Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 23.06.2009
Aktenzeichen: 11 V 1839/09 A (F)
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 4a
AO § 363 Abs. 2
AO § 367 Abs. 2a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2003 und 2004 vom 11. März 2005 bzw. 19. Juni 2006 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 7. Mai 2008 sowie der Teil-Einspruchsentscheidung vom 9. März 2009 werden bis einen Monat nach Zustellung einer Entscheidung in der Hauptsache insoweit von der Vollziehung ausgesetzt, als die festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb 370.456,31 EUR (2003) bzw. 535.052,71 EUR (2004) übersteigen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Streitig ist die Hinzurechnung nicht abzugsfähiger Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes - EStG - in den Streitjahren 2003 und 2004.

Die Antragstellerin erzielt gewerbliche Einkünfte aus der chemisch-technischen Veredelung von Pflanzenfasern. Nicht vermögensmäßig beteiligte Komplementärin der Antragstellerin ist die A.-Beteiligungs GmbH, Kommanditisten sind Herr Bert A. mit einer Beteiligung von 75 % und Frau Heike A. mit einer Beteiligung von 25 %. Es besteht eine Betriebsaufspaltung zwischen der Antragstellerin als Betriebsgesellschaft und der A.-Grundstücks GbR als Besitzgesellschaft.

Zum 1. Januar 1999 erwarb der Kommanditist Bert A. 50 % seiner Beteiligung zu einem Kaufpreis i.H.v. 5.372.000 DM zuzüglich 19.119 DM Anschaffungsnebenkosten hinzu. Zugleich erwarb er eine entsprechende Beteiligung an der A.-Grundstücks GbR. Die Anteilserwerbe wurde in voller Höhe fremdfinanziert über ein Darlehen der A-Bank sowie ein Darlehen der Antragstellerin, die sich wiederum bei der A-Bank refinanzierte. Die Verbindlichkeiten wurden in der Sonderbilanz des Gesellschafters bei der jeweiligen Personengesellschaft als negatives Sonderbetriebsvermögen II passiviert. Im Jahr 2003 wurden die Verbindlichkeiten aus dem Anteilserwerb umgeschuldet durch Ablösung des Darlehens bei der A-Bank und Aufnahme eines Darlehens bei der B-Bank.

Durch Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 11. März 2005 bzw. 19. Juni 2006 stellte der Antragsgegner die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 370.456,31 EUR (2003) bzw. 535.052,71 EUR (2004) fest.

Mit Bescheiden vom 7. Mai 2008 änderte der Antragsgegner die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2003 und 2004 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO - und stellte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 396.329,31 EUR (2003) bzw. 551.047,71 EUR (2004) fest. Den Gewinnerhöhungen lagen Hinzurechnungen nach § 4 Abs. 4a EStG i.H.v. 25.873 EUR (2003) bzw. 15.995 EUR (2004) zugrunde. Auf die den Bescheiden beigefügten Berechnungen des Hinzurechnungsbetrags sowie der Über-/Unterentnahme und des verbleibenden Verlusts nach § 4 Abs. 4a EStG wird Bezug genommen. Dabei behandelte der Antragsgegner 14,62 % der im Sonderbereich des Kommanditisten Bert A. angefallenen Schuldzinsen für die Finanzierung der Personengesellschaftsanteilserwerbe, d.h. 18.288,43 EUR (2003) bzw. 15.000,08 EUR (2004), als auf den Erwerb von Umlaufvermögen entfallend und damit als nicht begünstigt im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG.

