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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.11.2009
Aktenzeichen: 11 K 916/09 E
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 173 Abs. 1
EStG § 11
EStG § 42d Abs. 3
EStG § 42e
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Befugnis des beklagten Finanzamts, einen bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid im Hinblick auf in den Jahren 2001 bis 2005 geleistete und fälschlicherweise als steuerpflichtig behandelte Nachteilsausgleichszahlungen des Arbeitgebers an eine Zusatzversorgungskasse, die dieser im Streitjahr 2006 bei der Lohnsteueranmeldung als negative Einnahmen des Arbeitnehmers behandelt hat, nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO - zu ändern.

Die Kläger wurden im Streitjahr 2006 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte wie in den Vorjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Angestellter der Flughafen A-Stadt GmbH - FAG -.

Mit Bescheid vom 13. November 2007, im maschinellen Veranlagungsverfahren am 5. November 2007 freigegeben, wurden die Kläger (erklärungsgemäß) zur Einkommensteuer 2006 veranlagt.

Am 21. November 2008 erhielt der Beklagte eine Prüfungsmitteilung des Finanzamts A-Stadt - Zentrale Außenprüfungsstelle Lohnsteuer (ZALST) - (Blatt 10 des Einspruchshefters) vom 14. November 2008. Darin führte die ZALST aus, dass im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung bei der FAG und deren Tochtergesellschaften festgestellt worden sei, dass der Arbeitgeber im Rahmen der laufenden Lohnabrechnung im September 2006 den steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn um einen Betrag in Höhe von 1.076,71 EUR gemindert habe, weil er davon ausgegangen sei, dass in dieser Höhe negativer Arbeitslohn vorliege. Dies sei nicht der Fall. Vielmehr handele es sich bei diesem Betrag um die Summe der in den Jahren 2001 bis 2005 individuell versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen an die Rheinische Zusatzversorgungskasse - RZVK - B-Stadt. Die Einzelheiten zu diesem Sachverhalt mit Hinweisen zur Bearbeitung der zu erwartenden Einspruchsverfahren werde die Oberfinanzdirektion - OFD - Rheinland in einer überarbeiteten Fassung der Kurzinformation Einkommensteuer 67a/2006 spätestens Anfang Dezember 2008 in das Informationssystem der Finanzverwaltung NRW - ISYS - einstellen. Das Verfahren, die Festsetzungsfinanzämter über den Sachverhalt mit Kontrollmitteilungen zu informieren, sei mit dem Lohnsteuer- und dem AO-Referat der OFD Rheinland abgestimmt worden. Der Arbeitgeber könne im vorliegenden Fall nicht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden. Deshalb sei der bislang bescheinigte steuerpflichtige Bruttoarbeitslohn um 1.076,71 EUR zu erhöhen und der Einkommensteuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern.

Daraufhin erließ der Beklagte am 19. Dezember 2008 einen auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützten Einkommensteueränderungsbescheid für das Jahr 2006 und berücksichtigte einen um 1.076 EUR erhöhten Bruttoarbeitslohn des Klägers. Dagegen legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, der Arbeitgeber habe den Arbeitslohn berechtigt um negative Einkünfte gekürzt. Ursache sei gewesen, dass in den Jahren 2001 bis 2005 ein vom Arbeitgeber wegen eines Wechsels der Zusatzversorgungskasse - ZVK - gezahlter Nachteilsausgleich als Vergütungsbestandteil behandelt worden sei, obwohl den betroffenen Arbeitnehmern in keiner Weise ein Vorteil zugeflossen sei. Nach Klarstellung der Rechtslage durch den BFH seien im Jahr 2006 zur Korrektur negative Einkünfte angesetzt worden. Dies wiederum beruhe auf einer verbindlichen Anrufungsauskunft des Finanzamts A-Stadt II, der zufolge der Arbeitgeber nach materiellem Recht zum Ansatz der negativen Einkünfte berechtigt gewesen sei und dieser Ansatz verfahrensmäßig durch Kürzung der abzuführenden Lohnsteuerbeträge habe erfolgen können.

Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2009 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Den Sachverhalt stellte der Beklagte im Wesentlichen wie folgt dar:

Die FAG befinde sich zu 50 % in öffentlicher Trägerschaft (A-Stadt) und wende daher die Tarife des öffentlichen Dienstes an. Damit sei für die Beschäftigten ein tariflicher Anspruch auf eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung begründet worden, der bis zum 31. Dezember 2000 durch die ZVK A-Stadt sichergestellt worden sei. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen der A-Stadt als Trägerin der (ehemaligen) ZVK A-Stadt und der Rheinischen Versorgungskasse für Gemeinden und Gemeindeverbände B-Stadt als Trägerin der RZVK B-Stadt habe die RZVK B-Stadt zum Stichtag 1. Januar 2001, 00.00 Uhr, die ZVK A-Stadt mit deren Mitglieder-, Versicherten-, Rentner- bzw. Hinterbliebenen- sowie Vermögensbeständen einschließlich etwaig bestehender Verbindlichkeiten übernommen. Damit sei die FAG - ebenso wie die 32 anderen bisherigen Mitglieder der ZVK A-Stadt - ab dem 1. Januar 2001 Mitglied der RZVK B-Stadt. Zum Ausgleich der mit der Übernahme der ZVK A-Stadt für die RZVK B-Stadt verbundenen wirtschaftlichen Nachteile, d.h. zum Ausgleich des versicherungsmathematisch ermittelten Mindervermögens der übernommenen ZVK A-Stadt, habe jedes Mitglied der ehemaligen ZVK A-Stadt einen sog. Nachteilsausgleich an die RZVK B-Stadt gezahlt, der in den Jahren 2001 bis 2015 über den jeweils geltenden Umlagesatz nach § 62 Abs. 1 der RZVK-Satzung hinausgehe. Der für die FAG vereinbarte Betrag sei in der Weise gestundet worden, dass unter Berücksichtigung eines Stundungszinses von 5,294 % auf die Dauer von 15 Jahren - beginnend mit dem 31. Januar 2001 - gleichbleibende monatliche Raten (Nachteilsausgleich einschließlich Zinsen) zu zahlen gewesen seien. Die Ansprüche der Beschäftigten der FAG - sowohl der versicherten Arbeitnehmer als auch der Bezieher laufender Renten - hätten sich auf Grund der Übernahme der ZVK A-Stadt durch die RZVK B-Stadt nach Art und Höhe nicht geändert. Im Ergebnis hätte - was zwischen den Beteiligten unstreitig sei - die FAG nach diesen Vereinbarungen für die betriebliche Altersversorgung ihrer Beschäftigten monatlich Zahlungen i.H.v. 6,65 % (4,25 % regulärer Umlagesatz nach § 62 Abs. 1 der RZVK-Satzung zuzüglich 2,4 % als individuell festgelegter Prozentsatz zur Erreichung und Zuordnung der Nachteilsausgleichszahlung einschließlich Zinsen) an die RZVK B-Stadt zu leisten gehabt mit der Maßgabe des jährlichen Differenzausgleichs der auf das jeweilige Kalenderjahr entfallenden geschuldeten Zahlungen.

Aufgrund eines Antrags der damaligen steuerlichen Vertreterin der 33 Mitglieder der ehemaligen ZVK A-Stadt auf Erteilung einer Auskunft mit Bindungswirkung nach Treu und Glauben (verbindliche Auskunft) aus dem Jahr 2000 hätten die 33 Mitglieder der ehemaligen ZVK A-Stadt (einschließlich der FAG) vom Finanzamt A-Stadt die begehrte Auskunft erhalten, dass bei dem vorgetragenen Sachverhalt die vereinbarten Nachteilsausgleichszahlungen (wörtlich: "Zusatzbeiträge") erst im Zeitpunkt der Zahlung an die RZVK B-Stadt lohnsteuerlich zu erfassen seien und in dem durch § 40 b Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - vorgegebenen Rahmen von (damals) 3.408,00 DM jährlich - bezogen auf die Summe aus laufendem Beitrag und Zusatzbeitrag - mit 20 % pauschaliert werden dürften.

Auf Grund einer weiteren Eingabe der 33 Mitglieder der ehemaligen ZVK A-Stadt aus dem Jahr 2002 habe das Finanzministerium NRW die Rechtsauffassung vertreten, dass es sich bei dem Nachteilsausgleich nicht um ein steuerfreies Sanierungsgeld, sondern um eine nachgeholte Umlagezahlung handele, die grundsätzlich als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln sei. Damit sei es zugleich bei der oben angegebenen verbindlichen Auskunft des Finanzamts A-Stadt verblieben, und die Nachteilsausgleichszahlungen (auch) der FAG seien wie eine erhöhte Umlage behandelt worden. Sofern die Pauschalierungsgrenze mit der normalen Umlage (4,25 %) nicht ausgeschöpft gewesen sei, sei der Nachteilsausgleich dann bis zur Höhe der für das jeweilige Kalenderjahr gültigen Pauschalierungsgrenze (§ 40 b EStG) pauschal lohnversteuert worden. Der übersteigende Betrag sei bei den einzelnen Mitarbeitern der FAG individuell versteuert worden.

