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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: 10 K 1462/07 Kg
Rechtsgebiete: EStG, VO 1408/71/EWG


Vorschriften:

EStG § 63 Abs. 1 S. 1
EStG § 63 Abs. 1 S. 2
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 1
VO 1408/71/EWG Art. 73
VO 1408/71/EWG Art. 76 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

10 K 1462/07 Kg

Tenor:

Unter Aufhebung der Bescheide vom 11. Juli 2006 und vom 15. November 2006 sowie der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2006 wird die Beklagte verpflichtet, Kindergeld für die Kinder "A" und "B" für die Zeit von Mai 2004 bis November 2006 in Höhe von jeweils 154 Euro monatlich festzusetzen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, Kindergeld für seine 1994 und 1996 geborenen Kinder "A" und "B" in Höhe von monatlich 154 Euro statt lediglich 77 Euro festzusetzen.

Der in Polen gebürtige Kläger ist seit 1983 deutscher Staatsangehöriger (Kindergeldakte KG-Akte Bl. 1, 45, 96, 106, 112). Seine Ehefrau ist polnische Staatsangehörige (z. B. KG-Akte Bl. 18). "A" wurde am 15. Februar 2002 aus dem Haushalt des Klägers abgemeldet. Als Auszugsdatum wurde der 25. September 2001 angegeben (KG-Akte Bl. 36). Der Kläger begründete dies damit, dass "A" aus gesundheitlichen Gründen keine Schule in Deutschland habe besuchen können. Er wohne während der Unterrichtszeit bei seiner Großmutter mütterlicherseits, einer pensionierten Lehrerin, und seinem seinerzeit 24 Jahre alten Bruder in Polen (KG-Akte Bl. 35, 45, 47, 61). Seit dem 27. Juni 2003 ist "A", der weiterhin die Schule in Polen besucht, wieder im Haushalt des Klägers gemeldet (KG-Akte Bl. 55). "B" besucht ebenfalls in Polen die Schule.

Der Kläger beantragte am 28. September 2005 (Eingang bei der Familienkasse) unter Vorlage in Polen ausgestellter, nicht übersetzter Bescheinigungen Kindergeld für seine Kinder (KG-Akte Bl. 72 ff.). Die Familienkasse bat ihn, noch eine Familienstandsbescheinigung (Vordruck E 401) und einen Nachweis über Familienleistungen in Polen (Vordruck E 411) vorzulegen. Mangels Eingang dieser Unterlagen lehnte sie den Antrag durch Bescheid vom 13. März 2006 ab. Der Kläger legte dagegen per E-Mail Einspruch ein, dessen Eingang die Familienkasse ihm mit Schreiben vom 5. April 2006 bestätigte (KG-Akte Bl. 81, 92). Die Regionalny Osrodek Polityki Spolecznej w "C" übersandte der Familienkasse am 5. April 2006 die ausgefüllten Vordrucke E 401 und E 411 (KG-Akte Bl. 94-98). In beiden Vordrucken ist als Anschrift der Ehefrau des Klägers eine von dessen inländischer Anschrift abweichende Anschrift in Polen angegeben. Im Vordruck E 411 bescheinigte die polnische Behörde, dass die Ehefrau des Klägers seit dem 1. Mai 2004 in Polen weder einer Beschäftigung nachgegangen sei ("did not pursue an occupation") noch Familienleistungen beansprucht habe ("has not submitted a claim"). Die Familienkasse hob daraufhin den Bescheid vom 13. März 2006 auf (KG-Akte Bl. 105) und setzte durch Bescheid vom 11. Juli 2006 Kindergeld für beide Kinder in Höhe von 77 Euro seit dem Monat der Antragstellung fest. Sie begründete dies damit, dass für die Kinder des Klägers aufgrund der Staatsangehörigkeit seiner Ehefrau ein Anspruch auf Kindergeld nicht nur in Deutschland, sondern auch in Polen bestehe. Aus der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Verordnung Nr. 1408/71), lasse sich kein vorrangiger Anspruch in Deutschland ableiten. Der Anspruch in Polen schließe daher den Anspruch in Deutschland gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus. Auch eine Aufstockung ausländischer, dem deutschen Kindergeld vergleichbarer Leistungen sei nicht vorgesehen. Der vollständige Verlust des Anspruchs auf Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG sei jedoch mit dem Sinn und Zweck der gemeinschaftsrechtlichen Konkurrenzvorschriften nicht vereinbar. Vielmehr vermindere sich nach Art. 12 Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 i. V. m. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie ihre Familienangehörigen, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Verordnung Nr. 574/72), der inländische Anspruch auf die Hälfte, d. h. auf 77 Euro je Kind (KG-Akte Bl. 110 f.).

