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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 14.08.2007
Aktenzeichen: 8 K 3091/04 B
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 21 Abs. 2
EStG a.F. § 52 Abs. 21 S. 2
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

8 K 3091/04 B

Einkommensteuer 1999 bis 2002

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 8. Senat -

ohne mündliche Verhandlung

am 14. August 2007

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ..., den Richter am Finanzgericht ... und die Richterin am Finanzgericht ... sowie die ehrenamtliche Richterin Frau ... und die ehrenamtliche Richterin Frau ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Kläger sind Eigentümer eines in der D...straße ... belegenen bebauten Grundstücks. In den Streitjahren vermieteten die Kläger das Erd- und Obergeschoss des Hauses; das Dachgeschoss nutzten die Kläger zu eigenen Wohnzwecken. In ihrer Einkommensteuererklärung für 1998 erklärten die Kläger hinsichtlich dieses Grundstücks Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Dabei erklärten die Kläger im Hinblick auf § 21 Abs. 2 in Verbindung mit § 52 Abs. 21 Satz 2 Einkommensteuergesetz alter Fassung - EStG - auch für die selbstgenutzte Wohnung im Dachgeschoss Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und dementsprechend einen Mietwert für die eigengenutzte Wohnung als Einnahmen bei diesen Einkünften. In den Steuererklärungen für die Streitjahre 1999 bis 2002 erklärten die Kläger für das Grundstück D...straße ... weiterhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Auf die entsprechenden Anlagen V zu den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1998 bis 2002 wird Bezug genommen.

Im Jahr 2003 teilten die Kläger dem Beklagten mit, in den erklärten Einnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks D...straße ... sei auch der Mietwert für die eigengenutzte Wohnung und seien die auf diese Wohnung entfallenden anteiligen Werbungskosten enthalten. Die Kläger beantragten insoweit, die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung - AO - zu ändern. Zur Begründung führten die zuvor steuerlich nicht beratenen Kläger an, ihrem Berater sei diese Tatsache bei der Überprüfung der Steuererklärungen aufgefallen. Sie, die Kläger, hätten die Steuererklärungen im Rahmen ihrer persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erstellt. Ein Verschulden liege zudem nicht vor, da der Beklagte seine Ermittlungspflicht verletzt habe. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies der Beklagte als unbegründet zurück.

Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger ergänzend vor, die Erläuterungen zur Anlage V im Jahr 1999 seien missverständlich gefasst. Außerdem sei der Hinweis auf den Wegfall der Nutzungswertbesteuerung für den steuerrechtlichen Laien nicht geeignet, die zutreffenden rechtlichen Folgerungen zu treffen. Ferner könne ihnen, den Klägern, nicht vorgeworfen werden, dass sie die Hinweise in den Vordrucken und Merkblättern der Finanzverwaltung nicht beachtet oder fehlinterpretiert hätten. Des Weiteren habe der Beklagte seine Ermittlungspflichten verletzt. Es sei offenkundig gewesen, dass in den nach 1998 erklärten Mieteinnahmen der Mietwert der eigengenutzten Wohnung enthalten war.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

unter Aufhebung der ablehnenden Verfügung vom 19. November 2003 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 4. März 2004 den Beklagten zu verpflichten, die Bescheide über Einkommensteuer für 1999 vom 14. September 2000, für 2000 vom 8. August 2001, für 2001 vom 21. August 2002 und für 2002 vom 16. Juni 2003 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Grundstück D...straße ... um DM ... ,-(1999), um DM ... ,-(2000), um DM ... ,( 2001) und um DM ... ,-(EUR ... ,-; 2002) gemindert werden,

sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung seines Antrags auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO - ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die ablehnende Verfügung und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 101 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Kläger haben keinen Anspruch auf Änderung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.

Nach der vorstehenden Vorschrift sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen erst nachträglich bekannt werden.

Dem Beklagten ist die Tatsache, dass in den erklärten Mieteinnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks D....traße ... der Mietwert der eigengenutzten Wohnung sowie die entsprechenden anteiligen Werbungskosten enthalten waren, erst nach Schlusszeichnung der jeweiligen Eingabebögen und damit nachträglich bekannt geworden. Diese Tatsache führt auch zu einer niedrigeren Steuer, da sich die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den Streitjahren entsprechend verminderten.

Allerdings trifft die Kläger ein grobes Verschulden daran, dass diese Tatsache nachträglich bekannt wurde. Grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden einer Tatsache setzt Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und nicht entschuldbarer Weise verletzt. Subjektiv entschuldbare Rechtsirrtümer, die zu einem nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geführt haben, schließen danach eine grobe Fahrlässigkeit aus.

