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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Bremen
Urteil verkündet am 06.10.2005
Aktenzeichen: 1 K 55/03 (3)
Rechtsgebiete: StPO, OWiG, EStG 1997


Vorschriften:

EStG 1997 § 19 Abs. 1 Nr. 1
EStG 1997 § 8 Abs. 1
OWiG § 17
OWiG § 30
StPO § 153a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht Bremen - 1. Senat - am 6. Oktober 2005 durch den Präsidenten des Finanzgerichts Hoffmann als Vorsitzenden, die Richterin am Finanzgericht Dr. Wendt, den Richter am Finanzgericht Sieling-Wendt, den ehrenamtlichen Richter Döll den ehrenamtlichen Richter Bohlen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger möchten mit der Klage erreichen, dass eine wegen Verstößen gegen das Lebensmittelgesetz von der Arbeitgeberin des Klägers, der B. GmbH (GmbH) gezahlte Geldbuße und Geldauflage nicht - wie es der Beklagte getan hat - dem vom Kläger (K.) aus diesem Arbeitsverhältnis zu versteuernden Bruttoarbeitslohn zugerechnet und als Lohnersatzleistung besteuert wird.

Der Kläger war im Streitjahr Gesellschafter und einer der Geschäftsführer der GmbH. Sein Gesellschaftsanteil betrug 20 v.H.. An der GmbH waren neben dem Kläger des weiteren Herr J. - ebenfalls als Gesellschafter-Geschäftsführer mit einem Gesellschaftsanteil von 20 v.H. - und die Firma A. Ltd./England, später C. Ltd. (Ltd.) mit einem Gesellschaftsanteil von 60 v.H. beteiligt. Daneben waren bei der Ltd. 3 weitere Personen als Geschäftsführer angestellt.

Am ... erließ die Kreisverwaltung B. einen Bußgeldbescheid mit u.a. folgenden Inhalt:

"...

Herrn K.

Bußgeldbescheid

Sehr geehrter Herr (K.)

Sie haben als Verantwortlicher der Firma ... GmbH aus ... die in der Anlage einzeln aufgeführten Produkte in Verkehr gebracht, welche wegen Verstösse gege(n) lebensmittelrechtliche Bestimmungen zu beanstanden waren. Einzelheiten entnehmen Sie bitte der Anlage zu diesem Bußgeldbescheid ...

 Wegen dieser Ordnungswidrigkeiten wird gegen Sie eine Geldbuße festgesetzt (§ 17 OWiG) in Höhe von10.000,00 DM
Außerdem haben Sie die Kosten des Verfahrens zu tragen 
 a) Gebühr500,00 DM
 b) Auslagen d. Verw.43,79 DM
...d) Auslagen, Sonstige6.465,20 DM
  17.008,99 DM

...".

Im Rahmen eines weiteren strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ... gab der am ... als Zeuge vernommene kaufmännische Verwaltungsleiter der GmbH, Herr O., zu Protokoll, dass aufgrund einer Beanstandung der Auszeichnung des ... aus China ... innerhalb von 10 Arbeitstagen in Zusammenarbeit mit der ... umetikettiert worden seien. Der als weiterer Zeuge am ... vernommene kaufmännische Angestellte der GmbH, Herr M., sagte aus, dass aufgrund der Anordnung des Veterinäramtes die Auslieferung von ... Nudeln gestoppt und eine Rückrufaktion gestartet worden sei. Hinsichtlich des ... habe er aufgrund einer fehlerhaften Auszeichnung den Verkauf der Ware stoppen wollen, diese sei jedoch durch Herrn J. verkauft worden, ohne dass er Einfluss hierauf gehabt habe.

Beide Zeugen gaben weiter zu Protokoll, dass der Kläger für den Einkauf zuständig gewesen sei. Der Zeuge M. gab bezogen auf den Kläger weiter wörtlich an: "... er entscheidet auch grundsätzlich, welche Waren in die Verkaufspalette aufgenommen werden. Das bedeutet, er bestimmt auch die äußerliche Form, die Aufmachung der Produkte. Ich hatte auf diese Vorgehensweise keinerlei Einfluss, weil er Kaufverträge in eigener Verantwortung abschloß ...".

