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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.08.2008
Aktenzeichen: 16 K 1014/05 F
Rechtsgebiete: EStG, HGB, BGB


Vorschriften:

EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 Hs. 2
EStG § 15a
EStG § 21 Abs. 1 S. 2
HGB § 167 Abs. 3
HGB § 231 Abs. 2 Hs. 1
HGB § 232 Abs. 1
HGB § 232 Abs. 2 S. 1
BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

16 K 1014/05 F

Tenor:

Unter Abänderung des Feststellungsbescheids 2001 vom 16.12.2003 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 9.2.2005 wird der Klägerin ein Verlust von DM und dem Beigeladenen ein Gewinn von insges. DM (Vorabgewinn DM, Verlustanteil nach Quote DM, Sonderbetriebseinnahmen DM, Sonderbetriebsausgaben DM) zugerechnet.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; ihm werden auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen auferlegt.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten seitens der Klägerin für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird nicht zuzulassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Tätigkeitsvergütung des atypisch stillen Gesellschafters als Vorabgewinn oder als Sondervergütung i.S. des § 15 Abs.1 Satz 1 Nr.2 Satz 1 2. Halbsatz des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu qualifizieren ist, und zwar Letzteres mit der Folge, dass ein Gesamthandsverlust entstanden ist, der gem. § 15a EStG, soweit er auf den atypisch stillen Gesellschafter entfällt, nur verrechenbar ist. Streitig ist ferner, ob der nach dem Verteilungsschlüssel auf den atypisch stillen Gesellschafter entfallende Verlust, soweit er dessen Einlage überstieg, nicht ihm, sondern der Klägerin zuzurechnen ist.

Die in Y-Stadt ansässige A Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Klägerin) --mit einer Beteiligung von 70 v.H.-- und der in Z-Stadt geschäftsansässige Rechtsanwalt C (Beigeladener) --mit einer Beteiligung von 30 v.H.-- gründeten mit Vertrag vom 22.12.2000 eine atypisch stille Gesellschaft, deren Tätigkeit (tatsächlich) am 1.1.2001 begann. Vom Festkapital ( DM) entfiel auf C entsprechend seiner Beteiligungsquote ein bar einzulegender Kapitalanteil von DM. Gegenstand der Gesellschaft ist die Förderung einer Rechtsanwaltskanzlei in Z-Stadt, die durch einen Praxiskaufvertrag (fremdfinanziert) erworben wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag (GV) Bezug genommen, in dem einleitend die Klägerin als "GmbH" und C als "Gesellschafter" bezeichnet sind.

§ 2 GV enthält u.a. folgende Regelung (wörtliche Wiedergabe):

"Der Gesellschafter sind neben der Erbringung ihrer Einlage (Kapitalanteil) zur Erbringung ihrer vollen Arbeitskraft für die Niederlassung als Einlage verpflichtet. Für diese Tätigkeiten erhalten sie einen Vorabgewinn gem. der als Vertragsbestandteil geltenden Tätigkeitsvereinbarung".

§§ 7 bis 9 lauten (wörtliche Wiedergabe):

"§ 7

Die Gesellschafter ... sind am Ergebnis und am Vermögen -einschließlich der stillen Reserven- dieser stillen Gesellschaft wie folgt beteiligt:

-die GmbH 70 Prozent

-der Gesellschafter 30 Prozent.

Eine Beteiligung des Gesellschafters an Verlusten der Kanzlei über ihre Vermögenseinlage hinaus ist gem. § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB ausgeschlossen.

Der GmbH steht für die von ihr zu entrichtende Gewerbesteuer ein Ausgleich durch die Kanzlei zu. Bemessungsgrundlage für die Forderung der GmbH ist die gemäß Handelsbilanzgewinn anfallende Gewerbesteuer der Kanzlei. Sie ist Betriebsausgabe der Kanzlei, jedoch erst nach einer eventuell getroffenen, ergebnisabhängigen Vergütungs- bzw. Tantiemevereinbarung.

Der Gesellschafter erhält für seine Tätigkeit eine Tätigkeitsvergütung als Vorabgewinn, die jeweils durch Vereinbarung mit den Gesellschaftern festzulegen ist. Er darf auf diesen Vorabgewinn nach Absprache mit den Gesellschaftern monatliche Entnahmen tätigen. Die Vorabvergütung stellt im Verhältnis der Gesellschafter zueinander Aufwand der Gesellschaft dar.

Reicht der tatsächlich erzielte Gewinn der Gesellschaft nicht aus, um die Tätigkeitsvergütung und die darauf getätigten Vorabentnahmen zu decken, so wird der über den tatsächlich erzielten Gewinn hinausgehende entnommene Betrag dem Kapitalkonto des jeweiligen Gesellschafters belastet.

Ist ein Gesellschafter an der Ausübung seiner Tätigkeit durch Krankheit oder andere unverschuldete Ursachen vorübergehend gehindert, bleibt ihm sein Vorabgewinnansprüche für die Zeit der Behinderung für die Dauer von 3 Monaten erhalten. Die Weiterzahlung der Bezüge vermindert sich jedoch um den Betrag, der dem von einer Krankenkasse gezahlten Krankengeld entspricht.

§ 8

Gewinnanteile (soweit sie nicht gemäß Ziffer 2 des Paragraphen zu verbuchen sind), Entnahmen sowie sonstige Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern werden auf Verrechnungskonten verbucht, die im Soll und Haben mit 10 % p.a. zu verzinsen sind. Die Festkapitalkonten der Gesellschafter werden nicht verzinst.

Verlustanteile werden auf Verlustvortragskonten verbucht und sind innerhalb von 6 Monaten nach Feststellung des jeweiligen Jahresabschlusses auszugleichen. Bis zu deren Ausgleich sind auch eventuelle Gewinnanteile dort gutzuschreiben.

§ 9

Entnahmen sind nur zulässig, wenn sie aus Gewinnanteilen erfolgen, die nicht gem. § 8 Abs. 2 mit Verlusten zu verrechnen sind.

Die jeweils vorhandene Liquidität können die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Ergebnisbeteilung darlehensweise entnehmen.

Ob und inwieweit solche Zahlungen im Einzelfall zulässig sind, entscheidet die Gesellschafterversammlung."

