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Gericht: Finanzgericht Berlin
Urteil verkündet am 09.03.2005
Aktenzeichen: 6 K 6351/02
Rechtsgebiete: GewStG


Vorschriften:

GewStG § 8 Nr. 1
GewStG § 12 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob Zinsaufwendungen der Klägerin als Dauerschuldzinsen im Rahmen von § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz -GewStG- zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin ist eine Personengesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, die den Groß- und Einzelhandel mit Getränken aller Art, vor allem Bier, betreibt. Während der Streitjahre 1992 bis 1996 schloss sie Verträge mit verschiedenen Brauereibetrieben ab, die überwiegend die gleiche Struktur aufweisen:

Der Brauereibetrieb gewährt der Klägerin ein verzinsliches Darlehen mit einer mehrjährigen Laufzeit. Die Darlehensmittel sollen dem Inventarkauf für bestimmte Gaststätten dienen. Außerdem verpflichtet sich die Klägerin gegenüber der Brauerei dazu, bestimmte Biersorten in einer jährlichen Mindestbezugsmenge für mehrere Jahre abzunehmen.

Die Klägerin ihrerseits gewährt unter Verwendung der von den Brauereien erhaltenen Darlehensmittel den jeweiligen Gaststättenbetreibern Darlehen mit einer mehrjährigen Laufzeit für den Inventarkauf. Die Gaststättenbetreiber verpflichten sich im Gegenzug gegenüber der Klägerin dazu, ausschließlich Bier der Marke der kreditgebenden Brauerei über die Klägerin zu beziehen; darüber hinaus verpflichtet die Klägerin die kreditnehmenden Gaststättenbetreiber dazu, sämtliche nichtalkoholischen Getränke und Spirituosen ebenfalls ausschließlich von ihr zu beziehen.

Der Darlehenszins der Verträge zwischen der Klägerin und den Gaststättenbetreibern entspricht regelmäßig demjenigen zwischen der Klägerin und dem Brauereiunternehmen. Eine Zinsmarge, aus der sich für die Klägerin Einnahmen ergeben, die den Verwaltungskostenaufwand der Klägerin übersteigen, besteht nicht.

Nach der Durchführung einer steuerlichen Außenprüfung -Bp- für den Zeitraum 1992 bis 1996, deren Ergebnisse im Bp-Bericht vom 23. Dezember 1999 und im Ergänzungsbericht vom 21. Mai 2001 niedergelegt sind, erließ die Beklagte am 1. August 2000 für diese Jahre geänderte Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer, in denen die Zinsaufwendungen der Klägerin gegenüber den Brauereiunternehmen als Dauerschuldzinsen im Rahmen von § 8 Nr. 1 GewStG berücksichtigt wurden.

Nach Zurückweisung des hiergegen eingelegten Einspruchs durch - zum Teil abhelfende - Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2002 erhob die Klägerin die vorliegende Klage.

Sie macht geltend, es handle sich bei den aufgenommenen Brauereidarlehen nicht um Dauerschulden im Sinne des § 8 Nr. 1 GewStG.

Da die Darlehensmittel lediglich an die Gaststättenbetreiber weitergegeben worden seien und ein Nutzen, der den Verwaltungsaufwand übersteige, der Klägerin nicht erwachsen sei, handele es sich um sog. durchlaufende Kredite. Diese würden folglich nicht der langfristigen Verstärkung des Betriebskapitals dienen; eine Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 GewStG müsse daher unterbleiben.

Weiterhin habe sich das Brauereikreditgeschäft im Laufe der Zeit stark verändert, so dass die höchstrichterliche Rechtsprechung (Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 27. Mai 1981, I R 6/78, nicht amtlich veröffentlicht), welche in einem ähnlichen Sachverhalt das Vorliegen von Dauerschuldzinsen iSd. § 8 Nr. 1 GewStG bejaht habe, nicht mehr aktuell sei.

Die Entwicklung der Vertragsgestaltungspraxis zwischen Brauereien und Bierverlegern sei im Laufe der Jahre wirtschaftlich zuungunsten der Bierverleger verlaufen. So würden die Brauereien heute nicht mehr Pauschalkredite gewähren, die der Verleger nach eigenem Ermessen an Gastronomiebetriebe weiterleiten könne. Im Gegensatz zu früheren Zeiten sei der Getränkehändler heute bezüglich der Höhe und der Konditionen an Vorgaben der Brauerei gebunden. Auch das Ausfallrisiko der Darlehen, die an die Gaststättenbetreiber gegeben werden, würde heute überwiegend von den Bierverlegern getragen.