Nach Abschluss der Ermittlungen stellte der zuständige Staatsanwalt in der Verfügung zum Strafbefehlsantrag vom ... fest, dass der Kläger als der in der Geschäftsführung und in der GmbH Verantwortliche für den Einkauf und die ordnungsgemäße Ausstattung der Produkte anzusehen sei.

Gegen den entsprechend dem Strafbefehlsantrag vom AG B. (AG) am ... erlassenen Strafbefehl legte der Kläger Einspruch ein.

Ausweislich des Protokolls der daraufhin vor dem AG in der Strafsache ... am ... durchgeführten Hautverhandlung bezifferte der als Angeklagter vernommene Kläger seinen Verdienst mit ca. 9.000,00 DM. Weiter heißt es im Protokoll wörtlich: "D. Angeklagte ... erklärte: Ich will aussagen. ... Die Vorwürfe im Strafbefehl treffen zu ...".

Das Verfahren wurde sodann durch Beschluss eingestellt, in dem es u.a. wie folgt heißt: (ESt 151)

"... Beschluß

in der Strafsache gegen K., ...

wegen Vergehen gegen Lebensmittelgesetz

1.

Das Verfahren wird auf die Dauer von sechs Monaten gem. § 153 a. Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt.

2.

Dem Angeklagten wird aufgegeben, ab ... eine Geldbuße von 62.000.- DM zugunsten der Staatskasse in 5 Raten a' 10.000.- DM und 1 Rate a' 12.000.- DM zu zahlen. ..."

Nachdem das Finanzamt B. dem Beklagten mit Prüfungsmitteilung auf Grund einer Lohnsteueraußenprüfung vom ... u.a. mitgeteilt hatte:

"... Der Arbeitnehmer (K.) ... hat nach den Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung ... bei Firma B. ... GmbH, ... folgenden steuerpflichtigen Arbeitslohn erhalten, der vom Arbeitgeber nicht versteuert worden ist: Kalenderjahr 1997 ... Übernahme einer Bußgeldzahlung zzgl. Gebühren wegen Verstösse gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen Summe DM 79.008,99 ... Es wird um Auswertung ... gebeten ",

erließ der Beklagte unter dem ... einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1997, mit dem er die Zahlung der GmbH in Höhe von DM 79.008.- den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit hinzurechnete.

Der dagegen eingelegte Einspruch der Kläger vom ..., mit dem diese geltend machten, die Geldbußen seien gegen die Gesellschaft, vertreten durch deren Geschäftsführer - den Kläger - verhängt worden und bei den Geldbußen handele es sich daher um bei der GmbH nichtabzugsfähige Betriebsausgaben i. S. v. § 10 Nr. 3 KStG, keinesfalls jedoch um Arbeitslohn des Klägers, blieb ohne Erfolg.

Mit Einspruchsentscheidung vom ... begründete der Beklagte die Zurückweisung des Einspruchs wie folgt: Zu Recht sei die Übernahme der dem Kläger auferlegten Geldbußen durch die GmbH als Arbeitslohn beurteilt und der Lohnsteuer unterworfen worden (BFH-Urteil BStBl. III 1957, 415). Arbeitslohn im Sinne von § 19 Abs. 1 EStG seien nach § 2 Abs. 1 LStDV alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zuflössen und somit eine objektive Bereicherung darstellten. Dies gelte selbst dann, wenn der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers zu handeln glaube und die Geldstrafe gegen den Arbeitnehmer persönlich festgesetzt worden sei. Vorliegend sei das Bußgeld nicht gegen die GmbH (juristische Person), sondern gegen den verantwortlichen Geschäftsführer, den Kläger (natürliche Person), festgesetzt worden. Es sei unstreitig, dass der Kläger Schuldner der Geldbuße sei und nicht die GmbH als Arbeitgeberin. Die Zahlung durch die GmbH sei insofern als Erstattung für eine fremde Schuld erfolgt.

