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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.03.2007
Aktenzeichen: 10 K 5698/04 Kg
Rechtsgebiete: EStG, FGO, AuslG, AufenthG


Vorschriften:

EStG § 62 Abs. 2
FGO § 101 S. 2
AuslG § 30 Abs. 4
AuslG § 55 Abs. 2
AufenthG § 25 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

10 K 5698/04 Kg

Tenor:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 01.03.2004 und der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2004 verpflichtet, über den Kindergeldantrag der Klägerin für die Zeit von April 2003 bis September 2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist nach eigenen Angaben libanesische Staatsangehörige und will etwa Mitte Februar 1997 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sein. Sie beantragte am 25.02.1997 die Anerkennung als Asylberechtigte, die das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ( Bundesamt ) durch Bescheid vom 15.05.1997 ablehnte. Zugleich stellte das Bundesamt fest, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 Ausländergesetz ( AuslG ) nicht vorliegen, und forderte die Klägerin zur Ausreise auf. Ein hiergegen vor dem Verwaltungsgericht "A" geführtes Klageverfahren blieb erfolglos (rechtskräftig seit dem 21.05.1999 ).

Nachdem die Ausländerbehörde der Klägerin zunächst eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 63 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) und sodann eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) erteilt hatte, erteilte sie der Klägerin erstmals am 18.10.1999 eine Aufenthaltsbefugnis, die sie am 12.06.2001 mit der Nebenbestimmung, dass eine arbeitserlaubnispflichtige Erwerbstätigkeit nur gemäß gültiger Arbeitserlaubnis gestattet sei, verlängerte.

Am 28.02.2003 erteilte das Arbeitsamt "B" der Klägerin eine unbefristete Arbeitsgenehmigung.

Seit dem 14.04.2003 arbeitete die Klägerin als Reinigungskraft in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis, das ausweislich der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Meldebescheinigung zur Sozialversicherung zumindest bis zum 31.12.2004 fortdauerte. Daneben erhielt sie ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß Sozialgesetzbuch II ( SGB II.).

Am 26.02.2004 beantragte die Klägerin für ihre drei Kinder "C", geboren am 21.07.1985, "D", geboren am 18.09.1989 und "E", geboren am 23.11.1999, die Bewilligung von Kindergeld.

Mit Bescheid vom 01.03.2004 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis darauf, dass die Klägerin nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis gemäß § 15 AuslG oder einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 27 AuslG sei, ab.

Den hiergegen am 01.04.2004 erhobenen Einspruch wies die Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 09.09.2004 mit der Begründung zurück, dass die Klägerin nicht zu dem Personenkreis gehöre, der einen Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) habe.

Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage vertritt die Klägerin die Ansicht, dass sie die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG erfülle, weil sie vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge unanfechtbar als Asylberechtigte anerkannt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 01.03.2004 und die Einspruchsentscheidung vom 09.09.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ab April 2003 bis September 2004 für die drei Kinder der Klägerin Kindergeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Sie verweist darauf, dass die Klägerin lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis sei, die nach der seinerzeit gültigen Fassung des EStG nicht zum Bezug von Kindergeld berechtige. Bislang habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sie als Asylberechtigte unanfechtbar anerkannt worden sei.

Das Gericht hat die die Klägerin betreffende Kindergeldakte der Beklagten sowie die sie betreffenden Ausländerakten der Stadt "B" beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in dem tenorierten Umfang erfolgreich. Für die Zeit von April 2003 bis September 2004 liegen die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2915) vor. Insoweit ist der angefochtene Bescheid vom 01.03.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2004 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Da aber aufgrund der bislang von der Beklagten vertretenen gegenteiligen Rechtsauffassung unklar ist, ob die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld bei allen drei Kindern der Klägerin vorliegen, insbesondere, ob der am 21.07.1985 geborene Sohn "C" sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet bzw. arbeitssuchend gemeldet ist, war gemäß § 101 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) allein eine Verpflichtung der Beklagten auszusprechen, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (zu § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG) erneut zu bescheiden.

