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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.03.2007
Aktenzeichen: 1 K 3489/05 U
Rechtsgebiete: UStG, FGO, AO 1977


Vorschriften:

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 101 S. 1
AO 1977 § 163
AO 1977 § 227
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

1 K 3489/05 U

Tenor:

Der Beklagte wird verpflichtet, die Umsatzsteuersteuerbescheide 2001 und 2002 vom 21.06.2004 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 6.468,30 EUR (2001) und ./. 3.157,46 EUR (2002) herabgesetzt wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren 2001 und 2002 einen Pferdepensionsbetrieb. Mit den Einstallern schloss sie formularmäßige Pferdeeinstallungsverträge ab. Nach § 1 Abs. 3 des Vertrages umfasste die Einstallung folgende Leistungen: Vermietung einer Box im Stallgebäude, Benutzung der geschlossenen und offenen Reitanlage nach Maßgabe der Betriebs- und Reitordnung, Lieferung von Einstreu und Futter. Nach § 5 des Vertrages verpflichtete sich die Klägerin, das eingestellte Pferd mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Pflegers zu füttern, zu pflegen und dem Einstaller Krankheiten und besondere Vorkommnisse unverzüglich nach Bekanntwerden zu melden. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf das in den Gerichtsakten befindliche Vertragsmuster Bezug genommen (Bl. 50 ff d. A.).

In ihren Umsatzsteuererklärungen 2001 und 2002 unterwarf die Klägerin die Umsätze aus den Einstallerverträgen - gestützt auf § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG - dem ermäßigten Steuersatz. In den Jahren 2003/2004 fand bei der Klägerin eine Umsatzsteuersonderprüfung durch das seinerzeit zuständige Finanzamt B-Stadt statt. Ausweislich Tz. 4 des Prüfungsberichtes vom 30.03.2004 gab die Klägerin im Verlauf der Prüfung an, bei einem Teil der eingestellten Pferde sei der Weidegang und die Reinigung der Box Bestandteil der Verträge. Bei der Hälfte der eingestellten Pferde bestehe zusätzlich zum Einstallervertrag ein Pferdeausbildungsvertrag. Dieser beinhalte drei mal wöchentlich Beritt oder Reitunterricht. Hinsichtlich dieser Pferde liege jeweils volle Pflege vor, ohne dass dies vertraglich gesondert festgehalten worden sei. Darüber hinaus liege volle Pflege auch bei der Hälfte der übrigen eingestellten Pferde vor.

Die Prüferin vertrat die Auffassung, ein steuerlich begünstigtes Halten von Vieh liege im Streitfall nicht vor. Dieses setze die Unterbringung, Fütterung und Pflege der Pferde voraus. Dabei gehöre zum Merkmal der Pflege das Bewegen der Pferde, die Gewährleistung des Gesundheitszustandes der Pferde und die Reinigung der Tiere und der Boxen sowie das Ausmisten und Einstreuen des Einstellplatzes. Zwar erbringe die Klägerin Leistungen, die dem Merkmal der Pflege zuzuordnen seien. Jedoch bestehe keine sich aus den vertraglichen Vereinbarungen ergebende ständige Verpflichtung der Klägerin zur Erbringung sämtlicher zur artgerechten Haltung der Pferde notwendigen Pflegeleistungen, so dass die Steuermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG keine Anwendung finde.

Das Finanzamt B-Stadt folgte der Auffassung der Prüferin und unterwarf die Umsätze aus den Einstallerverträgen mit Umsatzsteuerbescheiden 2001 und 2002 vom 21.06.2004 dem Regelsteuersatz. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte, das Einspruchsverfahren ruhen zu lassen, bis der BFH in vergleichbaren Fällen entschieden habe. In der Folgezeit entschied der BFH mit Urteil vom 22.01.2004 V R 41/02, dass das Einstellen und Betreuen von Reitpferden, die von ihren Eigentümern zur Ausübung von Freizeitsport genutzt werden, nicht unter den Begriff "Halten von Vieh" i. S. v. § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG falle und deshalb nicht mit dem ermäßigten, sondern mit dem allgemeinen Steuersatz zu versteuern sei. Das BMF reagierte hierauf mit Schreiben vom 09.08.2004 (BStBl I 2004, 851). Dieses BMF-Schreiben enthält unter III. eine Übergangsregelung, wonach es für bis zum 31.12.2004 bewirkte Umsätze in der Pensionspferdehaltung nicht beanstandet wird, wenn unter den übrigen Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG der ermäßigte Steuersatz bei allen noch nicht unanfechtbaren Steuerfestsetzungen in Anspruch genommen wird. Daraufhin machte die Klägerin mit Schreiben vom 10.08.2004 geltend, die Übergangsregelung sei in ihrem Fall anzuwenden. Dies lehnte das FA B-Stadt mit Schreiben vom 23.08.2004 ab. Hierzu nahm die Klägerin mit Schreiben vom 13.09.2004 nochmals Stellung.