Die Vertragsbeteiligten schlossen ebenfalls am 22.12.2000 eine Vereinbarung, die mit "Tätigkeitsvergütung gemäß § 7 des Gesellschaftsvertrages" überschrieben ist. Die Vereinbarung, in der einleitend die Klägerin als "Gesellschaft" und C als "Gesellschafter" bezeichnet sind, räumte C u.a. einen Anspruch auf einen Firmen-PKW, der auch privat genutzt werden kann, ein. Die Vereinbarung lautet unter "I. Tätigkeitsvergütung und Tantieme" wie folgt:

"Zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter wird mit Wirkung vom 01.01.2001 folgende Vereinbarung getroffen:

Die Tätigkeitsvergütung des Gesellschafters beträgt für 2001 DM

Die volle Vergütung wird bei einem Jahresgewinn der Kanzlei in Höhe von 10% des Umsatzes gezahlt (nach Abzug der ergebnisorientierten Tätigkeitsvergütung, vor Gewerbesteuer). Erreicht der Jahresgewinn diesen Wert nicht, so reduziert sich der ergebnisorientierte Vergütungsanteil im doppelten Verhältnis der Unterschreitung des Prozentsatzes.

Die Mindestvergütung beträgt 2001 DM

Wird der Prozentsatz der vollen Vergütung überschritten, erhält der Gesellschafter 33 1/3 % vom übersteigenden Gewinnanteil (nach Tantieme) als Tantieme.

Anspruch auf Tantieme besteht nur, wenn der Jahresumsatz der Kanzlei folgende Werte nicht unterschreitet:

Im Jahr 2001 die Höhe von DM

Der Gesellschafter erhält auf die Vergütung angemessene, monatliche Vorauszahlungen. Beginnt oder endet diese Vereinbarung während eines Geschäftsjahres, wird die Tätigkeitsvergütung zeitanteilig errechnet und ausgezahlt. Diese Vereinbarung zur Tätigkeitsvergütung kann von jeder Partei mit einer Frist von 3 Monaten zum Jahresende gekündigt werden."

Ausgehend von der zur Tätigkeitsvergütung getroffenen Vereinbarung wurde eine mit dem handschriftlichen Zusatz "o.k. 14.08.2003" versehene Berechnung erstellt, die erst im Klageverfahren als Anlage 2 zur Klageschrift vorgelegt worden ist. Wegen der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen. Die Berechnung enthält abschließend folgende Angaben (Beträge in DM):

 Mindestvergütung C 
Vergütung bisher durch NL gebucht (= Vorauszahlungen)  
Belastung var. Kapital C 
Korrigierte Vergütung C

Die "Belastung var. Kapital C" entsprach dem "BE I", das wie folgt ermittelt wurde (in DM):

 Vorläufiger Verlust lt. JA 
AfA Praxiswert 
Zinsen Praxisfinanzierung 
BE I

Am 18.8.2003 ging beim Beklagten (das Finanzamt --FA--) die Feststellungserklärung 2001 ein, der der Jahresabschluss zum 31.12.2001 (Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung --GuV--) beigefügt war. In der GuV war ein Verlust von DM ausgewiesen; dabei waren den C betreffende Beträge von insges. DM, nämlich sowohl die private Kfz-Nutzung ( DM) als auch die (korrigierte) Tätigkeitsvergütung ( DM) als Personalaufwand verbucht.

Der Feststellungserklärung waren zwei Anlagen (mit "Überleitungsrechnung", "Gewinnverteilung 2001", "Ergebnisverteilung per 31.12.2001" und "Entwicklung variable Kapitalkonten") beigefügt. In den Anlagen wurde --und zwar mit dem Ergebnis, dass der Klägerin ein Verlust von DM und C ein Gewinn von insges. DM zugerechnet wurde-- wie folgt verfahren:

In der "Überleitungsrechnung" wurde der Verlust lt. GuV ( DM) um nicht abziehbare Betriebsausgaben ( DM) auf DM gekürzt; sodann wurden den C betreffende Beträge von DM (Kfz-Nutzung und Tätigkeitsvergütung) und DM (Sonderbetriebsausgaben) hinzugerechnet (Summe danach DM).

Die "Gewinnverteilung 2001" enthielt folgende Berechnung (Beträge in DM):

 Beteiligung (%)Gewinn- AnteilNicht ab- ZiehbarGewinnan- Teil steuerpflichtigVorabvergütungSBASteuerliche Beträge
GmbH70     
C30     
Summen100    

Die "Ergebnisverteilung per 31.12.2001" enthielt folgende Berechnung (Beträge in DM):

 Beteiligung (%)Anteil am FehlbetragVerlustbegrenzungBeteiligungsergebnis
GmbH70   
C30   
Summen100  

Die "Entwicklung variable Kapitalkonten" enthielt folgende Berechnung (Beträge in DM):

 Entnahmen 2001Zugang Ergebnis 2001Stand 1.1.2002
GmbH   
C   
Sonderkonto C   
Summen  

Die Anlage FE 1 zur Feststellungserklärung enthielt entsprechende Angaben zur Aufteilung der Besteuerungsgrundlagen, wobei der den C betreffende Betrag von DM insges. als "Vergütungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage" (also weder ganz noch teilweise unter "als Sonderbetriebseinnahmen zu erfassende Vergütungen auf schuldrechtlicher Grundlage") eingetragen wurde.

Das FA folgte dieser Verlustverteilung in dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb vom 16.12.2003 nicht. Es rechnete der Klägerin nur einen Verlust von DM (70 v.H. des steuerlichen Gesamthandverlustes von DM) zu. Es rechnete C 30 v.H. des steuerlichen Gesamthandverlustes (= DM) sowie Sonderbetriebseinnahmen von insges. ( DM + DM =) DM und Sonderbetriebsausgaben von DM zu (Einkünfte aus Gewerbebetrieb des C danach DM). Im Bescheid vom 16.12.2003 folgt im Anschluss an die diesbezügliche Feststellung (Zurechnung) ein "Hinweis", dass die nach Anwendung des § 15a EStG anzusetzenden steuerpflichtigen Einkünfte des C DM betrügen. Der Bescheid enthielt umfangreiche Erläuterungen, die die Streitpunkte "Verlustzurechnung" und "Sonderbetriebseinnahmen" betrafen:

