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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.10.2009
Aktenzeichen: 4 K 146/09 Z
Rechtsgebiete: 3 ZK


Vorschriften:

ZK Art. 236 Abs. 2 Unterabs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Beklagte wird unter Aufhebung seiner ablehnenden Verfügung vom 12.12.2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.12.2008 verpflichtet, der Klägerin dem Grunde nach Zoll aus den Nacherhebungen mit den gegenüber der K GmbH Co. KG ergangenen Bescheiden des Hauptzollamts B vom 07.01., 02.03., 18.05., 25.08. und 15.12.2000 sowie vom 02.04.2001 in der Fassung des Bescheids vom 07.12.2004 zu erstatten, soweit die Klägerin für diese Waren später Zoll entrichtet hat.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 87% und der Beklagte zu 13%.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Zoll.

Nach Feststellungen des Hauptzollamts B (HZA) aufgrund einer im Jahr 2000 stattgefundenen Außenprüfung durch das Hauptzollamt für Prüfungen bei der K GmbH Co. KG (K) nahm die K in den Jahren 1997 bis 1999 in 58 Fällen im Rahmen der ihr erteilten Bewilligung als zugelassene Empfängerin auf ihrem Betriebsgelände in X aus Drittländern eingeführten Kaffee in Empfang, der für die Klägerin bestimmt war und im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren von Hamburg nach X befördert worden war. Die K bestätigte auf der Rückseite der Exemplare Nr. 4 der Versandanmeldungen die Ankunft der Waren auf ihrem Betriebsgelände in X. Anschließend beförderte sie den Kaffee zu ihrer Lagerstätte nach Y, ohne dass er in ein externes Versandverfahren übergeführt worden war. Der Kaffee wurde in Y in das Zolllager der K aufgenommen. Hierfür gab die K beim Zollamt C Zollanmeldungen zur Überführung in das Zolllagerverfahren ab.

Weiter nahm die K im Rahmen der ihr erteilten Bewilligung als zugelassene Empfängerin in den Jahren 1997 bis 1999 auf ihrem Betriebsgelände in X aus Drittländern eingeführten Kaffee in Empfang, der für die Klägerin bestimmt war und im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren von Hamburg nach X befördert worden war. Nach der summarischen Anmeldung der Waren beantragte die K unter Nutzung der ihr erteilten Bewilligungen in 31 Fällen erst nach Ablauf der zwanzigtägigen Frist des Art. 49 Abs. 1 Buchst. b der VO (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften - ZK - die Überführung in (verschiedene) Zollverfahren.

Gegenüber der Klägerin erfolgte die Anlieferung des Kaffees in Versandverfahren, die beim Zollamt des Beklagten eröffnet wurden. Die Klägerin ließ den Kaffee beim Zollamt in den zollrechtlich freien Verkehr überführen oder zu der ihr bewilligten aktiven Veredelung (Nichterhebungsverfahren) abfertigen. Der aus Kolumbien und Ecuador stammende Kaffee war präferenzbegünstigt und zollfrei. Nur für den aus Brasilien stammenden Kaffee hatte die Klägerin Zoll zu zahlen. Den gesamten Kaffee nahm sie ohne Entrichtung der Kaffeesteuer in ihr Kaffeesteuerlager auf.

Nachdem das HZA von den Vorgängen bei der K durch eine bei der K durchgeführte Außenprüfung Kenntnis erlangt hatte, setzte es gegen sie mit mehreren Bescheiden (vom 07.01., 02.03., 18.05., 25.08. und 15.12.2000 sowie vom 02.04.2001 in der Fassung des Bescheids vom 07.12.2004) insgesamt 2.072.248,17 DM Zoll, 1.854,549,15 DM Einfuhrumsatzsteuer - EUSt - und 9.363.295,70 DM Kaffeesteuer fest. Das HZA ging dabei davon aus, dass der Kaffee durch die Beförderung von dem Betriebsgelände der K in X zu ihrem Zolllager in Y der zollamtlichen Überwachung entzogen worden sei und die K, soweit sie verspätetet Anträge zur Überführung in Zollverfahren gestellt hatte, Einfuhrabgabenschuldnerin nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 ZK geworden sei. Wegen der Vorgänge im Einzelnen wird auf den Wortlaut der Bescheide verwiesen.