Als Konsequenz aus der veränderten Kreditvergabepraxis der Brauereien und wegen des mit der Kreditweitergabe an die Gaststättenbetriebe verbundenen hohen Ausfallrisikos der Klägerin habe die Klägerin im Laufe der letzten Jahre den Umfang der aufgenommenen und der von ihr vergebenen Darlehen kontinuierlich verringert. Während im letzten Streitjahr 1996 noch ca. 900 Kreditverträge mit Gaststättenbetreibern in einem Gesamtvolumen von rd. 12 Mio. DM bestanden hätten, wovon rd. 7,4 Mio. DM durch Brauereidarlehen refinanziert gewesen seien, hätten die Ausleihungen im Jahre 2003 (umgerechnet in DM) nur noch ca. 3,8 Mio. DM betragen, wovon rd. 1,2 Mio DM durch Brauereidarlehen finanziert worden seien.

Aus dieser Entwicklung könne gefolgert werden, dass die Klägerin durch die Aufnahme und Weiterleitung der Brauereidarlehen keinen eigenen wirtschaftlichen Vorteil, sondern stattdessen nur zusätzlichen Verwaltungsaufwand und ein hohes Verlustrisiko gehabt habe.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer für 1992 bis 1996, jeweils vom 1. August 2000 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2002, mit der Maßgabe zu ändern, dass statt der bisher berücksichtigten Dauerschuldzinsen -DSZ- und Dauerschulden -DS-von folgenden Werten auszugehen ist:

 1992: DSZ =77.005,00 DMDS =424.068,00 DM
1993 DSZ =133.183,00 DMDS =3.002.193,00 DM
1994: DSZ =198.644,00 DMDS =3.412.583,00 DM
1995: DSZ =128.092,00 DMDS =2.418.583,00 DM
1996: DSZ =93.729,00 DMDS =2.648.210,00 DM;

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären

sowie hilfsweise,

für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er begründet seinen Antrag damit, dass die Aufnahme von Brauereidarlehen trotz der Weitergabe an die Gaststättenbetreiber gleichwohl das Betriebskapital der Klägerin gestärkt habe. Insbesondere genüge es für die Annahme durchlaufender Kredite nicht, dass durch das Weiterreichen der Darlehensmittel an die Gaststättenbetreiber der Klägerin kein unmittelbarer Nutzen erwachsen sei; für die Bejahung des Dauerschuldcharakters reiche vielmehr bereits ein mittelbarer Nutzen aus. Dieser läge im vorliegenden Fall darin begründet, dass die Klägerin durch die Weitergabe der Darlehensmittel an die Gaststättenbetreiber diese aufgrund der entsprechenden Abnahmeverpflichtung als neue Kunden gewinne und auf diese Weise ihren Umsatz steigere. Schließlich läge zudem ein Nutzen bereits darin, dass sich die Klägerin das selbständige Erwirtschaften der zu vergebenden Darlehensmittel durch die Kreditaufnahme bei den Brauerein erspare. Die höchstrichterliche Rechtsprechung habe nichts an ihrer Aktualität verloren und müsse daher nach wie vor zur Anwendung kommen.

Dem Senat haben bei seiner Entscheidung neben der Streitakte die Streitakte zum Az. 6 K 6362/02 sowie die vom Beklagten für die Klägerin zur Steuernummer geführten Steuerakten (2 Bände Gewerbesteuerakten, je 1 Band Bilanz-, Bp-Berichts-, Vertrags- und Hinweisakten) vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend bezug genommen wird.

Gründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin wird durch die angegriffenen Verwaltungsakte nicht in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Beklagte hat zu Recht die streitigen Verbindlichkeiten als Dauerschulden und die damit zusammen hängenden Zinsen als Dauerschuldzinsen behandelt.

Nach § 8 Nr. 1 GewStG ist dem gewerblichen Gewinn die Hälfte der bei seiner Ermittlung abgezogenen Entgelte für solche Schulden hinzuzurechnen, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes (Teilbetriebes) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebes zusammenhängen oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen (Dauerschuldzinsen). Die Verbindlichkeiten, die diesen Entgelten entsprechen, sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG für die Ermittlung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes hinzuzurechnen, soweit sie bei der Feststellung des Einheitswerts abgezogen worden sind. Die so abgegrenzten Schulden werden als Dauerschulden bezeichnet.

