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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.03.2007
Aktenzeichen: 10 K 805/05 Kg
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 52 Abs. 61a S. 2
EStG § 62 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

10 K 805/05 Kg

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, jugoslawischer Staatsangehöriger, reiste am 20.1.1994 aus Jugoslawien in die Bundesrepublik Deutschland ein.

Sein Asylantrag wurde durch Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 13.6.1994 abgelehnt.

Der Asylantrag seiner später zusammen mit den gemeinsamen vier Kindern (geboren 1987, 1988, 1989 und 1992) eingereisten Ehefrau wurde am 19.12.1994 abgelehnt. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge stellte allerdings bei der Ehefrau die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 Abs. 6 AuslG fest.

Obwohl der Kläger vollziehbar zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet war, erhielt er erstmals unter dem 23.3.1995 eine Aufenthaltsbefugnis, die zuletzt bis zum 24.10.2005 befristet war. Eine Erwerbstätigkeit war dem Kläger danach nur mit einer Arbeitsgenehmigung gestattet. In zwei amtsinternen Schreiben der Ausländerbehörde sowie einem an die Ehefrau des Klägers gerichteten Schreiben - jeweils vom 09.03.1995 - heißt es , dass der Kläger - abgeleitet vom Aufenthaltstitel der Ehefrau - eine Aufenthaltsbefugnis nach § 31 Abs. 1 AuslG erhalten sollte.

Unter dem 24.01.2006 erhielt der Kläger eine unbefristete Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes.

Zwischen dem Kläger und der Beklagten ist die Kindergeldgewährung für die Zeit von Juni 2003 bis Oktober 2003 strittig.

Im Hinblick auf eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit bei der Firma T. gewährte die Beklagte zunächst Kindergeld ab November 2001.

In der Zeit vom 3.12.2002 bis 31.5.2003 bezog der Kläger Arbeitslosengeld, in der Zeit vom 1.6.2003 bis 31.10.2003 Arbeitslosenhilfe.

Ab dem 1.11.2003 arbeitete der Kläger wieder für die Firma T.

Nachdem die Beklagte hiervon erfahren hatte, hob sie durch Bescheid vom 4.11.2003 die Kindergeldfestsetzung für die Zeit von Juni 2003 bis Oktober 2003 auf und forderte das für diese Zeit gezahlte Kindergeld in Höhe von EUR 2.564 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis sei und er im fraglichen Zeitraum auch keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt habe. Die Zahlung von Arbeitslosenhilfe schließe einen Kindergeldanspruch aus.

Unter dem 28.11.2003 legte der Kläger hiergegen Einspruch ein und führte aus, dass die Beklagte für ihren Bescheid keine Rechtsgrundlage genannt habe.

Durch Einspruchsentscheidung vom 2.2.2005 wies die Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück.

Am 25.2.2005 hat der Kläger Klage erhoben und Folgendes ergänzt: Der Beklagten sei während der Zeit der strittigen Kindergeldzahlung sehr wohl bekannt gewesen, dass er nur im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis gewesen sei. Die Regelung in § 62 Abs. 2 EStG, wonach Ausländer nur beim Vorliegen bestimmter ausländerrechtlicher Titel einen Anspruch auf Kindergeld hätten, sei verfassungsrechtlich fragwürdig und Gegenstand eines Revisionsverfahrens vor dem Bundesfinanzhof.

Im Übrigen entbehre die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldgewährung jeglicher Rechtsgrundlage.

In der mündlichen Verhandlung vom 20.03.2007 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, dass es für eine Differenzierung beim Bezug von Kindergeld zwischen der Zahlung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe an einem sachlichen Grund mangele.

Dies hat er in einem nach Abschluss der mündlichen eingereichten Schriftsatz vom 21.03.2007 vertieft und auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 25.10.2005 hingewiesen, das seine Einschätzung stütze.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 04.11.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.02.2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist im Wesentlichen auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 04.11.2003 und die Einspruchsentscheidung vom 02.02.2005 sind rechtmäßig und verletzen daher den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die darin ausgesprochene Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Zeit von Juni 2003 bis Oktober 2003 ist nicht zu beanstanden.