Der Kläger legte dagegen Einspruch ein, mit dem er Kindergeld rückwirkend ab Mai 2004 in ungekürzter Höhe begehrte. Er verwies darauf, dass er seit 1983 in Deutschland lebe. Auch seine Ehefrau lebe in Deutschland. Seine Kinder lebten bei den Großeltern in Polen, die keinen Anspruch auf Familienleistungen in Polen hätten (KG-Akte Bl. 112). Der Kläger reichte eine Meldebescheinigung der Stadt "D" vom 21. Juli 2006 nach, nach der seine Ehefrau seit dem 21. März 1994 mit Hauptwohnung in "D" gemeldet ist (KG-Akte Bl. 116). Die Familienkasse half dem Einspruch durch Bescheid vom 15. November 2006 (KG-Akte Bl. 140 f.) nur insoweit ab, als sie Kindergeld für beide Kinder ab Mai 2004 festsetzte. An der Festsetzung eines Betrags von lediglich 77 Euro monatlich hielt sie unter Hinweis auf das Ergebnis ihrer Ermittlungen in Gestalt von Anfragen bei der Arbeitsvermittlung (KG-Akte Bl. 118 ff.) fest. Diese hätten ergeben, so die Familienkasse, dass die Ehefrau ihren Wohnsitz in Polen habe. Den auf die Festsetzung von Kindergeld in Höhe von 154 Euro monatlich gerichteten Einspruch wies sie durch Einspruchsentscheidung vom 16. November 2006, auf die verwiesen wird, als unbegründet zurück (KG-Akte Bl. 143 ff.).

Das Gericht hat dem Kläger im Verfahren 10 S 4921/06 PKH durch Beschluss vom 27 März 2007 Prozesskostenhilfe bewilligt. Der Beschluss wurde dem Kläger am 30. März 2007 zugestellt. Mit der am 12. April 2007 erhobenen Klage begehrt der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Klagefrist. In sachlicher Hinsicht verfolgt er unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Prozesskostenhilfeverfahren sein Begehren weiter, die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für seine Kinder in voller Höhe, d. h. in Höhe von 154 Euro monatlich, festzusetzen. Zur Begründung verweist er darauf, dass weder ihm noch seiner Ehefrau für die Kinder ein Anspruch auf Familienbeihilfe in Polen zustehe. Ein Anspruch auf Familienbeihilfe sei ausgeschlossen, wenn das monatliche Prokopfeinkommen in der Familie 504 Zloty (PLN) übersteige. Dies sei hier der Fall. Die Arbeitslosenhilfe bzw. das Arbeitslosengeld II, die bzw. das er während des Streitzeitraums (Mai 2004 bis November 2006) monatlich bezogen habe, habe sich für Mai 2004 bis Dezember 2004 auf 747 Euro, für Januar 2005 bis August 2006 auf 1.076,24 Euro, für September 2006 auf 1.011,67 Euro und für Oktober 2006 bis November 2006 auf 799,24 Euro belaufen. Bereits bei einem Familiengesamteinkommen von mehr als (4 x 130,23 Euro =) 520,92 Euro sei jedoch ein Anspruch auf Familienbeihilfe in Polen während des Streitzeitraums ausgeschlossen gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird auf die Klageschrift und die Schriftsätze vom 3. Juli und 15. Oktober 2007 sowie die Schriftsätze vom 16. Dezember 2006 und 26. Februar 2007 im Verfahren 10 S 4921/06 PKH verwiesen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Bescheide vom 11. Juli 2006 und vom 15. November 2006 sowie der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2006 die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für seine Kinder "A" und "B" für die Zeit von Mai 2004 bis November 2006 in Höhe von jeweils 154 Euro monatlich festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Sie sieht sich aufgrund entgegenstehender dienstlicher Weisungen nicht in der Lage, Kindergeld in Höhe von monatlich 154 Euro für jedes Kind des Klägers festzusetzen.

Die Beteiligten haben auf übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

A.

