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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.05.2009
Aktenzeichen: 10 K 1490/07 Kg
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4
EStG § 62 Abs. 1
EStG § 63 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kindergeld für das Jahr 2006.

Die Klägerin ist die Mutter eines am 21. Juli 1985 geborenen Sohnes.

Ausweislich einer Schulbescheinigung vom 26. Mai 2003 sollte dieser voraussichtlich im Juli 2006 die Schulausbildung beenden.

Aufgrund einer Mitteilung des Finanzamtes vom 2. Februar 2007 erfuhr die Beklagte, dass der Sohn in 2005 Einkünfte über dem Grenzbetrag i.S.d. § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz -EStG erzielt hatte.

Auf eine Nachfrage der Beklagten nach dem Ende der Schulausbildung und den Einkünften des Kindes ab Januar 2005 teilte die Klägerin mit, dass ihr Sohn in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 ein Praktikum abgeleistet habe und im Übrigen auf einen Studienplatz warte.

Als Beleg fügte sie den Ablehnungsbescheid der ZVS vom 14. August 2006 betreffend einen Medizinstudienplatz für das Wintersemester 2006/ 2007 bei.

In der Erklärung zu den Werbungskosten eines über 18 Jahre alten Kindes machte der Sohn der Klägerin für das Jahr 2006 Fahrtkosten in Höhe von 120,60 EUR, Aufwendungen für Lehrbücher in Höhe von 154,85 EUR, Kosten für eine Berufsunfähigkeitsversicherung in Höhe von 553,32 EUR und Kosten wegen NC-Verfahren vor diversen Verwaltungsgerichten wegen eines Studienplatzes sowie entsprechender Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.384,- EUR, insgesamt Werbungskosten in Höhe von 3.212,77 EUR geltend.

Überdies erklärte der Sohn für 2006 Einnahmen als Mitunternehmer in Höhe von 9000,- EUR pro Jahr.

Der ebenfalls vorgelegten Praktikumsbescheinigung zufolge hatte der Sohn keine Praktikantenvergütung erhalten.

Mit Bescheid vom 6. März 2007 hob die Beklagte sodann die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2005 auf und forderte das für den Zeitraum Januar 2005 bis November 2006 zuviel gezahlte Kindergeld in Höhe von 3.542,- EUR zurück.

Zur Begründung führte sie aus, der Sohn sei zwar im Kalenderjahr 2005 und 2006 von Januar bis Dezember für den Kindergeldanspruch zu berücksichtigen. Das Einkommen in dieser Zeit übersteige jedoch nach den vorliegenden Unterlagen den anteiligen Grenzbetrag von 7.680,- EUR. Pauschalbeträge für Werbungskosten könnten nicht berücksichtigt werden, weil es sich nicht um Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit handele.

Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 19. März 2007 Einspruch ein bezüglich der Aufhebung für das Jahr 2006.

Mit Einspruchsentscheidung vom 2. April 2007 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

In der Begründung führte sie u.a. aus, für das Jahr 2006 seien lediglich Werbungskosten in Höhe des Arbeitnehmerpauschbetrages abzusetzen. Höhere Werbungskosten seien nicht nachgewiesen worden. Die Einkünfte des Sohnes berechnete die Beklagte mit insgesamt 11.899,- EUR.

Mit der am 20. April 2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Zur Begründung macht sie geltend, ihr Sohn beabsichtige, Medizin zu studieren und danach den Beruf des Arztes auszuüben. Aufgrund der bei der Reifeprüfung erzielten Noten sei der Sohn zunächst nicht von den Universitäten zugelassen worden. Gegen diese Nichtzulassung gehe er im Klagewege vor. Entsprechende Klagen seien bei verschiedenen Gerichten eingereicht. Durch diese Klageverfahren entstünden sowohl Gerichts- als auch Anwaltskosten.

Wenn ein Steuerpflichtiger Aufwendungen tätige, bevor er Einnahmen aus einer speziellen Tätigkeit beziehe, könnten diese Kosten als vorweggenommene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn sie in genügend nachweisbarem Zusammenhang mit der späteren Berufstätigkeit stünden.