Nach § 232 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) nehme ein stiller Gesellschafter am Verlust nur bis zum Betrag seiner eingezahlten oder rückständigen Einlage teil. Nach h.M. besage diese Bestimmung lediglich, dass ein stiller Gesellschafter ohne eine eindeutig entgegenstehende Bestimmung im Gesellschaftsvertrag nicht zu Nachschüssen verpflichtet sei, wenn ihm Verluste zugerechnet worden seien. Hiervon unberührt bleibe allerdings der Umstand, dass für einen stillen Gesellschafter nach Aufzehrung der Einlage sehr wohl ein negatives Kapitalkonto entstehen könne (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.7.2002 VIII R 36/01, Bundessteuerblatt --BStBl-- II 2002, 858). Dies habe zur Folge, dass ein stiller Gesellschafter einerseits buchmäßig auch dann am Verlust teilnehme, wenn seine Einlage bereits durch Verluste aufgezehrt sei, andererseits aber in den Folgejahren entstehende Gewinne des stillen Gesellschafters zunächst zur Tilgung des Passivsaldos und zur Auffüllung der durch die Verluste geminderten Einlage zu verwenden seien. Steuerlich seien daher die Verluste im Verhältnis der Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft aufzuteilen. Der Umstand, ob gesellschaftsrechtlich die Anwendung des § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB vorgesehen oder ausgeschlossen sei, habe keine Auswirkung auf die buchmäßige und auch steuerliche Zurechnung der Verluste, sondern sei lediglich relevant für die Frage, ob der betreffende Gesellschafter zivilrechtlich Verluste, die über seine Vermögenseinlage hinausgingen, ausgleichen müsse. Ein Ausschluss der Anwendung des § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB führe demnach dazu, dass ein stiller Gesellschafter ihm buchmäßig zuzuordnende Verluste zivilrechtlich ausgleichen müsse.

Bei der Tätigkeitsvergütung handele es sich um eine Sonderbetriebseinnahme. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 23.1.2001 VIII R 30/99, BStBl II 2001, 621) stelle eine Tätigkeitsvergütung unter den folgenden Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssten, eine Sonderbetriebseinnahme und demnach keinen Vorabgewinn im Rahmen der Gewinnverteilung dar: (1.) Die Vergütung ist nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags als Unkosten zu behandeln. (2.) Die Vergütung ist auch dann zu zahlen, wenn kein Gewinn erwirtschaftet worden ist. Da nach § 7 GV und nach der eingereichten Bilanz beide Voraussetzungen erfüllt seien, sei von Sonderbetriebseinnahmen auszugehen. Die ebenfalls in § 7 GV enthaltene Regelung, wonach ggf. zuviel entnommene Beträge dem Kapitalkonto des jeweiligen Gesellschafters belastet werden, stehe dieser rechtlichen Würdigung nicht entgegen; denn die Regelung dürfte lediglich die Fälle betreffen, in denen ein Gesellschafter im voraus auf seine Vergütung mehr entnommen habe, als ihm aufgrund der durch alle Gesellschafter zu treffenden Vereinbarung über die Höhe der Vergütung dann im Endeffekt zustehe. Eine Auslegung dieser Regelung dahingehend, dass die Tätigkeitsvergütung nur dann und insoweit zu zahlen sei, als ein Gewinn entstanden sei, würde darüber hinaus auch der tatsächlichen Praxis der Beteiligten widersprechen, da entsprechende Vergütungen auch in Verlustjahren erfolgswirksam gebucht worden seien (Ende der Wiedergabe der Bescheidserläuterungen).

Hiervon ausgehend erließ das FA am 21.6.2004 einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG. Nunmehr wurde (ausgehend von einem Kapitalkonto des C von 0 DM) ein verrechenbarer Verlust i.S.d. § 15a EStG i.H.v. DM festgestellt; demnach seien nach Anwendung des § 15a EStG im Folgebescheid laufende Einkünfte des C i.H.v. DM anzusetzen.

Gegen den ersterwähnten Feststellungsbescheid vom 16.12.2003 richtete sich der fristgerecht eingelegte Einspruch der Klägerin. Die Klägerin legte im Vorverfahren mit Schreiben vom 2.12.2004 einen "korrigierten" Jahresabschluss zum 31.12.2001 vor. Statt des Verlustes von DM wurde nunmehr ein (Gesamthands-)Gewinn von DM ausgewiesen, weil die Verbuchung der Tätigkeitsvergütung ( DM) als Aufwand rückgängig gemacht wurde. Dem waren ferner eine geänderte Anlage FE 1 sowie zwei geänderte Anlagen zur Feststellungserklärung (mit "Überleitungsrechnung", "Gewinnverteilung", "Ergebnisverteilung", "Entwicklung Kapitalkonten" und "Entwicklung Sonderverlustkonto") beigefügt, auf die wegen der Einzelheiten jeweils Bezug genommen wird.

Das vorerwähnte Schreiben vom 2.12.2004 betraf insges. acht atypisch stille Gesellschaften ("Niederlassungen"), an denen die Klägerin beteiligt ist. Die Klägerin trug in diesem Zusammenhang vor, die Überprüfung der Gewinnermittlungen aller Gesellschaften habe ergeben, dass bei einigen Gesellschaften die Jahresabschlussbuchung, mit der die Aufwandsbuchung rückgängig gemacht werde, unterblieben sei. Es liege hier aufgrund der Verletzung des Gesellschaftsvertrages, in dem eindeutig eine Entnahmeregelung vorgesehen sei, ein Bilanzierungsfehler vor, der zu korrigieren sei.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Vorverfahren wird auf ihre Schreiben vom 21.1.2004, 1.3.2004, 13.5.2004 und 2.12.2004 sowie das mit "16.7.2004" datierte Schreiben (Stellungnahme zum Schreiben des FA vom 13.12.2004) Bezug genommen; ergänzend wird auch auf die diesbezügliche Darstellung des Einspruchsvorbringens in der Einspruchsentscheidung verwiesen. Bezogen auf die in den Bescheidserläuterungen angesprochenen Streitpunkte "Verlustzurechnung" und "Sonderbetriebseinnahme" vertrat die Klägerin im Wesentlichen folgende Auffassungen:

"Verlustzurechnung":

