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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin
Urteil verkündet am 01.06.2005
Aktenzeichen: 2 K 2483/02
Rechtsgebiete: BewG


Vorschriften:

BewG § 22 Abs. 3
BewG § 85
BewRGr Abschn. 38
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin ist Erbbauberechtigte eines im Sachwertverfahren bewerteten Geschäftsgrundstücks, auf dem sich ein an die vermietetes Bürogebäude bestehend aus fünf Etagen (i. F. Bauteil 2) und ein unterirdischer Keller- und Tiefgaragenbereich (i. F. Bauteil 1) befindet. Der Bauteil 1 ist zweigeschossig und erstreckt sich auch unter der hinter dem Bauteil 2 befindlichen Hoffläche, sodass seine Grundfläche in etwa doppelt so groß ist wie des Bauteils 2. Rund ein Viertel der Fläche des Bauteils 1 entfällt auf Lagerräume nebst zugehöriger Verkehrsfläche. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf die bei den Einheitswertakten befindlichen Baupläne sowie auf Bl. 90 f. Einheitswertakte I (wegen der Ausstattung der Bauteile) Bezug. Der Beklagte, der den Bauteil 1 auf den 1. Januar 1994 zunächst als Tiefgaragen (Gebäudeklasse 8.62 der Anlage 15 zu Abschnitt 38 der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens -BewRGr-) mit einem Raummeterpreis von 66,00 DM bewertet und hierfür einen Einheitswert von 261 091 DM festgestellt hatte, bewertete diesen auf den 1. Januar 2000 im Wege der fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung (§ 22 Abs. 3 Bewertungsgesetz -BewG-) nunmehr mit dem Raummeterpreis des Bauteils 2 in Höhe von 135,00 DM (Gebäudeklasse 7.3 der Anlage 15 zu Abschnitt 38 BewRGr - Bank-, Versicherungs-, Verwaltungsgebäude, gute Ausstattung -) und stellte den Einheitswert für den Bauteil 1 mit Bescheid vom 17. November 2000 nunmehr in Höhe von 490 480 DM fest.

Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch trug die Klägerin vor: Zwar sei in der Anlage 15 zu Abschnitt 38 BewRGr vorgesehen, dass die für das Gebäude anzusetzenden Raummeterpreise auch für die Keller gelten sollten; derartige Kellerräume seien jedoch nicht mit großflächigen Tiefgaragen gleichzusetzen. Bei zwei Vergleichsobjekten in Berlin sei die eines Bürogebäudes am xxxxxxxxxxx in die Gebäudeklasse 8.62 eingeordnet und mit habe die unter dem Gebäude der liegende Tiefgarage in die Gebäudeklasse 8.61 eingestuft und mit 55,00 DM pro m bewertet. Auch im Bundesgebiet werde vergleichbar verfahren; so hätten die Finanzämter München und Köln-Ost die Tiefgarage eines Büro- und Verwaltungsgebäudes nach der Gebäudeklasse 8.61 mit 55,00 DM bzw. 60,00 DM pro m bewertet.

Im Übrigen gehe es nicht nur um die Einstufung in eine bestimmte Gebäudeklasse, sondern auch um die Bewertung der Höhe nach. Auch unter dem Aspekt der anteiligen Herstellungskosten sei nicht einsehbar, dass die Tiefgaragenflächen die gleiche Bewertung erfahren sollten wie die darüber liegenden kleinteiligen Büroflächenstrukturen. Dies stehe auch in Widerspruch zu maßgeblichen Kommentarmeinungen (z. B. Gürsching/Stenger, § 85 BewG, Rdz. 59).

Der Beklagte wies den Einspruch am 2. Dezember 2002 als unbegründet zurück und führte aus: Eine Bewertung mit dem Raummeterpreis der Gebäudeklasse 8.62 (Parkhäuser, Tiefgaragen) komme nur in Betracht bei selbständiger Nutzung, etwa bei Grundstücken, die ausschließlich als Garagengrundstücke genutzt würden und die als eigenes unterirdisches Gebäude, das statisch, bautechnisch und funktionell in keinem Zusammenhang mit einem ggf. aufstehenden Gebäude-(teil) steht, anzusehen seien. Im Streitfall handele es sich jedoch um einen Keller des aufstehenden Gebäudes. Für nicht selbständig genutzte Tiefgaragen würden grundsätzlich keine Gebäudeklassen aufgeführt, sie seien nach den Vorbemerkungen der Anlagen 14 und 15 als (Gebäude-) Keller mit dem niedrigsten Raummeterpreis des aufstehenden Gebäudes zu bewerten [vgl. auch Runddruck vom 11. Juni 1997 xxxxxxxxxx (1964) und Runddruck vom 26. Oktober 2000, xxxxxxxxxx (1964)].

