem entsprechend hatte sich etwa auch das Telekommunikationsunternehmen A für die von ihm ausgesprochene Kündigung nicht auf § 649 Satz 1 BGB berufen, sondern für sich eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit reklamiert.

Gegen eine eigenständige, substantielle Verzichtsentscheidung spricht im Falle der Antragstellerin aber dass bei summarischer Prüfung zweifelhaft erscheint, dass es ihr möglich gewesen sein sollte, auf dem Kooperationsvertrag vom 21./24. August 1998 zu bestehen und die ihr dadurch vermittelten Rechte durchsetzen zu können. So erscheint es schon grundsätzlich ausgeschlossen, Rechte aus einem Vertrag, der die Planung und den Aufbau eines neuartigen Betriebssystems zu Gegenstand hat und dessen mit ihm angestrebter wirtschaftlicher Erfolg daher nur über eine vertrauensvolle, konstruktive Zusammenarbeit erreichbar ist, über eine gerichtliche Auseinandersetzung verwirklichen zu wollen. Aber auch ansonsten kann nicht angenommen werden, dass die Antragstellerin das Vorhaben ohne das Telekommunikationsunternehmen A gegebenenfalls in anderer Weise hätte durchführen können. Denn das Telekommunikationsunternehmen A hatte im Verhältnis zur Antragstellerin die weitaus größere Wirtschaftskraft und verfügte vor allem über die technischen Ressourcen, um dem Entwicklungsprojekt zum Durchbruch zu verhelfen. So dürfte die Antragstellerin nicht ohne Grund im Rahmen der späteren Aufhebungsvereinbarung darauf gedrungen haben, für bestimmte Zeit neben einer Heranführungsleitung noch bestimmte Übertragungskapazitäten weiternutzen zu können und entsprechendes technisches Equipment übertragen zu erhalten. Unter diesen Umständen musste sich die Antragstellerin notgedrungen auf die Kündigung des Telekommunikationsunternehmens A und damit auf die Beendigung der eigentlichen Vertragsbeziehung einlassen. Dem entspricht, dass sie es entgegen ihrer ursprünglichen Absicht unterlassen hatte, die Kündigung vor dem Landgericht zum Gegenstand eines Klageverfahrens zu machen und das Telekommunikationsunternehmen A auf Vertragserfüllung in Anspruch zu nehmen. Ist indes die weitere Vertragserfüllung einer Vertragspartei unmöglich geworden (hierzu: Finanzgericht - FG - Baden-Württemberg , Urteil vom 7. November 2006 1 K 15/04, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2007, 454; Beschluss vom 26. November 2008 - 1 V 1652/07 - Rz. 22, zitiert nach [...]; Beschwerde anhängig beim BFH zum Az. V B 156/08) oder kommt eine Vertragsdurchführung aus anderen Gründen nicht mehr in Betracht, hat die Festlegung daran anschließender gegenseitiger Ausgleichsleistungen das Gepräge einer nicht umsatzsteuerpflichtigen Entschädigungsleistung (ebenso: FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. November 2008 - 1 V 1652/07 - a.a.O.. Rz. 22). Insofern kann nicht mehr davon gesprochen werden, die Antragstellerin mit dem Vergleich vom 19. Januar 2001 über die ihr durch den vorangegangenen Kooperationsvertrag vermittelte Rechtsposition disponiert und sie unmittelbar dazu ausgenutzt habe, sie im Rahmen eines entgeltlichen Vertrages zu vermarkten. Vielmehr ist die Vergleichsvereinbarung vom 19. Januar 2001 dahin aufzufassen, dass sich die Antragstellerin mit ihr ins Unvermeidliche gefügt, durch diese einvernehmliche Regelung zugleich aber immerhin bewirkt hatte, eine möglichst weitreichende Entschädigung erlangen zu können.

Überdies ist - wie ausgeführt - noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt, welche Auswirkung die bezeichnete Entscheidung des EuGH (Urteil vom 18. Juli 2007 - Rs. C- 277/05 -) auf die umsatzsteuerliche Würdigung von Vertragsaufhebungen hat.

Schließlich sprechen die erörterten Zweifel dafür, dass eine Vollziehung des angefochtenen Bescheids unbillig wäre. Dass die Antragstellerin unter Berücksichtigung der von ihr vorgelegten Unterlagen in Höhe der streitigen Umsatzsteuerbeträge kreditwürdig wäre, erscheint fernliegend. Demzufolge wäre die Antragstellerin nach Aktenlage bei Zurückweisung des Aussetzungsantrags insolvenzreif.

Das Gericht hat in entsprechender Anwendung von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Beschwerde zugelassen. Es fehlt an einer neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, ob und unter welchen einzelnen Voraussetzungen Abgeltungsvereinbarungen als umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen oder aber als nicht umsatzsteuerbare Entschädigungen einzuordnen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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