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Gericht: Finanzgericht Berlin
Urteil verkündet am 25.01.2006
Aktenzeichen: 6 K 6319/05
Rechtsgebiete: KraftStG


Vorschriften:

KraftStG § 2 Abs. 2 S. 1
KraftStG § 2 Abs. 2 S. 2
KraftStG § 8 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist - erneut - die Zuordnung des Fahrzeugs des Klägers als Pkw oder als Lkw für die Bemessung der Kraftfahrzeugsteuer. Mit Urteil vom 22. Oktober 2002 hat der seinerzeit zuständige 4. Senat des Finanzgerichts Berlin die Klage abgewiesen, da der Beklagte mit Recht das Fahrzeug als PKW besteuert hat (4 K 4353/01); mit Beschluss vom 11. März 2003 ist die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen worden (VII B 356/02).

Der Kläger ist seit 1990 Halter des VW Kleinbusses - Baureihe 253 - mit dem polizeilichen Kennzeichen xxx. Das Fahrzeug wird von einem Otto-Motor angetrieben, der Hubraum beträgt 2.095 ccm und die Höchstgeschwindigkeit 141 Km/h. Dieses rundum verglaste Fahrzeug ist ausweislich der sich in der Steuerakte befindlichen Fahrzeugpapiere werkseitig ausgeliefert worden als "Pkw-Kombi geschlossen mit 8 Sitzplätzen". In Zusammenhang mit der Erstzulassung am 14. Juli 1989 (auf die Ehefrau des Klägers) sind an dem Fahrzeug zuvor folgende Umbauten vorgenommen und am 13. Juli 1989 im Fahrzeugbrief eingetragen worden: hintere Sitzbänke entfernt, Befestigungspunkte verschweisst. Dementsprechend verringerte sich die Anzahl der Sitzplätze auf 3, die Nutzlast erhöhte sich von 432 Kg auf 785 Kg, das Leergewicht erhöhte sich von 1395 Kg auf 1410 Kg und die Aufbauart wurde nunmehr bescheinigt als "Lkw geschl. Kasten". Nach den Feststellungen im Urteil vom 22. Oktober 2002 (4 K 4353/01) verfügt das Fahrzeug nur über eine halb hohe Trennwand zwischen Fahrgast- und Laderaum, die kurz unterhalb der Oberkante der Vordersitze endet; auf Nachfrage hat der Kläger mitgeteilt, dass sich an diesem Zustand bis heute nichts verändert hat.

Mit seinem Einspruch vom 08. August 2005 wendet sich der Kläger gegen den Kfz-Steuerbescheid vom 12. Juli 2005, mit dem die Steuer unter Zugrundelegung der Fahrzeugart Pkw festgesetzt wurde. Zur Begründung ist vorgetragen, das Fahrzeug sei ausweislich der Fahrzeugpapiere ein Lkw und müsse auch dementsprechend versteuert werden. Die Entscheidung des Finanzgerichts sei rechtswidrig, unschlüssig und teilweise dümmlich.

Mit Einspruchsentscheidung vom 11. August 2005 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung ist unter anderem ausgeführt: für das streitgegenständliche Fahrzeug sei festzustellen, dass die Anzahl der Sitzplätze (3), die Größe und Gestaltung der Ladefläche, die Zuladungsmöglichkeit bzw. die Größe der Ladefläche bzw. die Größe des Laderaums im Verhältnis zum Fahrgastraum sowie der Umstand, dass die Einbauvorrichtungen für die hinteren Sitze und Sicherheitsgurte dauerhaft entfernt worden seien, für eine vorwiegende Eignung und Bestimmung des Kraftfahrzeugs zu Transportaufgaben spreche.

Allerdings würden die reinen Transportfahrzeuge im Unterschied zum streitgegenständlichen Fahrzeug, welches ursprünglich als Pkw-Kombi zum wahlweisen Transport von bis zu 8 Personen oder von Gütern ausgeliefert worden sei, in der Regel nicht über eine Rundumverglasung des Laderaums, aber stets über eine feste Trennwand zwischen Führerhaus und Laderaum verfügen.

