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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.08.2008
Aktenzeichen: 11 K 1160/07 E
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der ledige Kläger erzielte im Streitjahr 2005 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit für die A-GmbH & Co. KG. Seine Arbeitsstelle lag in Berlin. 2002 zog er von A-Stadt nach Berlin um. Dort wohnte er zunächst unter der Adresse B-Straße 1. Zum 1. Juli 2004 schloss er einen Mietvertrag über eine 68 m²-große Wohnung in der C-Straße 2 in Berlin. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in den Steuerakten des Beklagten abheftete Kopie des Mietvertrags vom 29. Juni 2004 Bezug genommen.

Zum 1. April 2005 begründete der Kläger nach eigenen Angaben einen gemeinsamen Hausstand mit seiner Lebensgefährtin in A-Stadt, D-Straße 3. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in den Steuerakten des Beklagten abheftete Kopie des Untermietvertrags vom 1. April 2005 Bezug genommen. Die Wohnung in A-Stadt meldete der Kläger am 20. März 2006 als Hauptwohnsitz, die in Berlin als Nebenwohnsitz an. Wegen der verspäteten Anmeldung wurde gegen den Kläger mit Bescheid vom 27. April 2006 eine Geldbuße festgesetzt.

In seiner Einkommensteuererklärung 2005 machte der Kläger die Aufwendungen für die Wohnung in Berlin (10 Monate zu je 445 EUR, insgesamt 4.450 EUR), für die Fahrten von A-Stadt nach Berlin (Erstfahrt 530 km x 0,30 EUR = 159 EUR; 36 Familienheimfahrten 5.724 EUR) sowie Verpflegungsmehraufwand (1.584 EUR), insgesamt 11.917 EUR, als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend. Der Beklagte erkannte die Aufwendungen nicht an und erließ am 12. Juli 2006 einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 2005. Dagegen legte der Kläger rechtzeitig Einspruch ein. Im Rahmen des Einspruchsverfahren legte der Kläger die bis dato fehlende Seite 3 zur Anlage N vor. Der Beklagte erkannte daraufhin weitere Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 1.170 EUR an und erließ am 10. August 2006 einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid 2005. Die Kosten der doppelten Haushaltsführung erkannte der Beklagte nicht an und wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 2. März 2007 als unbegründet zurück. Dagegen richtet sich die Klage.

Der Kläger trägt vor:

Er unterhalte aus beruflichen Gründen einen zweiten Haushalt in Berlin. Er habe zunächst in Berlin gelebt. Nachdem er seine Lebensgefährtin kennengelernt habe, habe er seinen Lebensmittelpunkt nach A-Stadt verlegt. Sowohl er als auch seine Lebensgefährtin seien beruflich tätig. Sie hätten die Wohnung in A-Stadt zu ihrem gemeinsamen Lebensmittelpunkt bestimmt. Die Rechtsprechung zur doppelten Haushaltsführung verheirateter Arbeitnehmer sei auch auf ihn anwendbar, obwohl er ledig sei. Insoweit verweise er auf die Entscheidung des Finanzgerichts Niedersachsen vom 17. September 2004 11 K 579/00.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 10. August 2006 dahingehend abzuändern, dass Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 11.917 EUR anerkannt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vor:

Der Kläger habe seinen Hauptwohnsitz vom Arbeitsort Berlin wegverlegt. Dieser Umzug beruhe auf privaten Erwägungen. Der Streitfall weiche von dem Sachverhalt, den das Finanzgericht Niedersachsen entschieden habe, ab. In dem dort entschiedenen Fall habe zum Haushalt der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein gemeinsames Kind gehört. Im Übrigen habe der Bundesfinanzhof (BFH) die Entscheidung des Finanzgerichts am 15. März 2007 (VI R 31/05, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2007, 533) aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die geltend gemachten Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung sind nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen, weil der Kläger den doppelten Haushalt nicht aus beruflichen Gründen begründet hat.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Sätze 1 und 2 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Dafür ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht ausreichend, dass eine einheitliche Haushaltsführung auf zwei verschiedene Haushalte aufgesplittet ist. Die doppelte Haushaltsführung muss vielmehr gerade aus beruflichen Gründen veranlasst sein. Dies ist nach der gesetzlichen Regelung nur der Fall, wenn die doppelte Haushaltsführung, d.h. die Einrichtung der zweiten Wohnung, aus beruflichem Anlass begründet wird. Es handelt sich hierbei um eine konkrete Kodifizierung des Veranlassungsprinzips. Die gesetzliche Regelung geht dabei davon aus, dass grundsätzlich zunächst ein eigener (Haupt-) Hausstand des Steuerpflichtigen bestanden haben muss, bevor es zur Einrichtung einer Zweitwohnung am Beschäftigungsort gekommen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Mai 2001 VI B 43/99, BFH/NV 2001, 1549; BFH-Urteil vom 15. März 2007 VI R 31/05, BStBl. II 2007, 533).

Der Kläger hat die doppelte Haushaltsführung nicht aus beruflichem Anlass begründet, sondern neben seiner fortbestehenden Wohnung am Beschäftigungsort in Berlin mit seiner Lebensgefährtin einen Hausstand in A-Stadt gegründet. Das auslösende Element bzw. der unmittelbare Anlass für die Aufsplitterung des Wohnens auf zwei Haushalte liegt hier aber in dem gemeinsamen Zusammenleben und ist daher privat und nicht beruflich veranlasst (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 1988 VI R 53/85, BFHE 155, 77, BStBl II 1989, 293).