Die Klage ist zulässig.

Der Kläger hat zwar die Frist, die gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für die Erhebung einer Verpflichtungsklage gilt, nicht gewahrt; denn er hat die Klage nicht, wie von § 47 Abs. 1 Satz 2 FGO vorgesehen, innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2006 erhoben, sondern erst am 12. April 2007. Ihm ist jedoch gemäß § 56 Abs. 1 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden verhindert war, die Klagefrist einzuhalten.

Ist ein Verfahren anhängig, in dem Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Klageverfahren begehrt wird, so stellt das Überschreiten einer Rechtsmittelfrist ein unverschuldetes Hindernis dar, das erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag entfällt (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. November 1991 III B 566/90, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1992, 686). Der Beschluss im Verfahren 10 S 4921/06 PKH ist den Bevollmächtigten des Klägers am 30. März 2007 zugestellt worden. Die Klage hat der Kläger am 12. April 2007 erhoben und damit innerhalb der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. die Nachholung der versäumten Rechtshandlung (vgl. § 56 Abs. 2 Sätze 1 und 3 FGO und BFH-Urteil vom 4. September 2002 XI R 67/00, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2003, 142).

B.

Die Klage ist auch begründet.

Der Kläger hat für seine beiden Kinder Anspruch auf Kindergeld in Höhe von 154 Euro (§ 66 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Die Bescheide vom 11. Juli 2006 und 15. November 2006 sowie die Einspruchsentscheidung vom 16. November 2006 sind daher rechtswidrig; sie verletzen den Kläger in seinen Rechten. Da die Sache spruchreif ist, war die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für "A" und "B" für den Zeitraum von Mai 2004 bis November 2006 in Höhe von jeweils 154 Euro festzusetzen (§ 101 Satz 2 FGO).

1. Der Kläger hat seinen Wohnsitz im Inland (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Seine Kinder sind, weil sie während des Streitzeitraums das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, nach den §§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen, ohne dass weitere, über die in diesen Vorschriften genannte Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Die Kinder hatten während des Streitzeitraums auch ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU), und zwar auch für den Fall, dass sie sich während des gesamten Streitzeitraums in Polen aufhielten; denn Polen ist seit Mai 2004 EU-Mitglied.

2. Der Anspruch auf Kindergeld ist nicht durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen.

Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wird Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt, für das Leistungen im Ausland gezahlt werden oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären. Die Vordrucke E 411 (KG-Akte Bl. 96 f., Gerichtsakte Bl. 9 f.) lassen nicht erkennen, dass der Kläger oder seine Ehefrau während des Streitzeitraums in Polen für die gemeinsamen Kinder Leistungen erhalten haben, die dem Kindergeld i. S. von § 31 EStG vergleichbar sind. Auch die Beklagte behauptet dies nicht.

Es lässt sich auch nicht feststellen, dass der Kläger oder seine Ehefrau während des Streitzeitraums in Polen einen Anspruch auf Leistungen für ihre Kinder hatten, die dem Kindergeld i. S. von § 31 EStG vergleichbar sind. Vielmehr war ein derartiger Anspruch ausgeschlossen, weil die Sozialleistungen, die der Kläger während dieses Zeitraums erhielt, einem Anspruch auf Leistungen für die Kinder in Polen entgegenstand.

Nach den Angaben der polnischen Sozialversicherungsanstalt ZUS wurden in Polen am 1. Mai 2004 folgende Familienleistungen eingeführt ("Sozialversicherung in Polen - Informationen, Fakten", Ziff. 4.7., vgl. www.zus.pl):

- Familiengeld und ggf. zusätzliche Familiengeldbeihilfen und -zulagen,

- Betreuungsleistungen (Pflegegeld und Pflegeleistung),

- einmalige Unterstützung wegen der Geburt des Kindes,

- Unterstützung, die durch Gemeinden gezahlt wird.