Gegen diese Bescheide legte die Antragstellerin fristgemäß Einspruch ein. Sie machte zunächst geltend, der zum 1. Januar 1999 bestehende Unterentnahmesaldo i.H.v. 2.084.000 EUR müsse entgegen der bestehenden Gesetzeslage berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die beim Bundesfinanzhof - BFH - anhängigen Revisionsverfahren könne der Einspruch zum Ruhen gebracht werden. Weiterhin müsse die Anschaffung der Beteiligung an einer Personengesellschaft insgesamt als Anschaffung von Anlagevermögen im Sinne von § 4 Abs. 4a EStG angesehen werden. Jedenfalls betrage der auf das Umlaufvermögen entfallende Kaufpreisanteil lediglich 6,9 %. Auf die Anlage 2 zum Schreiben vom 22. Juli 2008 (Einspruchshefter des Antragsgegners) wird Bezug genommen. Ferner seien die im Jahr 2003 im Sonderbereich berücksichtigten Entnahmen fehlerhaft. Sie ergäben sich nur aus der Umfinanzierung des Finanzierungsvolumens aus dem Anteilskauf, das sich nunmehr in einem anderen Verhältnis auf die Antragstellerin und die A.-Grundstücks GbR aufteile. Die Umschuldung sei nicht im Verhältnis 1:1 erfolgt, vielmehr sei der Finanzierungsbetrag für die Anteile an der Antragstellerin erhöht und für die Anteile an der A.-Grundstücks GbR vermindert worden. Hieraus ergebe sich vordergründig eine Entnahme im Bereich der Antragstellerin und eine Einlage im Bereich der A.-Grundstücks GbR. Insofern sei eine Umgliederung i.H.v. 161.292,88 EUR vorzunehmen. Schließlich seien in den berücksichtigten Zinsaufwendungen Gebühren für Grundbuchbestellungen i.H.v. 1.079,88 EUR enthalten, die keine Zinsaufwendungen darstellten.

Durch verbösernde Teil-Einspruchsentscheidung vom 9. März 2009 stellte der Antragsgegner die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 406.891,31 EUR (2003) bzw. 560.663,70 EUR (2004) fest; im Übrigen wies er den Einspruch, soweit über ihn entschieden wurde, als unbegründet zurück. Das Einspruchsverfahren wurde im Hinblick auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren X R 30/06 gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO zum Ruhen gebracht, soweit sich die Antragstellerin gegen die Nichtberücksichtigung der zum 1. Januar 1999 bestehenden Unterentnahmen wandte. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, der Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung sei im Sinne von § 367 Abs. 2a Satz 1 AO sachdienlich, da die übrigen Streitpunkte entscheidungsreif seien.

In der Sache wies der Antragsgegner darauf hin, dass die Aufteilung der Schuldzinsen erforderlich sei, da die auf die Anschaffung von Umlaufvermögen entfallenden Schuldzinsen bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags gemäß § 4 Abs. 4a EStG einzubeziehen seien (Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 17. November 2005, BStBl I 2005, 1019, Tz. 32c). Von den Anschaffungskosten entfielen 62,35 % auf das begünstigte Anlagevermögen und 37,65 % auf das sonstige Vermögen. Auf die Berechnung in der Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen. Dabei sei zugunsten der Antragstellerin angenommen worden, dass im Umlaufvermögen keine stillen Reserven enthalten gewesen seien.

Weiterhin sei die aus der Umfinanzierung im Jahr 2003 resultierende Entnahme i.H.v. 161.292,88 EUR trotz der korrespondierenden Einlage bei der A.-Grundstücks GbR bei der Berechnung der Überentnahmen einzubeziehen, da es sich um verschiedene Gesellschaften handele. Soweit Zinszahlungen und Aufwendungen für die Grundschuldbestellungen auf diesen Betrag entfielen, handele es sich nicht um betrieblich veranlasste Aufwendungen der Antragstellerin. Die Entnahmen und der Gewinn seien daher um 9.964,01 EUR (2003) bzw. 9.071,69 EUR (2004) zu erhöhen. Soweit die Aufwendungen für die Grundschuldbestellung betrieblich veranlasst seien, handele es sich nicht um Zinsaufwendungen.

