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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 24.11.2006
Aktenzeichen: 1 K 1957/05 Ki
Rechtsgebiete: FGO, KiStG, KiStO, EStG, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 44 Abs. 1
KiStG § 14 Abs. 1 S. 1
KiStG § 14 Abs. 6 S. 1
KiStO § 25 Abs. 1 S. 2
EStG § 51a Abs. 2
EStG § 51a Abs. 5
AO 1977 § 351 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

1 K 1957/05 Ki

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Der Kläger gehört der evangelischen Kirche an; er wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.

Im Einkommensteuerbescheid 2003 vom 22. Februar 2005 erfasste der Beklagte Kapitaleinnahmen des Klägers, die dem Halbeinkünfteverfahren (vgl. § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes -EStG-) unterliegen, nur zur Hälfte; ein Betrag von 1.245 EUR blieb steuerfrei. Die Kirchensteuer berechnete der Beklagte unter Anwendung des § 51a Abs. 2 EStG wie folgt:

 zu versteuerndes Einkommen50.841 
zzgl. steuerfreie Halbkünfte1.245  
maßgebendes zu versteuerndes Einkommen52.086 
darauf entfallende ESt 14.752 EUR
Bemessungsgrundlage 14.752 EUR
Davon 9 v.H. ev. KiSt 1.327,68 EUR

Die dem Bescheid beigefügte programmgesteuerte Rechtsbehelfsbelehrung lautet (auszugsweise) wie folgt: "Gegen die Festsetzung der Kirchensteuer ist ebenfalls der Einspruch gegeben. Der Einspruch ist bei dem vorbezeichneten Finanzamt einzureichen, wenn er sich gegen die Höhe der der Festsetzung zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage richtet. Ein Einspruch gegen die Festsetzung der Kirchensteuer, der sich auf Gründe stützt, die nicht mit der Berechnung der zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage zusammenhängen, ist insoweit bei der zuständigen evangelischen Kirchengemeinde einzureichen."

Der Kläger legte beim Beklagten unter dem Betreff "Hinzurechnung der steuerfreien Halbeinkünfte bei der Kirchensteuer" Einspruch gegen den "Bescheid für 2003 über Einkommensteuer usw." ein "wegen Verletzung der Schranken des für alle geltenden Gesetzes betr. Halbeinkünfte durch die Kirchen, die bei der Erhebung der Kirchensteuer autonom handeln. Die Einziehung durch den Staat geschieht aus Kostengründen, s. Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV". Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 29. April 2005 als unbegründet zurück. Die Kirchensteuer sei auf der Grundlage des § 51a Abs. 2 EStG zutreffend berechnet. Die Steuereinziehung durch den Staat verstoße nicht gegen Art. 137 Abs. 3 WRV; die Festsetzung und Erhebung der Kirchensteuer durch die Finanzverwaltung beruhe auf einem entsprechenden Antrag der Kirchen i.S. von § 9 KiStG.

Mit der Klage macht der Kläger geltend, sein Vorbringen werde verdreht und unterdrückt. Es gehe ihm nicht um die Steuererhebung, sondern um die Festsetzung, die hier verfassungswidrig sei. Das Kirchensteuergesetz des Landes Nordrhein-Westfalen -KiStG- privilegiere die Kirchen und sei zwar nicht wegen seines Zustandekommens, aber im Hinblick auf seinen Inhalt verfassungswidrig; der Senat müsse die Sache daher dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Man müsse auch fragen, ob der Staat im autonomen Kirchensteuerrecht "überhaupt Gesetzgebungsrecht habe außer in der Grenzziehung zur Privilegierung, die hier erfolgt sei unter Benutzung der Bestimmung des § 51a EStG, die nur für den Bundesbereich gelte und nicht für eine autonome Länderangelegenheit". Der Beklagte habe - obwohl es um die Festsetzung gehe - von der "Einziehung der Steuer durch den Staat im Auftrag der Kirchen" geschrieben; das sei nicht vereinbar mit der Trennung von Staat und Kirche.

Im Laufe des Verfahrens hat der Beklagte am 28. Juni 2005 einen - aus hier nicht streitgegenständlichen Gründen - geänderten Bescheid erlassen, der zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist.