I. Der Kläger besaß für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Gewährung von Kindergeld.

1. Die Anspruchsberechtigung von Ausländern bezüglich des Kindergeldes beurteilt sich seit dem 1. Januar 2006 nicht mehr nach § 62 Abs. 2 EStG i. d. F. des JStG 1996 bzw. der geänderten Fassung aufgrund des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004, sondern nach § 62 Abs. 2 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, 2915). In dieser Fassung ist § 62 Abs. 2 EStG auch in allen Fällen anzuwenden, in denen das Kindergeld - wie im Streitfall - noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist (§ 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG i. d. F. des Gesetzes vom 13. Dezember 2006).

§ 62 Abs. 2 EStG in der nunmehr gültigen Fassung stellt nach seinem Wortlaut sowohl in Nr. 1 als auch in Nr. 2 und Nr. 3 darauf ab, ob der Ausländer eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Gesetz über den Aufenthalt, Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950) besitzt.

Solche Erlaubnisse besaß der Kläger nicht, ihm war vielmehr 1995 lediglich eine Aufenthaltsbefugnis nach dem Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet (AuslG) vom 9. Juli 1990 (BGBL I S. 1354) erteilt worden.

Auf die am 24.01.2006 erteilte Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG kann sich der Kläger in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg berufen, da die Niederlassungserlaubnis mangels Rückwirkung nicht den streitigen Zeitraum betraf.

Die dem Kläger erteilte Aufenthaltsbefugnis nach dem AuslG ist in § 62 Abs. 2 EStG nicht aufgeführt. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass eine nach dem AuslG erteilte Aufenthaltsgenehmigung schon allein deshalb keine anspruchsbegründende Wirkung für einen Zeitraum vor In-Kraft-Treten des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) haben kann. Durch § 62 Abs. 2 i. V. m. § 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss sollte ein vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für verfassungswidrig erkannter Rechtszustand beseitigt werden. Das BVerfG hat durchBeschluss vom 6. Juli 2004 (1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160) entschieden, dass § 1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) i. d. F. des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993, der mit § 62 EStG i. d. F. des JStG 1996 nahezu wörtlich übereinstimmte, mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar war, und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung bezüglich des BKGG aufgefordert. Diesem Auftrag wollte der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss nachkommen (vgl. BR-Drucks. 68/06 und BT-Drucks. 16/1368, S. 8).

Die abschließende Fassung, die § 62 Abs. 2 EStG im Gesetzgebungsverfahren gefunden hat, geht auf eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zurück (BT-Drucks. 16/2940). Sie soll im Einklang mit dem BVerfG-Beschluss in BVerfGE 111, 160 gewährleisten, dass ausländische Staatsangehörige, die sich voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhalten, Familienleistungen - u. a. Kindergeld - erhalten. Ausländer, bei denen der Aufenthalt im Inland voraussichtlich nur vorübergehend ist, wie etwa bei Schülern, Studenten oder Saisonarbeitern, sollten keinen Anspruch auf Familienleistungen erhalten. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16, § 17 oder § 18 Abs. 2 AufenthG genügt daher nicht, um einen Anspruch auf Kindergeld zu begründen (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a und b EStG). Anders verhält es sich bei einer Niederlassungserlaubnis (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 EStG), bei der die Kindergeldberechtigung an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft ist, weil die Niederlassungserlaubnis schon nach den ihrer Erteilung zugrunde liegenden Umständen einen Aufenthalt auf Dauer erwarten lässt. Bei Aufenthaltstiteln nach den §§ 23 Abs. 1, 23 a, 24 und 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG bedarf es dagegen, um von einem voraussichtlich dauerhaften Aufenthalt im Inland ausgehen zu können, eines weiteren Indizes, nämlich eines mindestens dreijährigen rechtmäßigen, gestatteten oder geduldeten Aufenthalts im Bundesgebiet und einer berechtigten Erwerbstätigkeit oder eines einer solchen gleichgestellten Tatbestandes (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG). Diese Erwägungen waren auch Gegenstand der Beratung des Gesetzentwurfs in der vom Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgeschlagenen Fassung im Bundestag (Stenografischer Bericht 57. Sitzung, Plenarprotokoll 16/57, S. 5590 ff.).