Von den betrieblich veranlassten Zinszahlungen seien 72.454 EUR (2003) bzw. 58.314,73 EUR (2004) unbeschränkt abzugsfähig und 42.674 EUR (2003) bzw. 35.213 EUR (2004) nur beschränkt abzugsfähig. Die Erhöhung der Entnahmen bewirke die Erhöhung der Überentnahmen und damit der Hinzurechnungsbeträge um 6 % von 9.964,01 EUR (2003) bzw. 9.071,68 EUR (2004). Die festzustellenden Gewinne seien daher um insgesamt 10.562 EUR (2003) bzw. 9.615 EUR (2004) zu erhöhen.

Die Antragstellerin hat am 8. April 2009 unter dem Aktenzeichen 11 K 1358/09 Klage erhoben. Sie begehrt eine Herabsetzung der festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf die ursprünglich festgestellten Werte i.H.v. 370.456,31 EUR (2003) bzw. 535.052,71 EUR (2004), hilfsweise die Aufhebung der Teil-Einspruchsentscheidung vom 9. März 2009.

Den am 15. April 2009 gestellten Aussetzungsantrag der Antragstellerin hat der Antragsgegner mit Verfügungen vom 21. bzw. 28. April 2009 abgelehnt.

Die Antragstellerin hat am 14. Mai 2009 bei Gericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Sie macht zunächst geltend, dass die Voraussetzungen für eine Teil-Einspruchsentscheidung nicht vorgelegen hätten. Die Teil-Einspruchsentscheidung sei ermessensfehlerhaft. Die entschiedenen Streitpunkte seien nicht entscheidungsreif gewesen. Eine Hinzurechnungsbesteuerung scheide nämlich komplett aus, wenn die Unterentnahmen der Jahre vor 1999 berücksichtigt würden. Die entschiedenen Punkte stünden in einem untrennbaren Zusammenhang mit der als nicht entscheidungsreif beurteilten Fragestellung und seien daher nicht abtrennbar. Der Einspruch sei nicht teilbar im Sinne des § 367 Abs. 2a AO. Die Teil-Einspruchsentscheidung stelle sich auch nicht als sachdienlich dar. Mit der Teil-Einspruchsentscheidung habe der Antragsgegner gegen die Gebote effektiven Rechtsschutzes und des fairen Verfahrens verstoßen.

Ferner sei die Nichtberücksichtigung der bis 1999 getätigten Unterentnahmen verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Die Regelung sei unzumutbar. Die Gesellschafter der Klägerin hätten in den Jahren bis 1999 erhebliche Gewinnanteile als Gesellschafterdarlehen im Unternehmen stehen lassen. Ferner habe der Gesellschafter Bert A. Ende 1998 die Anteile eines scheidenden Familienstammes hinzuerworben. Per Saldo seien vor 1999 erhebliche Unterentnahmen entstanden, die keine Berücksichtigung fänden, wohingegen sich die ab 1999 angefallenen Überentnahmen steuerschädlich auswirkten.

Weiterhin seien Kreditzinsen für die Finanzierung des Personengesellschaftsanteils im Rahmen der Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG nicht zu berücksichtigen. Eine Berücksichtigung stünde im Widerspruch zu Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4a EStG, welcher der Einschränkung des Zweikontenmodells und damit der Verhinderung von Gestaltungen zur Umwidmung privater in betriebliche Zinsen diene. Vor diesem Hintergrund mache es keinen Unterschied, ob in Maschinen oder GmbH-Beteiligungen investiert werde oder ob das Anlagegut "Anteil an einer Personengesellschaft" angeschafft werde. Die Übernahme des Transparenzprinzips sei ungeeignet.

Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Vollziehung der Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 2003 und 2004 vom 11. März 2005 bzw. 19. Juni 2006 in Form der Änderungsbescheide vom 7. Mai 2008 sowie der Teil-Einspruchsentscheidung vom 9. März 2009 bis einen Monat nach Zustellung einer Entscheidung in der Hauptsache insoweit auszusetzen, als die in den angefochtenen Bescheiden festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb 370.456,31 EUR (2003) bzw. 535.052,71 EUR (2004) übersteigen,

hilfsweise,

die Beschwerde zuzulassen.

Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verweist er auf die Teil-Einspruchsentscheidung vom 9. März 2009. Ergänzend führt er aus, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 4a EStG, insbesondere der Berücksichtigung zum 1. Januar 1999 bestehender Unterentnahmen, sei im Hinblick auf die anhängigen Revisionsverfahren nicht entscheidungsreif gewesen, so dass das Einspruchsverfahren insoweit habe zum Ruhen gebracht werden müssen. Die übrigen Fragestellungen seien indes entscheidungsreif gewesen. Die Teil-Einspruchsentscheidung habe sich als sachdienlich dargestellt, zumal die Fragestellungen auch für die Folgejahre von Bedeutung seien. Für die Frage der Sachdienlichkeit komme es nicht darauf an, inwieweit die Entscheidung über die offenen Punkte Auswirkungen auf die entscheidungsreifen Fragen haben kann.

Im Übrigen gelte der Grundsatz, dass bei Vorliegen von ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist, nicht ausnahmslos. Im Falle der behaupteten Verfassungswidrigkeit einer Norm fordere die ständige Rechtsprechung ein zusätzliches berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (BFH vom 6. November 1987 III B 101/86, BFHE 151, 428, BStBl II 1988, 134; Beschluss des FG Schleswig-Holstein vom 1. Juli 2008 1 V 135/07, EFG 2008, 1633). Ein solches Interesse habe die Antragstellerin nicht dargelegt.

Schließlich sei die Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG auf der Grundlage der geltenden Gesetzeslage gerechtfertigt. Die Anschaffung von Personengesellschaftsanteilen sei nicht durch die Antragstellerin, sondern durch ihren Gesellschafter erfolgt. Dies sei dem Erwerb eines GmbH-Anteils oder eines anderen Wirtschaftsguts durch die Gesellschaft nicht gleichzustellen, die Vorgänge seien steuerlich unterschiedlich zu behandeln (BMF-Schreiben vom 7. Mai 2008, BStBl I 2008, 588).

II. Der Antrag ist begründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Der Erfolg braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als der Misserfolg. Es brauchen insbesondere nicht erhebliche Zweifel in dem Sinne zu bestehen, dass eine Aufhebung des Verwaltungsaktes mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, vielmehr genügt es, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs im summarischen Verfahren ebenso wenig auszuschließen ist, wie sein Misserfolg (vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Tz. 89 mit weiteren Nachweisen).

Nach der durchzuführenden summarischen Prüfung bestehen vorliegend ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, soweit der festgestellte Gewinn aus Gewerbebetrieb den Betrag von 370.456,31 EUR (2003) bzw. 535.052,71 EUR (2004) übersteigt.

I. Zunächst stellt sich die Rechtmäßigkeit der (verbösernden) Teil-Einspruchsentscheidung des Antragsgegners vom 9. Mai 2009 als ernstlich zweifelhaft dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung dürften im Streitfall nicht vorgelegen haben. Insofern liegen - isoliert gesehen - bereits die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung des Verböserungsbetrags (10.562 EUR in 2003 bzw. 9.615 EUR in 2004) vor.

Gemäß § 367 Abs. 2a Satz 1 AO, eingefügt durch das Jahresteuergesetz 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I, 2878), kann die Finanzbehörde vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in der Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll (§ 367 Abs. 2a Satz 2 AO). Die Regelung soll sowohl im Interesse des Rechtsschutz begehrenden Einspruchsführers als auch im Allgemeininteresse zur Verfahrensbeschleunigung beitragen, indem sie eine verbindliche Entscheidung über bereits entscheidungsreife Teile eines Einspruchsbegehrens zulässt (vgl. BT-Drucks. 16/3368, S. 25).