Der Kläger beantragt,

den angefochtenen Kirchensteuerbescheid 2003 in der Weise zu ändern, dass die bei der Einkommensteuer steuerfrei gebliebenen Halbeinkünfte für Zwecke der Kirchensteuer ebenfalls steuerfrei bleiben,

hilfsweise

die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf den gerichtlichen Hinweis, dass im Hinblick auf die Regelung des § 14 KiStG zunächst die sachliche Zuständigkeit des Beklagten - statt der Kirchenbehörde - zu prüfen sei, hat dieser bekräftigt, dass die für Zwecke der Kirchensteuerberechnung vorzunehmenden Korrekturen nach § 51a EStG Bestandteil des Grundlagenbescheides seien; das ergebe sich bereits aus § 4 Abs. 2 KiStG. Maßstabsteuer, gegen die der Steuerpflichtige nur bei der Finanzbehörde Einwendungen geltend machen dürfe (§ 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG), sei die fiktive Einkommensteuer nach § 51a EStG

In der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2006 hat der Kläger die Berichterstatterin wegen Befangenheit abgelehnt, weil sie, wie der erteilte gerichtliche Hinweis zeige, den Beklagten aus dem Verfahren habe drängen und auf diese Weise seinen - des Klägers - Rechtsschutz habe vereiteln bzw. verzögern wollen. Der Senat hat daraufhin die Sitzung unterbrochen und, nachdem die Berichterstatterin den Sitzungssaal verlassen hatte, unter Hinzuziehung der geschäftsplanmäßigen Vertreterin, Richterin am Finanzgericht A., das Befangenheitsgesuch durch Beschluss abgelehnt. Nach Verkündung des Beschlusses ist die Sitzung in der ursprünglichen Besetzung, unter Teilnahme der Berichterstatterin, fortgesetzt worden.

Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Klagevorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der dem Gericht vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Die Klage ist unzulässig.

Gemäß § 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO- ist in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, die Klage nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den Einspruch erfolglos geblieben ist. Das - erfolglos gebliebene - Vorverfahren hat grundsätzlich dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorverfahren zu entsprechen; es muss das "richtige" Vorverfahren durchgeführt worden sein. Ein von den gesetzlichen Vorgaben abweichendes Vorverfahren reicht jedenfalls dann als Sachentscheidungsvoraussetzung nicht aus, wenn der adäquate, vollständige außergerichtliche Rechtsschutz des Steuerpflichtigen nicht sichergestellt ist (von Groll in Gräber, FGO, 6. A., § 44 Rdn. 23). Vorliegend fehlt es am richtigen Vorverfahren, weil der Beklagte über den bei ihm eingelegten Einspruch entschieden hat, obwohl er weder der richtige Einspruchsgegner noch zuständig zur Einspruchsentscheidung war. Die stattdessen allein zuständige (Kirchen-)Behörde hat indes die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bisher nicht erneut und unter Berücksichtigung des Einspruchsvorbringens des Klägers umfassend überprüft.

Der Einspruch des Klägers richtete sich bei verständiger Auslegung gegen den Kirchensteuerbescheid. Der Kläger hat zur Einspruchseinlegung Seite 2 des Einkommen- und Kirchensteuerbescheides vom 22. Februar 2005 abgelichtet und um handschriftliche Ausführungen ergänzt. Dort hat er die in der Rechtmittelbelehrung ausgewiesene Formulierung "Festsetzung der Kirchensteuer" unterstrichen, die Rubrik "Berechnung der Kirchensteuer" markiert, den Betreff seines Schreibens mit "Hinzurechnung der steuerfreien Halbeinkünfte bei der Kirchensteuer" angegeben und den angefochtenen Bescheid mit Bescheid für 2003 über Einkommensteuer "usw." bezeichnet. In einem Telefonat mit dem Sachbearbeiter des Beklagten vom 18. 04. 2005 führte der Kläger erneut an, dass es ihm um die Berechnung und Festsetzung der Kirchensteuer gehe.

Der Beklagte war nicht der richtige Einspruchsgegner und auch nicht für die Entscheidung über den Einspruch gegen den Kirchensteuerbescheid zuständig; stattdessen war der Rechtsbehelf bei der Kirchenbehörde einzulegen und von ihr auch zu bescheiden.