Mit Einspruchsentscheidung vom 18.07.2005 wies der inzwischen zuständig gewordene Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er führte aus, die Klägerin treffe keine sich aus den vertraglichen Vereinbarungen mit den Einstallern ergebende ständige Verpflichtung zur Erbringung sämtlicher zur artgerechten Haltung der Pferde notwendigen Pflegeleistungen. Insofern seien die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auch schon nach der vor Ergehen des BFH-Urteils vom 22.01.2004 V R 41/02 bestehenden Rechtslage nicht erfüllt gewesen, so dass eine Anwendung der Übergangsregelung ausscheide.

Mit der hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend, die Übergangsregelung sei anwendbar. Gemessen an der vor Ergehen des BFH-Urteils vom 22.01.2004 V R 41/02 bestehenden Rechtslage erfülle sie die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG. Nach § 5 des Pferdeeinstallungsvertrages sei sie dazu verpflichtet, das eingestellte Pferd mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Pflegers zu pflegen. Diese Verpflichtung werde von ihr auch erfüllt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, die Umsatzsteuerbescheide 2001 und 2002 vom 21.06.2004 aus Billigkeitsgründen dahingehend zu ändern, dass die Umsätze aus den Pferdeeinstallungsverträgen dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Einspruchsentscheidung vom 18.07.2005.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Die Klage ist zulässig.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Anwendung der in dem BMF-Schreiben vom 09.08.2004 IV B 7 - S 7233 - 29/04, IV B 7 - S 7410 - 25/04 (BStBl I 2004, 851) unter III. enthaltenen Übergangsregelung. Derartige Übergangsregelungen stellen im Rahmen der §§ 163, 227 AO zu beachtende Billigkeitsregelungen dar. Im Hinblick auf die in der Abgabenordnung vorgesehene verfahrensrechtliche Trennung von Steuerfestsetzungsverfahren einerseits und Billigkeitsverfahren andererseits setzt die Zulässigkeit einer Klage, mit der die Verpflichtung der Verwaltung zur Anwendung einer derartigen Billigkeitsmaßnahme erstrebt wird, grundsätzlich voraus, dass die Behörde einen Antrag auf Anwendung der Billigkeitsmaßnahme abgelehnt hat und ein hiergegen eingelegter Einspruch erfolglos geblieben ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Zwar hat der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung vom 18.07.2005 in erster Linie über den Einspruch vom 22.06.2004 gegen die Umsatzsteuerbescheide vom 21.06.2004 entschieden. Bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten ist aber davon auszugehen, dass der Beklagte mit der genannten Einspruchentscheidung zugleich einen zuvor eingelegten Einspruch der Klägerin gegen die Ablehnung der begehrten Billigkeitsmaßnahme abgelehnt hat. Mit Schreiben vom 10.08.2004 hat die Klägerin die Anwendung der genannten Billigkeitsregelung beantragt. Dies hat das FA B-Stadt mit Schreiben vom 23.08.2004 abgelehnt. Hiergegen hat sich die Klägerin mit dem als Einspruch gegen die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahme auszulegenden Schreiben vom 13.09.2004 gewandt. Auch über diesen Einspruch hat der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung vom 18.07.2005 entschieden. Denn in der Begründung der Einspruchsentscheidung führt er ausdrücklich aus, dass die Voraussetzungen der im BMF-Schreiben vom 09.08. 2004 enthaltenen Übergangsregelung nicht erfüllt seien.

II. Die Klage ist auch begründet.

Die Ablehnung des Beklagten, die Umsatzsteuer 2001 und 2002 aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO in der Weise abweichend festzusetzen, dass die Pferdepensionsleistungen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterworfen werden, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten ( § 101 Satz 1 FGO).