Sie, die Klägerin, habe die Verluste, die über die Einlage des C hinausgingen, aufgrund vertraglicher Verpflichtung wirtschaftlich sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis zu tragen. Sie seien ihr sofort zuzuordnen. Das vom FA angeführte BFH-Urteil in BStBl II 2002, 858 sei mangels Vergleichbarkeit des Sachverhalts nicht anwendbar. Die Verlustzuweisung sei in § 7 Abs. 2 GV eindeutig geregelt. Diese Regelung sowie die tatsächliche Durchführung derselben hindere eine Anwendung des § 15a EStG. Die (fraglichen) Verlustanteile seien durch die Klägerin und nicht durch C aus künftigen Gewinnen auszugleichen. Wenn künftig Gewinne anfielen, so würden diese nicht C, sondern der Klägerin vorab zugerechnet. Für C werde so die Verpflichtung zum Ausgleich seines Verlustvortragskontos gem. § 8 GV erfüllt. Auch der BFH habeim Urteil vom 8.9.1992 IX R 335/87 (BStBl II 1993, 281) ausgeführt, dass eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, nach der Verluste der Gesellschaft zunächst auf die Kommanditisten aufgeteilt, nach der Aufzehrung von deren Kapitalkonten aber von den Komplementären getragen werden sollten, steuerrechtlich auch nach Inkrafttreten des § 15a EStG zu berücksichtigen sei. Bei § 7 Abs. 2 GV handele es sich um eine solche gesellschaftsvertragliche Verlustzuweisung. Aus § 8 Abs. 2 GV ergebe sich nichts anderes, zumal hier nicht geregelt sei, durch wen der Ausgleich erfolgen müsse. Die Verbuchung auf Verlustvortragskonten diene lediglich der Darstellung gegenseitiger gesellschaftsrechtlicher Ausgleichsansprüche. Dementsprechend sei die Bezeichnung Sonderkonto gewählt worden. Es handele sich nur um einen "Korrektur- oder Luftposten". Demnach sei auch § 8 Abs. 2 Satz 2 GV als Regelung zu verstehen, die eine Abweichung von der üblichen Gewinnverteilungsabrede zugunsten der Klägerin bis zur Höhe des Luftpostens beinhalte. Soweit der Gesellschaftsvertrag insoweit widersprüchlich sein sollte, sei er anhand des Willens der Vertragspartner auszulegen; derselbe sei aber eindeutig dahingehend bekundet worden, dass die Klägerin den die Einlage des C übersteigenden Verlust zu tragen habe.

"Sonderbetriebseinnahme":

Das FA habe zu Unrecht angenommen, dass die Tätigkeitsvergütung nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags handelsrechtlich als Unkosten zu behandeln sei. Die Regelung in § 7 Abs. 4 Satz 3 GV ("Die Vorabvergütung stellt im Verhältnis der Gesellschafter zueinander Aufwand der Gesellschaft dar.") stehe nach der BFH-Rechtsprechung der Annahme eines Vorabgewinns nicht entgegen. Wille der Beteiligten sei es gewesen, eine Regelung im Rahmen der Gewinnverteilung zu treffen.

Hiervon ausgehend begründete die Klägerin auch ihre Auffassung zum Streitpunkt "Bilanzberichtigung".

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 9.2.2005). Wegen der Ausführungen des FA wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage der Klägerin. Wegen ihres Vorbringens im Klageverfahren wird auf die Schriftsätze vom 11.3.2005, 9.6.2005 und 25.7.2005 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

(1.)

den Feststellungsbescheid 2001 vom 16.12.2003 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 9.2.2005 dahin abzuändern, dass der Klägerin ein Verlust von DM zugerechnet wird und

(2.)

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt aus den in seinen Schriftsätzen vom 2.5.2005, 22.6.2005 und 8.8.2005 ausgeführten Gründen,

die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beigeladene beantragt,

den Feststellungsbescheid 2001 vom 16.12.2003 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 9.2.2005 dahin abzuändern, dass ihm ein Gewinn von insges. DM zugerechnet wird.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Das FA hat die Tätigkeitsvergütung zu Unrecht als Sonderbetriebseinnahme des Beigeladenen behandelt. Es hat auch zu Unrecht angenommen, dass sich die Regelung betreffend die Verlustbegrenzung des Beigeladenen (§ 7 Abs. 2 GV) nicht auf den ihm nach dem Ergebnisverteilungsschlüssel (§ 7 Abs. 1 GV) zuzurechnenden laufenden Verlust bezog.

I.

Die Tätigkeitsvergütung ist nach dem Gesellschaftsvertrag im Einklang mit den Grundsätzen, die der BFH zur Abgrenzung von Dienstleistungsentgelt und Gewinnvorab aufgestellt hat, nicht als Sondervergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG, sondern als Gewinnvorab zu qualifizieren. Dass die Tätigkeitsvergütung in der ursprünglichen (handelsrechtlichen) Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwand erfasst worden ist, ist unschädlich.

1. Der BFH hat in dem vom FA herangezogenen BFH-Urteil in BStBl II 2001, 621 zur Abgrenzung von Dienstleistungsentgelt und Gewinnvorab entschieden, dass der Anspruch über eine als Sonderbetriebseinnahme zu erfassende Dienstleistungsvergütung nicht nur in einem besonderen Dienstvertrag, sondern auch im Gesellschaftsvertrag selbst vereinbart werden könne. Dies trage dem Umstand Rechnung, dass nicht nur unentgeltliche, sondern auch entgeltliche Dienstleistungen Gegenstand eines Beitrags des Gesellschafters zur Förderung des gemeinsamen Zwecks sein könnten. Hiervon sei allerdings nur dann auszugehen, wenn die Vergütung nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags als (handelsrechtliche) Unkosten zu behandeln und insbesondere --im Gegensatz zu einem Gewinnvorab-- auch dann zu zahlen sei, wenn kein Gewinn erwirtschaftet werde. Fehle es hingegen an einer hierauf gerichteten unmissverständlichen Vereinbarung, so handele es sich --im Zweifel-- um eine bloße Gewinnverteilungsabrede.

Danach ist "in der Regel die im Gesellschaftsvertrag getroffene Vereinbarung maßgebend" (vgl. BFH-Beschluss vom 20.5.2005 VIII B 161/04, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH/NV-- 2005, 1785).