Gegen die am ... zur Post aufgegebene Einspruchsentscheidung haben die Kläger ... Klage erhoben mit folgender Begründung: Die GmbH habe mit asiatischen Lebensmitteln gehandelt und habe einen Großteil der gehandelten Ware direkt von der Ltd., die selbst Produzentin asiatischer Lebensmittel gewesen sei, bezogen. Im Jahre 1997 sei bei einer Kontrolle der zuständigen Behörde der Kreisverwaltung B. festgestellt worden, dass die GmbH gegen das Lebensmittelgesetz verstoßen habe. Die von der Ltd. produzierten und an die GmbH gelieferten ...-Nudeln der Marke ... seien beanstandet worden, denn die Bezeichnung "..." habe nicht geführt werden dürfen, weil in den Nudeln nicht der dazu notwendige ...-gehalt enthalten gewesen sei. Ende des Jahres 1997/ Anfang des Jahres 1998 sei es zwischen dem Kläger und dem Gesellschafter-Geschäftsführer J. einerseits und der Ltd. (insbesondere dem dortigen zuständigen Geschäftsführer Herrn F.) unter anderem wegen der beanstandeten ...-Nudeln zum Streit gekommen. Herr F. sei in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH wie auch als Geschäftsführer der Ltd. verpflichtet gewesen, die Ware vor in Verkehrbringung im einzelnen, jedenfalls in Stichproben, zu überprüfen. Dies habe er unterlassen, wodurch die GmbH einen Schaden erlitten habe. Nachdem diesbezüglich keine Einigung habe erzielt werden können, habe der Kläger ebenso wie der Gesellschafter-Geschäftsführer J. im ... 1998 das jeweilige Amt als Geschäftsführer niedergelegt. Des weiteren seien im ... 1998 von beiden die Gesellschaftsanteile an der GmbH an die Ltd. verkauft worden.

Aus dem Sachverhalt gehe eindeutig hervor, dass sich die Geldbußen gegen die GmbH und nicht gegen die Person des Klägers gerichtet hätten. Den Verstößen sei eine betriebliche Entscheidung vorausgegangen. Dies ergebe sich daraus, dass die GmbH einen Großteil der beanstandeten Produkte von der Ltd. bezogen habe. Da diese selbst Gesellschafterin der GmbH gewesen sei, habe in den Lieferungen der beanstandeten Waren eine betriebliche Entscheidung gelegen. Allein die GmbH habe ein eigenbetriebliches Interesse am Umsatz der besagten Waren gehabt. Dem Kläger selbst sei kein erkennbarer Vorteil durch den Mehrumsatz zugeflossen. Ein allgemeines Interesse, dass es dem Arbeitgeber gut gehe, reiche nicht aus, um einen persönlichen Vorteil des Klägers zu begründen. Mithin seien Auslöser für das Ordnungswidrigkeitsverfahren Lieferungen der GmbH gewesen, nicht etwa Lieferungen des Klägers oder eines anderen Geschäftsführers der Gesellschaft persönlich.

Daher sei ein persönlicher Verstoß des Klägers gegen Vorschriften des Ordnungswidrigkeitsgesetzes eben gerade nicht Gegenstand des Ordnungswidrigkeitsverfahrens gewesen. Aus § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG folge nichts anderes, denn diese Vorschrift eröffne nur die Möglichkeit, gegen eine juristische Person eine Geldbuße festzusetzen, impliziere aber nicht eine Ausschließlichkeit der Festsetzung gegenüber der juristischen Person. Vielmehr sei nach der Kommentierung von Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 30 Rdnr. 35 nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden und beispielsweise dann eine Geldbuße gegen die juristische Person zu verhängen, wenn diese wesentlich höher ausfallen würde, als die nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Handelnden selbst diesem gegenüber zu verhängende Geldbuße. Daraus erschließe sich, dass die Nichtverhängung einer Geldbuße gegen die juristische Person impliziere, dass der Kläger als Organ gehandelt habe.