Würde es sich bei den Rechtsstreitkosten zur Erlangung eines Studienplatzes für die Ausbildung zum Arztberuf nicht um vorweggenommene Werbungskosten und damit um negative Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit handeln, müssten die in Kauf genommenen Rechtsstreitkosten zumindest als besondere Ausbildungskosten anerkannt werden, die über die normale Lebensführung hinausgehende ausbildungsbedingte Mehraufwendungen darstellten.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 6. März 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. April 2007 für 2006 aufzuheben,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Ergänzend macht sie geltend, der Sohn der Klägerin habe Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt. Werbungskosten seien aber von Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit in Abzug zu bringen. Folglich könne auch die Werbungskostenpauschale nur dort angesetzt werden.

Die geltend gemachten Kosten für Rechtsstreitigkeiten als Kosten für die Erlangung eines Studienplatzes könnten bereits aus diesem Grunde nicht als vorweggenommene Werbungskosten berücksichtigt werden.

Die Klägerin mache jedoch alternativ besondere Ausbildungskosten geltend. Aus den vorliegenden Unterlagen gehe nicht hervor, auf welchen Streitgegenstand sich die Rechtsstreitigkeiten jeweils bezogen hätten. Bereits aus diesem Grunde scheitere eine Berücksichtigung. Angesichts der Regelung in Nr. 63.4.2.8 (2) DA-FamEStG stellten die Kosten für die verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch keine berücksichtigungsfähigen Ausbildungskosten dar.

Im Rahmen des Klageverfahrens hat die Klägerin eine Bescheinigung einer Rechtsanwaltskanzlei vorgelegt, in der diese ausdrücklich bestätigten, dass der dem Sohn unter dem 20. Dezember 2006 in Rechnung gestellte Betrag von 2.030,- EUR das Einklagen eines Studienplatzes betraf.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Bescheid vom 6. März 2007 ist insoweit rechtswidrig als die Beklagte darin die Kindergeldfestsetzung für das Jahr 2006 aufgehoben hat. In diesem Umfang ist die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO), denn ihr steht für die Monate Januar bis Dezember 2006 Kindergeld für ihren Sohn zu. Der Sohn erfüllte während des gesamten Jahres die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG und seine Einkünfte und Bezüge überschritten auch nicht den maßgeblichen Grenzbetrag von 7.680,- EUR.

Nach §§ 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG berechtigen Kinder im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG zum Bezug von Kindergeld, wenn die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 bis 5 EStG vorliegen. Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das - wie der Sohn der Klägerin das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld u.a., wenn das Kind sich in Berufsausbildung befindet (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG) oder es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG).

Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird desweiteren vorausgesetzt, dass das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680,- EUR im Kalenderjahr hatte. Bezüge, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind, bleiben hierbei außer Ansatz; entsprechendes gilt für Einkünfte, soweit sie für solche Zwecke verwendet werden (§ 32 Abs. 4 Satz 5 EStG). Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 2 an keinem Tag vorliegen, ermäßigt sich der Betrag nach Satz 2 um ein Zwölftel. Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf diese Kalendermonate entfallen, bleiben außer Ansatz (§ 32 Abs. 4 Satz 7, 8 EStG).

Der Sohn besuchte bis zum Juni 2006 ein Gymnasium und konnte anschließend mangels Zuteilung eines Studienplatzes durch die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen nicht wie von ihm angestrebt - schon im Wintersemester 2006/ 2007 mit dem Medizinstudium beginnen. Somit erfüllte er unstreitig im gesamten Jahr 2006 die Berücksichtigungstatbestände des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a bzw. 2 c EStG.

Entgegen der Ansicht der Beklagten überschreiten die Einkünfte und Bezüge des Sohnes im Jahr 2006 auch nicht den danach maßgeblichen Grenzbetrag von 7.680,- EUR, denn diese Einkünfte müssen mit vorab entstandenen Aufwendungen des Sohnes verrechnet werden, die mit seiner - aus damaliger Sicht - zukünftigen Ausbildung zusammenhingen.

Er erzielte im Jahr 2006 ausschließlich Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit in Höhe von 9.000,- EUR. Soweit die Beklagte in der Einspruchsentscheidung davon ausgegangen ist, dass er für das ab Oktober 2006 in einem Krankenhaus abgeleistete Praktikum ein Entgelt erhalten hat, erfolgte der Ansatz von weiteren 2.899,- EUR zu Unrecht. Der bereits im Vorverfahren vorgelegten Praktikumsbescheinigung des Krankenhauses vom 29. Januar 2007 ist zu entnehmen, dass keine Praktikantenvergütung gezahlt worden ist.