Die Angabe, dass vergleichbare Grundstücke anders bewertet worden seien, treffe nicht zu. Das von der Klägerin angeführte Grundstück in xxxxxxxxxxxxxx könne nicht als Vergleichsgrundstück herangezogen werden, da sich dort gegenüber der Bewertung auf den 1. Januar 1994 die Nutzung geändert habe. Ermittlungen bei anderen Oberfinanzdirektionen (München und Düsseldorf) hätten ergeben, dass dort ebenso verfahren werde. Bei den weiterhin beispielhaft übersandten Einheitswertbescheiden zur Bewertung von Bürogebäuden in Erfurt, München, Chemnitz und Köln ( xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx 7, 13, 16, 19) könne es sich entweder um Grundstücke mit eigenständigen Tiefgaragengebäuden oder um fehlerhafte Einzelfallentscheidungen der jeweiligen Finanzämter handeln; die überlassenen Unterlagen reichten nicht zu einer Überprüfung der jeweiligen Einzelfälle.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage wiederholt und vertieft die Klägerin ihre Ausführungen im Einspruchsverfahren und weist darauf hin, dass der im Untergeschoss liegende Gebäudeteil "Tiefgarage" eigenständig und selbständig zum Abstellen von Pkw und nicht als Keller zu den darüber liegenden Büroflächen genutzt werde und dass eine Bewertung als Keller zu unzutreffend hohen Wertansätzen führe.

Die Klägerin beantragt,

abweichend von dem Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 2000 vom 17. November 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2002 den Einheitswert auf 1 563 300 DM herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

da er sie unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung für unbegründet hält.

Dem Gericht haben zwei Bände Einheitswertakten zur Steuernummer xxxxxxxx vorgelegen.

Gründe

Die Klage ist in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang begründet, da der Einheitswert für den Bauteil 1 aus nachfolgend dargelegten Gründen herabzusetzen ist; im Übrigen ist sie unbegründet.

Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass das Gebäude im Sachwertverfahren zu bewerten ist (vgl. Abschnitt 16 Abs. 6 BewRGr - Grundstück mit größeren Verwaltungsgebäuden/für Versicherungsunternehmen -). Bei der Bewertung eines Grundstücks im Sachwertverfahren ist vom Bodenwert, vom Gebäudewert und vom Wert der Außenanlagen auszugehen (§ 83 Satz 1 BewG). Dieser Ausgangswert ist durch Anwendung einer Wertzahl an den gemeinen Wert anzugleichen (§ 83 Satz 2, § 90 Abs. 1 BewG). Für die Ermittlung des Gebäudewerts ist zunächst ein Wert auf der Grundlage von durchschnittlichen Herstellungskosten nach den Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 zu errechnen (§ 85 Satz 1 BewG). Dieser Wert ist nach den Baupreisverhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) umzurechnen (§ 85 Satz 2 BewG). In den Anlagen 14 und 15 zu Abschn. 38 BewRGr sind für unterschiedliche Gebäudeklassen Raummeterpreise festgelegt, die auf den Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 beruhen und durch Anwendung des für den Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 maßgeblichen Bauindexes auf die Baupreisverhältnisse in diesem Zeitpunkt umgerechnet sind. Diese den einzelnen Gebäudeklassen zugeordneten Durchschnittswerte sind zur Gewährleistung einer möglichst gleichmäßigen Bewertung grundsätzlich anzuwenden, weil ihr Ansatz dem Zweck des Sachwertverfahrens dient, das in seinen Grundzügen auf die Bewertung von bebauten Grundstücken mit einem typisierenden gemeinen Wert ausgerichtet ist; hieraus folgt die Maßgeblichkeit der Gebäudeklasseneinteilung jedenfalls für den Regelfall (vgl. Bundesfinanzhof -BFH-, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1981, 643; BFH, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH, -BFH/NV- 1992, 371, 372). Soweit die BewRGr für die Abgrenzung der verschiedenen Gebäudeklassen voneinander Vorgaben machen, sind diese daher der Beurteilung zugrunde zu legen.