Entsprechend seien der Bußgeldbescheid und der strafrechtliche Beschluss des Amtsgerichts an den Kläger gerichtet gewesen in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH, d. h. als Organ der Gesellschaft, und damit ihren gesetzlichen Vertreter (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Dass ausgerechnet der Kläger ausgewählt worden sei, sei einem Zufall zuzuschreiben. Genauso gut hätte es den Gesellschafter-Geschäftsführer J. oder einen der anderen drei Geschäftsführer treffen können. Auch aus den Strafakten sei eine individuelle Schuld des Klägers nicht herzuleiten. Aus ihnen ergebe sich auch nicht, dass andere Arbeitnehmer der GmbH nur mangels Schuld bzw. mangels Beteiligung an den Verstößen nicht in Anspruch genommen worden seien. Hieraus folge, dass man den Kläger im Innenverhältnis ausgewählt habe.

Daher sei es auch ordnungsgemäß, dass die festgesetzten Geldbußen insgesamt in Höhe von DM 79.000.- von der "GmbH als Verursacher und Beklagtem" gezahlt und auch in der Körperschaftsteuererklärung 1997 als nichtabziehbare Aufwendungen erklärt worden seien. Aus § 10 Nr. 3 KStG ergebe sich, dass diese steuerliche Behandlung nur dann zutreffe, wenn es sich um eine Geldstrafe oder eine ähnliche Leistung handelt, die der körperschaftsteuerpflichtigen GmbH auferlegt worden sei. Weil das Finanzamt B. hierzu bei der Veranlagung der Körperschaftsteuer keine Änderung vorgenommen und die gesamte Geldbuße dem zu versteuernden Einkommen der GmbH 1997 als nichtabziehbare Betriebsausgabe zugerechnet habe, sei damit festgelegt, dass die in Frage stehende Geldbuße gegen die GmbH und nicht gegen deren angestellten Geschäftsführer, den Kläger persönlich, verhängt worden sei. Denn wenn, wie von dem Beklagten nun behauptet, Arbeitslohn vorgelegen hätte, hätte dies notwendigerweise zu abzugsfähigen Betriebsausgaben in Form von Personalkosten geführt. Die Berücksichtigung der Geldbuße als nichtabzugsfähige Ausgabe bei der Besteuerung der GmbH schließe daher deren Qualifizierung als Arbeitslohn aus.

Bliebe es bei dem Ansatz der Geldbuße als Arbeitslohn des Klägers, lägen eindeutig widerstreitende Steuerfestsetzungen gem. § 174 Abgabenordnung (AO) vor.

Das von dem Beklagten angeführte Urteil vom 10.09.1957 (BStBl. III 1957, 415) sei nicht einschlägig, weil dort die Frage der Versteuerung einer Geldbuße als Arbeitslohn nicht behandelt werde. Über die in dem Urteil behandelte Frage, inwieweit durch betriebliche Tätigkeiten verursachte Geldbußen unter das Abzugsverbot als Betriebsausgabe fallen, bestehe vorliegend kein Streit.

Die Kläger begehren, die Einkommensteuer ohne Hinzurechnung der Geldbuße und Geldauflage in Höhe von insgesamt DM 79.008.- bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit abzuändern und beantragen,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom ... den Einkommensteueränderungsbescheid 1997 vom ... aufzuheben und die Einkommensteuer 1997 auf EUR ... festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung dargelegten Rechtsauffassung fest und trägt ergänzend vor: Es entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten, dass die GmbH sowohl in dem Bußgeldverfahren der Kreisverwaltung als auch in der Strafsache vor dem Amtsgericht "Verursacher und Beklagte" gewesen sei. Ausweislich der Strafakten des Gerichtsverfahrens sei der Kläger wegen seiner persönlichen Verantwortlichkeit als "Entscheider" der Verkaufspalette der GmbH zur Verantwortung gezogen worden. Ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse der GmbH an der Übernahme der Geldbußen sei nicht gegeben. Die Akten wiesen weiter aus, dass der Kläger als Alleintäter die relevanten Verstöße begangen habe und dass dem Fehlverhalten des Klägers offensichtlich keine konkrete betriebliche Entscheidung des Arbeitgebers vorausgegangen sei. So sei in der Bußgeldsache der Kläger persönlich gem. § 17 OWiG - und nicht die GmbH - zur Verantwortung gezogen worden. Auch sei der Kläger - entgegen seiner Behauptung - nicht in seiner Funktion als Organ der juristischen Person und damit als gesetzlicher Vertreter aufgetreten, denn § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG sei nicht gegeben. Ebenso sei der Beschluss des Amtsgerichts an den Kläger persönlich ergangen.