Nachdem der Bundesfinanzhof - BFH - mit Urteil vom 14. September 2005 (VI R 148/98, BFHE 210, 443, BStBl II 2006, 532) entschieden habe, dass den Arbeitnehmern kein Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zufließe, wenn der Arbeitgeber beim Wechsel zu einer anderen umlagefinanzierten Zusatzversorgungskasse Sonderzahlungen leiste, habe die FAG beabsichtigt, eine entsprechende Stornierung der zu Unrecht versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen für die Jahre 2002 bis 2005 bei den Beschäftigten vorzunehmen, die sich noch in einem Beschäftigungsverhältnis befanden und auch von ihr in diesen Zeiträumen Arbeitsentgelte bezogen und Steuern für die Nachteilsausgleichszahlungen entrichtet hatten. Auf eine Rückforderung für das Jahr 2001 habe die FAG (mit Blick auf die Euro-Umstellung) wegen programmtechnischer Schwierigkeiten verzichtet. Deshalb habe die FAG mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 (ergänzt durch das Schreiben vom 17. Februar 2006) bei ihrem Betriebsstätten-Finanzamt A-Stadt II eine Anrufungsauskunft gemäß § 42e EStG dahingehend beantragt, die versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen der Jahre 2002 bis 2005 im Kalenderjahr 2006 als negativen Arbeitslohn beim laufenden Lohnsteuerabzug berücksichtigen zu dürfen. Mit Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006 habe das Finanzamt A-Stadt II grundsätzlich zugestimmt.

Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung durch die ZALST habe der Prüfer festgestellt, dass negativer Arbeitslohn mangels tatsächlichen Abflusses (§ 11 Abs. 2 EStG) im Kalenderjahr 2006 nicht habe gegeben sein können. Daraufhin habe das Finanzamt A-Stadt II mit Schreiben vom 20. September 2006 an die FAG seine Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006 widerrufen. Zu diesem Zeitpunkt habe die FAG jedoch bereits die Nachteilsausgleichszahlungen der Jahre 2002 bis 2005 - und nach den Feststellungen der ZALST darüber hinaus auch des Jahres 2001 - bei der Lohnabrechnung für den Monat September 2006 entsprechend der Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006 als negativen Arbeitslohn berücksichtigt und die Lohnsteueranmeldung für September 2006 am 21. September 2006 dem Finanzamt A-Stadt II übermittelt gehabt. Der mit Wirkung für die Zukunft erfolgte Widerruf der Anrufungsauskunft habe daher von der FAG nicht mehr berücksichtigt werden können.

Da eine Haftungsinanspruchnahme der FAG nicht mehr möglich gewesen sei, seien die örtlich zuständigen Wohnsitz-Finanzämter der betroffenen Arbeitnehmer in jedem Einzelfall durch Prüfungsmitteilungen der ZALST vom 14. November 2008 darüber unterrichtet worden, dass der Arbeitgeber des Klägers im Rahmen der laufenden Lohnabrechnung im September 2006 den steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn um einen bestimmten Betrag gemindert habe. Dies habe auch im Fall der Kläger zum Erlass des geänderten Steuerbescheids geführt. Grundlage der Änderung sei § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gewesen, da dem zuständigen Veranlagungssachbearbeiter der Sachverhalt bis zum Eingang der Prüfungsmitteilung nicht bekannt gewesen sei. Die Klage der FAG gegen den Widerruf der Anrufungsauskunft sei erfolglos geblieben (Urteil des Finanzgerichts - FG - Düsseldorf vom 26. November 2008 4 K 4895/07 AO, EFG 2009, 347); über die gegen die Entscheidung eingelegte Revision (Az. VI R 3/09) habe der BFH noch nicht entschieden.

In rechtlicher Hinsicht berief sich der Beklagte auf Folgendes:

Die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO seien erfüllt. Ihm, dem Beklagten, sei erst durch die Prüfungsmitteilung vom 14. November 2008 bekannt geworden, dass der Arbeitgeber des Klägers in der Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2006 den Bruttoarbeitslohn zu niedrig angegeben habe. Dies sei für den Veranlagungssachbearbeiter bei der Durchführung der erstmaligen Einkommensteuerveranlagung noch nicht erkennbar gewesen, und zwar weder aus den in sich schlüssigen Angaben in der Lohnsteuerbescheinigung noch aus den Angaben in der Steuererklärung. Angesichts der eindeutigen und schlüssigen Angaben habe auch keine Veranlassung bestanden, weitere Ermittlungen anzustellen. Die unzutreffende Angabe des Bruttolohns führe auch zu einer höheren Steuer, da dem Kläger insoweit steuerpflichtiger Arbeitslohn zugeflossen sei, der unversteuert geblieben sei. Entgegen der Annahme der Kläger läge im Streitjahr 2006 weder ein Abfluss von früher versteuerten Einnahmen in Gestalt negativer Einnahmen noch von Werbungskosten vor. Negative Einnahmen seien z.B. dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer sein Bezugsrecht aus einer Direktversicherung ganz oder teilweise ersatzlos verliere. Daran fehle es schon deshalb, weil sich die Ansprüche des Klägers nicht verändert hätten. Der Kläger habe auch keine Einnahmen zurückgezahlt, die er in einem früheren Veranlagungszeitraum zu viel erhalten und versteuert habe. Der Nachteilsausgleich sei vielmehr ohne Inanspruchnahme des Klägers allein zwischen den Zusatzversorgungskassen erfolgt. Der Kläger könne die im Jahr 2006 als negative Arbeitslöhne berücksichtigten Beträge auch nicht als Werbungskosten in Ansatz bringen. Dem stehe schon entgegen, dass es im Streitjahr an einer Vermögensminderung fehle. Der Kläger habe weder einen Verlust an Vorsorgeanwartschaften hinnehmen müssen noch habe er andere Aufwendungen gehabt, die zu einer Vermögensminderung geführt hätten.

Die Kläger könnten sich auch nicht darauf berufen, dass sie den ausgezahlten Nettoarbeitslohn für den Monat September 2006 bereits verbraucht hätten und daher entreichert seien. § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - sei schon deshalb nicht einschlägig, weil die Vorschrift im Bereich des öffentlich-rechtlichen Erstattungs- bzw. Rückforderungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO nicht anwendbar sei. Aus der Vorschrift ergebe sich auch kein allgemeiner Rechtsgedanke, der bei einer Rückforderung zu Unrecht erstatteter Steuern auf der Grundlage von § 37 Abs. 2 AO zu berücksichtigen wäre. Vielmehr könne der Empfänger einer Geldleistung des Finanzamts nur dann darauf vertrauen, dass er diese nicht zurückerstatten müsse, sondern ungeachtet der Rechtmäßigkeit der Leistung behalten dürfe, wenn ihn ungeschriebene Rechtsgrundsätze wie Treu und Glauben und der Grundsatz des Vertrauensschutzes vor einer Rückforderung bewahrten. An einem solchen Vertrauenstatbestand fehle es aber. Insbesondere habe die der FAG erteilte Anrufungsauskunft keinen vertrauensschutzbegründenden Tatbestand geschaffen. Dies gelte schon deshalb, weil eine dem Arbeitgeber erteilte Anrufungsauskunft keine Bindungswirkung für die Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers entfalte. Im Übrigen sei die Anrufungsauskunft bereits mit Schreiben des Finanzamts A-Stadt II vom 20. September 2006 widerrufen worden, also zu einem Zeitpunkt, in dem die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2006 noch nicht einmal entstanden gewesen sei (§ 36 Abs. 1 EStG). Allein dies schließe einen Vertrauensschutz grundsätzlich aus.

Die Kläger haben am 10. März 2009 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie Folgendes vor:

Die Berichtigung der Einkommensteuerfestsetzung sei unzulässig gewesen. Die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO hätten nicht vorgelegen. Auch wenn es für die Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO grundsätzlich auf die Kenntnis des Festsetzungs-Finanzamts und nicht die der Betriebsprüfungsstelle ankomme, und der Beklagte erstmals durch die Prüfungsmitteilung vom 14. November 2008 Kenntnis von der Kürzung des Einkommens um negative Einnahmen erhalten habe, müsse sich der Beklagte die Kenntnis der ZALST, die diese jedenfalls im Zeitpunkt des von ihr veranlassten Widerrufs der Anrufungsauskunft am 20. September 2006 gehabt habe, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zurechnen lassen. Insoweit sei ein besonderer Sachverhalt gegeben. Die Besonderheit bestehe darin, dass sich die ZALST nicht auf die Erstellung des Prüfungsberichts beschränkt habe, sondern sich offensichtlich noch vor Erstellung des Berichts an das Betriebsstätten-Finanzamt gewandt und dort den Widerruf der Anrufungsauskunft initiiert habe. Aufgrund ihrer Prüfungstätigkeit habe die ZALST gewusst, dass sich ihre Auffassung von der Fehlerhaftigkeit der Anrufungsauskunft auf die Festsetzung der Einkommensteuer der Arbeitnehmer auswirken würde. Dennoch habe sie die zuständigen Finanzämter weder rechtzeitig, d.h. vor Erlass von Einkommensteuerbescheiden der Arbeitnehmer, informiert, noch anderweitig den Erlass falscher Steuerbescheide verhindert. Offensichtlich seien die Kontrollmitteilungen bewusst erst versandt worden, nachdem ein Großteil der Steuerfestsetzungen bereits bestandskräftig geworden sei. Dieser Verstoß gegen Treu und Glauben könne nicht nur isoliert der ZALST zugeordnet werden. Zwar erfordere auch das Prinzip der Einheit der Verwaltung nicht, dass sich alle Finanzbehörden ständig wechselseitig über beliebig unbedeutende Ereignisse zu informieren hätten. Allerdings sei die Zentralbehörde verpflichtet, eine ihrer Meinung nach unrichtige Rechtsanwendung für die Zukunft zu unterbinden. Es habe nahe gelegen, die OFDen zu verständigen, die ihrerseits die Finanzämter vor dem Erlass von Steuerbescheiden hätten informieren können.