Zwar hat die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung im Hinblick auf den aus Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) resultierenden Schutz von Ehe und Familie eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung auch dann angenommen, wenn beide Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung an verschiedenen Orten beruflich tätig sind, jeweils dort wohnen und anlässlich ihrer Heirat eine der beiden Wohnungen oder eine neue Wohnung an einem dritten Ort zum Familienhausstand machen. Maßgebend für diese Rechtsprechung ist, dass bei Heirat zweier Berufstätiger diese sich nicht mit einem einzigen Wohnsitz am Ort der Berufsausübung eines von ihnen begnügen können, ohne die Berufstätigkeit des anderen zu beeinträchtigen (ständige Rechtsprechung; BFH-Urteile vom 29. November 1990 VI R 30/90, BFH/NV 1991, 531; vom 4. Oktober 1989 VI R 44/88, BFHE 158, 527, BStBl II 1990, 321; vgl. auch BFH-Urteile vom 13. März 1996 VI R 58/95, BFHE 180, 136, BStBl II 1996, 315, und vom 4. April 2001 VI R 130/99, BFH/NV 2001, 1384, m.w.N.; Drenseck in Schmidt, EStG, 27. Aufl., § 9 Rz 147 f.).

Der BFH hat jedoch ständig auch daran festgehalten, dass diese -wegen des verfassungsrechtlichen Förderungsgebotes des Art. 6 Abs. 1 GG gebotene- Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG u.a. dann nicht anwendbar ist, wenn nur ein Ehepartner berufstätig ist (BFH-Urteile vom 23. Februar 1990 VI R 87/86, BFH/NV 1990, 764; in BFHE 180, 136, BStBl II 1996, 315; vom 20. Dezember 1982 VI R 64/81, BFHE 137, 463, BStBl II 1983, 306). Eine Ausdehnung der zitierten Rechtsprechung auf die Zeit vor der Eheschließung hat der BFH ebenfalls abgelehnt. Nach seiner Auffassung ist es unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten auch nicht geboten, die Ausnahme, die die Rechtsprechung in Fällen der Eheschließung in Bezug auf die berufliche Veranlassung gemacht hat, in jedem Fall auf nicht eheliche Lebensgemeinschaften zu übertragen (BFH in BFH/NV 2001, 1384; BFH-Beschluss vom 28. August 2001 VI B 56/01, BFH/NV 2002, 23). Die vorstehenden Grundsätze sind allerdings grundsätzlich entsprechend anwendbar, wenn Partnern einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft, die beide berufstätig sind, ein Kind geboren wird, das in die Wohnung mit aufgenommen wird. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ist auch insoweit im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG geboten, da nicht nur die Ehe, sondern auch die Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht. "Familie" in diesem Sinn ist die Lebensgemeinschaft zwischen Eltern und Kindern (BFH-Urteile vom 24. November 1989 VI R 66/88, BFHE 159, 150, BStBl II 1990, 312; vom 19. Mai 1999 XI R 120/96, BFHE 189, 357, BStBl II 1999, 764; in BFH/NV 2001, 1384).

Im Streitfall sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Kläger und seine Lebensgefährtin sind zwar - nach Angaben des Klägers - beide beruflich tätig. Sie haben die Wohnung in A-Stadt aber nicht anlässlich oder in zeitlichem Zusammenhang mit der Geburt eines gemeinsamen Kindes zur Familienwohnung gemacht.

Der Kläger kann auch nicht mit einem Steuerpflichtigen gleichgestellt werden, der bei Einrichtung des doppelten Haushalts bereits eine Familienwohnung mit Lebensgefährtin und Kind teilte. Dies wäre aber Voraussetzung dafür, die Ausnahmen, die die Rechtsprechung in Fällen der Eheschließung für die Begründung der doppelten Haushaltsführung zugelasssen hat, auf seine Situation zu übertragen. Der BFH hat die verfassungskonforme Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG nämlich damit begründet, dass sonst Arbeitnehmer, die beide bereits vor der Eheschließung berufstätig waren und noch keinen doppelten Haushalt begründen konnten, von einem Werbungskostenabzug ausgeschlossen wären. Sie würden damit im Verhältnis zu - bei Einrichtung des doppelten Haushalts - bereits Verheirateten benachteiligt (BFH-Urteile vom 13. Juli 1976 VI R 172/74, BFHE 119, 281, BStBl II 654; in BFHE 158, 527, BStBl II 1990, 321). Der verfassungskonformen Auslegung bedarf es dagegen nicht, wenn zwei Arbeitnehmer mit jeweils eigenem Hausstand heiraten, jeder Ehegatte nach der Eheschließung zunächst wie bisher in seiner Wohnung weiterlebt und erst später eine der beiden Wohnungen zur Familienwohnung gemacht wird. Die damit einhergehende Gründung des zweiten Haushalts außerhalb des Beschäftigungsortes ist privat veranlasst. Entsprechendes gilt, wenn, wie im Streitfall, die Partner einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft, die an verschiedenen Orten beruflich tätig sind und dort wohnen, ohne zeitlichen Zusammenhang mit der Geburt eines gemeinsamen Kindes eine der Wohnungen zum Familienhausstand machen. Auch hier ist die Begründung dieses Hausstands außerhalb des Beschäftigungsortes privat veranlasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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