1. Dem Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung stand vorliegend nicht bereits die fehlende Teilbarkeit der Einspruchsentscheidung entgegen. Die in § 367 Abs. 2a AO vorausgesetzte Teilbarkeit ist auf den Steuerbetrag zu beziehen, der sich unter Berücksichtigung der jeweiligen Besteuerungsgrundlagen ergibt (vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 367 AO Rn. 66). Entsprechendes muss im Feststellungsverfahren gelten. Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses war die Einspruchsentscheidung teilbar.

2. Der Erlass der Teil-Einspruchsentscheidung war indes nicht sachdienlich. Sachdienlich ist eine Teil-Einspruchsentscheidung, soweit ein abtrennbarer (entscheidungsreifer) Teil eines Einspruchs vorliegt, bei dem es im Interesse des Einspruchsführers ist, schneller gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen (Urteil des Niedersächsischen FG vom 12. Dezember 2007 7 K 249/07, EFG 2008, 1082). Sachdienlichkeit ist insbesondere dann gegeben, wenn ein Teil des Einspruchs entscheidungsreif ist, während über einen anderen Teil des Einspruchs zunächst nicht entschieden werden kann, weil insoweit die Voraussetzungen für eine Verfahrensruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO vorliegen oder weil hinsichtlich des nicht entscheidungsreifen Teils des Einspruchs noch Ermittlungen zur Sach- und Rechtslage erforderlich sind. Eine Teil-Einspruchsentscheidung wird insgesamt sachdienlich sein, wenn der Einspruchsführer strittige Rechtfragen aufwirft, die Gegenstand eines beim EuGH, BVerfG oder bei einem obersten Bundesgericht anhängigen Verfahrens sind, der Einspruchsführer sich auf dieses Verfahren beruft und der Erlass einer Fortsetzungsmitteilung gemäß § 363 Abs. 2 Satz 4 AO nicht in Betracht kommt, der Einspruch im Übrigen aber entscheidungsreif ist (vgl. AEAO zu § 367 Nr. 6.1; BT-Drucks. 16/3368, S. 25). Nach zutreffender Auffassung kann die Sachdienlichkeit der Teil-Einspruchsentscheidung von den Finanzgerichten grundsätzlich in vollem Umfang überprüft werden (Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 367 AO Rn. 61 m.w.N. auch zur abweichenden Meinung).

Vorliegend konnte über die Berücksichtigungsfähigkeit eines zum 1. Januar 1999 bestehenden Unterentnahmesaldos bei der Frage, ob in den Streitjahren Überentnahmen im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG vorlagen, im Rahmen der Einspruchsentscheidung nicht entschieden werden, weil die Voraussetzungen einer Verfahrensruhe im Hinblick auf die beim BFH anhängigen Revisionsverfahren vorlagen. Insoweit handelt es sich ohne Zweifel um eine Fallgruppe, die der Gesetzgeber bei der Einführung der Teil-Einspruchsentscheidung im Auge hatte. Die übrigen Teile des Einspruchs waren jedoch nicht entscheidungsreif. Einer Entscheidungsreife stand nämlich entgegen, dass sich die übrigen Streitpunkte, welche die Höhe der nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abzugsfähigen Schuldzinsen betreffen, erledigen, wenn der zum 1. Januar 1999 bestehende Unterentnahmesaldo Berücksichtigung findet und der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4a (in Verbindung mit § 52 Abs. 11 Satz 2) EStG bereits dem Grunde nach nicht eröffnet ist. In diesem Fall kann es nach der Auffassung des Senats nicht sachdienlich sein, Fragen zu entscheiden, die gänzlich leer laufen würden, wenn der Musterprozess im Sinne des Einspruchsführers entschieden wird.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass in der Gesetzesbegründung zu § 367 Abs. 2a AO wesentlich auf das Interesse des Steuerpflichtigen abgehoben wird, ggf. schnelleren gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen. Ergänzend wird das Interesse der Finanzverwaltung an einer zeitnahen Entscheidung entscheidungsreifer Teile angesprochen (BT-Drucks. 16/3368, S. 25). Ein abtrennbarer (entscheidungsreifer) Teil des Einspruchs, bei dem es im Interesse der Antragstellerin liegen kann, schnelleren gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, ist hier nicht gegeben. Vielmehr hatte die Antragstellerin erkennbar kein Interesse daran, dass über die aus ihrer Sicht gar nicht entscheidungserheblichen Gesichtspunkte vorab entschieden wird. Ebenso wenig dient die Vorabentscheidung dem Interesse der Finanzverwaltung bzw. dem Allgemeininteresse an Verfahrensbeschleunigung, da einer endgültige Befriedung des gesamten Rechtsstreits ohnehin erst nach einer Entscheidung des BFH in den angesprochenen Revisionsverfahren zu erwarten ist.