Nach § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Entscheidung über den Erlass von Steuern i. S. des § 163 AO ist eine Ermessensentscheidung (BFH, Urteil vom 24.11.2005 V R 37/04, BStBl II 2006, 466). Soweit die Behörden ermächtigt sind, nach ihrem Ermessen zu entscheiden, hat sich die gerichtliche Prüfung darauf zu beschränken, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist ( § 102 FGO). Die Finanzverwaltung ist grundsätzlich berechtigt, aus Gründen des Vertrauensschutzes mit auf §§ 163, 227 AO gestützten Übergangsregelungen auf eine steuerverschärfende Rechtsprechung zu reagieren und deren Anwendung - wie durch das BMF-Schreiben im vom 09.08.2004 IV B 7 - S 7233 - 29/04, IV B 7 - S 7410 - 25/04 (BStBl I 2004, 851) geschehen - auf zukünftige Zeiträume zu begrenzen. Derartige Verwaltungsanweisungen sind grundsätzlich auch von den Finanzgerichten zu beachten (z. B. BFH, Urteil vom 26.02.1991 IX R 95/88, BStBl II 1991, 572, Beschluss vom 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751, 757). Maßgeblich für die Auslegung einer solchen Verwaltungsvorschrift ist nicht, wie das Gericht eine solche Verwaltungsanweisung verstehen würde, wenn sie Gesetz wäre, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte (BFH, Urteil vom 24.11.2005 V R 37/04, BStBl II 2006, 466). Dabei kommt es nach Auffassung des Senats auf die Sicht der Erlassbehörde - hier des BMF - und nicht auf ein davon ggf. abweichendes Verständnis nachgeordneter Behörden an.

Nach diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für die Anwendung der im BMF-Schreiben vom 09.08.2004 IV B 7 - S 7233 - 29/04, IV B 7 - S 7410 - 25/04 (BStBl I 2004, 851) unter III. enthaltenen Übergangsregelung im Streitfall erfüllt. Diese lautet: "Für bis zum 31. Dezember 2004 bewirkte Umsätze in der Pensionspferdehaltung wird es jedoch nicht beanstandet, wenn unter den übrigen Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG der ermäßigte Steuersatz bei allen noch nicht unanfechtbaren Steuerfestsetzungen in Anspruch genommen wird." Diese Regelung ist aus der maßgeblichen Sicht des BMF - entgegen der Auffassung des Beklagten - so auszulegen, dass sie auch auf solche Pferdepensionsleistungen anzuwenden ist, in denen die Pflege der Pferde nicht durch den Pensionsbetreiber, sondern durch den Pferdebesitzer erfolgt. Welchen Umfang die von der Klägerin erbrachten Pflegeleistungen hatten, ist deshalb für die Entscheidung des Streitfalls ohne Bedeutung.

Das BMF-Schreiben vom 09.08.2004 betrifft die Auswirkungen des BFH-Urteils vom 22.01.2004 V R 41/02 (BStBl II 2004, 757). In diesem Urteil hatte der BFH entscheiden, dass ein "Halten von Vieh" i. S. v. § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG bei gemeinschaftsrechtkonformer Auslegung nur bei solchen Dienstleistungen in Betracht kommt, die in der Regel für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt sind. Dies sei beim Unterstellen von dem Freizeitsport dienenden Reitpferden nicht der Fall. Darüber hinaus hat der BFH in dem genannten Urteil zu dem Begriff des Haltens von Vieh ausgeführt: "Soweit die Finanzverwaltung einen begrifflichen Zusammenhang zwischen dem "Halten" und "Pflegen" von Vieh herstellen möchte (vgl. z.B. Oberfinanzdirektion -OFD - Hannover, Verfügung vom 2. Juni 2003 S-7233-9-StH 443, S 7233-6-StO 354-, Steuer-Eildienst --StEd-- 2003, 452, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2004, 44), sieht der Senat darin keine weiter führende Auslegungshilfe." Die letztgenannte Aussage versteht der Senat dahingehend, dass das "Pflegen" nach Auffassung des BFH kein Tatbestandsmerkmal des "Haltens" von Vieh darstellt. Wenn das BMF unter diesen Umständen in dem als Reaktion auf das genannte Urteil ergangenen Schreiben vom 09.08.2004 ausführt, "unter den übrigen Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG" sei der ermäßigte Steuersatz auf bis zum 31.12.2004 bewirkte Umsätze in der Pferdepensionshaltung anzuwenden, kann nicht davon ausgegangen werden, zu diesen "übrigen Voraussetzungen" zähle das BMF auch das Pflegen der Pferde. Da die Klägerin Unterbringung, Fütterung und Einstreu der bei ihr eingestellten Pferde übernommen hat, liegen die "übrigen Voraussetzungen" des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG vor. Die Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG scheitert lediglich daran, dass es sich bei den von der Klägerin gehaltenen Tieren um Reitsportzwecken dienende Pferde handelt. Die Übergangsregelung des BMF bezweckt jedoch gerade, dass dieser Umstand der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes im Billigkeitswege für die streitigen Zeiträume nicht entgegensteht.

