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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.05.2009
Aktenzeichen: 11 K 2025/06 F
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 74
AO § 191 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Streitwert für das Verfahren des Finanzamtes gegen den Beklagten zu 1. wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

Der Streitwert für das Verfahren des Finanzamtes gegen den Beklagten zu 2. wird bis zum 27. November 2003 auf 1.049.136 EUR, für die Zeit danach auf 4.000 EUR festgesetzt.

Dieser Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

I. Das Finanzamt nahm den Beklagten zu 2. gem. § 191 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) für Umsatzsteuern in Höhe von 1.049.136 EUR als Haftungsschuldner nach § 74 AO in Anspruch. Mit seiner Klage vom 24. Juni 2002 (Aktenzeichen 11 K 3350/02 H) begehrte der Beklagte zu 2. die Aufhebung des gegen ihn gerichteten Haftungsbescheids. Im Verlauf des Klageverfahrens wurde über das Vermögen des Beklagten zu 2. das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1. als Insolvenzverwalter bestellt. Das Finanzamt meldete die Haftungsschuld als Insolvenzforderung zur Tabelle an. Sowohl der Beklagte zu 2. als Insolvenzschuldner als auch der Beklagte zu 1. als Insolvenzverwalter bestritten die zur Insolvenztabelle angemeldete (Haftungs)Forderung.

Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2004 erklärte das Finanzamt, dass es von seinem Recht zur Aufnahme des Verfahrens Gebrauch mache und beantrage, das Klageverfahren gemäß §§ 180 Abs. 2, 184 Satz 2, 185 InsO fortzusetzen. Mit Urteil vom 3. Juni 2004 wies der erkennende Senat die Klage des Beklagten zu 2. - damals Kläger - und den Feststellungsantrag des Finanzamtes ab. Nach Ansicht des Senats hatte das Finanzamt kein berechtigtes Interesse an einer Feststellung, denn es hätte die Insolvenzforderung gem. § 251 Abs. 3 AO durch Feststellungsbescheid feststellen können. Der Bundesfinanzhof (BFH) hob diese Entscheidung mit Urteil vom 7. März 2006 (VII R 11/05, BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573 ) auf und verwies die Sache an das Finanzgericht Düsseldorf zurück. Zur Begründung führte er aus, dass es sich im Streitfall nicht um einen Aktiv-, sondern um einen Passivprozess handele. Ein solches Verfahren könne vom Insolvenzschuldner, dem damaligen Kläger, jetzigen Beklagten zu 2., mangels Rechtsschutzinteresses nicht aufgenommen werden.

Nach Zurückverweisung hat das Finanzamt beantragt,

die Forderung in Höhe von 1.049.136 EUR zur Beseitigung des Widerspruchs des Insolvenzverwalters zur Tabelle festzustellen.

Ferner beantragte es,

festzustellen, dass der Widerspruch des Insolvenzschuldners gegen die zur Tabelle angemeldete Haftungsforderung in Höhe von 1.049.136 EUR unbegründet sei und die angemeldete Haftungsforderung als Insolvenzforderung festgestellt werde.

Den Antrag gegen den Insolvenzschuldner begründete das Finanzamt damit, dass die Forderung nicht nur vom Insolvenzverwalter, sondern auch vom Insolvenzschuldner bestritten worden sei. Ziel des Finanzamtes sei es, unter Beachtung der in der Insolvenzordnung bestimmten Grundsätze alle erhobenen Widersprüche zu beseitigen und über die angemeldete Haftungsforderung einen widerspruchsfreien Tabellenauszug zu erhalten. Da der Widerspruch des Insolvenzschuldners dazu führe, dass nach Beendigung des Insolvenzverfahrens gegen ihn auf Grund der Insolvenztabelle nicht vollstreckt werden könne, könne das Finanzamt den Rechtsstreit auf der Grundlage von § 184 Satz 2 InsO in Verbindung mit § 185 InsO auch gegen den Insolvenzschuldner fortsetzen.

Durch Urteil vom 12. Oktober 2006 (11 K 2025/06 H, EFG 2007, 13) gab der erkennende Senat der Feststellungsklage des Finanzamtes statt. Der BFH wies die Revision der Beklagten mit Urteil vom 13. November 2007 (VII R 61/06, BFHE 220, 289, BStBl II 2008, 790) und Beschluss vom 24. Oktober 2008 (VII R 30/08, BFH/NV 2009, 414) als unbegründet zurück.