Die Anerkennung des streitgegenständlichen Fahrzeugs scheitere an einer durchgehend geschlossenen Trennwand zwischen Führerhaus und Laderaum. Eine solche Trennwand sei unverzichtbar, weil nur so ein wirksamer Schutz gegen das Eindringen von Gütern in den Fahrgastraum und damit eine Verletzungsgefahr des Fahrers und Beifahrers verhindert werden könne. Diese Einschätzung entspreche der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 01.08.2000, VII R 26/99, BStBl. II 2001, 72,75) und der für die Kraftfahrzeugbesteuerung zuständigen Senate des Finanzgerichts Berlin sowie der Ansicht der Kommentarliteratur (vgl. Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer-Kommentar, 36. Aktualisierung 2003, § 8, Rz. 17).

Da es somit an einem wesentlichen und unverzichtbaren Merkmal für die Einstufung des streitgegenständlichen Fahrzeugs als Lkw fehle, könne auch eine Gesamtbetrachtung, wie sie der BFH grundsätzlich fordere, nicht zu einer anderen Entscheidung führen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der fristgerecht erhobenen Klage. Er macht geltend, er habe den Wagen seinerzeit als Lkw bestellt. Mit ihm würden bis heute ausschließlich Lasten befördert. Die Rundumverglasung habe er aus Verkehrssicherheitsgründen gewählt. Die Einsehbarkeit sei im Übrigen ein Einbruchsschutz. Sein Wagen verfüge anders als ein Pkw über eine höhere Zuladung. Eine durchgehende Trennwand sei ebenso wenig notwendig wie eine Verblechung der Fenster. Für das Erfordernis einer bis zur Decke reichenden Trennwand gäbe es weder eine Verordnung noch ein Gesetz, die dieses begründeten. Ob und wie Lasten in Kraftfahrzeugen transportiert werden dürfen, sei in der StVO bzw. StVZO genau geregelt; deshalb sollte die verkehrsrechtliche Beurteilung ausschließlich den zuständigen Stellen überlassen bleiben, die über die notwendigen Fachkenntnisse verfügen würden.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer vom 12. Juli 2005 für das Fahrzeug mit dem pol. Kennzeichen xxxxxxxxx in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. August 2005 dahin zu ändern, dass eine Besteuerung als Lkw erfolgt.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist darauf, dass das Fahrzeug des Klägers zu einem Basismodell gehöre, das sowohl als Pkw wie auch als Lkw ausgerüstet werden könne. Bei dem Wagen des Klägers scheitere eine Einordnung als Lkw weiterhin daran, dass es über keine geschlossene Fahrerkabine verfüge, da die Trennwand nicht bis zur Decke reiche. Dies aber sei unverzichtbar.

Die das Fahrzeug des Klägers betreffende Kraftfahrzeugsteuerakte sowie die Verfahrensakte des Finanzgerichts Berlin zum Akt.-Z.: 4 K 4353/01 haben dem Gericht vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der vom Kläger angefochtene Bescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Beklagte hat das seit Ergehen des rechtskräftig gewordenen Urteils des Finanzgerichts Berlin vom 22. Oktober 2002 unverändert gebliebene Fahrzeug des Klägers mit dem polizeilichen Kennzeichen xxxxxxxxx weiterhin zutreffend als Pkw und nicht als Lkw besteuert.

Der 4. Senat des Finanzgerichts Berlin hat in den Gründen seiner Entscheidung ausgeführt:

"Nach den gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz -KraftStG- maßgebenden verkehrsrechtlichen Vorschriften sind "Personenkraftwagen" nach Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Personen bestimmte Kraftfahrzeuge mit nicht mehr als acht Fahrgastplätzen, ferner die so genannten Kombinationskraftwagen, die geeignet und bestimmt sind, wahlweise vorwiegend der Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen (§ 23 Abs. 6 a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung -StVZO -). Lkw, also andere Fahrzeuge im Sinne des § 8 Nr. 2 KraftStG, sind Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern bestimmt sind. Für die Unterscheidung, ob ein Pkw oder ein Lkw vorliegt, ist die Einstufung durch die Verkehrsbehörde für die Bemessung der Kraftfahrzeugsteuer nicht bindend. Wie aus dem Umkehrschluss aus § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG zu folgern ist, kommt der Beurteilung durch die Kraftverkehrsbehörde keine Verbindlichkeit zu. Die Verkehrsbehörden verfügen nämlich, anders als bei rein technischen Fragen, insoweit nicht über eine besondere, gegenüber dem Finanzamt überlegene Sachkunde. Außerdem gebieten die öffentlichen Interessen, die die Finanzämter zu wahren haben, bei der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Beurteilung eine strenge Prüfung (Bundesfinanzhof -BFH- in Bundessteuerblatt -BStBl- II 2001, 72, 74 linke Spalte).

