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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.01.2008
Aktenzeichen: 13 K 2416/06 F
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

13 K 2416/06 F

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Der Kläger ist Versicherungsnehmer einer bei der Aachener und Münchener Lebensversicherung Aktiengesellschaft abgeschlossenen Lebensversicherung mit der Versicherungsnummer ... . Die Laufzeit des Versicherungsvertrages dauert vom Kalenderjahr 1980 bis zum Kalenderjahr 2012. Am 07.11.2002 erhielt der Kläger von dem Versicherungsunternehmen ein Policendarlehen in Höhe von 25.000 EUR und am 07.02.2003 ein weiteres Policendarlehen in Höhe von 10.000 EUR. Unter Ziffer (3) der beiden Darlehensverträge heißt es u.a. wie folgt:

Das Policendarlehen kann jederzeit ganz oder in Teilbeträgen von mindestens 100 EUR zurückgezahlt werden. Nach einer Rückzahlung werden die Zinsen nur noch von dem verbleibenden Darlehen erhoben. Das Darlehen einschließlich nichtgezahlter Zinsen wird bei Fälligkeit einer Kapitalleistung oder einer Leibrente aus der Versicherung einbehalten. Bei Änderung der Versicherung bleibt das Policendarlehen grundsätzlich bestehen. Sie wird aber verrechnet, wenn es beantragt wird oder das Darlehen durch die geänderte Versicherung voraussichtlich nicht mehr abgesichert ist.

Eine Befristung der Darlehen ist in den Verträgen nicht benannt. Die Rückzahlung der beiden Policendarlehen erfolgte jedoch durch den Kläger am 27.10.2005, d.h. innerhalb von 3 Jahren nach Abschluss der Policendarlehen.

Auf Grund der Mitteilungen des Versicherungsunternehmens gemäß § 29 Abs. 1 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - über die Aufnahme der Policendarlehen erließ der Beklagte den Bescheid vom 15. Juni 2005 über die Steuerpflicht von Zinsen aus der Kapitallebensversicherung Nr. ... . Das Finanzamt war der Ansicht, die Aufnahme der Darlehen habe dazu geführt, dass die Zinsen aus der Kapitallebensversicherung in vollem Umfange steuerpflichtig geworden seien. Die Rückzahlung innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren nach Valutierung sei hierfür unerheblich, da die Lebensversicherung nicht nur zur Sicherung, sondern auch zur Tilgung der Darlehen im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 2, Halbsatz 1 Einkommensteuergesetz - EStG - gedient habe. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

Gegen die abweisende Einspruchsentscheidung vom 09.05.2005 wendet sich die Klage, mit der der Kläger vorträgt.

Im Streitfall sei eine bloße Sicherungsabrede getroffen worden, die verhindere, dass bei Fälligkeit der Kapitalleistung diese an den Versicherungsnehmer ausgezahlt würde. Wenn dies nicht vorgesehen worden wäre, hätte der Darlehensgeber keinerlei Sicherheit für die Rückzahlung der Darlehensvaluta, obwohl diese unter Umständen schon lange fällig gewesen sei. Eine Verrechnung vor der ursprünglich vorgesehenen Fälligkeit sähen die Vertragsbedingungen nur dann vor, wenn dies beantragt würde oder das Darlehen nicht mehr abgesichert sei, weil die Versicherung sich geändert habe. Eine vorzeitige Verrechnung für den Fall, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkomme, sei gerade nicht vorgesehen. Eine Tilgungsvereinbarung würde erst dann vorliegen, wenn ein entsprechender Antrag des Versicherungsnehmers gestellt oder die Versicherung geändert würde. Beides sei vorliegend nicht geschehen. Im Übrigen verkenne der Beklagte, dass der Kläger die Möglichkeit erhalten habe, jederzeit das Darlehen durch Zahlungen zu tilgen. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses habe für keinen Vertragspartner festgestanden, ob die Leistungen aus der Lebensversicherung zur Tilgung eingesetzt würden. Dies sei tatsächlich auch nicht geschehen.

Der Kläger beantragt,

Aufhebung des Feststellungsbescheides vom 15. Juni 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 09. Mai 2006, hilfsweise Revisionszulassung.

Der Beklagte beantragt,

Klageabweisung, hilfsweise Revisionszulassung.

Der Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass die unter Punkt (3) getroffene Vereinbarung eine vor Fälligkeit getroffene Tilgungsabrede (verbindliche Verpflichtung) darstelle, die zum Inhalt habe, die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen zur Tilgung einzusetzen und demnach bewirkten, dass dieselben während der Dauer der Versicherung im Erlebensfall der Tilgung des Darlehens dienten. Dem stehe weder die Möglichkeit der vorrangigen Rückzahlung durch den Kläger entgegen, noch die Tatsache, dass die Versicherung als Darlehensgeberin nicht vor Fälligkeit der Versicherungsleistung eine Tilgung durch Verwertung der Lebensversicherung herbeiführen könne. Zumindest bis zur Kündigung des Darlehens durch Rückzahlung der Vorauszahlung sei das Tatbestandsmerkmal "der Tilgung eines Darlehens dienen" gegeben, da die Vereinbarung die Versicherung bis zu diesem Zeitpunkt berechtige, die Vorauszahlung im Leistungsfall von der Versicherungsleistung einzubehalten, bzw. den Darlehensnehmer bis zu diesem Zeitpunkt verbindlich verpflichte, im Leistungsfall eine Verrechnung mit derselben zuzulassen.

Die Klage ist unbegründet.

Zu Recht hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 15.06.2005 über die gesonderte Feststellung der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zur Lebensversicherung Nr. des Klägers enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) erlassen.