Die gesetzliche Grundlage für das Rechtsbehelfsverfahren gegen einen Kirchensteuerbescheid befindet sich in § 14 des Kirchensteuergesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen -KiStG-. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KiStG steht dem Steuerpflichtigen gegen die Heranziehung zur Kirchensteuer als außergerichtlicher Rechtsbehelf der Einspruch zu, der bei der Kirchengemeinde einzulegen ist, für die der Steuerbescheid durch das Finanzamt erlassen worden ist (§ 25 Abs. 1 Satz 2 der Kirchensteuerordnung -KiStO-). Die Kirchengemeinde ist gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 KiStG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 KiStO auch für die Entscheidung über den Einspruch zuständig. Nach dieser Grundregel hätte der Einspruch, um das "richtige" Vorverfahren zu gewährleisten, bei der Kirchenbehörde eingelegt und von dieser auch beschieden werden müssen; die Entscheidung über den vom Kläger gegen den Kirchensteuerbescheid eingelegten Einspruch fiel nicht in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten.

Eine von der Grundregel abweichende Zuständigkeit ausnahmsweise der beklagten Finanzbehörde statt der Kirchengemeinde lässt sich insbesondere nicht aus der Vorschrift des § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG herleiten. Diese Regelung bestimmt, dass "Einwendungen gegen die zugrunde gelegte Maßstabsteuer (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3) unzulässig" sind.

Legt man den dortigen Begriff der "Maßstabsteuer" dahin aus, dass er auch die Berechnung der Bemessungsgrundlage nach § 51a Abs. 2 EStG umfasst, dann könnte § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG dahin verstanden werden, dass "Einwendungen gegen die Berechnung der Bemessungsgrundlage unzulässig" sind. Das würde allerdings bedeuten, dass gegen die Feststellung der Bemessungsgrundlage überhaupt kein Rechtsmittel gegeben wäre. Bei derartiger Auslegung verstieße die Regelung gegen die Rechtsweggarantie nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes -GG-. Die kirchenrechtliche Norm ist allerdings nicht verfassungswidrig, sondern kann im Hinblick auf die verschiedenen in Betracht kommenden Normdeutungen verfassungskonform ausgelegt werden (vgl. Kruse/Druen in Tipke/Kruse, AO und FGO, § 4 AO Tz. 238). Indes führt auch die verfassungskonforme Auslegung nicht dazu, dass Einwendungen gegen die nach § 51a Abs. 2 EStG berechnete Bemessungsgrundlage bei der Finanzbehörde anzubringen sind. Vielmehr verbleibt es dabei, dass derartige Einwendungen nach der Grundregel des § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KiStG mit dem Einspruch bei der Kirchenbehörde zu verfolgen sind.

Die Bestimmung des § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG ist offensichtlich angelehnt an die Vorschriften des § 351 Abs. 2 AO und des § 51a Abs. 5 EStG.

Nach § 351 Abs. 2 AO können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheides, angegriffen werden. Die Regelung bedeutet nicht etwa eine Einschränkung der Rechte des Steuerpflichtigen, sondern dient - bei Wahrung umfassenden Rechtsschutzes - der Klarstellung. Ein Verwaltungsakt kann nur wegen derjenigen Regelung angefochten werden, die er selbstständig und verbindlich trifft. Da Grundlagenbescheide eine selbstständige, verbindliche und bindende Regelung treffen, die Folgebescheide diese Regelung aber lediglich übernehmen, können wegen einer solchen Regelung allein die Grundlagenbescheide angefochten werden; nur sie lösen insoweit die Beschwer oder Rechtsverletzung aus. Nicht aber kann deswegen der Folgebescheid angefochten werden, der diese Regelung nicht verbindlich trifft, sondern lediglich aus dem Grundlagenbescheid übernimmt, an den er gebunden ist (Tipke in Tipke/Kruse, AO und FGO, § 351 AO Tz. 45); wenn auf den Einspruch gegen den Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) hin dieser Bescheid zugunsten des Steuerpflichtigen geändert wird, wird die Änderung von Amts wegen auch im Folgebescheid umgesetzt, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Das Prinzip des § 351 Abs. 2 AO gilt auch umgekehrt: Unabhängige Entscheidungen in einem Folgebescheid können nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht auch durch Anfechtung des Grundlagenbescheids angegriffen werden. Der Betroffene muss stets den Bescheid anfechten, durch dessen verantwortliche und verbindliche Regelung er betroffen und beschwert ist (Tipke in Tipke/Kruse, AO und FGO, § 351 AO Tz. 45).