Im Anschluss an die Außenprüfung bei K unterrichtete das HZA den Beklagten von seinen Feststellungen. Der Beklagte selbst stellte bei den von ihm angeordneten und durchgeführten Außenprüfungen der Jahre 1997 bis 1999 bis auf eine Ausnahme nicht fest, hinsichtlich welcher Einfuhren der Klägerin eine Inanspruchnahme der K durch das HZA stattgefunden hatte. Nur den Steueränderungsbescheid vom 29.12.1999, dessen Einfuhren vier in der dargestellten Weise besteuerte Vorgänge bei der K zugeordnet werden konnten, hob der Beklagte am 01.02.2000 auf. Der Beklagte unterrichtete die Klägerin nicht über die Prüfung bei der K und die Möglichkeit etwaiger Erstattungsansprüche.

Den gegen den Bescheid vom 18.05.2000 eingelegten Einspruch der K wies das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 28. Juni 2005 zurück. Die sodann von der K erhobene Klage wies der Senat mit Urteil vom 15.11.2006, 4 K 3023/05 VK,Z,EU, ab, wobei er den Ausführungen des HZA folgte. Die Frage, ob der Klägerin Erstattungsansprüche zustehen können, ließ der Senat dabei ausdrücklich offen.

Die gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde der K blieb beim BFH mit Beschluss vom 29.10.2007, VII B 352/06 erfolglos.

Am 05.03.2007 unterrichteten die Prozessvertreter der K die Klägerin über die o.a. Vorgänge bei der K, übergaben aber keinen der an die K gerichteten Steuerbescheide.

Am 23.04.2007 sprachen Vertreter der Klägerin deswegen beim Beklagten vor. Am 10.05.2007 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Erstattung von Zoll, EUSt und Kaffeesteuer, soweit diese gegenüber der K wegen zuvor entstandener Einfuhrabgaben festgesetzt worden seien. Die Einfuhrabgabenschuld sei nämlich durch Handlungen der K entstanden und vom HZA angefordert worden und nicht mehr aufgrund ihrer späteren Anträge.

Der Beklagte sei aufgrund des Austauschs mit dem HZA verpflichtet gewesen, ihr die Einfuhrabgaben von Amts wegen zu erlassen.

Mit Verfügung vom 12.12.2007 lehnte der Beklagte den Antrag hinsichtlich des Zolls ab, da er nicht innerhalb der dreijährigen Frist des Art. 236 Abs. 2 Unterabs. 1 ZK gestellt worden sei.

Innerhalb dieser Frist habe er auch nicht nach Art. 236 Abs. 2 Unterabs. 3 ZK von Amts wegen festgestellt, die Einfuhrabgaben erstatten zu müssen, da ihm weder der vermeintliche Abgabenschuldner noch die Zollanmeldungen und die Zollstelle der buchmäßigen Erfassung bekannt gewesen seien.

Zwar habe ihn das HZA von seinen Feststellungen unterrichtet. Daraus sei für ihn ersichtlich gewesen, dass für Kaffee, der für die Klägerin bestimmt gewesen sei, bereits in vorgeschalteten Zollverfahren aufgrund (von) Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung die Einfuhrabgaben entstanden seien und dass für diese Waren Versandanmeldungen bei seinen Zollstellen abgegeben worden seien. Zollanmeldungen der Klägerin seien ihm aber unbekannt geblieben. Soweit im Rahmen von Außenprüfungen bei der Klägerin Zollanmeldungen für diesen Kaffee bekannt geworden seien, sei von einer Nacherhebung abgesehen worden.

Zur Begründung ihres dagegen fristgerecht eingelegten Einspruchs trug die Klägerin vor, die Einfuhrabgabenschuld sei zuerst durch Handlungen der K entstanden und habe dadurch, dass der Kaffee später auf ihren Antrag in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sei, nicht noch einmal entstehen können. Insoweit seien ihr diese Abgaben zu erlassen.

