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Gericht: Finanzgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 17.10.2005
Aktenzeichen: 1 K 430/03
Rechtsgebiete: UStG 1996


Vorschriften:

UStG 1996 § 15 Abs. 4 S. 1
UStG 1996 § 15 Abs. 4 S. 2
UStG 1996 § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
UStG 1996 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit der Grundstücksgemeinschaft

hat das Finanzgericht des Landes Brandenburg - 1. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17. Oktober 2005 durch den Richter am Finanzgericht ... als Vorsitzenden, den Richter am Finanzgericht ..., die Richterin am Finanzgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herr ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Änderung der Bescheide vom 05.02.1999 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21.01.2003 werden die Umsatzsteuer 1996 auf ./. 47.958,59 DM / ./. 24.520,84 EUR und die Umsatzsteuer 1997 auf ./. 78.427,77 DM / 40.099,48 EUR festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Beschluss:

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

Die Klägerin sanierte in den Streitjahren ein in L... belegenes Mehrfamilienhaus. Mit dem Bauunternehmen hatte die Klägerin eine Festpreisvereinbarung getroffen, so dass die Abrechnungen nicht entsprechend der einzelnen Gewerke erfolgte, sondern nach Baufortschritt. Nach der Fertigstellung vermietete die Klägerin das Keller- und das Erdgeschoss mit einer Fläche von insgesamt 186,71 m² an gewerblich tätige Unternehmer umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig. Die im Obergeschoss und im Dachgeschoss befindlichen vier Wohnungen mit einer Gesamtfläche von 250,61 m² vermietete sie nicht unternehmerisch zu Wohnzwecken. Bezogen auf die erzielte Gesamtmiete betrugen der Anteil der umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Umsätze aus der Vermietung der Gewerbeflächen 59,07 % und der Anteil der umsatzsteuerfreien Umsätze aus der Vermietung der Wohnungen 40,93 %.

In den Umsatzsteuererklärungen 1996 und 1997 machte die Klägerin Vorsteuern in Höhe von 47.957,97 DM (1996) und in Höhe von 80.457,53 DM (1997) geltend. Diese Beträge beruhten auf einer Aufteilung der insgesamt angefallenen Vorsteuern entsprechend dem Verhältnis der umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Mietumsätze (59,07 %) zu den umsatzsteuerfreien Mietumsätzen (40,93 %).

Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass eine Aufteilung der Vorsteuer nur nach dem Verhältnis der umsatzsteuerpflichtig und umsatzsteuerfrei vermieteten Grundflächen möglich sei. Dem entsprechend könnten nur 42,69 % der Vorsteuern berücksichtigt werden.

Der Beklagte folgte der Auffassung der Prüferin und setzte die Umsatzsteuer 1996 und 1997 durch zwei Bescheide vom 05.02.1999 neu fest. Darin berücksichtigte er für das Jahr 1996 Vorsteuern in Höhe von 35.432,38 DM und für das Jahr 1997 in Höhe von 59.440,76 DM. Der dagegen eingelegten Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit der Klage beruft sich die Klägerin auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 17.08.2001 (V R 1/01) und trägt vor, sie habe bereits in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen die Vorsteuer nach dem Umsatzschlüssel aufgeteilt. Für sie, die Klägerin, habe bei der Immobilie der Ertragswertgesichtspunkt im Vordergrund gestanden. Dies zeige sich auch daran, dass sie, die Klägerin, vor der Sanierungsmaßnahme eine entsprechende Einnahmen-Ausgaben-Kalkulation durchgeführt habe. Bereits im Jahr 1995 hätten Gespräche mit möglichen Mietern stattgefunden. Als Ergebnis dieser Gespräche habe festgestellt werden können, dass die Immobilie bereits nach der Fertigstellung in vollem Umfang vermietet werden würde. Dabei habe sie, die Klägerin, insbesondere Wert auf eine langfristige Vermietung der Gewerberäume gelegt. Dies sei insofern gelungen, als sie dann mit Herrn A... und Frau B... einen zunächst auf zehn Jahre befristeten Mietvertrag abgeschlossen habe. Dadurch seien auch die von dem Beklagten angeführten Praktikabilitätsschwierigkeiten, die sich im Falle einer Korrektur nach § 15 a UStG ergeben würden, ausgeräumt. Unverständlich sei dabei, warum der Beklagte anführe, dass die Ertragsaussichten der von Herrn A... und Frau B... geführten Weinhandlung spekulative Elemente enthielten. Der Mietvertrag sei abgeschlossen und zu erfüllen.