Für die Einkommen- und Kirchensteuerfestsetzung folgt aus § 351 Abs. 2 AO, dass Entscheidungen und verbindliche Regelungen im Einkommensteuerbescheid nur durch Einspruch gegen diesen Bescheid angegriffen werden können (und müssen). Das stellt § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG nochmals klar; derartige Einwendungen sind in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen den Kirchensteuerbescheid "unzulässig".

Die hier vom Kläger erhobenen Einwendungen gegen die Berechnung der Bemessungsgrundlage nach § 51a Abs. 2 EStG sind davon allerdings nicht betroffen. Insoweit ist das Begehren nicht durch Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid zu verfolgen, sondern - entsprechend der Grundregel des § 14 Abs. 1 KiStG - gegen den Kirchensteuerbescheid geltend zu machen. Die Feststellung der Bemessungsgrundlage für Zwecke der Berechnung der Kirchensteuer (hier unter Einbeziehung der nicht um Verlustvorträge gekürzten Halbeinkünfte) stellt keine selbstständige und verbindliche Regelung innerhalb des Einkommensteuerbescheids dar. Mit dem Einkommensteuerbescheid wird über das Bestehen eines bestimmten Einkommensteueranspruchs entschieden; die Regelungswirkung dieses Steuerbescheides nach § 157 Abs. 1 AO als Verwaltungsakt i.S.von § 118 AO besteht in der Festsetzung der Steuer, § 155 Abs. 1 Satz 1 AO. Demgegenüber bildet die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 157 Abs. 2 AO einen mit Rechtsbehelfen grundsätzlich nicht selbstständig anfechtbaren Teil; eine Ausnahme besteht nur bei gesonderter Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Damit sind Besteuerungsgrundlagen regelmäßig nur unselbstständige Bestandteile des Bescheides, die keine selbstständige und verbindliche Regelung darstellen und damit nicht als "Entscheidung" - etwa i.S. von § 351 Abs. 2 AO - einzuordnen sind. Zu diesen (unselbstständigen) Besteuerungsgrundlagen gehören nach allgemeiner Auffassung etwa die der Einkommensteuerfestsetzung zugrunde gelegten Einkünfte, Sonderausgaben, Freibeträge etc. des Steuerpflichtigen. Gleiches gilt hier für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 51a EStG; auch insoweit liegt keine selbstständige und verbindliche Regelung vor - und erst recht keine gesonderte Feststellung nach § 157 Abs. 2 2. Halbs. AO - , sondern eine unselbstständige Berechnung ohne bindende Außenwirkung. Ebenso wie etwa die Darstellung der Einkünfte, Sonderausgaben und sonstigen Besteuerungsgrundlagen die Berechnung der mit Einkommensteuerbescheid festzusetzenden Einkommensteuer erläutert, zeigt die Berechnung der Bemessungsgrundlage unter der Rubrik "Berechnung der Kirchensteuer" die Verhältnisse auf, die für die Bemessung der Kirchensteuer maßgebend sind (vgl. insoweit die Legaldefinition der Besteuerungsgrundlagen in § 199 Abs. 1 AO).

Damit folgt aus § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG selbst bei Auslegung der Vorschrift in Anlehnung an § 351 Abs. 2 AO nicht, dass Einwendungen gegen die Bemessungsgrundlage bei der Kirchengemeinde "unzulässig" sind und stattdessen - abweichend von der Grundregel - mit dem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid bei der Finanzbehörde geltend zu machen sind; die Berechnung nach § 52a EStG erfüllt mangels selbstständigen Regelungscharakters nicht den Begriff der "Maßstabsteuer" i.S. von § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG.