Die GmbH habe die Geldbußen übernommen, weil der Kläger als Einkäufer bei ihr tätig gewesen sei und die Verstöße gegen das Lebensmittelrecht bei Ausübung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten begangen habe. Die Zahlungen der Geldbußen stellten somit eine Gegenleistungen für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft dar. Auf die Frage, ob die übernommenen Geldbußen zu Recht als nichtabzugsfähige Betriebsausgabe behandelt worden seien, komme es vorliegend nicht an.

Die Beteiligten haben sich am ... im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit einer Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren VI R 29/00 einverstanden erklärt und das Gericht gebeten, nach Vorliegen des BFH-Urteils und nach dazu erfolgter Stellungnahme der Beteiligten über den vorliegenden Rechtsstreit zu entscheiden. Die Beteiligten haben auf eine erneute mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beklagten vorgelegten ...-akten Bd. ... - und die von der Staatsanwaltschaft B. beigezogenen Strafakten ... ergänzend Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Kläger sind in ihren Rechten nicht verletzt. Der angefochtene geänderte Einkommensteuerbescheid ist nicht zu beanstanden, denn der Beklagte hat zu Recht die von der GmbH für den Kläger übernommene Bezahlung des Bußgeldes und der Geldauflage bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit als Lohnersatzleistung angesetzt (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG).

Steuerpflichtiger Arbeitslohn i. S. d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die "für" seine Arbeitsleistung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gewährt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, werden Vorteile "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Arbeitsverhältnis veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und wenn die Einnahmen als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen sind, d.h. wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist.

Steuerpflichtiger Arbeitslohn liegt demnach nicht vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Veranlassung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird oder der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Vorteil in ganz überwiegendem eigenbetrieblichen Interesse zuwendet (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1988 VI R 106/84, BFHE 153, 324, BStBl. II 1988, 726). Ob eine Leistung in ganz überwiegendem eigenbetrieblichem Interesse gewährt wird, beurteilt sich nach dem vom Arbeitgeber mit der Zuwendung verfolgten Zweck. In diesem Zusammenhang sind äußere Umstände wie Anlass, Zuwendungsgegenstand und Begleitumstände eingehend zu würdigen (BFH-Urteile vom 7. Juli 2004 VI R 29/00, BFHE 208, 104, BStBl. II 2005, 367, m.w.N.; vom 20. September 1985 VI R 120/82, BFHE 144, 435, BStBl. II 1985, 718). Ist bei der Gesamtwürdigung der gewährten Zuwendung erkennbar, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck vollends im Vordergrund steht, ist auf ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse zu schließen. Der Vorteil, den auch der Arbeitnehmer erhalten hat, tritt allerdings nicht in den Hintergrund, wenn auch beim Arbeitnehmer ein nicht unerhebliches Interesse gegeben ist, den Vorteil zu erlangen. Zwischen dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers besteht eine Wechselwirkung dergestalt, dass das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse um so geringer zählt, je höher aus der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist (vgl. BFH-Urteile vom 2. Februar 1990 VI R 15/86, BFHE 159, 513, BStBl. II 1990, 472; vom 9. August 1996 VI R 88/93, BFHE 181,76, BStBl. II 1997,97).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass die von der GmbH gezahlte Geldbuße und -auflage als Einnahme des Klägers aus seinem Dienstverhältnis mit der GmbH veranlasst war.