Eine unmittelbare Zuordnung der Vorsteuer sei nicht möglich. Sie, die Klägerin, habe nicht die einzelnen Baugewerke beauftragt. Es sei vielmehr nach Baufortschritt und Aufmaß für das komplette Gebäude abgerechnet worden. Dies dürfte ihr nun nicht zum Nachteil gereichen.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung der Bescheide vom 05.02.1999 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21.01.2003 die Umsatzsteuer 1996 auf ./. 47.958,59 DM / ./. 24.520,84 EUR und die Umsatzsteuer 1997 auf ./. 78.427,77 DM / 40.099,48 EUR festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er beruft sich darauf, dass das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.08.2001 nach dem BMF-Schreiben vom 19.11.2002 (IV B 7-S 7306-25/02) nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwendbar sei. Abgesehen davon müsse der Klägerin entgegengehalten werden, dass in so fern keine langfristige sichere Planung vorliege, als die Ertragsaussichten im Feinkost- und Gaststätten Bereich bei der stets konjunkturell schwankenden Lage nicht tatsächlich langfristig prognostizierbar seien. Darüber hinaus sei nicht sicher, wie die Klägerin die Ertragsaussichten vor Sanierungsbeginn tatsächlich eingeschätzt habe.

Nach § 15 Abs. 4 UStG komme eine einer Aufteilung nur für solche Vorsteuern in Betracht, die auf gemischt genutzte Gebäudeteile entfalle. Dies sei hier nicht der Fall. Die Klägerin habe keine unmittelbare Zuordnung der Vorsteuer vorgenommen. Dass dies wegen der Abrechnung nach Baufortschritt nicht möglich sei, gehe zu Ihren Lasten.

Gründe

Die Klage ist begründet. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz - UStG - kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG unter anderem die Steuer für die Lieferung von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung von steuerfreien Umsätzen verwendet. Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Nach Satz 2 der zitierten Norm kann der Unternehmer die nichtabziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Dem ist die Klägerin nachgekommen.

Da die Vorsteuerbeträge - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - aufgrund der Abrechnung nach dem Baufortschritt nicht eindeutig der (späteren) umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Nutzung des Gebäudes einerseits sowie der umsatzsteuerbaren, aber umsatzsteuerfreien Nutzung des Gebäudes andererseits zugeordnet und damit aufgeteilt werden können, hat die Klägerin die nichtabziehbaren Teilbeträge der Vorsteuer nach dem Umsatzschlüssel ermittelt. Dies hat der Bundesfinanzhof im Urteil vom 17.08.2001 (V R 75/00, Nichtveröffentlichte Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2002, 227) als sachgerechte Schätzung im Sinne von § 15 Abs. 4 UStG anerkannt. Diese Auffassung hat der erkennende Senat bereits vor der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vertreten (vergleiche Urteil vom 16.10.2000, 1 K 1388/99 U, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2001, 242; vgl. nachfolgend auch Urteil vom 09.03.2005 1 K 414/03, EFG). Der Senat hält daran fest.

Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, dass die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG auf solche Gebäudeteile zu beschränken sei, die tatsächlich gemischt genutzt würden. Dies widerspricht nämlich dem Gesetz. Denn nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG ist der Unternehmer berechtigt, die nicht abziehbaren Teilbeträge der Vorsteuer zu schätzen. Beschränkungen, wie sie der Beklagte aufstellen will, sieht die Regelung nicht vor. Der Umsatzschlüssel ist - wie dargestellt - eine zulässige Schätzungsmethode.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO - zugelassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Ende der Entscheidung

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