Eine derartige Auslegung ist im Übrigen auch deshalb nicht möglich, weil die Feststellung der Bemessungsgrundlage - unabhängig davon, dass sie nicht den Charakter einer selbstständigen und verbindlichen Regelung hat - nicht einmal (unselbstständiger) Bestandteil des Einkommensteuerbescheides ist, sondern materiell dem Kirchensteuerbescheid angehört. Die Berechnung nach § 51a Abs. 2 EStG fällt im rechtlichen Sinne nicht in die Zuständigkeit der Finanzbehörde, sondern gehört zum Aufgabenbereich der Kirche. Die Vorschrift des § 51a EStG hat, weil es sich um eine bundesgesetzliche Regelung handelt, für die Kirchensteuern unmittelbar keine Bedeutung. Jedoch hat der Landesgesetzgeber die Regelung des § 51a EStG in das Kirchensteuerrecht des Landes übernommen, indem § 4 Abs. 2 Satz 1 KiStG bestimmt, dass vor Berechnung der Kirchensteuer die Einkommensteuer nach Maßgabe des § 51a EStG zu ermitteln ist. Zwar hat hier im Steuerbescheid der Beklagte, nicht die Kirchenbehörde, die Berechnung nach § 51a Abs. 2 EStG durchgeführt und dargelegt; insoweit ist er indes - ebenso wie bei der Kirchensteuerfestsetzung selbst - im Auftrag der Kirchenverwaltung tätig geworden (vgl. § 9 KiStG); die Berechnung ist der Kirchenbehörde als eigene zuzurechnen.

Die vom Beklagten angenommene Zuständigkeit der Finanzverwaltung für Einwendungen gegen die Berechnung der Bemessungsgrundlage ergibt sich auch nicht aus § 51a Abs. 5 Satz 1 EStG. Nach dieser Bestimmung kann mit einem Rechtsbehelf gegen die Zuschlagsteuer weder die Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden. Die Vorschrift ist nicht etwa dahin zu verstehen, dass Einwendungen gegen die Berechnung nach § 51a Abs. 2 EStG nicht bei der Kirchenbehörde anzubringen wären. Eine derartige Folge ergibt sich aus dieser Regelung schon deshalb nicht, weil es sich um ein Bundesgesetz handelt und dieses daher für die Kirchen unmittelbar keine Anwendung findet; aus der - an seiner Stelle - im Kirchensteuerrecht getroffenen Bestimmung des § 14 Abs. 6 KiStG ist eine solche Folgerung - wie dargelegt - gerade nicht zu ziehen. Zudem hat § 51a Abs. 5 EStG lediglich deklaratorische Bedeutung (vgl. Pust in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 51a Rdn. 176); sie gibt nur die sich schon aus § 351 Abs. 2 AO ergebenden Rechtsfolgen wieder. Die dort ausgesprochene Beschränkung auf Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegen den Grundlagenbescheid (Einkommensteuerbescheid) gilt nur, soweit die festgesetzte Einkommensteuer nach der gesetzlichen Regelung auch tatsächlich Bemessungsgrundlage der Zuschlagsteuer ist. Soweit die Einkommensteuer bzw. das zu versteuernde Einkommen für Zwecke der Zuschlagsteuer verändert wird - etwa beim Ausscheiden der Wirkung des Halbeinkünfteverfahrens -, erfolgt das außerhalb der Bindung an die Maßstabsteuer und des Verhältnisses von Grundlagen- und Folgebescheid. Insoweit erfolgt die Entscheidung (erst) im Bescheid über die Festsetzung der Kirchensteuer, so dass über Streitigkeiten hinsichtlich der Vornahme solcher Veränderungen der Bemessungsgrundlage nur nach Anfechtung dieses Bescheides entschieden werden kann (vgl. Frotscher, EStG, § 51a Rdn. 40; Pust in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 51a Rdn. 176; Schlief in Kirchhof/Söhn, EStG, § 51a Rdn. A 43). Der Auffassung des 18. Senats dieses Gerichts, dass Einwendungen gegen die für Zwecke der Kirchensteuer vorgenommene Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 51a Abs. 1 Satz 1 EStG (Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen ungeachtet der Höhe des Kindergeldes) gegen den Einkommensteuerbescheid geltend zu machen sind (Urteil vom 14. Januar 2000 18 K 5985/98 E, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2000, 439), schließt sich der erkennende Senat nicht an; der 18. Senat ist stillschweigend davon ausgegangen, dass die Berechnung der Bemessungsgrundlage nach § 51a EStG den Charakter eines Grundlagenbescheids hat und eine selbstständige und verbindliche Regelung darstellt.