Die Zahlung der Geldbuße und der Geldauflage stand in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis des Klägers bei der GmbH, denn der Kläger hatte die Taten, für die die Geldbuße und - auflage jeweils festgesetzt worden ist, in Ausübung seiner der GmbH gegenüber obliegenden Aufgaben als Geschäftsführer der GmbH und Verantwortlicher für den Einkauf zum Vorteil der Arbeitgeberin begangen. Die Verantwortlichkeit des Klägers für den Einkauf und für die Aufnahme der Waren in die Verkaufspalette ergibt sich eindeutig aus den Aussagen der Zeugen M. und O. im Ermittlungsverfahren und den daraus von der Staatsanwaltschaft getroffenen Schlussfolgerungen. Zweifel hieran sind für den Senat nicht ersichtlich, zumal der Kläger in der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter selbst zu Protokoll gegeben hat, dass die gegen ihn im Strafbefehl erhobenen Vorwürfe zutreffend sind. Danach bestimmte allein der Kläger, welche eingekauften Waren weiter vertrieben wurden. Dies beinhaltete auch, dass er die äußerliche Form und Aufmachung der Produkte bestimmte. Der Kläger handelte auch zum Vorteil der GmbH. Hierbei kann dahinstehen, worin der genaue Vorteil lag, weil es der GmbH durch die Tätigkeit des Klägers zumindest mit ermöglicht wurde, Umsätze zu erzielen und damit ihrem Handelsgewerbe nachzugehen.

Die Zahlung der Geldbuße und Geldauflage stellt beim Kläger auch Einnahmen i.S. des § 8 Abs.1 EStG dar, denn die GmbH hat als Arbeitgeberin im abgekürzten Zahlungsweg für den Kläger als ihren Arbeitnehmer die Geldzahlungen erbracht und ihn hierdurch bereichert. Seine Leistungsfähigkeit wurde gesteigert, indem er die gegen ihn als dem Beschuldigten im Ordnungswidrigkeits- bzw. im Strafverfahren festgesetzte Geldbuße und Geldauflage, die er aus eigenem Vermögen zu entrichten gehabt hätte, durch die Übernahme und Zahlung der GmbH als eigene Aufwendung in gleicher Höhe erspart hat. Die hiergegen vom Kläger vertretene Ansicht, die Geldbuße und Geldauflage sei nicht ihm, sondern der GmbH, vertreten durch ihn, auferlegt worden, ist unzutreffend und rechtsirrig.

Denn die Geldbuße in Höhe von 17.008,99 DM richtete sich gegen den Kläger persönlich. Grundsätzlich setzt die Ahndung einer Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld - der Strafe gleich (s. u.) - voraus, dass einer natürlichen Person ein schuldhaft rechtswidriges Verhalten zum Vorwurf gemacht wird. Einzige Ausnahme hiervon stellt § 30 OWiG dar, in dessen Rahmen der Gesetzgeber eine Möglichkeit geschaffen hat, eine Geldbuße direkt gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung zu richten. Von dieser Ausnahme hat aber die Kreisverwaltung B. keinen Gebrauch gemacht. Sie hat vielmehr den Bescheid gegen den Kläger persönlich gerichtet und das Bußgeld, was aus dem Wortlaut "...wird gegen Sie eine Geldbuße festgesetzt (§ 17 OWiG)..." folgt, gegen den Kläger persönlich festgesetzt. Entsprechend hat die Kreisverwaltung § 30 OWiG in ihrem Bescheid nicht erwähnt. Auch dieser Umstand indiziert die persönliche Inanspruchnahme des Klägers.