2. Im Streitfall fehlt es an unmissverständlichen Vereinbarung betreffend die Behandlung der Vergütung als (handelsrechtliche) Unkosten.

a) Nach dem Wortlaut des Gesellschaftsvertrages ist ein Gewinnvorab und keine Sonderbetriebseinnahme vereinbart worden. Dies ergibt sich bereits daraus, dass im Gesellschaftsvertrag wiederholt die Begriffe "Vorabgewinn" (§ 2, § 7 Abs. 4 Sätze 1 und 2) und "Vorabvergütung" (§ 7 Abs. 4 Satz 3) verwendet wurden. Dass die Verwendung solcher Begriffe die Annahme rechtfertigt, dass ein Vorabgewinn ausdrücklich und eindeutig vereinbart ist, hat der BFH im Beschluss in BFH/NV 2005, 1785 (dort betreffend die Begriffe "Vorabvergütung" und "Vorab-Gewinnanteil") zutreffend ausgesprochen.

b) Die in § 7 Abs. 4 Satz 3 GV getroffene Regelung, wonach die Vorabvergütung im Verhältnis der Gesellschafter untereinander Aufwand der Gesellschaft darstellt, steht der Annahme, dass ein Vorabgewinn ausdrücklich und eindeutig vereinbart ist, nicht entgegen.

aa) Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hat zwar im Urteil vom 23.10.2007 6 K 1332/03 B (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2008, 219) betreffend eine gleichlautende ("für die Auslegung zentrale") Regelung in § 7 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages angenommen, sie sei insofern "in sich nicht widerspruchsfrei", als sie einerseits regele, dass es sich bei der Tätigkeitsvergütung um einen "Gewinnvorab" handele, andererseits aber bestimme, dass sie im Verhältnis der Gesellschafter zueinander Aufwand der Gesellschaft darstelle. Da die Tätigkeitsvergütung aber unstreitig als Aufwand der Gesellschaft und zugleich als Sondervergütung der atypisch stillen Gesellschafter behandelt worden sei, sei davon auszugehen, dass sie nicht als Gewinnverteilung auf der ersten Gewinnermittlungsstufe der Gesellschaft, sondern als schuldrechtlich vereinbarte Tätigkeitsvergütung anzusehen sei.

bb) Soweit das FG Berlin-Brandenburg die Regelung als "in sich nicht widerspruchsfrei" beurteilt hat, vermag der Senat diesem Ausgangpunkt nicht beizupflichten. Angesichts der wiederholten Verwendung der Begriffe "Vorabgewinn" und "Vorabvergütung" verdeutlicht die Regelung wegen der Einschränkung "im Verhältnis der Gesellschafter untereinander" den Willen der Vertragspartner, dass die Vergütung Bestandteil der Gewinnverteilung sein sollte. Diese Auffassung hat auch das FG Berlin in seinen Beschlüssen vom 18.2.2004 7 B 7461/03 und vom 5.4.2004 2 B 2520/03 (n.v.) vertreten, die sowohl der Prozessbevollmächtigten der Klägerin als auch dem FA aus anderen, beim Senat anhängigen Aussetzungsverfahren betreffend die Anwendung des § 35 EStG auf Mitunternehmerschaften bekannt sind. In beiden Beschlüssen führte das FG Berlin gleichlautend in Bezug auf die gesetzliche Regelung, wonach "Vorabgewinne ... nicht zu berücksichtigen" sind, aus: Die Antragstellerin zu 2. (= atypisch stille Gesellschafterin) habe nicht nur nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 4 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages eine Tätigkeitsvergütung als Vorabgewinn erhalten, sondern nach § 7 Abs. 4 Satz 2 stellte diese Vorabvergütung im Verhältnis der Gesellschafter zueinander Aufwand der Gesellschaft dar. Gesellschafter der atypisch stillen Gesellschaft könnten hier nur die beiden Antragstellerinnen (= Geschäftsinhaberin und atypisch stille Gesellschafterin) sein. Dementsprechend handele es sich bei der Tätigkeitsvergütung der Antragstellerin zu 2. um einen Vorabgewinn, der bei der Berechnung des Gewinnverteilungsschlüssels auszusondern sei (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2001, 621, 624) .

cc) Im Übrigen wäre selbst nach den vom FG Berlin-Brandenburg aufgestellten Grundsätzen im Streitfall aus zwei Gründen keine Sonderbetriebseinnahme anzunehmen:

Aus der bloßen --nach den vorstehenden Ausführungen unzutreffenden-- Annahme einer "in sich nicht widerspruchsfreien" Regelung kann nicht auf eine "unmissverständliche Vereinbarung" geschlossen werden, die auf eine Behandlung der Vergütung als (handelsrechtliche) Unkosten gerichtet ist; demzufolge würde der im BFH-Urteil in BStBl II 2001, 621 aufgestellte Rechtsgrundsatz eingreifen, wonach es sich --im Zweifel-- um eine bloße Gewinnverteilungsabrede handelt.

Ferner verhält es sich im Streitfall so, dass die Vergütung eben nicht "unstreitig" als Aufwand der Gesellschaft und zugleich als Sondervergütung des atypisch stillen Gesellschafters behandelt worden ist. Denn die Vergütung wurde in der Feststellungserklärung (von vornherein) als Vorabgewinn behandelt.

c) Bei der Einordnung der Vergütung ist ferner vorrangig auf die getroffenen Vereinbarungen und nicht auf die buchtechnische Abwicklung abzustellen. Die Buchungen --auf die das FA im Streitfall letztlich entscheidend abgestellt hat-- haben nur eine nachrangige Indizwirkung. Hiervon ausgehend hat der BFH im Beschluss in BFH/NV 2005, 1785 entschieden, es sei unschädlich, dass Zahlungen an die Gesellschafter in der handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung der KG als Aufwand erfasst und dies "erst im Rahmen der Gewinnverteilung korrigiert" worden sei.

Genau so verhält es sich auch im Streitfall. Die Erfassung der Vergütung als Aufwand in der ursprünglichen Gewinn- und Verlustrechnung ist unschädlich, zumal sie bereits im Rahmen der Gewinnverteilung (s. Anlagen zur Feststellungserklärung) korrigiert worden ist.

d) Im Übrigen ist auch hervorzuheben, dass bei anderen atypisch stillen Gesellschaften, an denen die Klägerin beteiligt ist, die entsprechenden Aufwandsbuchungen bereits im Rahmen der Abschlussbuchungen rückgängig gemacht worden sind. Diesbezüglichen Ausführungen des Klägerin im Schreiben vom 2.12.2004 hat das FA nicht widersprochen. So gesehen ist angesichts der eher zufälligen unterschiedlichen Handhabung bei sämtlichen atypisch stillen Gesellschaften, an denen die Klägerin --und zwar mit vermutlich "gleichgelagerten" Gesellschaftsverträgen-- beteiligt ist, die ohnehin nur nachrangige Indizwirkung der Aufwandserfassung in der Gewinn- und Verlustrechnung noch weiter "abgeschwächt".

e) Da die Erfassung der Vergütung als Aufwand in der ursprünglichen Gewinn- und Verlustrechnung in jedem Fall unschädlich war, kommt es auf auf den Streit der Beteiligten betreffend die "Bilanzberichtigung" nicht an.