Ob ein Personen-, ein Kombinations- oder Lastkraftwagen vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH anhand von Bauart und Einrichtung des Fahrzeuges zu beurteilen. Dabei ist die objektive Beschaffenheit des Fahrzeuges unter Berücksichtigung aller Merkmale in ihrer Gesamtheit zu bewerten. Zu berücksichtigen sind z. B. die Zahl der Sitzplätze, die erreichbare Höchstgeschwindigkeit, die Größe der Ladefläche, die Ausstattung des Fonds mit Sitzen und Sicherheitsgurten oder für deren Einbau geeigneten Befestigungspunkten, ferner das Fahrgestell, die Motorisierung und die Gestaltung der Karosserie. Zur objektiven Beschaffenheit eines Fahrzeuges hat der BFH weiter auf das Vorhandensein einer geschlossenen Fahrerkabine, also auf das Vorhandensein einer Trennwand und auf das äußere Erscheinungsbild abgestellt (BFH a. a. O., Urteil des Finanzgericht Berlin vom 26. September 2001, 4 K 4224/01).

Diese Grundsätze gelten auch bei Kleinbussen, sodass es auf die Konzeption des Herstellers nicht ankommt. Bei diesen Fahrzeugen handelt es sich nämlich um Basistypen, die so konzipiert sind, dass sie je nach Kundenwunsch als Pkw oder als Lkw ausgestattet werden können. In dem zitierten Urteil, das auf frühere entsprechende Entscheidungen zurückgreift, hat der BFH entschieden, dass Kleinbusse bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 2 800 kg, bei denen nur noch die Vordersitze benutzbar sind und die restliche Fahrzeugnutzfläche aus einer ebenen Blechladefläche besteht, als Lkw zu besteuern sind, wenn sie über eine Trennwand zwischen Ladefläche und Fahrgastraum verfügen, wenn also die Ladefläche gegen die Führerkabine abgeschlossen ist. Aus der Formulierung "abgeschlossene Ladefläche" ist zu folgern, dass zwischen Fahrgastraum und Ladefläche eine bis zur Decke reichende Trennwand vorhanden sein muss.

Im Streitfall weist das Fahrzeug gerade keine Trennwand zwischen Ladefläche und Fahrgastraum auf. Die vorhandene Trennwand ist vielmehr nur halb hoch, sodass von einer Führerkabine und von einer abgeschlossenen Ladefläche keine Rede sein kann. Dieses Merkmal ist auch deshalb unverzichtbar, weil nur so ein wirksamer Schutz gegen das Eindringen von transportierten Gütern in den Fahrgastraum und damit eine Verletzungsgefahr des Fahrers und mitfahrender Personen verhindert werden kann. Eine solche Schutzeinrichtung ist sogar bereits verkehrsrechtlich vorgeschrieben (vgl. § 30 Abs. 1 Nr. 2, 35 b StVZO). Da es vorliegend an einem wesentlichen, Lkw typischen Merkmal fehlt, kann auch eine Gesamtbetrachtung, wie sie der BFH grundsätzlich nahe legt, nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Denn nach dem äußeren Erscheinungsbild ist das Fahrzeug weder als typischer Pkw noch als typischer Lkw zu bezeichnen, macht vielmehr den typischen Eindruck eines Fahrzeuges, das zu beiden Zwecken eingesetzt werden kann. Demzufolge ist entscheidend auf das unverzichtbare Merkmal einer durchgehenden Trennwand abzustellen, die vorliegend fehlt.

Nach allem hat der Beklagte das Fahrzeug des Klägers zutreffend als Pkw besteuert, da es auf den Umstand, wie es der Kläger bestellt hat, und ob er es überwiegend oder ausschließlich zum Lastentransport verwendet, nicht ankommt."