Der Senat sieht sich in diesem Verständnis des BMF-Schreibens vom 09.08.2004 bestätigt durch das weitere BMF-Schreiben vom 10.03.2005 IV A 5 - S 7410 - 18/05 an den Hauptverband der landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen. Nach der Verfügung der OFD Münster vom 25.04.2005 S 7233 - 24 - St 11 -32 (DB 2005, 1029) behandelt dieses BMF-Schreiben Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der Anwendung des BMF-Schreibens vom 09.08.2004. In dem BMF-Schreiben vom 10.03.2005 heißt es u. a.: "Eine einheitliche Pferdepensionsleistung liegt demnach vor, wenn der Unternehmer dem einzelnen Leistungsempfänger ein Gesamtkonzept zum Einstellen und Betreuen von Pferden zur Verfügung stellt. Dabei ist es nicht von entscheidender Bedeutung, ob der Unternehmer (Pensionswirt) in diesem Rahmen sämtliche Leistungen erbringt, für die nach den bis zur Anwendung des BFH-Urteils vom 22.01.2004 V R 41/02 maßgeblichen Grundsätzen die Steuerermäßigung in Anspruch genommen werden konnte. Insbesondere spricht es nicht gegen das Vorliegen einer Pferdepensionsleistung, wenn sich der Pensionswirt darauf beschränkt, die Pferdebox zu überlassen, Stroh bzw. Teile des Futters bereitzustellen und den Weidegang sowie die Nutzung einer Reithalle unabhängig von deren Ausstattung zu ermöglichen, und der Pferdebesitzer weitere Tätigkeiten selbst durchführt (z.B. Entmisten, Einstreuen der Box, Fütterung, Pflege)." Dieses Schreiben stützt nach Ansicht des Senat die Annahme, dass das BMF auch dann von einer durch die streitige Übergangsregelung erfassten Pferdepensionsleistung ausgeht, wenn die Pflege der Pferde nicht von dem Pensionswirt übernommen wird.

Dem Beklagten ist zuzugeben, dass dieses Verständnis der Übergangsregelung dazu führt, dass bestimmte Pferdepensionsbetriebe während des Übergangszeitraums im Billigkeitswege in den Genuss der Steuerermäßigung gelangen, obwohl ihnen diese auch nach der früheren Verwaltungsauffassung (z. B. OFD Hannover, Verfügung vom 02.06.2003 S -7233 - 9 - StH 443, S 7233 - 6 - StO 354, UR 2004, 44) nicht zugestanden hätte. Dieser Umstand findet seine Rechtfertigung jedoch darin, dass der BFH den Begriff des Haltens von Vieh in dem Urteil vom 22.01.2004 V R 41/02 zwar einerseits enger gefasst hat, indem er ihn auf in der Regel für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmte Dienstleistungen beschränkt hat, andererseits aber auch erweitert hat, indem er das "Pflegen" nicht als Tatbestandsmerkmal des "Haltens" beurteilt hat. Unter diesen Umständen entspricht es im Rahmen der §§ 163, 227 AO einer durchaus sachgerechten Ermessensausübung, die Anwendung der Übergangsregelung nicht an die inzwischen als unmaßgeblich erkannte Voraussetzung des Pflegens zu knüpfen. Da bei der Auslegung der streitigen Übergangsregelung maßgebend auf das Verständnis des BMF abzustellen ist, kommt es auch nicht darauf an, dass verschiedene Oberfinanzdirektionen die in dem BMF-Schreiben genannten "übrigen Voraussetzungen" so verstanden haben, dass diese auch die Pflege der Pferde umfassen (z. B. OFD Münster vom 25.04.2005 S 7233 - 24 - St 11 -32, DB 2005, 1029).

Aus dem BMF-Schreiben vom 09.08.2004 ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf die beantragte Billigkeitsmaßnahme. Zwar stehen Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO grundsätzlich im Ermessen der Finanzverwaltung. Erlässt die Finanzverwaltung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessen jedoch eine allgemeine Übergangsregelung, so ergibt sich aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung, dass ein Steuerpflichtiger bei Vorliegen der entsprechenden tatbestandlichen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Gewährung der Billigkeitsmaßnahme hat. Somit ist der Senat dazu berechtigt, den Beklagten zur Gewährung der Steuerermäßigung im Billigkeitswege zu verpflichten. Dies führt für den Veranlagungszeitraum 2001 zu einer Herabsetzung auf den in der Steuererklärung erklärten Betrag von 6.486,30 EUR und für den Veranlagungszeitraum 2002 zu einer Steuerermäßigung um 6.983,27 EUR (13.283,73 EUR - 6.300,46 EUR) auf ./. 3.157,46 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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