Wenn nun die geläuterte Erkenntnis des Beklagten dahin gehe, dass der Widerruf nicht von der ZALST, sondern von der OFD Rheinland angeordnet worden sei, stärke das die klägerische Position nur noch. Habe die OFD Rheinland schon im Jahr 2006 gewusst, dass der Lohnsteuer die um die Nachteilsausgleichszahlungen gekürzten Einkünfte zugrunde gelegt worden seien, so hätte sie nach Treu und Glauben die Wohnsitz-Finanzämter darüber unterrichten und sie auffordern müssen, die dem Widerruf der Anrufungsauskunft zugrunde liegenden Erkenntnisse bei den im Lauf des Jahres 2007 zu erlassenden Steuerbescheiden zu berücksichtigen. Habe sie diese Aufforderung unterlassen, müssten sich dies die Wohnsitz-Finanzämter - mehr noch als im Fall der Untätigkeit der ZALST - zurechnen lassen.

Weiterhin habe die FAG rechtmäßig gehandelt. Die Lohnsteuer für September 2006 sei zwar erst im Zeitpunkt der Auszahlung der Löhne am 27., 28. oder 29. September 2006 entstanden. Nach § 97 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB VI - müsse der Arbeitgeber aber bereits mit der monatlichen Entgeltabrechnung die Sozialversicherungsbeiträge anmelden und im laufenden Monat abführen. Wegen des engen Zusammenhangs zwischen Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen bedeute dies für die Praxis, dass die Lohnsteuer zusammen mit den Sozialversicherungsbeiträgen vor Auszahlung des Lohns angemeldet werden müsse. In den Lohnsteueranmeldungen für Juli und August 2006 habe die Anrufungsauskunft aus technischen Gründen noch nicht berücksichtigt werden können. Die Lohnsteueranmeldung für September 2006, die die Anrufungsauskunft umgesetzt habe, sei am 21. September 2006 um 15.04 Uhr abgesandt worden; gleichzeitig hätten die Überweisungsträger bei der Bank eingereicht werden müssen, um eine pünktliche Lohnzahlung zu gewährleisten. Das Widerrufsschreiben des Finanzamts A-Stadt II vom 20. September 2006 habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen und daher nicht berücksichtigt werden können.

Darüber hinaus sind die Kläger der Ansicht, dass der Beklagte - zumindest nach Treu und Glauben - an die Anrufungsauskunft des Finanzamts A-Stadt II gebunden sei. Bei der Anrufungsauskunft nach § 42 e EStG handele es sich nach herrschender Meinung um einen begünstigenden feststellenden Verwaltungsakt. Der Widerruf der Anrufungsauskunft sei unwirksam. Die Widerrufsvoraussetzungen, insbesondere des § 131 Abs. 2 Nr. 1 AO, hätten nicht vorgelegen. Selbst wenn man die Anrufungsauskunft für nicht rechtmäßig halten würde, lägen die Rücknahmegründe des § 130 Abs. 2 AO nicht vor. Letztlich komme es auf die Ordnungsmäßigkeit des Widerrufs nicht an, da dieser für die Zukunft erklärt worden und damit im Hinblick auf die Tatsache, dass der Ansatz negativer Einnahmen bereits vollzogen gewesen sei, ins Leere gegangen sei. Die Anrufungsauskunft entfalte auch Drittwirkung zugunsten des Klägers. Zwar habe es die Rechtsprechung in der Vergangenheit stets abgelehnt, die Bindungswirkung einer Anrufungsauskunft auf das Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren der Arbeitnehmer zu erstrecken. Den Entscheidungen lasse sich aber nicht entnehmen, dass nicht in Ausnahmefällen nach Treu und Glauben eine Bindungswirkung entstehen könne. Ein solcher Ausnahmefall sei hier gegeben, da die im Rahmen der Auskunft gebilligte Verfahrensweise nicht nur im Interesse des Klägers und der anderen Arbeitnehmer, sondern gerade auch im Interesse der Finanzverwaltung entwickelt worden sei, um dieser eine Vielzahl von Berichtigungsbescheiden zu ersparen.

Schließlich sei in materieller Hinsicht zu berücksichtigen, dass der Ansatz negativer Einnahmen zutreffend erfolgt sei. Es sei unstreitig, dass der Arbeitgeber die als Nachteilsausgleich geleisteten Zahlungen bei seinen Arbeitnehmern zu Unrecht als Arbeitslohn behandelt und entsprechende Lohnsteuer abgeführt habe. Dabei habe die ursprüngliche Lohnversteuerung auf der sich im Nachhinein als falsch erwiesenen Fiktion beruht, dass es zu einem Zufluss von Arbeitslohn gekommen sei. Mit der Erkenntnis, dass es an diesem fiktiven Lohnzufluss fehle, müssten aber auch die Folgen, die aus der Annahme von Arbeitslohnzufluss gezogen worden seien, rückgängig gemacht werden. Es sei insoweit ein ebenso fiktiver Lohnabfluss anzunehmen. Deshalb sei auch unerheblich, dass bei der Rückgängigmachung kein Abfluss von Arbeitslohn festgestellt werden könne. Wie das FG Hamburg im Urteil vom 11. Dezember 2007 (1 K 183/06, EFG 2008, 846) dazu zutreffend entschieden habe, gehe es in Fällen dieser Art nicht an, negativen Arbeitslohn unter Berufung auf fehlenden Abfluss zu verneinen. Nur dies entspreche auch dem in diesem Zusammenhang ganz besonders zu beachtenden Grundsatz von Treu und Glauben. Die damit fiktiv anzunehmenden negativen Einnahmen müssten vielmehr dazu führen, dass nunmehr die Lohnzuflüsse um die negativen Einnahmen gekürzt würden, bevor sie dem Lohnsteuerabzug unterworfen werden. Genau dies habe die Anrufungsauskunft zutreffend festgestellt. Das Argument des Beklagten, die Versorgungsanwartschaften des Klägers seien unverändert bestehen geblieben, laufe leer, da der gezahlte Nachteilsausgleich keine Versorgungsanwartschaften begründet habe.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 19. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2009 aufzuheben,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er berichtigt seine Sachverhaltsdarstellung in der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2009 zunächst wie folgt:

Die OFD Rheinland habe, nachdem ihr die Anrufungsauskunft des Finanzamts A-Stadt II vom 29. Juni 2006 im September 2006 bekannt geworden sei, das Finanzamt A-Stadt II unverzüglich telefonisch veranlasst, die Anrufungsauskunft zu widerrufen. Dieses habe die Anrufungsauskunft dann mit Schreiben vom 20. September 2006 unter Hinweis auf die mündliche Auskunft des Lohnsteuer-Referats der OFD Rheinland widerrufen. Mit Schreiben vom 29. September 2006 habe das Finanzamt A-Stadt II sein Widerrufsschreiben um eine schriftliche Begründung ergänzt, die es von der OFD Rheinland erhalten habe. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerrufsschreibens vom 20. September 2006 habe die FAG die Nachteilsausgleichszahlungen der Jahre 2002 und 2005 und - nach den späteren Feststellungen der ZALST - auch des Jahres 2001 jedoch bereits bei der Lohnabrechnung für September 2006 entsprechend der Anrufungsauskunft als negativen Arbeitslohn berücksichtigt und dem Finanzamt A-Stadt II die Lohnsteueranmeldung für September 2006 übermittelt gehabt. Im Rahmen einer am 2. Juli 2007 angeordneten und am 17. September 2007 begonnenen Lohnsteueraußenprüfung bei der FAG und ihren Tochtergesellschaften durch die ZALST habe der Prüfer festgestellt, dass die FAG entsprechend der ursprünglichen Anrufungsauskunft verfahren sei und dass negativer Arbeitslohn mangels tatsächlichen Abflusses im Jahr 2006 nicht habe gegeben sein können. Der Sachverhalt sei dem Prüfer der ZALST erst im Rahmen der Prüfungsvorbereitung aus der Lohnsteuer-Arbeitgeberakte des Finanzamts A-Stadt II bekannt geworden. Der Prüfer habe kurz nach dem Prüfungsbeginn die Frage gestellt, ob entsprechend der Lohnsteueranrufungsauskunft verfahren worden oder aber davon Abstand genommen bzw. die Lohnsteueranmeldung korrigiert worden sei. Erst als der Arbeitgeber daraufhin die Berücksichtigung von negativem Arbeitslohn bejaht habe, sei für den Prüfer erkennbar gewesen, dass ein prüfungsrelevanter Sachverhalt vorgelegen habe. Anfang des Jahres 2008 habe der Prüfer dann die Lohn- und Gehaltsabrechnungsdaten auf maschinell verwertbaren Datenträgern vom Arbeitgeber erhalten. Anhand dieser Daten hätten die betroffenen Beschäftigten sowie die Höhe der im Einzelfall als negativer Arbeitslohn behandelten Beträge ermittelt werden können. Im Verlauf der Prüfung seien im Jahr 2008, insbesondere am 29. Januar 2008, Gespräche zwischen der ZALST, der OFD Rheinland und dem Arbeitgeber sowie Rechtsanwalt C. (Kanzlei C. & Partner) geführt worden, um die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung ohne Inanspruchnahme der Arbeitnehmer auszuloten. Die FAG habe sich aber nicht bereit erklärt, die Lohnsteuernachforderung freiwillig zu übernehmen. Nachdem endgültig festgestanden habe, dass eine Nacherhebung der Lohnsteuer nur noch über die Einkommensteuerveranlagungen der betroffenen Beschäftigten oder Lohnsteuernachforderungsbescheide möglich gewesen sei, habe die ZALST - nach vorheriger Benachrichtigung des Arbeitgebers - die Prüfungsmitteilungen am 14. November 2008 an die Einkommensteuer-Finanzämter der Beschäftigten versandt.