II. Darüber hinaus ist die Rechtmäßigkeit der Feststellungsbescheide für die Jahre 2003 und 2004 vom 11. März 2005 bzw. 19. Juni 2006 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 7. Mai 2008 insoweit ernstlich zweifelhaft, als die festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb 370.456,31 EUR (2003) bzw. 535.052,71 EUR (2004) übersteigen.

Gemäß § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG sind Schuldzinsen nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen vorliegen. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (§ 4 Abs. 4a Satz 2 EStG). Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahme), ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach Maßgabe des § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schulzinsen auszugehen (§ 4 Abs. 4a Satz 3 EStG ). Gemäß § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2001 (BGBl I 2001, 3794) bleiben Über- und Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren, die bis zum 31. Dezember 1998 enden, unberücksichtigt. Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2.050 EUR verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen (§ 4 Abs. 4a Satz 4 EStG). Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt (§ 4 Abs. 4a Satz 5 EStG).

1. a) Nach der durchzuführenden summarischen Prüfung ist ernstlich zweifelhaft, ob § 4 Abs. 4a EStG vorliegend überhaupt dem Grunde nach zur Anwendung gelangt. Zwar bestehen zum 31. Dezember 2003 und 2004 auf der Grundlage der geltenden Gesetzeslage Überentnahmen. Etwas anderes würde jedoch gelten, wenn der zum 1. Januar 1999 bestehende Unterentnahmesaldo i.H.v. 2.084.000 EUR - Einwendungen gegen die Höhe der positiven Altkapitalbestände hat der Antragsgegner nicht vorgetragen - entgegen § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG zu berücksichtigen wäre. Dann lägen zum 31. Dezember 2003 und 2004 jeweils Unterentnahmen vor, so dass eine Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG nicht in Betracht käme. Die Verfassungsmäßigkeit des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG ist ernstlich zweifelhaft.

Zwar hat das Schleswig-Holsteinische FG mit Beschluss vom 1. Juli 2008 (1 V 135/07, EFG 2008, 1633) entschieden, dass keine ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifel an der Nichtberücksichtigung von Unterentnahmen aus der Zeit vor 1999 bestehen. Die Erwägungen des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/6877, S. 28) erschienen sachgerecht und ließen nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen, dass er seinen Gestaltungs- und Typisierungsspielraum überschritten habe. Unter- und Überentnahmen vergangener Jahre blieben gleichermaßen unberücksichtigt. Allein die Tatsache, dass Stichtagsregelungen im Einzelfall gewisse Härten mit sich bringen könnten, reiche nicht aus, um von einer Verletzung verfassungsmäßig garantierter Rechte ausgehen zu können. Diese Auffassung wird zum Teil auch in der Literatur vertreten (vgl. Wied, in: Blümich, EStG, § 4 Rn. 627).