II.

Die Regelung betreffend die Verlustbegrenzung des Beigeladenen (§ 7 Abs. 2 GV) ist entgegen der Ansicht des FA dahin auszulegen, dass sie sich auf den dem Beigeladenen nach dem Ergebnisverteilungsschlüssel (§ 7 Abs. 1 GV) zuzurechnenden laufenden Verlust bezog. Die Annahme eines diesbezüglichen Willens der Vertragspartner wird auch nicht durch den Umstand erschüttert, dass der wegen der Verlustbegrenzung des Beigeladenen zusätzlich der Klägerin zugerechnete Betrag ( DM) auf dem "Sonderkonto C" bzw. "Sonderverlustkonto C" verbucht worden ist.

1. a) Nach § 231 Abs. 2 1. Halbsatz HGB kann im Gesellschaftsvertrag bestimmt werden, dass der stille Gesellschafter nicht am Verlust beteiligt sein soll. Nach dieser Vorschrift kann die Beteiligung des Stillen an laufenden Verlusten ganz oder teilweise ausgeschlossen werden. Denn der Verlustanteil kann "nach oben begrenzt" werden (vgl. Zutt in Staub, HGB, Großkommentar, 4. Aufl., § 231 Rz. 5). Dies kann auch dergestalt bestimmt werden, dass die Zurechnung laufender Verluste beim Stillen nach dem (allgemeinen) Verlustverteilungsschlüssel auf den Betrag seiner Einlage mit der Folge begrenzt wird, dass ein passiver Saldo seines Einlagekontos ausgeschlossen ist und der Teil des Verlustanteils des Stillen, der sein Einlagekonto übersteigt, dem Geschäftsinhaber zugerechnet wird.

b) Vergleichbare Regelungen können auch bei einer KG getroffen werden. Dementsprechend hat der BFH in dem von der Klägerin herangezogenen Urteil in BStBl II 1993, 281 entschieden, dass eine Vereinbarung der Gesellschafter einer KG mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, nach der den Kommanditisten Werbungskostenüberschußanteile nur zugerechnet werden sollen, soweit dadurch kein negatives Kapitalkonto entsteht, grundsätzlich auch nach Inkrafttreten der §§ 15a, 21 Abs.1 Satz 2 EStG der Besteuerung zugrunde zu legen sei. Der BFH habe --allerdings für Streitjahre vor Inkrafttreten des § 15a EStG-- entschieden, dass eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, nach der die Verluste der Gesellschaft zunächst auf die Kommanditisten aufgeteilt, nach Aufzehrung von deren Kapitalkonten aber von den Komplementären getragen werden sollen, steuerrechtlich zu berücksichtigen sei(Urteil vom 26.3.1987 IV R 249/84, BFH/NV 1988, 699).

Der BFH hat in BFH/NV 1988, 699 ausgeführt, dass für die Verteilung von Verlusten innerhalb einer KG --im Rahmen des maßgebenden handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssels-- grundsätzlich zwei Möglichkeiten bestünden:

(1.) Die Verluste könnten zwischen dem persönlich haftenden Gesellschafter und den Kommanditisten aufgeteilt und diesen auch dann zugerechnet werden, wenn dadurch ihr Kapitalkonto negativ werde. Dies bedeute, dass die Kommanditisten künftige Gewinnanteile zur Deckung des negativen Kapitalkontos verwenden müssten und erst danach die Auszahlung von Gewinnen verlangen könnten (§ 169 Abs.1 HGB). Ein derartiges Vorgehen sei trotz des abweichenden Wortlauts des § 167 Abs. 3 HGB handelsrechtlich unbedenklich und steuerrechtlich anzuerkennen (BFH-Beschluss vom 10.11.1980 GrS 1/79, BStBl II 1981, 164).

(2.) Die Gesellschafter könnten aber auch vereinbaren, dass ein entstandener Verlust nach Erschöpfung der (positiven) Kapitalkonten der Kommanditisten dem Komplementär zugerechnet werde und dass der Komplementär die künftigen Gewinne so lange erhalte, bis die übernommenen Verlustanteile ausgeglichen seien. Auch eine derartige Abrede sei steuerlich zu berücksichtigen. Sie führe dazu, dass die übernommenen Verlustanteile ebenso wie die späteren Gewinnanteile dem Komplementär zugerechnet würden (BFH-Urteil vom 13.3.1964 VI 343/61 S, BStBl III 1964, 359).

2. Nach der in § 7 Abs. 2 GV durch das Wort "gemäß" in Bezug genommenen Vorschrift des § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB nimmt der stille Gesellschafter "an dem Verlust nur bis zum Betrag seiner eingezahlten oder rückständigen Einlage teil". Diese Vorschrift besagt, wie das FA im Ausgangspunkt zu Recht angenommen hat, nur, dass der stille Gesellschafter ohne eine eindeutig entgegenstehende Bestimmung im Gesellschaftsvertrag nicht zu Nachschüssen verpflichtet ist. Die Vorschrift begrenzt entsprechend § 167 Abs. 3 HGB den (endgültigen) Verlustanteil des Stillen auf seine Einlage; auch bei Ende der Gesellschaft trifft ihn keine Nachschusspflicht, wenn nichts anderes vereinbart ist (vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 232 Rz. 6).

§ 232 Abs. 2 Satz 1 HGB läßt deshalb eine Auslegung des Gesellschaftsvertrags mit dem Ergebnis, dass der stille Gesellschafter an den laufenden Verlusten des Unternehmens beteiligt ist und nach Aufzehrung der geleisteten Einlage ein negatives Kapitalkonto bildet, unberührt (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2002, 858 unter II. 1. a der Gründe; Hopt in Baumbach/Hopt, a.a.O., § 232 Rz. 6; Zutt in Staub, a.a.O., § 232 Rz. 29; K. Schmidt in Schlegelberger, HGB, 5. Aufl., § 337 (§ 232 n.F.) Rz. 32).

Eine "bloße Verlustbeteiligungsklausel", die § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB "ausgestaltet", ist z.B.: "Der Stille nimmt im Verhältnis am Verlust uneingeschränkt teil, jedoch unbeschadet seiner nur auf die Einlage beschränkten Haftung nach außen" (vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, a.a.O., § 232 Rz. 6 mit Hinweis auf das Urteil des Oberlandesgerichts --OLG-- Karlsruhe vom 19.2.1986 6 U 111/85, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1986, 387).