Im Hinblick auf die Geldauflage in Höhe von 62.000,00 DM ist es - entgegen der klägerischen Ansicht - nicht denkbar, dass die Geldauflage gegen die GmbH gerichtet war. Dies folgt bereits daraus, dass das deutsche Recht keine Strafbarkeit von juristischen Personen und Personenvereinigungen kennt (Jeschek/Weigend Lehrbuch des Strafrecht AT, 5. Aufl., S. 227; Wessels Strafrecht AT, 26. Aufl. Rn. 94). Im Strafverfahren ist deshalb grundsätzlich nur die Belangung von natürlichen Personen wegen der von diesen strafrechtlich sanktionierten Handlungen denkbar. Eine Ausnahme hiervon wird für den Fall der Einziehung in § 75 StGB normiert. Eine solche stellt die hier vorgenommene Zahlung aber nicht dar, denn bei den 62.000,00 DM handelt es sich um eine Auflage gem. § 153 a Abs. 2 StPO. Diese bildet keine Ausnahme zu dem Grundsatz, dass nur natürliche Personen belangt werden können. § 153 a Abs. 2 StPO ermöglicht es, das Verfahren gegen den Angeschuldigten mit dessen Einwilligung vorläufig gegen die Verhängung einer Auflage einzustellen. Im Rahmen dieser Regelung wird dem Beschuldigten bzw. Angeschuldigten die aus den Auflagen und Weisungen resultierenden Pflicht auferlegt (Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 153 a Rn.12). Vorliegend konnte nach dem Vorstehenden die Pflicht zur Zahlung nur dem Kläger als natürliche Person auferlegt werden.

Zur Überzeugung des Senats steht weiter fest, dass die GmbH dem Kläger die Zahlungen auch nicht wegen anderer sich aus dem Dienstverhältnis begründeter Rechtsbeziehungen zugewendet hat. Dass der Kläger gegenüber der GmbH einen Anspruch auf die Freistellung von der Geldauflage und der Geldbuße aufgrund einer etwaigen vertraglichen Zusage oder aus unerlaubter Handlung gehabt hat, haben die Kläger selbst nicht behauptet. Derartige entsprechende Umstände ergeben sich auch nicht aus den vorliegenden Akten. Zudem wäre auch ein entsprechender Vertrag, in dem sich die GmbH als Arbeitgeberin gegenüber dem Kläger als Arbeitnehmer vorab dazu verpflichtet hätte, auferlegte Geldbußen und Geldstrafen zu zahlen, regelmäßig gem. § 138 BGB als sittenwidrig und rechtsunwirksam zu qualifizieren, weil er den Sinn und Zweck der entsprechenden Sanktionen aushöhlen und die Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten senken würde.

Der Senat kann des weiteren auch nicht die Feststellung treffen, dass die GmbH die Zahlungen dem Kläger in ganz überwiegendem eigenbetrieblichen Interesse zugewendet hat. Der Kläger hat insoweit nicht im einzelnen dargelegt und nicht nachgewiesen, dass die Gewährung der Zuwendung an ihn durch eigene Interessen der GmbH und bei dieser ganz im Vordergrund stehende eigenbetriebliche Zwecke veranlasst worden ist. Der vom Kläger hierfür angeführte Umstand, die Hauptgesellschafterin habe die Waren geliefert und somit habe eine innerbetriebliche Weisung bzw. Entscheidung zum Inverkehrbringen bestanden, ist hierfür kein Beleg. Denn im üblichen Geschäftsverkehr beinhaltet die bloße Lieferung von Waren nicht eine generelle Weisung dahin, die Waren trotz Feststellung von Mängeln dennoch - ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, die von dem Lieferer, hier der GmbH, getragen werden müssten - in Verkehr zu bringen. Entsprechend ist eine derartige Weisung, an der die Angestellten der GmbH ihr Verhalten auszurichten hatten, allein aus der Lieferung der Waren nicht herzuleiten. Der Kläger hat des weiteren auch nicht behauptet, dass betreffend die mangelbehafteten Waren eine gesonderte bzw. ausdrückliche Anweisung der GmbH-Geschäftsführung zum Inverkehrbringen ergangen ist. Dass weder eine innerbetriebliche Weisung bestanden hat noch betreffend die Waren ausdrücklich ausgesprochen worden ist, belegen auch die Aussagen der im Strafverfahren vernommenen Zeugen M. und O., die als zuständige Mitarbeiter der GmbH bei Hinweisen und Auflagen der zuständigen Behörde es versucht haben, entsprechende Mängel vor Inverkehrbringen der Waren abzustellen. Dies ergibt sich unter anderem aus der Aussage des Zeugen M. vom ..., dass die beanstandeten Waren aufgrund der Anordnung des Veterinäramtes im Hause behalten worden seien und eine Rückrufaktion gestartet worden sei. Gleiches folgt aus der Aussage des Zeugen O. vom ..., der aussagt hat, dass die entsprechenden Weine damals nach der Beanstandung sofort umetikettiert worden seien. Dieses - ordnungsgemäße - Verhalten belegt, dass es die vom Kläger besagte Weisung tatsächlich nicht gegeben hat. Die Nichtexistenz einer solchen Weisung impliziert im übrigen auch der eigene weitere Vortrag des Klägers, es sei zwischen ihm und dem Geschäftsführer der Hauptgesellschafterin der Ltd. zum Streit gekommen, weil dieser die "...-Nudeln" nicht stichprobenartig überprüft habe. Denn ein solcher Streit über nicht erfolgte Stichproben im Hinblick auf die Verkehrsfähigkeit von Waren ist nur denkbar für den Fall, dass die besagte Weisung mit dem Ziel, auch nicht verkehrsfähige Ware in Verkehr zu bringen, tatsächlich nicht bestanden hat.