Nach der Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr gelten die für das Gebäude anzusetzenden Raummeterpreise auch für die Keller, und zwar ist dann vom niedrigsten, angesetzten Raummeterpreis auszugehen. Im Streitfall hat der Beklagte für den Bauteil 2 die Gebäudeklasse 7.3 (Bank-, Versicherungs-, Verwaltungsgebäude, gute Ausstattung) unter Bildung eines Mittelwertes (Raummeterpreis 135,00 DM) angesetzt, ohne dass dies von der Klägerin beanstandet worden wäre. Nach der Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr wäre für den Bauteil 1 ebenfalls dieser Raummeterpreis anzusetzen. Die Voraussetzungen, für den Bauteil 1 eine von den BewRGr abweichende Gebäudeklasseneinteilung vorzunehmen, liegen im Streitfall nicht vor. Die Einteilung in die unterschiedlichen Gebäudeklassen ist zwar prinzipiell nicht abschließend (BFH, BStBl II 1988, 935; BStBl II 1981, 643; BFH/NV 1992, 371, 372). Zur Gewährleistung einer möglichst gleichmäßigen Besteuerung, der Rechtssicherheit und der Praktikabilität des Bewertungsverfahrens sind aber Abweichungen von der Gebäudeklasseneinteilung der BewRGr beschränkt auf diejenigen Fälle, in denen die nach der Gebäudeklasseneinteilung maßgeblichen Durchschnittswerte bedeutsame Eigenschaften (z.B. hinsichtlich Bauart, Bauweise, Konstruktion sowie Objektgröße) nicht ausreichend berücksichtigen und die Abweichung zwischen den Durchschnittswerten nach den BewRGr und dem nach den tatsächlichen durchschnittlichen Herstellungskosten vergleichbarer Bauwerke ermittelten Gebäudenormalherstellungswert außerhalb jeder bei Durchschnittswerten üblichen und noch vertretbaren Toleranz liegt (BFH, BStBl II 1981, 643). Die Klägerin behauptet zwar eine derartige Diskrepanz, ohne jedoch konkrete Angaben zu den tatsächlichen durchschnittlichen Herstellungskosten vergleichbarer Bauwerke zu machen.

Das Gericht folgt daher nicht der Auffassung der Klägerin, dass für den Bauteil 1 die Gebäudeklasse 8.6 (Parkhäuser - Tiefgaragen) einschlägig sei. Dies würde voraussetzen, dass es sich um ein selbständig genutztes Parkhaus handelt (vgl. auch die Verfügungen der OFD"en Freiburg, Karlsruhe, Stuttgart vom 20.8.1971 und den Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 13.5.1971, Deutsche Steuer-Zeitung 1971, 434 und Finanz-Rundschau 1971, 345). Vergleichbare Erwägungen liegen auch den - gleichlautenden - Erlassen der obersten Finanzbehörden der neuen Länder vom 24.11.1992 (BStBl I 1992, 725) zugrunde, in denen - für Garagengrundstücke - ausgeführt wird, dass dies nur solche sind, auf denen sich - fast - ausschließlich Garagen befinden. Mitentscheidend ist im Streitfall aber vor allem der Umstand, dass der Bauteil 1 ausweislich der Grundrisse von der Klägerin nicht ausschließlich als Garage, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil als Lager bzw. als Aktenkeller genutzt wurde.

Das Gericht ist gleichwohl der Auffassung, dass der vom Beklagen angesetzte Raummeterpreis von 135,00 DM für den gesamten Bauteil 1 unter Berücksichtigung seiner baulichen Beschaffenheit zu einem unzutreffend hohen Einheitswert führt. Zum einen erfasst die für das aufstehende Gebäude jeweils anzusetzende Gebäudeklasse eine derartige - heute häufig anzutreffende - Nutzung von Kellerräumen als Tiefgarageneinstellplätze nicht und es kann schon von daher zu einer Überbewertung dieser Einstellplätze kommen (Bedenken auch bei Rössler/Troll, BewG, § 85 Tz. 43). Vor allem aber ist der Bauteil 1 im Verhältnis zum Bauteil 2 sehr groß, denn es handelt sich - anders als bei üblichen Kellerräumen - um zwei Untergeschosse, die zudem über die Fläche der Obergeschosse hinaus ragen. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass ein Keller dieser Größe in den Raummeterpreisen für das Bauteil 2 eingepreist ist. Vielmehr ist gemäß Abschn. 37 Abs. 2 Nr. 3 BewRGr für den Bauteil 1 ein eigenständiger Raummeterpreis innerhalb der Gebäudeklasse 7 zu ermitteln und gemäß Abs. 4 der Vorbemerkung zu Anlage 14 Teil B der Sachwertermittlung zugrunde zu legen. Im Übrigen können die Raummeterpreise trotz ihrer grundsätzlichen Anwendbarkeit keine rechtsverbindliche Kraft entfalten und sieht der Richtliniengeber selbst die Einteilung in Gebäudeklassen sowie in die dort festgelegten Raummeterpreise nicht als abschließend an (vgl. die ausdrückliche Anweisung in Anlage 14, Teil B, Vorbemerkung Abs. 2, letzter Satz). Das Gericht hat daher für die Bewertung des Bauteils 1 einen Zwischenwert innerhalb der Gebäudeklasse 7 nach überwiegend einfacher Ausstattung ermittelt, und zwar:

 6 Anteile einfache Ausstattung (Mittelwert)67, 50 DM= 405,00 DM
2 Anteile mittlere Ausstattung (Mittelwert)100,00 DM= 200,00 DM
1 Anteil gute Ausstattung (Mittelwert)140,00 DM= 140,00 DM
  = 745,00 DM
: 9 = abgerundet 82,00 DM.

Hiernach ist der Einheitswert für den Bauteil 1 vermindert auf 318 707,00 DM festzustellen.

Das Gericht hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-zugelassen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3, 151, 155 FGO, §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung -ZPO-.

Ende der Entscheidung

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