Das Ziel des Gesetzgebers, diese Regelung auch auf alle Fälle anzuwenden, in denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist (§ 52 Abs. 61 a EStG), würde nicht erreicht, wenn die Neuregelung auf Altfälle, in denen Aufenthaltstitel nach dem AuslG und nicht nach dem AufenthG vorliegen, allein deshalb nicht angewendet würde, weil der Antragsteller nicht über einen Aufenthaltstitel nach dem AufenthG verfügt. Der Gesetzgeber hat es nach Auffassung des Senats lediglich versehentlich versäumt, in § 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG eine Regelung aufzunehmen, die für Aufenthaltstitel nach dem AuslG der Neuregelung entspricht. Diese Lücke ist in verfassungskonformer Auslegung der Neuregelung in der Weise zu schließen, dass § 62 Abs. 2 EStG auch auf Aufenthaltstitel nach dem AuslG anzuwenden ist, wenn der Titel zum Zweck der Erwerbstätigkeit erteilt wurde und sowohl der Titel als auch die Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung unmittelbar verlängert werden konnten (vgl. BT-Drucks. 16/2940, S. 12). Nur so ist sichergestellt, dass bei Familien, die nicht oder nicht in vollem Umfang vom steuerrechtlichen Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG) profitieren, aber auch nicht (ausschließlich) von Sozialhilfe leben, die verminderte finanzielle Leistungsfähigkeit berücksichtigt wird. Gerade für diese Personengruppe hat das BVerfG im Beschluss in BVerfGE 111, 160 (unter B. III. 2. der Gründe) die inhaltlich gleichlautende Vorschrift des § 1 Abs. 3 BKGG in der ab 1994 geltenden Fassung als verfassungswidrig beurteilt.

Der Senat nimmt die danach erforderliche Zuordnung der dem Kläger erteilten Aufenthaltsbefugnis (nach dem AuslG) dahingehend vor, dass diese Aufenthaltsbefugnis allenfalls mit den in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c EStG erwähnten Titeln nach dem AufenthG vergleichbar ist und somit Kindergeld nur nach den näheren Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG in Betracht kommt.

a) Es liegt auf der Hand, dass die Aufenthaltsbefugnis des Klägers nicht der in § 62 Abs. 2 Nr. 1 EStG erwähnten Niederlassungserlaubnis entspricht, weil die Aufenthaltsbefugnisse des Klägers stets nur befristet erteilt wurden, während die Niederlassungserlaubnis kraft gesetzlicher Definition ein unbefristeter Aufenthaltstitel ist (§ 9 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).

b) Die dem Kläger erteilte Aufenthaltsbefugnis berechtigt auch nicht zu einer Kindergeldgewährung nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG.

Der Senat kann offen lassen, ob die Anwendung des § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG schon daran scheitert, dass die dem Kläger erteilte Aufenthaltsbefugnis nach dem AuslG nicht schon aus sich heraus, wie dies in § 62 Abs. 2 Nr. 2 1. Halbsatz EStG für die Aufenthaltserlaubnis nach dem AufenthG vorausgesetzt wird, sondern erst in Zusammenhang mit der von der Arbeitsverwaltung ausgesprochenen Arbeitserlaubnis zur Erwerbstätigkeit berechtigte.

Jedenfalls ist die Kindergeldgewährung nach dieser Vorschrift deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger lediglich einen ausländerrechtlichen Titel besaß, der mit den in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c EStG erwähnten Titeln vergleichbar ist.

Die Rechtsgrundlage für die dem Kläger am 23.03.1995 ausgehändigte und danach stets verlängerte Aufenthaltsbefugnis nach dem AuslG ist zwar in der Erlaubnis selbst nicht genannt worden. Aus den beiden amtsinternen Schreiben und dem Schreiben an die Ehefrau des Klägers - jeweils vom 09.03.1995 - wird jedoch zur Überzeugung des Gerichts deutlich, dass die Ausländerbehörde der Stadt A. dem Kläger aus humanitären Gründen und abgleitet vom stärkeren ausländerrechtlichen Status der Ehefrau, bei der - im Gegensatz zum Kläger - u.a. die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG festgestellt worden waren, eine Aufenthaltsbefugnis erteilen wollte . § 53 Abs. 6 AuslG, wonach von der Abschiebung in Fällen der Gefahr für Leib und Leben abgesehen werden kann, entspricht nahezu wörtlich § 60 Abs. 7 AufenthG. In Fällen des § 60 Abs. 7 AufenthG ist Anspruchsgrundlage für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis § 25 Abs. 3 AufenthG. Damit entspricht die Aufenthaltsbefugnis des Klägers der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 3 AufenthG berechtigen jedoch nur dann zum Bezug von Kindergeld, wenn die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG erfüllt sind (vgl. § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c EStG).

c) Der Kläger erfüllte im Streitzeitraum jedoch nicht die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG.