3. Von einem entsprechenden, zutreffenden Verständnis des § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB ausgehend hat das FA § 7 Abs. 2 GV dahingehend ausgelegt, dass keine Begrenzung in Bezug auf den laufenden Verlust des Beigeladenen gewollt gewesen sei. Diese Auslegung erscheint, wenn man nur den Wortlaut der Regelung isoliert betrachtet, durchaus möglich. Denn man könnte --wie dies das OLG Karlsruhe im Urteil in GmbHR 1986, 387 betreffend die vorerwähnte, allerdings anderweitig formulierte "bloße Verlustbeteiligungsklausel" getan hat-- § 7 Abs. 2 GV ggf. als "keineswegs überflüssige Klarstellung" dahin verstehen, dass der Beigeladene nicht zu Nachschüssen verpflichtet sein sollte. Wenn dies allerdings der wirkliche Wille der Vertragspartner gewesen wäre, so hätte es nahegelegen, diese "Klarstellung" bzw. "Bestätigung" der dispositiven Gesetzesvorschrift des § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB nicht in § 7 GV, sondern in diejenigen Regelungen des Gesellschaftsvertrages aufzunehmen, die die Abwicklung beim Ende der Gesellschaft betrafen (s. z.B. § 12 GV betreffend Abfindung und Auseinandersetzungsbilanz). Demzufolge ist die vom FA angenommene Auslegung schon deshalb zweifelhaft, weil sie den "Regelungszusammenhang", der ein für die Auslegung bedeutsamer Begleitumstand ist, nicht berücksichtigt.

4. Die Klägerin hat sich demgegenüber darauf berufen, dass im Streitfall eine dem BFH-Urteil in BStBl II 1993, 281 vergleichbare Verlustbegrenzung betreffend die laufenden Verlustanteile des Beigeladenen gewollt gewesen sei. Dem ist nach Maßgabe der für die Auslegung von Verträgen (auch von Gesellschaftsverträgen) anerkannten Grundsätze aus folgenden Gründen beizupflichten:

a) Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§ 157 BGB). Ziel jeder Auslegung ist es demnach, den wahren Willen der Vertragschließenden zu ermitteln. Demzufolge ist ggf. der übereinstimmende Parteiwille sogar dann maßgebend, wenn er vom Wortlaut der Erklärungen abweicht (s. z.B. BFH-Urteil vom 10.5.1984 IV R 68/82, n.v., dokumentiert in [...], mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.1.1980 VII ZR 42/78, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1980, 992).

b) § 7 Abs. 2 GV steht im Regelungszusammenhang mit § 7 Abs. 1 GV, der in Bezug auf den Ergebnisverteilungsschlüssel das laufende Ergebnis betrifft, und mit § 7 Abs. 3 GV, der die Einbeziehung der Gewerbesteuer in die Ermittlung des laufenden Ergebnisses regelt.

c) § 7 Abs. 2 GV ist nach seinem Wortlaut nicht mit der "bloßen Verlustbeteiligungsklausel" im Fall des Urteils des OLG Karlsruhe in GmbHR 1986, 387 vergleichbar. § 7 Abs. 2 GV enthält jedenfalls keine ausdrückliche Bestimmung, dass der Beigeladene am Verlust uneingeschränkt teilnehmen sollte.

d) Soweit nach der in § 7 Abs. 2 GV durch das Wort "gemäß" in Bezug genommenen Vorschrift des § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB der stille Gesellschafter an dem Verlust nur bis zum Betrag seiner eingezahlten oder rückständigen Einlage teilnimmt, erscheint ein Irrtum der Vertragsbeteiligten über die Bedeutung dieser Vorschrift als möglich. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass der dieser Vorschrift unmittelbar vorangestellte § 232 Abs. 1 HGB ("Am Schluß jedes Geschäftsjahrs wird der Gewinn und Verlust berechnet und der auf den stillen Gesellschafter fallende Gewinn ihm ausbezahlt.") das laufende Ergebnis betrifft.

e) Der danach ernstlich mögliche Irrtum der Vertragsbeteiligten über die Bedeutung des § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB gewinnt für die Auslegung auch umsomehr an Gewicht, als eine Begrenzung der laufenden Verluste des Beigeladenen nach Ansicht des Senats unzweifelhaft z.B. durch folgende Formulierungen des § 7 Abs. 2 GV hätte geregelt werden können:

- "Eine Beteiligung des Gesellschafters an Verlusten der Kanzlei über seine Vermögenseinlage hinaus wird gem. § 231 Abs. 2 1. Halbsatz HGB ausgeschlossen."

- "Eine Beteiligung des Gesellschafters an laufenden Verlusten der Kanzlei über seine Vermögenseinlage hinaus wird ausgeschlossen."

Auch diese --nur in Nuancen von der tatsächlich in § 7 Abs. 2 GV getroffenen Regelung abweichenden-- Formulierungen belegen zumindest, dass die vom FA befürwortete, an dem Wortlaut "haftende" Auslegung fragwürdig ist.

f) Hinzu kommt, dass "andere Vertragspartner" eine gleichlautende Regelung in § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages offensichtlich in dem von der Klägerin behaupteten Sinne verstanden haben. Der Senat verweist diesbezüglich auf die Wiedergabe der Regelungen in § 7 Abs. 1 bis 3 des Gesellschaftsvertrages im Tatbestand des Urteils des FG Berlin-Brandenburg in EFG 2008, 219. Dort folgte der --vergleichbaren-- Regelung betreffend die prozentuale Beteiligung der Gesellschafter am Ergebnis und Vermögen (Abs. 1) ein gleichlautender Abs. 2, dem sich sodann folgender Abs. 3 anschloss:

"Sollten dem Geschäftsinhaber wegen der Begrenzung des § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB höhere Verlustanteile zugerechnet werden, als es seiner Beteiligung entspricht, werden ihm diese Differenzbeträge in folgenden Gewinnjahren als Vorabgewinn zugerechnet."