In rechtlicher Hinsicht trägt der Beklagte ergänzend Folgendes vor:

Entgegen der Annahme der Kläger stünden dem Erlass des Änderungsbescheides die Grundsätze von Treu und Glauben nicht entgegen. Es fehle bereits am Vertrauenstatbestand. Weder er selber noch das Finanzamt A-Stadt II oder die OFD Rheinland hätten dem Kläger eine Zusage oder Auskunft gegeben oder ein sonstiges Verhalten an den Tag gelegt, woraus der Kläger berechtigterweise habe schließen dürfen, dass er für die von der FAG zu wenig einbehaltene Lohnsteuer nicht mehr in Anspruch genommen werde. Darüber hinaus seien er, der Beklagte, und die OFD Rheinland an der Erteilung der unzutreffenden Anrufungsauskunft gegenüber der FAG - nicht gegenüber dem Kläger - gar nicht beteiligt gewesen. Es sei sachlich unzutreffend, wenn der 13. Senat des FG A-Stadt in seinen Beschlüssen vom 14. Mai 2009 (13 V 757/09) und 28. Mai 2009 (13 V 801/09) davon ausgehe, dass es zu der unrichtigen Lohnsteuereinbehaltung "unstreitig" erst aufgrund der als Ergebnis von Verhandlungen erteilten Anrufungsauskunft gekommen sei. Die Anrufungsauskunft sei nicht das Ergebnis von Verhandlungen gewesen, sondern auf den Antrag der FAG zurückzuführen.

Die Rechtsanwälte C. & Partner hätten - im Gegensatz zu dem Beklagten, der allein auf die von der ZALST bzw. der OFD Rheinland zur Verfügung gestellten Informationen angewiesen gewesen sei - von Anfang an genau gewusst, dass die das Kalenderjahr 2006 betreffende Lohnsteueraußenprüfung durch die ZALST bei der FAG und ihren Tochtergesellschaften erst am 17. September 2007 begonnen habe und daher für den Widerruf der Anrufungsauskunft am 20. September 2006 nicht habe kausal sein können. Sie seien bereits in die Lohnsteueraußenprüfung einbezogen gewesen und hätten das Klageverfahren gegen den Widerruf der Anrufungsauskunft geführt (Urteil des FG Düsseldorf vom 26. November 2008 4 K 4895/07, EFG 2009, 347, Rev. unter VI R 3/09). Ihm, dem Beklagten, seien die besteuerungserheblichen Tatsachen erst nach Erlass des ursprünglichen Steuerbescheids durch die Prüfungsmitteilung der ZALST bekannt geworden. Im Zeitpunkt der Erstveranlagung (13. November 2007) habe es keine Veranlassung gegeben, der Einkommensteuererklärung mit Argwohn zu begegnen, zumal die Besteuerungsgrundlagen durch die ZALST auch erst Anfang 2008 und damit erheblich nach der Veranlagung ermittelt worden seien. Damit seien die Tatsachen auch "neu" im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.

Er, der Beklagte, müsse sich die Kenntnis einer anderen Finanzbehörde nach der Rechtsprechung des BFH nicht zurechnen lassen. Aus dem BFH-Urteil vom 23. März 1983 (I R 182/82, BFHE 138, 313, BStBl II 1983, 548) ergäbe sich die von der Klägerseite behauptete Rechtsfolge gerade nicht. Zwar erfolge danach eine Zurechnung von Kenntnissen zwischen der Veranlagungs- und der Rechtsbehelfsstelle eines Finanzamts. Dies gelte aber nicht im Verhältnis zwischen zwei Veranlagungsdienststellen desselben Finanzamts (BFH-Urteil vom 14. November 2007 XI R 48/06, BFH/NV 1008, 367). Wenn sich also seine Veranlagungsdienststelle die Kenntnis einer anderen Veranlagungsdienststelle schon nicht zurechnen lassen müsse, müsse sie sich erst recht nicht etwaige Kenntnisse des Lohnsteueraußenprüfers der ZALST des Finanzamts A-Stadt - die dieser im Übrigen im Zeitpunkt des Erlasses des Einkommensteuerbescheids vom 13. November 2007 am 5. November 2007 (Freigabe zur Produktion) noch nicht einmal gehabt habe - zurechnen lassen.

Durch Veranlassung des Widerrufs der Anrufungsauskunft im September 2006 habe das Lohnsteuerreferat der OFD Rheinland alles aus seiner Sicht Notwendige getan, um eine Berücksichtigung negativer Einnahmen beim laufenden Lohnabzug für die Beschäftigten der FAG zu verhindern. Für das Lohnsteuerreferat der OFD Rheinland habe es keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die FAG den Widerruf nicht habe beachten und nach der (unzutreffenden) Lohnsteueranrufungsauskunft habe verfahren können. Die OFD Rheinland habe erst im Januar 2008 davon Kenntnis erlangt, dass die FAG der Lohnbesteuerung ihrer Arbeitnehmer für das Jahr 2006 die um die Nachteilsausgleichszahlungen gekürzten Einkünfte zugrunde gelegt habe. Sie habe dies auch weder wissen noch damit rechnen müssen. Es gehöre nämlich nicht zu den Aufgaben der OFD Rheinland, die Lohnsteueranmeldungen der FAG zu kontrollieren (§ 17 Abs. 2 des Finanzverwaltungsgesetzes - FVG -). Mit der telefonisch erteilten Weisung zum Widerruf der Anrufungsauskunft habe die OFD Rheinland ihre Leitungsaufgabe im Sinne des § 8a FVG erfüllt. Es sei dagegen nicht ihre Aufgabe gewesen, von sich aus Nachforschungen darüber anzustellen, ob die FAG den Widerruf auch beachtet habe. Dies sei allein die Aufgabe des zuständigen Betriebsstätten-Finanzamts A-Stadt II gewesen. Ferner habe die OFD Rheinland - entgegen der Ansicht des 13. Senats des FG A-Stadt in den Beschlüssen vom 14. Mai 2009 (13 V 757/09) und vom 28. Mai 2009 (13 V 801/09) - keineswegs billigend in Kauf genommen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Berücksichtigung der Nachteilsausgleichszahlungen als negativer Arbeitslohn sowie einen Abzug der Individualsteuerbeträge im Jahr 2006 nicht erfüllt gewesen seien. Vielmehr ergebe sich aus dem Verhalten der OFD Rheinland genau das Gegenteil: Nach Bekanntwerden der unzutreffenden Anrufungsauskunft habe sie unverzüglich deren Widerruf veranlasst. Von einer Billigung des unzutreffenden Lohnsteuereinbehalts könne daher keine Rede sein. Im übrigen seien die beteiligten Sachbearbeiter der OFD Rheinland sowie des Finanzamts A-Stadt II im Zeitpunkt des Telefonats im September 2006 davon ausgegangen, dass die FAG noch keine Lohnsteueranmeldung unter Berücksichtigung von negativem Arbeitslohn durchgeführt habe, andernfalls hätte ein Widerruf für die Zukunft keinen Sinn gehabt.

Weiterhin fehle es für die Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben aber auch an einer Vertrauensfolge. Es sei in keiner Weise erkennbar, welche Maßnahmen der Kläger ergriffen oder unterlassen hätte, wenn er mit der Geltendmachung der Lohn- bzw. Einkommensteuernachforderung gerechnet hätte, und die jetzt dazu führen würden, dass ihm die Erfüllung der Verpflichtung billigerweise nicht mehr zugrechnet werden könnte, weil ihm nunmehr erhebliche Nachteile entstehen würden, die ihm nicht entstanden wären, wenn die FAG die Lohnsteuer für September 2006 von Anfang an in der materiell-rechtlich zutreffenden Höhe von seinem Arbeitslohn einbehalten hätte.

Des Weiteren entfalte die gegenüber der FAG erteilte Anrufungsauskunft keine Bindungswirkung für die Einkommensteuerveranlagung der Arbeitnehmer und damit des Klägers. Die Anrufungsauskunft habe nach ständiger Rechtsprechung des BFH keinen Verwaltungsakt dargestellt, sondern eine Wissenserklärung, die jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden könne (BFH-Beschluss vom 22. Mai 2007 VI B 143/06, BFH/NV 2007, 1658). Das Finanzamt A-Stadt II habe zudem weder die Anrufungsauskunft noch den Widerruf als Verwaltungsakt erlassen; die Bekanntgabe sei jeweils ohne ein entsprechendes Bewusstsein des Finanzamts A-Stadt II erfolgt. Wenngleich der BFH seine Rechtsprechung nunmehr durch Urteil vom 30. April 2009 (VI R 54/07, BFHE 225, 50, BFH/NV 2009, 1528) geändert habe und der Anrufungsauskunft Verwaltungsaktsqualität zuspreche, bleibe die Bindungswirkung der Lohnsteueranrufungsauskunft auf das Lohnsteuerabzugsverfahren beschränkt. Sie entfalte auch nach der geänderten Rechtsprechung des BFH keine Drittwirkung, und zwar weder unmittelbar noch - wie es der 13. Senat des FG Düsseldorf im Beschluss vom 14. Mai 2009 (13 V 757/09) für möglich halte - mittelbar. Dafür spreche insbesondere der Umstand, dass sie vom Betriebsstätten-Finanzamt erteilt werde. Eine Ausstrahlung auf das Veranlagungsverfahren ergebe sich auch nicht aus Treu und Glauben. Dieser Grundsatz führe nur dann zur Verbindlichkeit einer unrichtigen Auskunft, wenn die Auskunft von der zuständigen Person erteilt worden sei (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274). Dies treffe im Streitfall nicht zu, da weder der Sachbearbeiter noch der Sachgebietsleiter der Lohnsteuer-Arbeitgeberstelle des Finanzamts A-Stadt II, die die unrichtige Auskunft erteilt hätten, für die Einkommensteuerveranlagung der Kläger zuständig seien. Eine Drittwirkung zugunsten der Kläger könne die Anrufungsauskunft im Übrigen schon deshalb nicht entfalten, weil sie keine derartige Regelungsordnung enthalte und dem Kläger zudem weder bekannt gegeben noch sonst zur Kenntnis gebracht worden sei.