Dem Kindergeld i. S. von § 31 EStG ist nur das Familiengeld vergleichbar, weil es allgemein und regelmäßig gezahlt wird. Ein Anspruch auf Familiengeld bestand während des Streitzeitraums jedoch nur, wenn das Einkommen pro Familienmitglied nicht höher war als 504 PLN (583 PLN, wenn in der Familie ein behindertes Kind vorhanden ist). Diese Einkommensgrenze überschreitet die Familie des Klägers. 1 Euro hatte im Mai 2004 einen Umrechnungskurs von 4,7209 PLN (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 2. Februar 2005 IV A 6 - S 7329 - 2/05, BStBl I 2005, 411). Bis zum Ende des Streitzeitraums lag der Umrechnungskurs im Februar 2006 mit 3,7941 PLN am niedrigsten (vgl. BMF-Schreiben vom 10. Februar 2006 IV A 6 - S 7329 - 4/06, BStBl I 2006, 236, und vom 19. Januar 2007 IV A 6 - S 7329 - 1/07, BStBl I 2007, 126). Dies entspricht bezogen auf 504 PLN einem Euro-Betrag von (504 PLN : 3,7941 PLN =) 132,84 und damit - bezogen auf die Familie des Klägers - einem Familieneinkommen von maximal (132,84 Euro x 4 =) 531,35 Euro. Der Kläger hat jedoch während des Streitzeitraums Sozialleistungen in Höhe von mindestens 747 Euro monatlich bezogen. Damit war ein Anspruch auf Familiengeld in Polen ausgeschlossen.

3. Der nach nationalem Recht gegebene Anspruch auf Kindergeld ist nicht aufgrund der Regelungen in Art. 76 Verordnung Nr. 1408/71 oder Art. 10 Verordnung Nr. 574/72 auf 77 Euro je Kind zu kürzen.

a) Nach Art 76 Abs. 1 Verordnung Nr. 1408/71 ruht ein Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gemäß Art. 73 Verordnung Nr. 1408/71 geschuldeten Familienleistungen (Art. 1 Buchstabe u Ziffer ii, Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h Verordnung Nr. 1408/71) bis zu dem in den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats vorgesehenen Betrag, wenn für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen in den Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, Familienleistungen aufgrund der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit vorgesehen sind. Wird in diesem Mitgliedstaat kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt, so kann der zuständige Träger des Mitgliedstaats, in dem der Anspruch ganz oder teilweise ruht, Art. 76 Abs. 1 Verordnung Nr. 1408/71 anwenden, als ob Leistungen in dem anderen Mitgliedstaat gewährt würden (Art. 76 Abs. 2 Verordnung Nr. 1408/71). Gleiches gilt nach Art. 10 Buchstabe a Verordnung Nr. 574/72 für den Fall, dass der Anspruch auf die Familienleistung nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhängig ist.

Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind nicht erfüllt, weil für die Kinder des Klägers und seiner Ehefrau - wie oben unter 2. dargelegt - in Polen kein Anspruch auf Familiengeld besteht.

b) Die Festsetzung von Kindergeld in Höhe der Hälfte des gesetzlich vorgesehenen Betrags lässt sich auch nicht auf Art. 12 Abs. 2 Verordnung Nr. 1408/71 i. V. m. Art. 7 Abs. 1 Verordnung Nr. 574/72 stützen.

Art. 7 Abs. 1 Verordnung Nr. 574/72 sieht für den Fall, dass nach den Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedstaaten geschuldete Leistungen gegenseitig gekürzt, zum Ruhen gebracht oder entzogen werden können, vor, dass Beträge, die bei strenger Anwendung der in den Rechtsvorschriften der betreffenden Mitgliedstaaten vorgesehenen Kürzungs-, Ruhens- oder Entziehungsbestimmungen nicht ausgezahlt werden können, durch die Zahl der zu kürzenden, zum Ruhen zu bringenden oder zu entziehenden Leistungen geteilt werden.

Auch diese Bestimmung ist im Streitfall nicht anwendbar, weil mangels Anspruchs des Klägers oder seiner Ehefrau auf Kindergeld für "A" und "B" in Polen keine Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten eingreifen, nach denen die geschuldeten Leistungen gegenseitig gekürzt, zum Ruhen gebracht oder entzogen werden können. Vielmehr besteht ein Anspruch nur und ausschließlich nach deutschem Recht. Die Beklagte kann sich daher für ihre Rechtsansicht auch nicht auf die DA 206 der Dienstanweisung zur Durchführung der über- und zwischenstaatlichen Vorschriften (DAüzV, abgedruckt bei Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach D, Teil IV) berufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 21. November 2007 keinen Zulassungsgrund i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FGO dargelegt. Das Gericht vermag auch nicht zu erkennen, dass ein solcher vorliegt.



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