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass das Urteil des FG Berlin-Brandenburg eine atypisch stille Gesellschaft betraf, die zur Unternehmensgruppe "X" gehört. Diese Unternehmensgruppe besteht aus einer in Y-Stadt ansässigen Mutter (GmbH) mit Töchtern (GmbH's), wobei sich entweder die Mutter oder eine ihrer Töchter jeweils als Geschäftsinhaberin an insges. rund 360 atypisch stillen Gesellschaften (mit Steuerberatern oder Steuerbevollmächtigten als Stillen) beteiligt haben. Diese Unternehmensgruppe "X" ist mit der hier interessierenden Unternehmensgruppe "A" zumindest insofern "personell verflochten", als der Geschäftsführer der Klägerin, Rechtsanwalt und Steuerberater B, auch Geschäftsführer der X-GmbH (Mutter) ist. Er ist zugleich auch Geschäftsführer der in Y-Stadt ansässigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Deren Unterbevollmächtigter hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage bestätigt, dass die jeweiligen Gesellschaftsverträge für beide Unternehmensgruppen von Herrn A "gefertigt" wurden. Ferner verhält es sich auch so, dass der hier interessierende Gesellschaftsvertrag für die Klägerin von Herrn A unterzeichnet worden ist.

g) Nach alledem deuten bereits viele, für die Auslegung von Verträgen ebenfalls maßgebende Begleitumstände darauf hin, dass die Vertragspartner tatsächlich den von der Klägerin behaupteten Parteiwillen hatten.

Im Streitfall fehlt zwar eine dem § 7 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages im Fall des Urteils des FG Berlin-Brandenburg entsprechende Regelung. Dies steht indes nicht der Annahme entgegen, dass nicht nur die Klägerin, sondern auch der Beigeladene § 7 Abs. 2 GV in einem entsprechenden Sinne verstanden (bzw. die Bedeutung des durch das Wort "gemäß" in Bezug genommenen § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB mißverstanden) haben.

h) Dass dies tatsächlich der Wille der Vertragspartner war, wird schließlich auch durch die aus der Feststellungserklärung 2001 ersichtliche tatsächliche Handhabung der Beteiligten belegt:

Wenn dem Beigeladenen ein über den Betrag seiner Einlage hinausgehender Verlust zuzurechnen gewesen wäre, wäre der gesamte Verlustanteil auf das "Verlustvortragskonto" (s. § 8 Abs. 2 Satz 1 GV) des Beigeladenen zu verbuchen gewesen. Dies ist indes gerade nicht geschehen. Aus der "Entwicklung variable Kapitalkonten" ergibt sich, dass nur der dem Beigeladenen zugerechnete Verlustanteil von DM auf dessen "Verlustvortragskonto" bzw. "variables Kapitalkonto" gebucht wurde.

Auch die übrige buchtechnische Abwicklung steht nicht im Widerspruch, sondern im Einklang mit dem von der Klägerin behaupteten Parteiwillen. Denn auf dem "Verlustvortragskonto" bzw. dem "variablen Kapitalkonto" der Klägerin wurde folgerichtig nur derjenige Verlustanteil ( DM) verbucht, der nach dem allgemeinen Verteilungsschlüssel (§ 7 Abs. 1 GV) auf die Klägerin entfiel. Der wegen der Verlustbegrenzung des Beigeladenen (§ 7 Abs. 2 GV) zusätzlich der Klägerin zugerechnete Verlust ( DM) wurde zutreffend nicht auf dem "Verlustvortragkonto" bzw. dem "variablen Kapitalkonto" der Klägerin, sondern auf dem "Sonderkonto C" verbucht. Dass der Betrag von DM nicht auf dem "Verlustvortragkonto" bzw. dem "variablen Kapitalkonto" der Klägerin, sondern auf dem "Sonderkonto C" verbucht worden ist, erklärt sich zwangslos daraus, dass zum Zwecke entsprechender, künftiger "Vorabgewinnzurechnungen" in Gewinnjahren ein "Merkposten" zu bilden war. Das "Sonderkonto C" repräsentiert, wie die Klägerin zutreffend ausgeführt hat, lediglich einen solchen "Merkposten"; er dient lediglich dazu, dass die Klägerin die künftigen Gewinne (d.h. die wegen der Verlustbegrenzung des Beigeladenen der Klägerin insoweit zusätzlich vorab zuzurechnenden künftigen Gewinnanteile des Beigeladenen lt. Gewinnverteilungsschlüssel) so lange erhält, bis der durch die Klägerin übernommene Verlustanteil ( ) ausgeglichen ist.

i) Die aus der Feststellungserklärung ersichtliche tatsächliche Handhabung der Beteiligten wurde auch durch die Anlagen zum Schreiben der Klägerin vom 2.12.2004 der Sache nach nicht berührt ("Sonderverlustkonto C" ). In Bezug auf die "Verlustbegrenzungsklausel" ist aus den dem Senat vorliegenden Feststellungserklärungen 2002 bis 2004 auch eine entsprechende, tatsächliche Handhabung der Beteiligten für die Folgejahre ersichtlich. Denn dem Beigeladenen wurden keine Anteile an weiteren, laufenden Verlusten zugerechnet.

III.

Danach war den Sachanträgen der Klägerin und des Beigeladenen stattzugeben.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Da der Beigeladene mit seinem Sachantrag ein Kostenrisiko getragen hat (s. § 135 Abs. 3 FGO), waren dessen außergerichtliche Kosten nach § 139 Abs. 4 FGO dem FA aufzuerlegen.

Soweit die Klägerin einen Bevollmächtigten für das Vorverfahren hinzugezogen hat, war dies nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären.

V.

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs 2 Nr. 1 FGO. Der Umstand, dass entsprechende Vertragsklauseln in einer Vielzahl von Fällen, mit denen das FA befasst ist, von Bedeutung sind, ist unerheblich.

Geht es im Kern nur um die Auslegung von Gesellschaftervereinbarungen, so muß nach der BFH-Rechtsprechung bei einer Nichtzulassungsbeschwerde die Rechtsfrage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung den eingeschränkten Prüfungsbereich des Revisionsgerichts bei Vertragsauslegungen betreffen (s.Beschluss vom 8.4.1999 II B 81/98. n.v., mit Gründen dokumentiert in [...], Leitsatz abgedruckt in BFH/NV 1999, 1469). Dementsprechend war die grundsätzliche Bedeutung im Streitfall deshalb zu verneinen, weil die gesetzlichen Auslegungsregeln --insbesondere die §§ 133, 157 BGB-- beachtet sind und der Senat alle für die Auslegung bedeutsamen Begleitumstände erforscht hat (s. hierzu die Gründe des vorerwähnten BFH-Beschlusses).



Ende der Entscheidung

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