Demgegenüber wird in der Nichtberücksichtigung von Unterentnahmen aus vor dem 1. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahren nach anderer Auffassung ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) erblickt. Die Typisierung dürfte schon wegen der Annahme, dass in den Jahren vor 1999 Überentnahmen weitaus häufiger vorgekommen sind als Unterentnahmen, zu ungleichen Belastungen führen, die durch die mit der Typisierung einhergehenden Vorteile nicht mehr gerechtfertigt seien (Schallmoser, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 4 nm. 1037). Die außerhalb der Bandbreite der für deutsche Personenunternehmen gegebenen Wirtschaftsrealität anknüpfende gesetzliche Typisierung nach § 4 Abs. 4a in Verbindung mit § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG stehe in dem Verdacht, wegen Überschreitung der zulässigen Typisierungsgrenzen und des damit verbundenen unrechtmäßigen Betreffens einer Mehrzahl von Personen gleichheitswidrig zu sein (vgl. mit ausführlicher Begründung Bodden, DStR 2008, 2397; Bozza-Bodden, EFG 2008, 1634).

Demnach ist die Wirksamkeit des § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG als nicht geklärt anzusehen (vgl. Heinicke, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 4 Rn. 530). Zu dem Problemkreis der Verfassungsmäßigkeit des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG sind verschiedene Revisionsverfahren beim BFH anhängig (vgl. insbesondere die Verfahren unter den Aktenzeichen X R 30/06 und VIII R 42/07). Nach Auffassung des Senats können auf der Grundlage der zuletzt dargestellten Meinung ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht verneint werden.

b) Diese ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifel rechtfertigen eine Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Feststellungsbescheide. Ernstliche Zweifel gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts können auch durch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm begründet werden (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 5. März 2001 IX B 90/00, BFHE 195, 205, BStBl II 2001, 405). Zwar hat die Rechtsprechung im Hinblick auf den Geltungsanspruch jeden formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes bei ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer Rechtsnorm ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gefordert und eine Interessenabwägung zwischen der einer Aussetzung entgegenstehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung und den für die Aussetzung sprechenden individuellen Grundrechtsschutzinteressen des Steuerpflichtigen vorgenommen (vgl. BFH-Beschluss vom 6. November 1987 III B 101/86, BFHE 151, 428, BStBl II 1988, 134). Jedoch hat der BFH in jüngster Zeit die staatlichen Haushaltsinteressen in der Abwägung zunehmend zurückgestellt und offen gelassen, ob diese Einschränkung überhaupt aufrechterhalten werden soll (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. Juni 2003 IV B 47/03, BFHE 202, 346, BStBl II 2003, 661; vom 22. Dezember 2003 IX B 177/02, BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rn. 96 m.w.N. zur Rechtsprechung).

Nach Auffassung des Senats rechtfertigen bereits die zuvor geschilderten ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifel eine Aussetzung der Vollziehung der Feststellungsbescheide. Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit wiegen nicht leichter als ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Verwaltungsakts mit einfachem Recht. Daher zwingen nicht nur ernstliche Zweifel an der einfachen Rechtmäßigkeit, sondern auch - und zwar erst recht - ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Steuerbescheids dessen Vollziehungsaussetzung (vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rn. 97).

2. Darauf, ob der Antragsgegner die Höhe der nicht abzugsfähigen Schuldzinsen zutreffend berechnet hat, kommt es nicht mehr an. Daher kann insbesondere offen gelassen werden, ob der Antragsgegner die Schuldzinsen, die auf den Erwerb der Personengesellschaftsanteile entfallen, vor dem Hintergrund der Regelung in § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG zu Recht in die Berechnung nach § 4 Abs. 4a EStG einbezogen hat, soweit sie anteilig auf das Umlaufvermögen entfallen. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass der Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - im Schreiben vom 7. Mai 2008 (BStBl I 2008, 588) zuzustimmen sein dürfte. Denn nach allgemeinen Grundsätzen kommt der Beteiligung an einer Personengesellschaft einkommensteuerlich keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 36/83, BFHE 144, 230, BStBl II 1985, 654). Der Personengesellschaftsanteil ist steuerrechtlich kein Wirtschaftsgut, er verkörpert vielmehr die Summe aller Anteile an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern (BFH-Beschluss vom 25. Februar 1981 GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691). Dementsprechend dürfte - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - auch für Zwecke der Anwendung des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG auf die zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter abzustellen sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 128 Abs. 3 in Verbindung mit § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

Zurück