Nach §§ 179 Abs. 1 und 180 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO - i.V.m. § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordung vom 16. Dezember 1994 (BGBl I 1994, 3834, Bundessteuerblatt - BStBl - I 1995, 3) stellt das für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige Finanzamt die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen ( § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert fest, wenn für die Beiträge zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht erfüllt sind (vgl. Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 04.07.2007 VIII R 46/06, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofes - BFH/NV - 2007, 2400).

Im Streitfall sind die Voraussetzungen für einen Sonderausgabenabzug der Beiträge zur Lebensversicherung Nr. (d.h. einer Versicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist) gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG jedoch nicht erfüllt, da die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag während dessen Dauer im Erlebensfall der Tilgung beider oben genannten Policendarlehen dienten, deren Finanzierungskosten Betriebsausgaben darstellten und auch der hier streitige (Rück-) Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c) EStG nicht eingreift.

Zu Unrecht geht der Kläger davon aus, dass die Ansprüche aus der Lebensversicherung lediglich der Sicherung der beiden betrieblich veranlassten Policendarlehen gedient hätten und wegen der Rückzahlung der Darlehenssummen innerhalb von drei Jahren der Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c) EStG erfüllt sei. Die Ansprüche aus der Lebensversicherung dienten vielmehr (auch) der Tilgung der Darlehen, für die die Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c) EStG nicht gilt.

In Ziffer (3) der beiden Darlehensverträge wurde vereinbart, dass das Darlehen einschließlich nichtgezahlter Zinsen bei Fälligkeit der Kapitalleistung aus der Versicherung einbehalten wird. Gleiches gilt, wenn bei Änderung der Versicherung die Darlehen voraussichtlich nicht mehr abgesichert sind. Aus dieser klaren vertraglichen Vereinbarung folgt, dass dem Versicherungsunternehmen das unbeschränkte Recht eingeräumt wurde, bei Fälligkeit der Leistung aus der Versicherung bzw. bei Änderung der Versicherung eine Verrechnung mit den Darlehen vorzunehmen und damit zu tilgen. Diese eindeutige vertragliche Verknüpfung von Versicherungsanspruch und Tilgung führt dazu, dass die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag "während dessen Dauer im Erlebensfall der Tilgung eines Darlehens dienten". Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 2, Halbsatz 1 EStG sind folglich durch die Vertragsvereinbarungen erfüllt.

An diesem Ergebnis ändert sich nach Ansicht des Senates auch dadurch nichts, dass dem Kläger das Recht eingeräumt war, die Policendarlehen jederzeit ganz oder in Teilbeträgen zu tilgen. Denn solange und soweit Tilgungen nicht getätigt wurden, diente der Versicherungsanspruch weiterhin der Tilgung der Darlehen. Erst mit der vollen Tilgung der Darlehen durch den Darlehensnehmer kann ab diesem Zeitpunkt von einem "zur Tilgung dienen" der Versicherung nicht mehr gesprochen werden. Mangels einer Ausnahmevorschrift entsprechend § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c) EStG bei Sicherung betrieblich veranlasster Darlehen durch die Ansprüche aus Versicherungsverträgen verbleibt es bei der Steuerschädlichkeit in Tilgungsfällen.

Es erscheint auch nicht gerechtfertigt, aufgrund der Tatsache, dass die Darlehen tatsächlich nicht durch den Versicherungsanspruch getilgt worden sind, nunmehr lediglich von einer Sicherung betrieblich veranlasster Darlehen zu sprechen. Ein solches Ergebnis würde dazu führen, die Modalitäten der Vertragsvereinbarungen bzgl. der Policendarlehen außer Betracht zu lassen. Danach war nämlich unbestimmt, wie lange die Darlehen tatsächlich bestehen und wie die Tilgungen durchgeführt würden. Erst durch die tatsächliche Tilgung ohne Inanspruchnahme der Versicherungsleistung ergibt sich nunmehr rückwirkend betrachtet, dass der Versicherungsanspruch lediglich zur Sicherung der Darlehen geführt hatte. Diese Darlehensabwicklung war zum Zeitpunkt der Vertragsvereinbarung jedoch lediglich als Möglichkeit einkalkuliert worden und es blieb im Belieben des Klägers, ob er von einer tatsächlich vorzeitigen Tilgung Gebrauch macht. Ansonsten sollte es bei der Tilgungsvereinbarung durch die Versicherungsleistung bleiben.

Auch der Umstand, dass dem Versicherungsunternehmen kein Kündigungsrecht der Lebensversicherung vor ihrer Fälligkeit im Kalenderjahr 2012 eingeräumt worden ist, um das Darlehen zu tilgen, spricht im Streitfall nicht für eine bloße Sicherung der Darlehen durch die Versicherungsleistung. Denn die Darlehen sollten - außer im Falle einer vorzeitigen Tilgung durch den Kläger - so lange fortbestehen, bis eine Tilgung durch die Versicherungsleistung erfolgen kann und vertraglich auch erfolgen soll. Einer vorzeitigen Kündigung der Lebensversicherung bedurfte es mangels Fälligkeit der Darlehenssummen vor dem Kalenderjahr 2012 somit nicht.

Die vertragliche Koppelung des Anspruchs aus dem Lebensversicherungsvertrag Nr. während dessen Dauer im Erlebensfall mit der Tilgung der beiden Policendarlehen erfüllt die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 2, Halbsatz 1 EStG - obgleich die Darlehen vom Kläger anderweitig getilgt wurden - und führt zur Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative Finanzgerichtsordnung - FGO -, da die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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