Am 22. Dezember 2008 wurden die Beklagten wegen der Gerichtskosten in Anspruch genommen. Dem Beklagten zu 1. wurde ausgehend von einem einheitlichen Streitwert in Höhe von 4.000 EUR eine Verfahrensgebühr (KV 3110) in Höhe von 105,00 EUR und eine Endurteilsgebühr (KV 3115) in Höhe von 262,50 EUR in Rechnung gestellt. Dem Beklagten zu 2. wurde ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 1.049.136 EUR eine Verfahrensgebühr (KV 3110) in Höhe von 4.706,44 EUR und ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 4.000 EUR eine Endurteilsgebühr (KV 3115) in Höhe von 262,50 EUR in Rechnung gestellt.

Die Beklagten beantragten

die Festsetzung des Streitwerts.

Sie sind der Ansicht, es müsse ein einheitlicher Streitwert in Höhe von 1.000 EUR angesetzt werden.

II. Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetzes (GKG), in der für den Streitfall geltenden Fassung (a.F.), setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält (§ 25 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz 2 GKG a.F.). Im Hinblick auf den Antrag der Beklagten ist der Streitwert gerichtlich festzusetzen.

Die Höhe des Streitwerts ist gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. in Verfahren vor dem Finanzgericht, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen. Im Streitfall ist dies für die Zeit vor und nach Aufnahme des durch Insolvenzeröffnung unterbrochenen Verfahrens unterschiedlich zu beurteilen.

Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens richtete sich die Klage des damaligen Klägers, heutigen Beklagten zu 2., gegen den Haftungsbescheid, mittels dessen er in Höhe von 1.049.136 EUR in Anspruch genommen wurde. Er begehrte die Aufhebung des Haftungsbescheids. In diesem Fall bemisst sich der Streitwert nach dem Nennwert der im Haftungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung festgestellten Haftungssumme (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 135 FGO Tz. 211). Die nach § 74 AO eingreifende gegenständliche Haftungsbeschränkung hat auf die Höhe des Streitwerts keinen Einfluss, da sie sich betragsmäßig erst in der Zwangsvollstreckung auswirken kann ( BFH Beschluss vom 24. November 1994 VII E 7/94, BFH/NV 1995, 720).

Für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein anderer Streitwert festzusetzen. Kommt es im laufenden Verfahren zu einer Insolvenz und wird das zunächst nach § 155 FGO i.V. mit § 240 ZPO unterbrochene Verfahren wieder aufgenommen, bestimmt sich der Wert ab Aufnahme des Rechtsstreits nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die noch unerfüllte Steuerforderung zu erwarten ist (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 135 Tz. 214). Ab dem Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Verfahrens ist nämlich (nur) noch streitig, ob und wenn ja in welcher Höhe die zur Insolvenztabelle angemeldete und bestrittene Forderung festzustellen ist und an der Verteilung der Masse teilnimmt. Im Zeitpunkt der Aufnahme des Verfahrens bot der Sach- und Streitstand hierfür keine genügenden Anhaltspunkte. Folglich ist gem. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG für das Verfahren des Finanzamtes auf Feststellung der Insolvenzforderung ein Streitwert in Höhe von 4.000 EUR anzusetzen. Bei dem Regelstreitwert nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG handelt es sich um einen Auffangwert, der immer nur dann festzusetzen ist, wenn - wie hier - eine individuelle Bemessung nicht möglich ist. Anhaltspunkte für den von den Beklagten begehrten Streitwert in Höhe von 1.000 EUR finden sich nicht. § 52 Abs. 4 GKG in der heutigen Fassung, der einen Mindeststreitwert in Höhe von 1.000 EUR festschreibt, ist auf den Streitfall nicht anwendbar, weil die Klage vor dem 1. Juli 2004 (vgl. § 72 GKG) erhoben wurde und auch die Wiederaufnahme des Verfahrens nach Unterbrechung vor diesem Zeitpunkt erfolgte.

Der Streitwertbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei (BFH Beschluss vom 17. Januar 1975 III 325/63, BStBl II 1975, 262; BFHE 114, 406).

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