Zwar hielt er sich seit mindestens 3 Jahren rechtmäßig, gestattet bzw. geduldet im Bundesgebiet auf (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a EStG). Er war aber in der Zeit von Juni 2003 bis Oktober 2003 weder erwerbstätig noch bezog er Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) noch nahm er Elternzeit in Anspruch (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG).

Der Bezug von Arbeitslosenhilfe in der Zeit von Juni 2003 bis Oktober 2003 kann auch nicht als Leistungsbezug nach dem SGB III angesehen werden.

§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG stellt auf die zur Zeit seiner gesetzlichen Verabschiedung am 13. Dezember 2006 geltenden Fassung des SGB III ab. Daher ist das SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.2005 (BGBl. I 3686) anzuwenden, das - nach der Schaffung einer neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende im SGB II (Arbeitslosengeld II) - ab 1.1.2005 in dem hier interessierenden Zusammenhang nur noch die Zahlung von Arbeitslosengeld regelt (§§ 129 ff. SGB III) regelt. Leistung nach dem SGB III im Sinne des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG kann daher - bezogen auf den vorliegenden Fall - nur der Bezug von Arbeitslosengeld sein. Der Kläger hat demgegenüber aber nur Arbeitslosenhilfe nach §§ 190 SGB III in der vor dem 1.1.2005 geltenden Fassung (SGB III a.F.) erhalten, so dass sich eine Kindergeldgewährung nicht auf § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG stützen lässt.

Eine verfassungskonforme Auslegung des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG dahin, dass diese Vorschrift auch Arbeitslosenhilfe als Leistung nach dem SGB III a.F. berücksichtigt ist nicht möglich.

Durch das Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006 (BGBl I S. 2915), das § 62 Abs. 2 EStG in der anzuwendenden Fassung geschaffen hat, sollten die Beschlüsse des BVerfG vom 6.7.2004 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160, und 1 BvR 2515/95, BVerfGE 111, 176, in denen § 1 Abs. 3 BKGG wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als unvereinbar mit dem Art. 3 GG angesehen wurde, umgesetzt und sowohl § 1 Abs. 3 BKGG als auch der wortgleiche § 62 Abs. 2 EStG verfassungskonform ausgestaltet werden. Da das BVerfG die ursprüngliche Zielsetzung des § 1 Abs. 3 BKGG, Familienleistungen nur denjenigen Ausländern zukommen zu lassen, die sich voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhalten werden, nicht beanstandet, sondern nur den gewählten Weg, also die damalige konkrete Regelung verworfen hat, hat der Gesetzgeber bei § 62 Abs. 2 EStG n.F. - unter Beibehaltung seines Ziels - nicht mehr allein an die (dafür untauglichen) Aufenthaltstitel angeknüpft, sondern bei Ausländern, die nicht schon von Gesetzes wegen (Niederlassungserlaubnis) einer Erwerbstätigkeit nachgehen dürfen, die Ausübung einer Beschäftigung bzw. die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt gefordert, weil dies ein Indikator für einen dauernden Verbleib in Deutschland ist (BR-Drucksache 68/06, Seite 8 unten, 9). Es ist nicht sach- und unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Grundgesetz auch nicht verfassungswidrig, eine solche Integration nur dann anzunehmen, wenn der Ausländer Leistungen nach dem SGB III in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung bezog (beispielsweise Arbeitslosengeld), und eine solche Integration in den Arbeitsmarkt bzw. das Erwerbsleben zu verneinen, wenn nur Arbeitslosenhilfe gezahlt wurde.