Im Übrigen könne die Bindungswirkung der Anrufungsauskunft nicht weiterreichen, als es das Gesetz vorsehe. Der Zweck des § 42e EStG erschöpfe sich darin, lohnsteuerliche Pflichten zu klären. Die personenbezogene Anrufungsauskunft wolle sicherstellen, dass der Anrufende im Rahmen des Abzugsverfahrens ohne Risiko der Inanspruchnahme disponieren könne (BFH-Urteil vom 28. August 1991 I R 3/89, BFHE 165, 404, BStBl II 1992, 107). Daran habe der Arbeitgeber im Massenverfahren des Lohnsteuerabzugs ein legitimes Interesse. Es widerspreche jedoch von vornherein der Konzeption des § 42e EStG, dass auch der Arbeitnehmer von einer solchen Bindungswirkung profitiere.

Das Finanzamt A-Stadt II habe die Anrufungsauskunft am 20. September 2006 widerrufen, also zu einem Zeitpunkt, in dem die Lohnsteuer für den Monat September 2006 noch nicht entstanden gewesen sei (§ 38 Abs. 2 Satz 2, § 41a Abs. 1 EStG). Dies schließe eine Bindungswirkung der vorher widerrufenen Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006 für den Lohnsteuerabzug für den Voranmeldungszeitraum September 2006 nach Treu und Glauben a priori aus. Der Arbeitgeber habe im Zeitpunkt der Entstehung der Lohnsteuer für September 2006 gewusst, dass das Betriebsstätten-Finanzamt A-Stadt II spätestens seit dem 20. September 2006 nicht mehr die in der Anrufungsauskunft mitgeteilte Auffassung vertreten habe und somit der Lohnsteuerabzug nicht mehr vorschriftsmäßig vorgenommen worden sei. Selbst wenn man annehme, dass der Arbeitgeber deshalb keine berichtigte Lohnsteueranmeldung für September 2006 abgegeben habe, weil die Anrufungsauskunft für die Zukunft widerrufen worden sei, sei für ihn erkennbar gewesen, dass der bisher vorgenommene Lohnsteuerabzug nicht vorschriftsmäßig erfolgt sei und die erteilten Lohnsteuerbescheinigungen für das Jahr 2006 nicht ordnungsgemäß gewesen seien. Daher sei der Tatbestand des § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG erfüllt. Es sei dem Arbeitgeber zwar nicht verwehrt, seine Lohnsteueranmeldung schon vor dem gesetzlichen Entstehungszeitpunkt der Lohnsteuer abzugeben; wenn er in dieser Weise vorgehe, sei es jedoch sein Risiko, ggf. eine Berichtigung vornehmen zu müssen, wenn sich zum gesetzlichen Entstehungszeitpunkt der Lohnsteuer die unzutreffende Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer herausstelle. Die richtige Konsequenz sei die Abgabe einer berichtigten Lohnsteueranmeldung für den Monat September 2006 gewesen und nicht etwa eine Berücksichtigung des Widerrufs in der Lohnsteueranmeldung für Oktober 2006. Im Übrigen sei eine Änderung der Festsetzung der Lohnsteuer-Entrichtungsschuld (§§ 155, 167 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) unter den Voraussetzungen des § 164 Abs. 2 Satz 1 AO auch noch nach Übermittlung der Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigungen zulässig gewesen (BFH-Urteil vom 30. Oktober 2008 VI R 10/05, BFHE 223, 202, BStBl II 2009, 354).

Da die FAG gegen ihren Willen nicht als Haftungsschuldnerin habe in Anspruch genommen werden können, sei nur noch die Möglichkeit geblieben, die betroffenen Arbeitnehmer als materiell-rechtliche Steuerschuldner in Anspruch zu nehmen. Dies bedeute indes - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht, dass die FAG rechtmäßig gehandelt habe, die Lohnsteueranmeldung für September 2006 sei vielmehr fehlerhaft gewesen. Eine freiwillige Übernahme der Lohnsteuernachforderungen durch die FAG hätte nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Nachforderungen aus dem eigenen Vermögen der FAG hätten geleistet werden müssen mit der Folge, dass den Arbeitnehmern ein geldwerter Vorteil zugeflossen wäre. Arbeitnehmer und Arbeitgeber seien zwar Gesamtschuldner, im Innenverhältnis trage jedoch allein der Arbeitnehmer die Steuer. Daher müsse der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber den Haftungsbetrag bei zu Unrecht unterbliebenem Lohnsteuerabzug ersetzen (BFH-Beschluss vom 5. März 2007 VI B 41/06, BFH/NV 2007, 1122). Die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der zutreffenden Lohnsteuer durch den Arbeitgeber könne daher keine Verletzung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen sein. Vielmehr sei der Arbeitgeber nach § 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG berechtigt - und nach § 41c Abs. 1 Satz 2 EStG in der seit 6. März 2009 gültigen Fassung bei wirtschaftlicher Zumutbarkeit sogar verpflichtet -, bei der jeweils nächstfolgenden Lohnzahlung bisher noch nicht erhobene Lohnsteuer nachträglich einzubehalten, wenn er erkenne, dass er die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten habe. Die nachträgliche Einbehaltung der für September 2006 zu wenig einbehaltenen Lohnsteuer hätte demnach ohne Verletzung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen bei der nachfolgenden Lohnzahlung erfolgen können, nachdem die FAG erkannt habe, dass sie die Lohnsteuer für September 2006 nicht vorschriftsmäßig einbehalten habe.

Der Widerruf könne auch nicht deshalb als unwirksam beurteilt werden, weil der BFH mit Urteil vom 30. April 2009 (VI R 54/07, BFHE 225, 50, BFH/NV 2009, 1528) - d.h. gut zweieinhalb Jahre später - entschieden habe, dass die Anrufungsauskunft als Verwaltungsakt anzusehen sei. Die sich daraus ergebenden Folgen könnten nicht rückwirkend auf bereits vollendete und nach den damals geltenden Rechtsgrundätzen abgewickelte Tatbestände angewandt werden.

Schließlich sei in materiell-rechtlicher Hinsicht zu beachten, dass weder negative Einnahmen noch Werbungskosten gegeben seien. Insofern werde zunächst auf die Einspruchsentscheidung verwiesen. Die Annahme negativer Einnahmen beruhe auf einer Fiktion. Fiktive Ausgaben seien jedoch kein Aufwand (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1982 VI R 228/80, BFHE 137, 564, BStBl II 1983, 467). Sofern § 8 Abs. 1 EStG Einnahmen als alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten zufließen, definiere, erfordere die Annahme negativer Einnahmen, dass entsprechende Güter beim Steuerpflichtigen abflössen. Der Vorgang müsse sich als "actus contrarius" zur Lohnzahlung darstellen. Danach liege im Streitfall keine Rückzahlung von Arbeitslohn vor, zumal schon nicht ersichtlich sei, dass beim Kläger Güter abgeflossen seien oder dass dieser Aufwendungen getragen habe. Diese Rechtsauffassung werde durch die aktuellen BFH-Urteile vom 7. Mai 2009 (VI R 5/08, BFHE 225, 100, DStRE 2009, 901, sowie VI R 37/08, BFHE 225, 106, DStRE 2009, 903) bestätigt.

Es komme hinzu, dass das Urteil des FG Hamburg vom 11. Dezember 2007 (1 K 183/06, EFG 2008, 846, nachfolgend BFH-Urteil vom 7. Mai 2009 VI R 5/08, BFHE 225, 100, DStRE 2009, 901) einen anderen Sachverhalt betreffe. Der dortige Steuerpflichtige habe negative Einnahmen durch den Verlust eines Anwartschaftsrechts auf eine Versorgungsrente geltend gemacht. Hingegen habe der Kläger keinen Verlust eines Bezugsrechts bzw. einer vermögenswerten Anwartschaft erlitten. Die Ansprüche der Beschäftigten der FAG hätten sich aufgrund der Übernahme der ZVK A-Stadt durch die RZVK B-Stadt nach Art und Höhe nicht verändert. Die erworbenen Versorgungsanwartschaften seien unverändert erhalten geblieben. Der Arbeitgeber habe den Nachteilsausgleich allein zu leisten gehabt. Ein bestimmtes Bezugsrecht auf eine bestimmte Rente, das verloren gehen könnte, sei bei umlagefinanzierten Versorgungssystemen - wie dem der ZVK A-Stadt bzw. der RZVK B-Stadt - nicht gegeben. Denn die versicherungsmathematisch korrekt berechnete Umlage bleibe auch dann korrekt, wenn sich später die tatsächlichen Verhältnisse änderten, etwa aufgrund der Beendigung der Beteiligung des Arbeitgebers an der umlagefinanzierten Zusatzversorgungskasse. Eine Fiktion, die sich auf diese Umlage beziehe, sei hinsichtlich entstandener Anwartschaften nicht erforderlich und widerspräche der Systematik eines umlagefinanzierten Versorgungssystems. Aus diesem Grund sei die Altersversorgung über eine Direktversicherung mit einem umlagefinanzierten Versorgungssystem nicht zu vergleichen. Im Rahmen einer Direktversicherung könne der jeweilige Wert eines Bezugsrechts des Versicherten, das mit Zahlungen erworben werde, konkret berechnet werden. Dies sei im Fall eines umlagefinanzierten Versorgungssystems gerade nicht möglich. Aus diesem Grund sei der hier zu beurteilende Fall auch nicht mit dem in R 129 Abs. 14 der Lohnsteuerrichtlinien - LStR - 2005 geregelten Fall des Verlusts eines Bezugsrechts aus einer kapitalgedeckten Direktversicherung vergleichbar. Daher könne R 129 Abs. 17 i.V.m. Abs. 14 LStR 2005 auch nur kapitalgedeckte, aber nicht umlagefinanzierte Pensionskassen betreffen. Im Übrigen habe der BFH in seinem Urteil vom 5. Juli 2007 (VI R 58/05, BFHE 218, 320, BStBl II 2007, 774) ausdrücklich offen gelassen, ob eine Rückzahlung von Arbeitslohn anzunehmen sei, wenn der Arbeitnehmer sein Bezugsrecht aus einer Direktversicherung ganz oder teilweise ersatzlos verliere. Die von den Prozessbevollmächtigten der Kläger erkannte positive Tendenz sei dem Urteil nicht zu entnehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Steuerakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 19. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 10. Februar 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte hat die Einkommensteuerfestsetzung zu Recht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert und den Bruttoarbeitslohn des Klägers um 1.076 EUR erhöht.