Die Antragsfrist sei wegen höherer Gewalt verlängert, Art. 236 Abs. 2 Unterabs. 2 ZK. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei höhere Gewalt nicht auf eine absolute Unmöglichkeit beschränkt, sondern im Sinne von ungewöhnlichen, vom Willen des Betroffenen unabhängigen Umständen zu verstehen, deren Folgen trotz aller aufgewandten Sorgfalt nur um den Preis unverhältnismäßiger Opfer vermeidbar gewesen wären. Daher müsse höhere Gewalt immer vorliegen, wenn es ihr als Antragstellerin wie hier unmöglich gewesen sei, einen Erstattungsantrag zu stellen. Sie habe nämlich erst im Februar 2007 von den Vorgängen erfahren. Im Anschluss daran habe sie sich sofort um einen Termin beim Beklagten bemüht und dann die Erstattung beantragt.

Zudem sei der Beklagte von Amts wegen zur Erstattung verpflichtet gewesen, weil ihm der Vorgang bekannt gewesen sei und er aufgrund der Zusammenstellungen in den Anlagen des Prüfungsberichts (und der Steuerbescheide des HZA) die Versandanmeldungen habe ersehen und damit ihre Zollanmeldungen habe feststellen können. Insoweit habe er seine Ermittlungspflichten nach § 88 AO verletzt.

Selbst wenn der Beklagte der Auffassung gewesen sein sollte, dass er nicht zu eigenen Ermittlungen verpflichtet sei, hätte er ihr jedoch nach § 89 AO einen Hinweis geben müssen, da sie dann von sich aus ihre Zollbelege den Versandanmeldungen hätte zuordnen können.

Zudem seien die Gründe, die einen Abgabenanspruch gegen K begründeten und dem Prüfer bei der K innerhalb der dreijährigen Frist bekannt gewesen seien, auch Gründe für ihren Erstattungsanspruch. Dessen Kenntnis sei dem Beklagten zuzurechnen, da eine Teilung der örtlichen Zuständigkeiten in der Zollverwaltung nicht zu ihren Lasten gehen könne.

Mit Einspruchsentscheidung vom 18.12.2008 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und hielt dazu an den in seiner ablehnenden Verfügung vom 12.12.2007 dargestellten Rechtsausführungen fest. Ergänzend führt er aus, ein Fall höherer Gewalt liege bei nur unterlassenen Informationen nicht vor.

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor, höhere Gewalt liege auch dann vor, wenn wie hier ein Antragsteller durch behördliches Verhalten von der fristgerechten Antragstellung abgehalten werde. Der Beklagte habe nämlich gegen seine Hinweispflicht nach § 89 AO verstoßen. Bei dem vorliegenden Sachverhalt habe sich ihre Antragstellung geradezu aufgedrängt.

Der Beklagte hätte ohne weiteres durch die ihm vom HZA bekannt gegebenen Versandanmeldungen die ihr gegenüber ergangenen Einfuhrabgabenbescheide ermitteln können. Diese Auswertung habe er aber unterlassen.

Nach Kenntnis der Inanspruchnahme der K habe sie rechtzeitig die Erstattung beantragt. Danach habe sie sich erst sachkundig machen müssen und dazu den bei der Antragstellung für sie tätigen Steuerberater beauftragt. Dieser habe sich einarbeiten müssen und bei ihr bereits archivierte Abfertigungsbelege mit den Ergebnissen der Nacherhebung bei der K abgleichen müssen. Erst danach habe sich ihr Steuerberater mit dem Beklagten in Verbindung setzen, einen Gesprächstermin vereinbaren und einen Erstattungsantrag stellen können.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seiner ablehnenden Verfügung vom 12.12.2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.12.2008 zu verpflichten, ihr dem Grunde nach Zoll aus den Nacherhebungen gegenüber der K GmbH Co. KG, soweit sie diese Waren später verzollt hat, zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Streitsache dem EuGH nach Art. 234 EG-Vertrag zur Klärung der Voraussetzungen des Art. 236 Abs. 2 ZK vorzulegen.

Hierzu führt er aus: Unstreitig gebe es keine doppelte Entstehung einer Zollschuld. Soweit durch Handlungen der K bezüglich bestimmter Waren eine Zollschuld entstanden sei, habe diese durch spätere Anträge auf Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr nicht noch einmal entstehen können.