Der Senat verkennt nicht, dass gewichtige Gründe dafür sprechen mögen, die Überprüfung der Bemessungsgrundlage nach § 51a EStG den Finanzbehörden zu übertragen. So lange es hierzu aber an einer verfahrensrechtlichen Übertragungsregelung im KiStG fehlt, sieht sich der Senat sowohl durch den derzeitigen Gesetzeswortlaut als auch durch die aufgezeigten verfahrensrechtlichen Systemzusammenhänge daran gehindert, zu diesem Ergebnis zu gelangen.

Insgesamt verbleibt es damit bei der Grundregel des § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KiStG, dass über die hier vom Kläger geltend gemachten Einwendungen die Kirchenbehörde zu entscheiden hat. Da der Kläger bisher nur beim Beklagten Einspruch eingelegt hat, müsste er, um seine Einwendungen gegenüber der zuständigen Kirchen-Behörde wirksam verfolgen zu können, dort eine Einspruchseinlegung nachholen. Möglicherweise wäre ein solcher Rechtsbehelf gegen den Kirchensteuerbescheid vom 22. Februar 2005 auch noch zulässig. Zwar ist seit der Bekanntgabe des Bescheides deutlich mehr als ein Monat vergangen und damit die regelmäßige Rechtsbehelfsfrist nach § 355 Abs. 1 Satz 1 AO verstrichen. Diese Frist greift hier indes nicht ein, weil der Beklagte eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung erteilt hatte. Im Steuerbescheid hatte er belehrt, dass ein Einspruch gegen die Festsetzung der Kirchensteuer in den Fällen, in denen sich der Steuerpflichtige gegen die Höhe der Bemessungsgrundlage wende, beim Finanzamt und in allen anderen Fällen bei der Kirchenbehörde einzulegen sei; diese Belehrung war indes unrichtig, weil - wie oben dargelegt - die Berechnung der Bemessungsgrundlage tatsächlich Teil des Kirchgeldbescheides ist und der hiergegen gerichtete Einspruch bei der Kirchenbehörde einzulegen und von dieser zu bescheiden ist. Eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung bewirkt nach § 356 Abs. 2 Satz 1 AO zunächst, dass die Einlegung eines Einspruchs binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Bescheides zulässig ist. Die zeitliche Grenze der Jahresfrist - die hier ebenfalls bereits verstrichen ist - gilt allerdings nach § 356 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbs. AO nicht, wenn die Rechtsbehelfseinlegung innerhalb dieses Zeitraums infolge höherer Gewalt unmöglich war; der Begriff der höheren Gewalt erfasst hier auch Fälle, in denen der Steuerpflichtige durch das Verhalten einer Behörde davon abgehalten wird, eine Frist zu wahren (Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 28. Oktober 2004 III R 53/03, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2005, 374). Eine solche Fallgestaltung könnte hier vorliegen; möglicherweise ist der Kläger durch die Rechtsbehelfsbelehrung im Einkommen- und Kirchensteuerbescheid von einer Einspruchseinlegung bei der Kirchenbehörde abgehalten worden. Sollte der Kläger den Einspruch bei der zuständigen Kirchenbehörde nachholen wollen, wird er die Anforderungen nach §§ 356 Abs. 2 Satz 2, 110 Abs. 2 AO - insbesondere die dort geregelte Frist - zu beachten haben. Anschließend, nach Durchführung dieses Rechtsbehelfsverfahrens, besteht ggf. die Möglichkeit der Erhebung einer zulässigen Klage.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 137 Satz 2 FGO. Zwar hat der Beklagte obsiegt, jedoch beruhen die Verfahrenskosten auf der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung und der Durchführung des falschen Vorverfahrens (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 1994 VIII R 36/89, BFHE 176, 289, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1995, 353; Tipke/Kruse, AO und FGO, § 137 FGO Tz. 8). Der Kläger ist vom Beklagten mit dem Bescheid rechtsfehlerhaft dahin belehrt worden, dass Einwendungen gegen die der Kirchensteuerfestsetzung zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage beim Beklagten anzubringen seien. Hierdurch ist der Kläger zur Einleitung des "falschen" Vorverfahrens und anschließend zur Erhebung der unzulässigen Klage veranlasst worden.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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