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Der Tatbestand der Änderungsvorschrift ist erfüllt. Die Kürzung des auf der Lohnsteuerbescheinigung des Klägers für das Jahr 2006 angegebenen Bruttoarbeitslohns um negative Einnahmen im Zusammenhang mit Nachteilsausgleichszahlungen der Arbeitgeberin des Klägers stellt eine dem Beklagten nachträglich bekannt gewordene Tatsache dar, die zu einer höheren Steuer führt.

I.

Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 AO ist jeder Lebensvorgang, der insgesamt oder teilweise den gesetzlichen Steuertatbestand oder einzelne Merkmale dieses Tatbestands erfüllt, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller und immaterieller Art (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Urteil vom 14. Januar 1998 II R 9/97, BFHE 185, 117, BStBl II 1998, 371). Hingegen ist die steuerrechtliche Würdigung von Tatsachen und die juristische Subsumtion unter den Tatbestand einer anspruchsbegründenden Steuerrechtsnorm durch die zuständige Finanzbehörde keine Tatsache (BFH-Urteile vom 24. Juli 1984 VIII R 304/81, BFHE 141, 485, BStBl II 1984, 785; vom 2. August 1994 VIII R 65/93, BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264). Der Umstand, dass die Arbeitgeberin des Klägers den Bruttoarbeitslohn des Jahres 2006 um die auf den Kläger entfallenden Nachteilsausgleichszahlungen für die Jahre 2001 bis 2005 gekürzt und nur den verminderten Betrag auf der Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2006 eingetragen hat, stellt eine Tatsache im vorgenannten Sinne dar.

II.

Die Kürzung des Bruttoarbeitslohns um die auf den Kläger entfallenden Nachteilsausgleichszahlungen ist dem Beklagten auch nachträglich bekannt geworden.

Nachträglich bekannt gewordene Tatsachen sind solche, die zu dem für eine Änderung nach § 173 AO maßgebenden Zeitpunkt bereits vorhanden, aber noch unbekannt waren (Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rn. 25). Maßgebender Zeitpunkt für die Frage des nachträglichen Bekanntwerdens ist die finanzbehördliche Willensbildung durch abschließende Unterzeichnung des Berechnungs- oder Eingabewertbogens durch den zuständigen Finanzbeamten (herrschende Meinung, vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1998 VII R 59/97, BFHE 185, 139, BStBl II 1998, 450 m.w.N.; a.A. Loose, in: Tipke/Kruse, AO, § 173 Rn. 44). Abzustellen ist auf die Kenntnis der sachlich und örtlich zuständigen Finanzbehörde (BFH-Urteil vom 29. Juni 1984 VI R 34/82, BFHE 141, 234, BStBl II 1984, 694 m.w.N.). Innerhalb dieser Behörde kommt es auf die Personen an, die zur Bearbeitung des betreffenden Steuerfalls berufen sind, d.h. Sachbearbeiter, Sachgebietsleiter und Vorsteher (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2002 IV R 58/01, BFH/NV 2003, 588 m.w.N.). Kenntnisse anderer Dienststellen werden grundsätzlich nicht zugerechnet (BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492).

1. Der zuständige Veranlagungsstellenbeamte des beklagten Finanzamts hatte im Zeitpunkt der Durchführung der ursprünglichen Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2006 am 5. November 2007 (Freigabe der Daten im maschinellen Verfahren) keine konkrete Kenntnis davon, dass die Arbeitgeberin des Klägers den Bruttoarbeitslohn des Jahres 2006 um Nachteilsausgleichszahlungen der Jahre 2001 bis 2005 gemindert hatte. Dies ist weder von den Klägern vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Konkrete Kenntnis hat der zuständige Sachbearbeiter des beklagten Finanzamts erst durch die Prüfungsmitteilung der ZALST vom 14. November 2008 erlangt. Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Tatsache dem Beklagten deshalb als bekannt zugerechnet werden müsste, weil der zuständige Veranlagungsstellenbeamte sie bei sorgfältiger Erfüllung der ihm obliegenden Ermittlungspflicht hätte feststellen können (vgl. dazu BFH-Urteile vom 13. November 1985 II R 208/82, BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241; vom 20. Juli 1988 I R 136/84, BFH/NV 1990, 64). Die Steuererklärung der Kläger war schlüssig und enthielt keinerlei Hinweise auf die Berücksichtigung negativen Arbeitslohns.

2. Dem Beklagten können die Kenntnisse anderer Dienststellen der Finanzverwaltung NRW, die diese am 5. November 2007 besaßen, nicht zugerechnet werden.

a) Sowohl das Finanzamt A-Stadt II als auch die OFD Rheinland hatten am Stichtag 5. November 2007 Kenntnis von der Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006 und deren Widerruf vom 20. September 2006. Ob sie auch Kenntnis davon hatten, dass der Widerruf vom 20. September 2006 im Hinblick auf die vorherige Abgabe der Lohnsteueranmeldung durch die FAG ins Leere gegangen war und die negativen Einnahmen mindernd berücksichtigt worden waren, steht nicht fest. Es spricht jedoch einiges dafür, dass sie damit - unter Zugrundelegung eines typischen Geschehensablaufs - zumindest rechnen konnten. Hingegen hat die ZALST im Laufe der Vorbereitung der am 2. Juli 2007 angeordneten und ab 17. September 2007 durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung Kenntnis von der Berücksichtigung negativer Einnahmen erlangt. Demnach hatte sie am 5. November 2007 die erforderliche Kenntnis, wenngleich ihr die Lohn- und Gehaltsabrechnungsdaten der FAG erst Anfang 2008 zur Verfügung gestellt wurden und sie daher am 5. November 2007 die Höhe der auf den Kläger entfallenden Beträge nicht kannte.

b) Auf die konkreten Kenntnisse der beteiligten Behörden kommt es jedoch letztlich nicht an. Diese Kenntnisse können dem beklagten Finanzamt nämlich nicht zugerechnet werden.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH werden Kenntnisse anderer Dienststellen (derselben Finanzbehörde) in der Regel nicht zugerechnet (z.B. Urteile vom 23. März 1983 I R 182/82, BFHE 138, 313, BStBl II 1983, 548; vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492; vom 20. Juli 1988 I R 136/84, BFH/NV 1990, 64). Dies wird damit begründet, dass nach dem Sinn des § 173 AO dem Umstand Rechnung getragen werden müsse, dass die Finanzverwaltung nicht als Ganzes, sondern nur durch ihre nach dem Gesetz zuständigen Finanzbehörden handeln könne. Aber auch die innere Organisation könne nicht außer Betracht bleiben. Um die im Interesse der Allgemeinheit normierten Steueransprüche der öffentlichen Hand verwirklichen zu können, bedürfe es innerhalb der Finanzverwaltung einer sinnvollen Arbeitsteilung. Die zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufene Dienststelle dürfe nur dann nicht isoliert betrachtet werden, wenn sie nach ihrem Aufgabenbereich mit einer anderen Dienststelle mehr oder weniger eng zusammenwirken und Erfahrungen auszutauschen habe (Urteil vom 23. März 1983 I R 182/82, BFHE 138, 313, BStBl II 1983, 548 betreffend das Verhältnis von Veranlagungsstelle und Rechtsbehelfsstelle). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Sie gilt erst Recht für Kenntnisse anderer Finanzbehörden (BFH-Urteil vom 2. Juli 2003 XI R 8/03, BFHE 202, 544, BStBl II 2003, 803; von Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 173 AO Rn. 186). Dementsprechend können die Kenntnisse der OFD Rheinland, des Finanzamts A-Stadt II sowie der ZALST dem Beklagten nicht zugerechnet werden. Ein enger sachlicher Zusammenhang im Sinne des BFH-Urteils vom 23. März 1983 (I R 182/82, BFHE 138, 313, BStBl II 1983, 548) zwischen dem bei dem Beklagten und den bei den übrigen Dienststellen durchgeführten Verwaltungsverfahren ist nicht ersichtlich.