Die Antragsfrist für einen Erstattungsantrag sei aber abgelaufen und könne nicht verlängert werden.

Die Nacherhebungen des HZA seien bei den Außenprüfungen der Klägerin bereits berücksichtigt worden.

Zudem erscheine es unwahrscheinlich, dass die Klägerin trotz ihrer engen Geschäftsbeziehung zur K nicht informiert gewesen sein wolle und den Sachverhalt erst im Februar 2007 erfahren haben solle. Daher habe er keinen Anlass gehabt, eine hinweispflichtige Unkenntnis nach § 89 AO bei der Klägerin anzunehmen.

Auch habe die Klägerin nicht dargetan, von ihm an einer Antragstellung gehindert worden zu sein, so dass ein Fall höherer Gewalt vorliegen könne.

Selbst wenn höhere Gewalt vorliege, sei die Frist zur Antragstellung nur bis zu dessen Wegfall verlängert. In ihrem Antrag vom 09.05.2007 habe die Klägerin aber angegeben, im Februar 2007 von der K informiert worden zu sein, so dass auch dann, wenn dieses Gespräch am letzten Arbeitstag des Februar stattgefunden habe, noch neun Wochen vergangen seien, bis sie ihren Antrag gestellt habe. Damit sei der Antrag aber nicht mehr unverzüglich gestellt worden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die ablehnende Verfügung des Beklagten vom 12.12.2007 in der Gestalt seiner Einspruchsentscheidung vom 18.12.2008 ist rechtswidrig. Der Beklagte ist vielmehr nach § 101 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung FGO verpflichtet, der Klägerin den von ihr entrichteten Zoll für von ihr beantragte Überführungen in den zollrechtlich freien Verkehr zu erstatten, für deren Waren die K schon mit den Bescheiden vom 07.01., 02.03., 18.05., 25.08. und 15.12.2000 sowie vom 02.04.2001 in der Fassung des Bescheids vom 07.12.2004 in Anspruch genommen worden ist.

Eine Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung besteht nur dem Grunde nach, da die Sache hinsichtlich des zu erstattenden Zollbetrags noch nicht spruchreif ist. Die genaue Höhe dieses Betrags steht nämlich noch nicht fest.

Entsprechend dem Antrag der Klägerin, die auch ihrerseits nur die Bescheidung beantragt hat, ist das Finanzgericht nicht verpflichtet, in einem solchen Fall durch eigene Ermittlungen Spruchreife herbeizuführen. Es ist nicht Sache der Gerichte, grundsätzlich der Verwaltung zustehende Funktionen auszuüben. Aufgabe der Gerichte ist es, das bisher Geschehene bzw. das Unterlassene auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Insbesondere darf also das Gericht nicht von der Finanzverwaltung bisher noch nicht geprüfte Sachverhalte aufgreifen und durch eigene Ermittlungen klären. Es hat nur die Pflicht, den Sachverhalt bis zur Entscheidungsreife für den Erlass eines Bescheidungsurteils aufzuklären (BFH Urteile v. 08.12.1983, IV R 170/81, BStBl. II 1984, 200 ff., 202; v. 02.06.2005, III R 66/04, BStBl. II 2006, 184 ff., 187; Senatsurteil vom 30.04.2008, 4 K 1959/06 VM).

Die Zollschuld für die von der Klägerin in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführten Waren, für die die K mit den o.a. Bescheiden in Anspruch genommen worden ist, war nicht erst mit der Annahme der Zollanmeldungen nach Art. 201 Abs. 1 Buchst. a ZK, sondern durch bestimmte Handlungen der K nach den Art. 203 und 204 ZK in den Jahren 1997 bis 1999 entstanden und wurde mit den o.a. Bescheiden gegenüber der K festgesetzt.

Im Hinblick auf die so entstandene Zollschuld konnte aufgrund der späteren Zollanmeldungen der Klägerin keine Zollschuld mehr entstehen (s. Witte ZK 5. Aufl. Vor Art. 201 Rz. 33). Die aufgrund dieser Zollanmeldungen gezahlte Zollschuld war nach Art. 236 Abs. 1 ZK gesetzlich nicht geschuldet.