Die Einkünfte von 9.000,- EUR sind um die nachgewiesenen Rechtsanwalts- und Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 2.332,50 EUR zu kürzen, da es sich insoweit um vor der Aufnahme des Studiums entstandene Aufwendungen für ausbildungsbedingten Mehrbedarf i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG handelt.

Wird ein Kind für einen Beruf ausgebildet, so fallen in der Ausbildungszeit neben den Kosten für die Lebensführung solche für ausbildungsbedingten Mehrbedarf an (besondere Ausbildungskosten). Die Abgrenzung ausbildungsbedingter Mehraufwendungen von den Lebensführungskosten erfolgt in der Weise, wie dies im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses zwischen den Kosten der Lebensführung und den durch den Beruf veranlassten Kosten (Werbungskosten) geschieht (BFH-Urteil vom 14. November 2000 VI R 62/97, Bundessteuerblatt - BStBl II 2001, 291).

Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen Werbungskosten. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den Werbungskosten alle Aufwendungen, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind. Eine auf die Einnahmenerzielung bezogene Veranlassung von Aufwendungen liegt dann vor, wenn objektiv ein Zusammenhang mit der auf Einnahmenerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung dieser steuerlich relevanten Tätigkeit gemacht werden. Erzielt ein Steuerpflichtiger noch keine Einnahmen, können vorab entstandene Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG vorliegen. Maßgebend ist, dass die Aufwendungen beruflich veranlasst sind. Sie müssen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen aus einer beruflichen Tätigkeit stehen. Ein unmittelbarer oder bestimmter zeitlicher Zusammenhang mit Einnahmen ist nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 1. Dezember 2007 VI R 62/03, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofes BFH/NV 2007, 1291).

Auch bei Auslegung des Begriffs der "Einkünfte" in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind grundsätzlich Aufwendungen in Form von vorweggenommenen Werbungskosten abzuziehen (BFH-Urteil vom 20. Juli 2000 VI R 121/98, BStBl II 2001, 107).

In Anlehnung an diese Grundsätze sind die Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 2.030,- EUR wie auch die Verfahrensgebühren, die die Verwaltungsgerichte dem Sohn der Klägerin im Jahr 2006 in Höhe von 121,- EUR bzw. 181,50 EUR in Rechnung gestellt haben, als vorab entstandene besondere Ausbildungskosten des Sohnes von den Einkünften des Sohnes in Höhe von 9.000,- Euro abzuziehen.

Die durch die Gerichtsverfahren ausgelöste Rechtsanwaltsvergütung wie auch die Verfahrensgebühren stehen in dem erforderlichen Veranlassungszusammenhang mit den Bemühungen des Sohnes um einen Studien-/ Ausbildungsplatz.

Der Sohn hat diese Beträge aufgewandt, weil er angesichts seiner Abiturnote im Vergabeverfahren der ZVS bei dem von ihm angestrebten Medizinstudienplatz mit mehreren Wartesemestern rechnen musste. Auch die Vergabe von Studienplätzen direkt durch die Hochschulen ist zu einem hohen Prozentsatz an die Abiturnote geknüpft und ließ daher eine Realisierung des Studienwunsches in absehbarer Zeit nicht wahrscheinlich erscheinen. Die sog. Kapazitätsklagen, für die selbst im Info-Heft der ZVS mannigfach geworben wird, zielen darauf ab, durch eine gerichtliche Entscheidung entweder an einem gerichtlichen Vergabeverfahren über zusätzliche Studienplätze beteiligt zu werden oder aber direkt einen Studienplatz zugewiesen zu bekommen. Damit beabsichtigte der Sohn, weitere Wartezeiten zu vermeiden und möglichst umgehend einen Studienplatz zu erhalten, was ihm auch im nachfolgenden Jahr gelungen ist.

Damit betragen die im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu berücksichtigenden Einkünfte des Sohnes der Klägerin 6.667,50 EUR (9.000,- EUR ./. 2.332,50 EUR) und liegen folglich unter dem maßgeblichen Grenzbetrag von 7.680,- EUR.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. FGO zugelassen zwecks Klärung der Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen vorab entstandene besondere Ausbildungskosten bei der Berechnung des Grenzbetrages i.S.d. § 32 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen sind.

Ende der Entscheidung

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