1. Der grundsätzliche Anspruch auf Kindergeld für den Zeitraum von April 2003 bis September 2004 ergibt sich aus § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG n. F. Diese Fassung ist nach § 62 Abs. 2 EStG auch für alle Zeiträume anzuwenden, in denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist ( § 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG i. d. F. des Gesetzes vom 13.12.2006). Danach erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer, der eine in § 62 Abs. 2 Nr. 2 c EStG genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt, Kindergeld, wenn er sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Leistungen nach dem SGB III bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin.

1. Die Klägerin war seit dem 18.10.1999 im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis, die am 12.06.2001 verlängert worden ist. Die Aufenthaltsbefugnis beruhte nach Einschätzung des Gerichtes auf §§ 30 Abs. 4, 55 Abs. 2 AuslG. Eine solche nach dem Ausländergesetz erteilte Aufenthaltsbefugnis entspricht einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes und unterfällt § 62 Abs. 2 Nr. 2 c EStG.

2. Die Klägerin hielt sich im streitigen Zeitraum (April - September 2003) auch seit mindestens drei Jahren rechtmäßig gestattet oder geduldet im Bundesgebiet auf, denn sie erfüllte diese Voraussetzungen mindestens seit dem 18.10.1999.

3. Darüber hinaus war die Klägerin im streitbefangenen Zeitpunkt im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ( § 62 Abs. 2 Ziff. 3 b EStG).

Die Klägerin war seit dem 14.04.2003 als Reinigungskraft in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis tätig. Ein solches geringfügiges Beschäftigungsverhältnis schließt einen Kindergeldanspruch nicht aus. § 62 Abs. 2 Nr. 3 b EStG macht nämlich insoweit die Kindergeldgewährung allein von einer berechtigten Erwerbstätigkeit abhängig. Anforderungen an den Umfang der Erwerbstätigkeit werden vom Gesetz nicht aufgestellt.

Selbst wenn man im Rahmen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG das Vorliegen einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit verlangen wollte, so würde dies dem Erfolg der Klage nicht entgegenstehen. Denn seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 388) zum 01. April 1999 hat der Arbeitgeber auch im Falle einer geringfügigen Beschäftigung gemäß § 249 b Sozialgesetzbuch V (SGB V) und § 172 bzw. § 168 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) Beiträge in Höhe von 10 v. H. bzw. 12 v. H. des Arbeitsentgelts an die Träger der Kranken- bzw. Rentenversicherung abzuführen, wodurch eigene Sozialversicherungsansprüche des Arbeitnehmers begründet werden.

Da der Gesetzeswortlaut nicht einem bestimmten Umfang der Erwerbstätigkeit festschreibt, reicht es danach aus, überhaupt sozialversicherungspflichtig beschäftigt zu sein. Deshalb ist auch unschädlich, dass die Klägerin aus der Entlohnung dieses geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses nicht in den Stand gesetzt ist, ihren Lebensunterhalt ohne in Anspruchnahme weiterer Sozialleistungen (hier: SGB II ) zu bestreiten, denn diese Leistungen erhält sie lediglich ergänzend zu der Entlohnung aus einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.

4. Die Beklagte wird aber im Einzelnen zu prüfen haben, ob die weiteren - bisher nicht geprüften - Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld vorliegen (vgl. BFH, BStBl II 2006, 184), insbesondere, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld für ein über 18jähriges Kind, den ältesten Sohn der Klägerin, vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Es ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt, ob und gegebenenfalls nach welchen Kriterien § 62 Abs. 2 EStG n. F. auf Aufenthaltstitel Anwendung findet, die unter der Geltung des Ausländergesetzes erteilt wurden. Darüber hinaus ist nicht geklärt, welche Beschäftigungsverhältnisse im Einzelnen § 62 Abs. 2 Nr. 3 b EStG umfasst. Die Sache hat daher grundsätzliche Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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