Die Klägerin hat die Erstattung des Zolls auch rechtzeitig beantragt. Zwar hat sie die regelmäßige Antragsfrist von 3 Jahren nach Art. 236 Abs. 2 Unterabs. 1 ZK nicht eingehalten. Gleichwohl galt für sie die verlängerte Frist nach Art. 236 Abs. 2 Unterabs. 2 ZK, denn sie war infolge eines unvorhersehbaren Ereignisses oder höherer Gewalt daran gehindert, den Antrag fristgerecht zu stellen.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH in verschiedenen Zusammenhängen wie dem Agrarrecht oder den in Art. 45 der Satzung des Gerichtshofs festgelegten Rechtsbehelfsfristen erfasst der Begriff der höheren Gewalt nicht nur die absolute Unmöglichkeit, sondern ist im Sinne von außerhalb der Sphäre des Wirtschaftsteilnehmers liegenden Umständen zu verstehen, die ungewöhnlich und unvorhersehbar sind und deren Folgen trotz aller aufgewandten Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können. Der Begriff der höheren Gewalt umfasst demgemäß ein objektives Merkmal, das sich auf ungewöhnliche, außerhalb der Sphäre des Betroffenen liegende Umstände bezieht, und ein subjektives Merkmal, das mit der Verpflichtung des Betroffenen zusammenhängt, sich gegen die Folgen ungewöhnlicher Ereignisse zu wappnen, indem er, ohne übermäßige Opfer zu bringen, geeignete Maßnahmen trifft (EuGH Urteil v. 18.12.2007, C-314/06, Rz. 23 f. m.w.N.).

Da indessen nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung der Begriff der höheren Gewalt auf den verschiedenen Anwendungsgebieten des Gemeinschaftsrechts nicht den gleichen Inhalt hat, ist seine Bedeutung anhand des rechtlichen Rahmens zu bestimmen, innerhalb dessen er seine Wirkungen entfalten soll. Im Streitfall ist deshalb zu prüfen, ob im Hinblick auf den Begriff der "höheren Gewalt" im Sinne von Art. 236 Abs. 2 Unterabs. 2 ZK Aufbau und Zweck des ZK dazu Anlass geben, die zuvor dargelegten Tatbestandsmerkmale der höheren Gewalt in besonderer Weise auszulegen und anzuwenden (EuGH Urteil v. 18.12.2007, C-314/06, Rz. 25 f. m.w.N.).

Art. 236 Abs. 2 Unterabs. 2 ZK dient ersichtlich dazu, ausnahmsweise auch dann Erstattungen trotz Überschreitens der gewöhnlichen Antragsfrist zu ermöglichen, wenn der jeweilige Antragsteller diese Frist aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse oder vergleichbarer Gründe nicht hat einhalten können. Dabei hat der Antragsteller nachzuweisen, dass in seinem Fall diese Voraussetzungen gegeben sind und muss im Hinblick auf die Unvorhersehbarkeit auch seine Vorkehrungen und damit die Erfüllungen der Sorgfaltspflichten seinerseits nachweisen. Der damit zu Tage tretende Regelungsgehalt und -zweck entspricht dem der zuvor dargestellten Rechtsprechung des EUGH zur höheren Gewalt und bedarf weder weiterer Einschränkungen noch Erweiterungen.

Danach war der Klägerin jegliches Bestehen eines Erstattungsanspruchs bis zur Information durch die K , die am 05.03.2007 stattgefunden hat, unbekannt. Die Klägerin hatte auch keinen Anlass, eine frühere Entstehung der Zollschuld in der Person der K aufgrund vorangegangener Umstände anzunehmen, weil ihr diese Umstände nicht bekannt waren und für sie auch weder eine Möglichkeit noch eine Veranlassung bestand, die in alleiniger Verantwortung der K stattfindende Abwicklung vorangegangener Zollverfahren zu überwachen.