bb) Eine Zurechnung von Kenntnissen anderer Dienststellen ergibt sich auch nicht aufgrund des Gedankens der Kenntniszuordnung nach Sphären. Zwar wird zum Teil vertreten, die Kenntnis oder Unkenntnis von Tatsachen oder Beweismitteln müsse - entgegen der Rechtsprechung des BFH - nicht zwingend natürlichen Personen zugerechnet werden, sie könne vielmehr der Sphäre der Finanzbehörde oder der Sphäre des Steuerpflichtigen zugeordnet werden. Eine solche Zuordnung nach Sphären werde dem Zweck des § 173 AO, den Prinzipienwiderspruch zwischen Vertrauensschutz und Rechtssicherheit einerseits und materieller Rechtsrichtigkeit andererseits aufzulösen, gerecht (Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rn. 31). Dabei ist allerdings zu beachten, dass auch im Rahmen der Zuordnung nach Sphären auf die zuständige Finanzbehörde abgestellt wird und nicht auf die Finanzverwaltung als Ganzes. Dementsprechend ermöglicht auch der Sphärengedanke keine behördenübergreifende Zuordnung von Kenntnissen. Auch im Hinblick auf die Zurechnung von Kenntnissen der OFD Rheinland gilt nichts anderes. Die Tatsache, dass die OFD Rheinland als Mittelbehörde vorgesetzte Behörde des beklagten Finanzamts ist, hat nicht zur Folge, dass Kenntnisse der OFD Rheinland automatisch auch dem beklagten Finanzamt zuzurechnen sind. Ansonsten wären Kenntnisse der OFD sämtlichen Finanzämtern in ihrem Geschäftsbezirk und Kenntnisse des Finanzministeriums sämtlichen Finanzämtern des Landes zuzurechnen, was zu einer erheblichen Ausweitung der Kenntniszurechnung und damit zu einer Aushöhlung der Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO führen würde. Die Besonderheit, dass hier ein finanzamtsbezirksübergreifender Sachverhalt gegeben ist, rechtfertigt allein kein anderes Ergebnis.

cc) Weiterhin scheidet eine Zurechnung der Kenntnisse nach Treu und Glauben aus. Der Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) ist ein in allen Rechtsgebieten - und damit auch im Steuerrecht - allgemein anerkannter Grundsatz. Er bringt zwar keine Steueransprüche zum Entstehen oder Erlöschen, kann jedoch verhindern, dass eine Forderung oder ein Recht geltend gemacht werden kann. Treu und Glauben gebieten, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem früheren Verhalten, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er in einer irreparablen Weise disponiert hat, nicht in Widerspruch setzt (Verbot des "venire contra factum proprium", vgl. BFH-Urteile vom 29. Januar 2009 VI R 12/06, BFH/NV 2009, 1105; vom 18. April 2007 XI R 47/05, BFHE 217, 18, BStBl II 2007, 736; vom 8. Februar 1995 I R 127/93, BFHE 177, 332, BStBl 1995 II, 764; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Rn. 125).

Zwar erscheint es denkbar, die Änderung der angefochtenen Steuerfestsetzung durch das beklagte Finanzamt als treuwidriges bzw. widersprüchliches Verhalten der Finanzverwaltung anzusehen, sofern man unterstellt, dass das Finanzamt A-Stadt II, die OFD Rheinland bzw. die ZALST Kenntnis von den fehlerhaften Lohnabrechnungen für das Jahr 2006 hatten, gleichwohl aber nichts unternommen und die Wohnsitz-Finanzämter auf diese Weise "sehenden Auges" in fehlerhafte Einkommensteuerveranlagungen hineinlaufen gelassen haben. Ungeachtet dessen sind jedoch keinerlei irreparable Dispositionen ersichtlich, die der Kläger im Vertrauen auf die Untätigkeit des Finanzamts A-Stadt II, der OFD Rheinland bzw. der ZALST getätigt hat. Insofern reicht es nicht aus, dass der Steuerpflichtige infolge des Verhaltens der Finanzbehörde glaubt, keine Steuern zahlen zu müssen und die entsprechenden Beträge (möglicherweise) anderweitig ausgibt (BFH-Urteil vom 10. April 1991 XI R 25/89, BFH/NV 1991, 720). Im Übrigen würde die Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben wiederum voraussetzen, dass man die Finanzverwaltung als Ganzes sieht und ein widerspruchsfreies Verhalten der Finanzbehörden in ihrer Gesamtheit fordert. Der Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben wirkt indes nur innerhalb eines bestehenden Steuerschuldverhältnisses rechtsbegrenzend und erfordert Identität der Rechtssubjekte (BFH-Urteil vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Rn. 135). Dies muss auf Seiten des Steuergläubigers ebenso gelten wie auf Seiten des Steuerschuldners. Dementsprechend können die Kläger kein treuwidriges bzw. widersprüchliches Verhalten aus einer Gesamtschau der Verhaltensweisen des Finanzamts A-Stadt II, der OFD Rheinland bzw. der ZALST einerseits sowie des beklagten Finanzamts andererseits herleiten. Die zunächst genannten Finanzbehörden sind auch nicht Erfüllungsgehilfen des beklagten Finanzamts. Dementsprechend können sich die Kläger nicht auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben berufen.

III.

Die Tatsache, dass die Arbeitgeberin des Klägers den bescheinigten Bruttoarbeitslohn um die auf den Kläger entfallenden Nachteilsausgleichszahlungen gekürzt hat, führt zu einer höheren Steuer.

§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt voraus, dass die nachträglich bekannt gewordene Tatsache zu einer höheren Steuer als der festgesetzten führt, d.h. die neue Tatsache muss rechtserheblich sein. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist Rechtserheblichkeit in diesem Sinne zu bejahen, wenn die Finanzbehörde bei rechtzeitiger Kenntnis einer ihr unbekannt gebliebenen Tatsache schon bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung zu einem höheren steuerlichen Ergebnis gekommen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180; BFH-Urteil vom 14. April 1999 XI R 30/96, BFHE 188, 286, BStBl 1999 II, 478; BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2007 VI B 48/06, BFH/NV 2008, 191).

1. Die Kürzung des Bruttoarbeitslohns des Jahres 2006 um die auf den Kläger entfallenden Nachteilsausgleichszahlungen der Jahre 2001 bis 2005 ist zu Unrecht erfolgt. Im Jahr 2006 sind auf Seiten des Klägers weder negative Einnahmen (§ 8 Abs. 1 EStG) noch Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) angefallen. Der Bruttoarbeitslohn war daher um 1.076 EUR zu erhöhen.

Muss ein Steuerpflichtiger, dem in einem Veranlagungszeitraum Einnahmen zugeflossen sind und der damit für diesen Veranlagungszeitraum gemäß § 11 EStG besteuert worden ist, die Einnahmen ganz oder zum Teil in einem späteren Veranlagungszeitraum zurückzahlen, mindern sich die Einnahmen des Veranlagungszeitraums der Rückzahlung. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegen sog. negative Einnahmen vor (Urteile vom 13. Dezember 1963 VI 22/61 S, BFHE 78, 477, BStBl III 1964, 184; vom 19. Dezember 1975 VI R 157/72, BFHE 118, 166, BStBl II 1976, 322). Nach anderer Auffassung handelt es sich - mangels steuersystematischer Rechtfertigung sowie sachlicher Notwendigkeit des Rechtsinstituts der negativen Einnahmen - um Werbungskosten (Urteil des FG A-Stadt vom 7. November 2005 17 K 3987/03, EFG 2006, 1154, Rev. unter VI R 12/06; Drenseck, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 9 Rn. 61).

Der erkennende Senat kann offen lassen, welcher Auffassung er den Vorrang einräumt, da es vorliegend im Jahr 2006 nicht zu einer Rückzahlung von in den Vorjahren zugeflossenen Einnahmen gekommen ist. Zum einen haben die in den Jahren 2001 bis 2005 geleisteten, auf den Kläger entfallenden Nachteilsausgleichszahlungen keine Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit dargestellt, sie sind von den Beteiligten nur fälschlicherweise so behandelt worden. Der BFH hat klargestellt, dass die Sonderzahlung anlässlich der Überführung einer Mitarbeiterversorgung von einer Zusatzversorgungskasse auf eine andere nicht als Arbeitslohn zu qualifizieren ist (vgl. Urteile vom 14. September 2005 VI R 148/98, BFHE 210, 443, BStBl II 2006, 532; vom 15. Februar 2006 VI R 64/05, BFH/NV 2006, 1272). Dem ist die Finanzverwaltung gefolgt (BMF-Schreiben vom 30. Mai 2006, BStBl I 2006, 415). Einnahmen, die im Jahr 2006 hätten zurückgezahlt werden können, liegen daher schon begrifflich nicht vor.

Weiterhin ist es im Jahr 2006 aber auch nicht zu einem Abfluss auf Seiten des Klägers gekommen. Die Kläger gehen fehl in der Annahme, dass in den Jahren 2001 bis 2005 ein fiktiver Zufluss angenommen worden sei, so dass im Jahr 2006 ein fiktiver Abfluss berücksichtigt werden müsse. Die Beteiligten sind im Hinblick auf die Nachteilsausgleichszahlungen bis zur BFH-Entscheidung vom 14. September 2005 (VI R 148/98, BFHE 210, 443, BStBl II 2006, 532) nicht von einem fiktiven Zufluss von Arbeitslohn bei den Arbeitnehmern der FAG ausgegangen, sondern von einen tatsächlichen Zufluss, und zwar durch Erlangung (zusätzlicher) Rechtsansprüche der Arbeitnehmer gegenüber der ZVK. Dem lag die Annahme zugrunde, der Vorgang sei wirtschaftlich so zu betrachten, als hätte der Arbeitgeber Zahlungen an den Arbeitnehmer und dieser wiederum Zahlungen an die Pensionskasse geleistet. Als rechtsfehlerhaft hat sich jedoch nicht die Annahme des Zuflusses erwiesen, sondern - mangels Entlohnungscharakter der Nachteilsausgleichszahlungen - die Qualifizierung als steuerpflichtiger Arbeitslohn. Dementsprechend kann im Jahr 2006 auch nicht von (fiktiv) abgeflossenem Arbeitslohn ausgegangen werden.