Eine dauerhafte Stärkung des Betriebskapitals liegt bereits dann vor, wenn Darlehensmittel für den Steuerpflichtigen von nur mittelbaren Nutzen sind. Sinn und Zweck der Hinzurechnung im Rahmen des § 8 Nr. 1 GewStG ist es, eine gewerbesteuerliche Begünstigung fremdkapitalfinanzierter Unternehmen zu vermeiden. Maßgeblich muss daher sein, ob durch das Fremdkapital die Ertragskraft des Steuerpflichtigen tatsächlich gesteigert wird. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn ausnahmsweise mit der reinen Durchleitung der Darlehensmittel überhaupt kein Nutzen für den Steuerpflichtigen verfolgt wird.

Einen unmittelbaren Nutzen durch die Darlehensaufnahme und -weitergabe hat die Klägerin unstreitig nicht erzielt, da sie die Kredite i. d. R. zu denselben Konditionen an die Gaststättenbetreiber weitergereicht hat, die sie selbst von den Brauereien eingeräumt erhielt. Sie hatte nach ihrem Vortrag sogar einen unmittelbaren Nachteil durch die Kreditvergabe, denn der mit der Verwaltung der Kredite einhergehende Aufwand musste von der Klägerin allein getragen werden, ohne dass der behauptete Aufwand jedoch beziffert worden wäre. Allerdings hat die Klägerin einen mittelbaren Nutzen erzielt, der die Nachteile der Kreditaufnahme und -weitergabe bei weitem überstieg und per Saldo zu einer Verstärkung des Betriebskapitals führte.

Im Streitfall entspricht es der Geschäftspraxis der Klägerin, durch die Gewährung von langfristigen Darlehen (Laufzeit über ein Jahr) Kunden im Rahmen einer Abnahmeverpflichtung an sich zu binden. Zwar dient die Darlehensvergabe nicht ausschließlich der Erschließung neuer Geschäftsbeziehungen. Dies ist jedoch auch nicht erforderlich, da jedenfalls insoweit auch in der Erhaltung bereits bestehender Geschäftsbeziehungen ein mittelbarer Nutzen für die Klägerin begründet ist. Dieser von der Klägerin verfolgte mittelbare Nutzen führt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 27. Mai 1981, I R 6/78, nicht veröffentlicht), der sich der erkennende Senat anschließt, dazu, dass ein durchlaufender Kredit, der keinen Dauerschuldcharakter hätte, nicht vorliegt.

Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu dem von § 8 Nr. 1 GewStG verfolgten Zweck. Durch die Aufnahme und Weitergabe von Darlehensmitteln wird es der Klägerin erst ermöglicht, bestimmte Kunden zu generieren bzw. bestehende Kunden längerfristig an sich zu binden und so ihren Umsatz zu steigern. Hinzu kommt, dass die Klägerin bei den Kunden, die über einen Kredit- und Bierbezugsvertrag an sie gebunden sind, nach ihrem eigenen Vorbringen eine höhere durchschnittliche Gewinnmarge (32,32 % des Umsatzes) erzielt als bei ungebundenen Gastronomiekunden (29,57 %) (Hinweis auf Bl. 19, 20 der Streitakte). Schließlich folgt das eigene betriebliche Interesse an der Darlehensvergabe aus dem Umstand, dass die Klägerin die Darlehensnehmer nicht nur hinsichtlich des Bierbezugs an sich bindet, sondern den Kunden auch eine exklusives Belieferungsrecht mit allen weiteren Getränken abverlangt.

Das Vorbringen der Klägerin, die Vertragsgestaltungspraxis im Bereich des Getränkeverlagsgewerbes habe sich seit dem Jahr 1981 zu ungunsten der Getränkeverleger verändert, vermag vor diesem Hintergrund nicht zu überzeugen. Die vorgebrachten Veränderungen beziehen sich sämtlich auf den Zufluss eines unmittelbaren Nutzens bzw. auf unmittelbar mit der Darlehensweitergabe verbundene Kosten. Dass diese sich im Laufe der zeitlichen Entwicklung verändert haben, lässt aber das Vorliegen eines nach wie vor bestehenden mittelbaren Nutzens jedenfalls nicht entfallen.

Der Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen, da es keine höchstrichterlichen Entscheidungen zur (gewerbe-)steuerlichen Behandlung der Brauereidarlehen aus jüngerer Zeit gibt.

Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen; den Wert des Streitgegenstandes hat der Senat gem. §§ 13 Abs. 2, 25 Gerichtskostengesetz -GKG- a.F. bestimmt.

Ende der Entscheidung

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