Zwar besteht keine allgemeine Rechtspflicht, vor dem Ausfüllen der Steuererklärungen fachkundigen Rat einzuholen. Deshalb begründen allein mangelnde steuerrechtliche Kenntnisse eines Steuerpflichtigen ohne einschlägige Ausbildung kein grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Der Steuerpflichtige muss aber den sich bei dem Ausfüllen von Steuererklärungen aufdrängenden Zweifelsfragen nachgehen und die den Steuererklärungsformularen beigefügten Erläuterungen mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt lesen. Allerdings müssen auch die Erläuterungen für einen steuerlichen Laien ausreichend verständlich, klar und eindeutig sein (vergleiche: Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 23. Januar 2001 - XI R 42/00, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 194, 9, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2001, 379 [380]). Auf dieser Grundlage hätten die Kläger erkennen müssen, dass sie seit dem Jahr 1999 hinsichtlich der eigengenutzten Wohnung keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mehr erzielten und dementsprechend auch nicht erklären mussten. Diese Folgerung hätte sich den Klägern bereits aus dem Steuererklärungsvordruck, der hinsichtlich der eigengenutzten Wohnung entscheidend von den Vordrucken der Vorjahre abwich, aufdrängen müssen. Denn in der Anlage V des Jahres 1998 folgte auf die Zeile 2, die ausdrücklich die Mieteinnahmen für tatsächlich vermietete Wohnungen betraf, eine eigenständige Zeile (Zeile 8), die die Besteuerung des Mietwerts der eigengenutzten Wohnung betraf. In dieser Zeile war ausdrücklich der "Mietwert bei Nutzungswertbesteuerung" als Einnahme anzusetzen. Hingegen waren in der Anlage V für die Jahre ab 1999 nur noch die Mieteinnahmen für tatsächlich vermietete Wohnungen einzutragen (Zeile 3). Zudem musste in der Zeile 2 der Anlage V die Fläche, die auf den eigengenutzten oder unentgeltlich an Dritte überlassenen Wohnraum entfiel und die von der Klägern nicht ausgefüllt worden war, angegeben werden. Ferner waren in der Anlage V ab 1999 Angaben zum Mietwert der eigengenutzten Wohnung nicht mehr zu machen. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Nutzungswertbesteuerung für die eigengenutzte Wohnung mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1987 weggefallen war. Nur in den besonderen Ausnahmefällen der sogenannten großen Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG galt die Nutzungswertbesteuerung fort. Vor diesem Hintergrund musste den Klägern jedenfalls bekannt sein und hätten die Kläger eingehend prüfen müssen, weshalb in der Anlage V ab 1999 ein Mietwert für die eigengenutzte Wohnung nicht mehr zu erklären war. Den Klägern hätte sich deshalb aufdrängen müssen, dass sich ab dem Veranlagungszeitraum 1999 die Rechtslage geändert hatte. Dementsprechend hätten die Kläger auch der Frage nachgehen müssen, ob ein Mietwert für die eigengenutzte Wohnung weiterhin zu erklären war. Indem die Kläger es unterlassen haben, diese Frage zu prüfen, haben sie grob fahrlässig gehandelt.

Die Kläger können sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, die Erläuterungen in der Anleitung zu der Anlage V seien missverständlich. Vielmehr ergibt sich aus diesen Erläuterungen, dass eine Besteuerung für eigengenutzte Wohnungen ab 1999 nicht mehr vorzunehmen ist. Dementsprechend wird in den Erläuterungen in der Anleitung zur Anlage V auch darauf hingewiesen, dass nur in den Fällen, in denen ausschließlich für eigene Wohnzwecke genutzte Wohnungen vorliegen, keine Anlage V auszufüllen ist. Deshalb konnten die Kläger aus diesen Ausführungen nur folgern, dass sie eine Anlage V für das Grundstück D...straße ... abgeben mussten. Dass sie aber einen Mietwert für die eigengenutzte Wohnung weiterhin erklären mussten, ergibt sich aus den Erläuterungen gerade nicht.

Der Beklagte ist auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, die Einkommensteuerbescheide wegen der neuen Tatsachen nach § 173 Abs.1 Nr. 2 AO zu ändern. Dabei kann das Gericht dahingestellt sein lassen, ob der Grundsatz von Treu und Glauben im Hinblick auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflichten auch im Anwendungsbereich des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gilt. Denn jedenfalls braucht das Finanzamt eindeutigen Steuererklärungen nicht mit Misstrauen zu begegnen; es kann regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen. Nur wenn sich Unklarheiten oder Zweifelsfragen aufdrängen, ist das Finanzamt zum Tun verpflichtet (siehe auch: BFH, Urteil vom 3. Juli 2002 - XI R 17/01, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2003, 137 [138], m.w.N.). Insbesondere im Hinblick darauf, dass die Kläger die Zeile 2 in den Anlagen V betreffend die Fläche, die auf den eigengenutzten oder unentgeltlich an Dritte überlassenen Wohnraum entfiel, nicht ausgefüllt hatten, konnte und durfte der Beklagte davon ausgehen, dass es sich bei den erklärten Mieteinnahmen um die tatsächlich erzielten Mieteinnahmen handelte. Daher durfte der Beklagte auch davon ausgehen, dass die erklärten Werbungskosten ausschließlich mit den erklärten Mieteinnahmen zusammenhingen.

Im Übrigen wäre nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes ein Anspruch auf Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nur anzunehmen, wenn nur die Finanzbehörde die Unrichtigkeit des Steuerbescheids zu verantworten hat (ebenso für § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO: BFH, Urteil vom 12. Juli 2001 - VII R 68/00, BFH/NV 2002, 84). Dies ist indessen vorliegend nicht der Fall. Vielmehr beruhte die unzutreffende Veranlagung der Kläger auf deren fehlerhaften Steuererklärungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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