Das Arbeitslosengeld wird im wesentlichen durch Beiträge der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber, also durch den Arbeitsmarkt finanziert (§ 340 SGB III n.F.). Demgegenüber werden die Aufwendungen für die Grundsicherung der Arbeitssuchenden (Arbeitslosengeld II - ALG II - = Zusammenfassung der alten Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe) nach § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB II vom Bund - also aus allgemeinen Steuermitteln - getragen.

Eine identische Sachlage gab es unter der Geltung des SGB III a.F.. Das Arbeitslosengeld wurde im wesentlichen durch die Beitragsleistungen der versicherungspflichtigen Arbeitnehmer und der Arbeitgeber finanziert (§ 340 SGB III a.F.), während die Arbeitslosenhilfe - als staatliche Transferleistung - vom Bund getragen wurde (§ 363 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F.)

Angesichts dieser sachlich begründeten Differenzierung zwischen Beziehern von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe liegt auch kein Verstoß gegen das Urteil de Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (4. Sektion)vom 25.10.2005 - 59140/00 - (Rechtsache Okpisz), BFH/NV 2006, Beilage 3, 357, vor, das in Anlehnung an den Beschluss des BVerfG vom 06.06.2004 - 1 BvL 4/97 - ebenfalls zu dem Ergebnis kam, dass die alleinige Anknüpfung an den ausländerrechtlichen Titel kein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung von Ausländern beim Kindergeldbezug darstellt.

2. Auch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (Sozialabkommen) vom 12. Oktober 1968 (BGBl. II S. 1437) begründet für den Kläger keinen Kindergeldanspruch. Zwar gilt dieses Abkommen für das noch bestehende Rest-Jugoslawien (Serbien und Montenegro, wozu auch der Kosovo gehört) weiter (Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, DII, Kommentierung Abkommen, Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit, Artikel 28 Rz. 2; ebenso FG Düsseldorf, Urteil vom 21.1.1999 10 K 5596/97 Kg, EFG 1999, 567; Revision beim BFH III R 59/03 noch anhängig).

Das Abkommen gehört als Völkervertragsrecht (vgl. hierzu FG Düsseldorf, a.a.O.; Niedersächsische Finanzgericht, Urteil vom 26.11.2002 1 K 3/02, EFG 2003, 786; Revision beim BFH III R 79/03 noch anhängig) zum einfachen Bundesrecht und steht damit grundsätzlich gleichberechtigt neben § 62 EStG (FG Düsseldorf, a.a.O.).

Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a in Verbindung mit Art. 2 Abs.1 Nr. 1 Buchstabe d des Sozialabkommens stellt die Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaates (Jugoslawien) für "das Kindergeld für Arbeitnehmer " den Staatsangehörigen des ersten Vertragsstaates (Bundesrepublik Deutschland) gleich, wenn sie sich in diesem (ersten) Vertragsstaat gewöhnlich aufhalten.

Zu Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d des Sozialabkommens wird einhellig die Meinung vertreten, dass wegen des engen Arbeitnehmerbegriffs eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit oder die Zahlung von Arbeitslosengeld bzw. von Krankengeld erforderlich ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 12.04.2000 B 14 KG 3/99 R, BSGE 86, 115; Niedersächsisches Finanzgericht, a.a.O.; ähnlich FG Düsseldorf, a.a.O.; Helmke/Bauer, a.a.O., Artikel 28, Rz. 7; vgl. auch BFH, Beschluss vom 08.10.2001 VI B 138/01, BStBl II 2002, 480, der auch von einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit ausgeht und daher Arbeitslosenhilfe - als reine Transferleistung - nicht als ausreichend erachtet).

3. Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 70 Abs. 2 EStG. Danach ist eine rückwirkende Änderung oder Aufhebung einer Kinderfestsetzung zulässig, wenn bei den für die Kindergeldgewährung maßgeblichen Verhältnissen Änderungen eintreten. Eine solche Änderung ist durch die ab dem 1.6.2003 einsetzende Zahlung von Arbeitslosenhilfe eingetreten, die die Berechtigung zum Bezug von Kindergeld entfallen ließ. Anders als vom Kläger behauptet, kam es also für die Kindergeldaufhebung nicht allein auf den ausländerrechtlichen Titel und die Kenntnis der Beklagten von der Existenz dieses Titels an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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