Diese Entscheidung des 4. Senats hält der erkennende Senat bei unveränderter Sach- und Rechtslage für weiterhin zutreffend; das Vorhandensein einer Abtrennung zwischen Fahrgast- und Laderaum als Schutzvorrichtung für Fahrer und den bzw. die Beifahrer (ob als feste Trennwand oder Trenngitter oder Trennscheibe, mit oder ohne Durchgang zum Laderaum) ist - nicht nur in den sogen. Umbaufällen, sondern generell - ein wesentliches und unverzichtbares Merkmal für die Einstufung als Lkw; dies ergibt sich für den erkennenden Senat insbesondere schon aus der verkehrsrechtlichen Vorschrift des § 30 Abs. 1 Straßenverkehrszulassungsordnung - StVZO -. Danach müssen Fahrzeuge so gebaut und ausgerüstet sein, dass ihr verkehrsüblicher Betrieb niemanden schädigt oder mehr als unvermeidbar gefährdet, behindert oder belästigt (Nr. 1) und die Insassen insbesondere bei Unfällen vor Verletzungen möglichst geschützt sind und das Ausmaß und die Folgen von Verletzungen möglichst gering bleiben (Nr. 2). Fahrzeug- und Zubehörteile, gegen die die Fahrer bzw. Beifahrer prallen könnten, dürfen keine gefährliche Kanten, Spitzen oder Vorsprünge haben und müssen so beschaffen und angeordnet sein, dass Verletzungen nicht zu erwarten sind (vgl. Kirschbaum, Kommentar zur StVZO, Stand 01.05.2005, Anm. 8 zu § 30). Dieser auf die Bauart bezogene Schutz der Fahrzeuginsassen vor Verletzungsgefahren muss nach Ansicht des erkennenden Senats erst recht gelten, um bei den zum Lastentransport konzipierten sogen. Klein-Lkw das Eindringen von transportierten Gütern und Lasten in die Fahrerkabine zu verhindern; diese Verletzungsgefahr von Fahrer bzw. Beifahrer kann nur durch das Vorhandensein einer Schutzvorrichtung bzw. Abtrennung zwischen Lade- und Fahrgastraum ausgeschlossen werden. Dies gilt gleichermaßen für den zum Lastentransport umgebauten Klein-Bus des Klägers.

Darüberhinaus macht der Senat sich die Ausführungen des Beklagten in der Einspruchsentscheidung vom 11. August 2005 zu eigen und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Den Wert des Streitgegenstands hat das Gericht nach den §§ 52, 63 Gerichtskostengesetz -GKG n.F.- bestimmt.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil der Sache sowohl grundsätzliche Bedeutung zukommt und sie darüber hinaus der Fortbildung des Rechts dient (vgl. § 115 Abs. 2 FGO). Dem nunmehr allein für die Kfz-Steuer zuständigen 6. Senat des Finanzgerichts Berlin sind diverse Fälle bekannt geworden, in denen - abweichend von § 30 Abs. 1 StVZO - Fahrzeuge, insbesondere für den Lastentransport konzipierte sogen. Klein-Lkw, vom Hersteller werksseitig angeboten und in den Verkehr gebracht, zugelassen und durch die Finanzbehörde als Lkw besteuert wurden, die über keinerlei Schutzeinrichtung für Fahrer und Beifahrer verfügen. Der erkennende Senat hält diese zulassungsrechtliche Praxis und die sich daran anschließende steuerliche Einstufung als Lkw für derartige Fahrzeuge im Lichte des § 30 Abs. 1 StVZO für unzutreffend. Da der BFH in seinen früheren Entscheidungen (vgl. zuletzt Beschluss vom 22. Juli 2003, VII B 359/03, BFH/NV 2005, S. 79) bisher bewusst offen gelassen hat, ob für die Einordnung eines Fahrzeugs als Lkw eine vollständige Abtrennung zwischen dem Lade- und Fahrgastraum ein wesentliches und unverzichtbares Merkmal ist, bietet der vorliegende Rechtsstreit die Möglichkeit, insoweit eine Klärung herbeizuführen.

Ende der Entscheidung

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