Aber selbst wenn zugunsten der Kläger ein eigenbetriebliches Interesse der GmbH unterstellt wird, würde es an dessen Überwiegen gegenüber dem finanziellen Eigeninteresse des Klägers fehlen. Dessen Nichtinanspruchnahme auf Zahlung der Geldbuße und der Geldauflage tritt gegenüber dem unterstellten Interesse der GmbH nicht in den Hintergrund. Denn für die Einschätzung, welches Interesse überwiegt, ist das Verhältnis zwischen der Höhe der übernommenen Zahlungen und des jeweiligen Interesses wesentlich. Im vorliegenden Fall ist die Zuwendung bzw. finanzielle Freistellung des Klägers in Höhe von 79.008,99 DM erheblich. Es ist offensichtlich, dass der Kläger bei einem mtl. Verdienst von ca. 9.000,00 DM ein großes Interesse daran hatte, dass dieser hohe Betrag, der in etwa einem Ÿ Jahresverdienst entspricht, von einem Dritten getragen wird und er, der Kläger, dadurch in dieser Höhe keine eigene erhebliche wirtschaftliche Einbuße hinnehmen muss. Diesem Eigeninteresse des Klägers gegenüber ist ein erheblicher eigenbetrieblicher Vorteil der GmbH durch die Übernahme der Geldbußen nicht erkennbar.

Danach kann ein erhebliches und überwiegendes eigenbetriebliches Interesse auf Seiten der GmbH als Arbeitgeberin nicht festgestellt werden. Dieser Umstand geht zu Lasten der Kläger, denn diese tragen die Beweis- bzw. Feststellungslast für die begehrte Feststellung. Dies folgt aus den allgemeinen Regeln des Steuerprozesses, nach denen der Steuerpflichtige die objektive Beweislast für diejenigen Tatsachen trägt, die die Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung begründen (vgl. BFH-Urteil vom 20. März 1987 III R 172/82, BFHE 149, 536, BStBl.1987 II S. 679, 680 m.w.N.).

Der übrige Einwand der Kläger, die Qualifizierung der geleisteten Zuwendungen als nicht abzugfähige Betriebsausgaben bei der GmbH stehe der Einordnung der Zahlungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn des Klägers entgegen, hat für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens keine Bedeutung. Denn selbst wenn eine widerstreitende steuerliche Behandlung der Geldbußen bei der GmbH erfolgt sein sollte, bestünde für die GmbH die Möglichkeit, beim zuständigen Finanzamt gem. § 174 AO einen Antrag auf Änderung des betreffenden Körperschaftsteuerbescheides zu stellen.

Weil die Klage danach insgesamt unbegründet ist, folgt die Kostenentscheidung aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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