Die Klägerin hat ihren Erstattungsantrag nach grundsätzlicher Kenntnis des Erstattungsanspruchs am 05.03.2007 auch rechtzeitig gestellt. Eine rechtzeitige Antragstellung ist einem Beteiligten erst dann möglich, wenn er über die Mindestangaben für einen Erstattungsantrag verfügt. Grundsätzlich soll ein Erstattungsantrag nämlich die in Art. 878 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 02.07.1993 mit Durchführungsvorschriften zu der VO (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ZKDVO in Verbindung mit Anhang 111 ZKDVO verlangten Angaben enthalten. Wenigstens aber muss der Antrag die nach Art. 881 Abs. 1 Satz 2 ZKDVO verlangten Angaben enthalten, die Person des Antragstellers (Feld 1 des Anhangs 111 ZKDVO), die Zollanmeldung, die zu dem zu erstattenden Zoll führte (Feld 2 des Anhangs 111 ZKDVO) und die Zollstelle der buchmäßigen Erfassung (Feld 3 des Anhangs 111 ZKDVO). Die Angabe einer beabsichtigten Verwendung oder einer zollrechtlichen Bestimmung bedarf es bei Erstattungsanträgen nach Art. 236 ZK nicht (s. Hinweis zu Feld 7 in Anhang 111 ZKDVO). Erst wenn die danach verlangten Angaben vorliegen, zumindest aber zeitnah beschafft werden können, kann ein Beteiligter einen Erstattungsantrag stellen, wenn er nicht Gefahr laufen will, dass der Antrag nach Art. 881 Abs. 3 ZKDVO zurückgewiesen wird. Erst in diesem Zeitpunkt ist der Hinderungsgrund für die fristgerechte Antragstellung entfallen und der Antragsteller zur Antragstellung in der Lage (s. Witte/Huchatz ZK 5. Aufl. Art. 236 Rz. 56). Soweit in der Kommentarliteratur verlangt wird, dass dieser Antrag unverzüglich nach Wegfall des Hindernisses zu stellen ist (Gellert in Dorsch, Zollrecht ZK Art. 236 Rz. 50), ergäbe sich keine kürzere, nunmehr abgelaufene Frist zur Antragstellung. Die Unterlagen, aufgrund derer die zur Erstattung berechtigenden, der Klägerin gegenüber ergangenen Einfuhrabgabenbescheide (Zollbelege) erst ermittelt werden konnten, nämlich die der K gegenüber ergangenen Steueränderungsbescheide vom 07.01., 02.03., 18.05., 25.08. und 15.12.2000 sowie vom 02.04.2001 in der Fassung des Bescheids vom 07.12.2004 sind der Klägerin erst im Einspruchsverfahren gegen die Ablehnung ihres Erstattungsantrags und damit nach der Antragstellung selbst bekannt geworden.

Im Hinblick darauf bedarf es keiner Entscheidung, ob der Beklagte von Amts wegen nach Art. 236 Abs. 2 Unterabs. 3 ZK zu einer Erstattung verpflichtet gewesen wäre. Insoweit ist allerdings davon auszugehen, dass dem Beklagten der Erstattungsanspruch nicht bekannt war, sondern erst noch hätte ermittelt werden müssen.

Eine Vorlage nach Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) kam im Streitfall nicht in Betracht, da die Voraussetzungen für die Annahme höherer Gewalt bereits durch den EuGH in der zitierten Rechtsprechung entschieden sind und ohne weiteres zur Auslegung des Art. 236 Abs. 2 ZK herangezogen werden konnten.

Ebenso wenig war die Frage, bis wann ein Antragsteller, der die Voraussetzungen für die Annahme höherer Gewalt nachweist, den Erstattungsantrag gestellt haben muss, einer Vorlage nach Art. 234 EG zugänglich, weil dies von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Soweit dem Klageantrag stattgegeben wurde, trägt der Beklagte die Kosten des Verfahrens. Da die Klägerin aber zunächst die Erstattung des gesamten der K gegenüber festgesetzten Zolls beantragt hatte, sind die Kosten für diesen Teil ihres ursprünglichen Antrags, der den von der Klägerin errechneten Erstattungsanspruch übersteigt, von der Klägerin zu tragen.

Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ergibt sich aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Ein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO war nicht ersichtlich.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

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