Schließlich ist zu beachten, dass das Gesetz im Hinblick auf den Rückfluss von Aufwendungen kein allgemeines Korrespondenzprinzip kennt, dass es erlauben würde, Rückflüsse von Aufwendungen steuerrechtlich nur deshalb als Einnahmen zu erfassen, weil die Aufwendungen selbst fälschlicherweise als Werbungskosten abgezogen wurden. Materiell-rechtliche Fehleinschätzungen müssen über das Verfahrensrecht gelöst werden, nicht über eine weitere - korrespondierende - materiell-rechtliche Fehleinschätzung (BFH-Urteil vom 26. Februar 2002 IX R 20/98, BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796; Urteil des FG Düsseldorf vom 7. November 2005 17 K 3987/03, EFG 2006, 1154, Rev. unter VI R 12/06). Entsprechendes muss für Einnahmen gelten. Demnach können zurückgezahlte Einnahmen nicht allein deshalb als negative Einnahmen bzw. Werbungskosten berücksichtigt werden, weil die Einnahmen selbst fälschlicherweise als steuerpflichtige Einnahmen behandelt wurden. Auch vorliegend ist eine derartige fehlerhafte materiell-rechtliche Würdigung gegeben, die ggf. durch Berichtigung der Festsetzungen für die Jahre 2001 bis 2005 - etwa nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO (vgl. Senatsurteil vom 22. August 2008 11 K 580/07, EFG 2008, 1926, Rev. unter VI R 40/08) - korrigiert werden kann, nicht aber durch Berücksichtigung negativer Einnahmen im Jahr 2006.

2. Weiterhin steht der Erhöhung des Bruttoarbeitslohns des Jahres 2006 um die Nachteilsausgleichszahlungen nicht die Anrufungsauskunft des Finanzamts A-Stadt II vom 29. Juni 2006 entgegen. Diese entfaltet keinerlei Bindungswirkung für das Veranlagungsverfahren der Kläger.

a) Nach der - geänderten - Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, stellt eine dem Arbeitgeber erteilte Anrufungsauskunft nach § 42e EStG nicht nur eine Wissenserklärung (unverbindliche Rechtsauskunft) des Betriebsstätten-Finanzamts darüber dar, wie im Einzelfall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind, sie ist vielmehr ein feststellender Verwaltungsakt im Sinne des § 118 Satz 1 AO, mit dem sich das Finanzamt selbst bindet. Dementsprechend kann die Anrufungsauskunft nur in Anwendung der für Verwaltungsakte geltenden Bestimmungen abgeändert werden (BFH-Urteil vom 30. April 2009 VI R 54/07, BFHE 225, 50, DStR 2009, 1582). Ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Anrufungsauskunft vorliegend erfüllt waren, braucht jedoch nicht entschieden zu werden. Denn ungeachtet der Frage des Rechtscharakters der Anrufungsauskunft kommt ihr nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur im Verhältnis zwischen dem Betriebsstätten-Finanzamt und dem Arbeitgeber - d.h. im Lohnsteuer-Abzugsverfahren - Bindungswirkung zu, nicht aber im Verhältnis zwischen dem Wohnsitz-Finanzamt und dem Arbeitnehmer - d.h. im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren - (Urteile vom 9. Oktober 1992 VI R 97/90, BFHE 169, 202, BStBl II 1993, 166; vom 16. November 2005 VI R 23/02, BFHE 212, 59, BStBl 2006, 210; ebenso Drenseck, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 42e Rn. 10; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Rn. 147). Dies ergebe sich aus dem Zweck des § 42e EStG und der Gesetzessystematik. Die Vorschrift solle dem Arbeitgeber zur Milderung der aus der Verpflichtung zur Einbehaltung der Lohnsteuer resultierenden besonders hohen Haftungsrisiken die Möglichkeit einräumen, vom Finanzamt verbindlich zu erfahren, wie er im Zweifelsfalle beim Lohnsteuerabzug verfahren solle. Zudem spreche der Umstand, dass die Auskunft vom Betriebsstätten-Finanzamt erteilt wird, für eine Beschränkung der Bindung auf das Lohnsteuer-Abzugsverfahren. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Das BFH-Urteil vom 30. April 2009 (VI R 54/07, BFHE 225, 50, DStR 2009, 1582) steht ihr nicht entgegen. Der BFH hat bereits vor seiner Rechtsprechungsänderung ausgeführt, dass sich durch die Qualifizierung der Anrufungsauskunft als Verwaltungsakt (mit Drittwirkung) nichts daran ändern würde, dass die Bindung einer Anrufungsauskunft grundsätzlich auf das Lohnsteuer-Abzugsverfahren beschränkt sei (vgl. BFH-Urteil vom 9. Oktober 1992 VI R 97/90, BFHE 169, 202, BStBl II 1993, 166). Dementsprechend kann der ungeminderte Bruttoarbeitslohn der Besteuerung der Kläger auch dann zugrunde gelegt werden, wenn die Aufhebung der Anrufungsauskunft zu Unrecht erfolgt wäre.

b) Eine Bindungswirkung der Anrufungsauskunft für das Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren der Kläger lässt sich auch nicht aus Treu und Glauben herleiten. Die Kläger gehen fehl in der Annahme, die Bindungswirkung folge daraus, dass die Verfahrensweise der Berücksichtigung von negativem Arbeitslohn im Jahr 2006 auch im Interesse der Veranlagungsfinanzämter gewählt worden sei, um den Erlass zahlreicher Änderungsbescheide zu vermeiden. Nach der Rechtsprechung des BFH ist es zwar möglich, eine Ausstrahlung der Anrufungsauskunft auf das Veranlagungsverfahren aus Treu und Glauben zu rechtfertigen. Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben kann aber nur dann zur Verbindlichkeit einer unrichtigen Auskunft führen, wenn sie von der zuständigen Person erteilt worden ist (BFH-Urteile vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274; vom 9. Oktober 1992 VI R 97/90, BFHE 169, 202, BStBl II 1993, 166). Eine Bindungswirkung der Anrufungsauskunft für das Veranlagungsverfahren ist demensprechend nur denkbar, wenn das Wohnsitz-Finanzamt die Auskunft erteilt hat (Drenseck, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 42e Rn. 12). Das war hier jedoch nicht der Fall. Die Anrufungsauskunft ist nicht von dem beklagten Finanzamt als Wohnsitz-Finanzamt der Kläger erteilt worden, sondern von dem Betriebsstätten-Finanzamt der Arbeitgeberin.

IV.

Die Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist ferner nicht durch die Regelung des § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG gesperrt. Die von Seiten der Kläger in der mündlichen Verhandlung dargelegte Auffassung, die Bestimmung des § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG, wonach der Arbeitnehmer im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft (zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer) nur in Anspruch genommen werden könne, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten habe, bewirke - bei unterstellter Rechtswidrigkeit des Widerrufs der Anrufungsauskunft und damit vorschriftsmäßigem Lohnsteuereinbehalt - eine Änderungssperre für die Einkommensteuerveranlagung, überzeugt nicht. Zwar ist die Lohnsteuer (als Vorauszahlungsschuld) auch dann vorschriftsmäßig einbehalten, wenn der Arbeitgeber eine materiell unrichtige Anrufungsauskunft beachtet hat; die infolgedessen zu niedrig einbehaltene Lohnsteuer kann während des laufenden Kalenderjahres nicht von dem Arbeitnehmer nachgefordert werden. Da die Auskunft aber nur Bindungen für das Vorauszahlungsverfahren erzeugt, kann die materiell richtige Steuer, soweit sie die als Vorauszahlungsschuld einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer übersteigt, nach Ablauf des Kalenderjahres gegenüber dem Arbeitnehmer geltend gemacht werden (Drenseck, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 42d Rn. 18). § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG mit seiner irreführenden Verwendung des Wortes "nur" steht dem nicht entgegen, da die Vorschrift für Maßnahmen im Lohnsteuerabzugsverfahren gilt, nicht aber für die Geltendmachung der Jahressteuerschuld (BFH-Urteil vom 17. Mai 1985 VI R 137/82, BFHE 144, 217, BStBl II 1985, 660; Drenseck, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 42d Rn. 24).

V.

Einer Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2006 steht schließlich nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Treu und Glauben kann einen Hinderungsgrund für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO darstellen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Finanzbehörde die Tatsache vor dem Erlass des zu ändernden Bescheids infolge Verletzung der ihr obliegenden Ermittlungspflicht (zunächst) unbekannt geblieben ist (vgl. BFH-Urteile vom 5. Dezember 1958 VI 296/57, BFHE 68, 223, BStBl III 1959, 86; vom 11. November 1987 I R 108/85, BFHE 151, 333, BStBl II 1988, 115, 116 m.w.N.). Dementsprechend kann sich die Finanzbehörde nicht auf ihre eigenen Ermittlungsfehler oder Organisationsmängel berufen (Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rn. 63). Anhaltspunkte für Ermittlungsfehler oder Organisationsmängel auf Seiten des beklagten Finanzamts bestehen jedoch nicht. Es hatte von der Berücksichtigung negativer Einnahmen weder Kenntnis noch musste sich ihm dieser Umstand aufdrängen. Das Verhalten anderer Finanzbehörden führt nicht zu einer Verwirkung der Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Der Grundsatz von Treu und Glauben wirkt nur im Verhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und der für ihn zuständigen Finanzbehörde. Der Verstoß einer anderen Finanzbehörde gegen Treu und Glauben kann der im Grundsatz änderungsbefugten Finanzbehörde nicht zugerechnet werden, da die Finanzverwaltung nicht als Einheit behandelt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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