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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.03.2008
Aktenzeichen: 16 K 2223/06 E
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 173 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 11 Abs. 1 S. 1
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

16 K 2223/06 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit Urteil vom 4.2.1998 hatte die Klägerin beim Landgericht (LG) Düsseldorf einen Betrag von 2.326.297 DM zzgl. Zinsen gegen die von ihr verklagten Gesamtschuldner B - C - D (zukünftig: die zivilgerichtlich Beklagten) erstritten. Das Urteil wurde gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Die Sicherheit konnte auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank erbracht werden. Die Klägerin machte von der Möglichkeit Gebrauch, aus dem Urteil des LG schon vor Eintritt der Rechtskraft gegen Leistung der geforderten Sicherheit zu vollstrecken. Aus diesem Grund stellte die Bank eine selbstschuldnerische Bürgschaft in der geforderten Höhe aus. Im Gegenzug hatte die Klägerin mit der Bank vereinbart, den erstrittenen Gesamtbetrag von 3.320.602 DM auf einem gesperrten Sonderkonto zu hinterlegen. In einem Bestätigungsschreiben vom 20.3.2000 heißt es hierzu auszugsweise:

Mit Bezug auf den o.a. Rechtsstreit und das zugunsten unserer Kundin durch das Landgericht Düsseldorf ergangene Urteil haben wir im April 1998 eine Prozessbürgschaft in der vom Landgericht Düsseldorf festgesetzten Höhe von 3.553.405,73 zur Durchführung der Vollstreckung aus dem Urteil ausgestellt. Der eingegangene Gegenwert in Höhe von 3.235.405,73 - verbucht am 24.4.1998 - dient uns als Sicherheit für das ausgereichte Prozeßaval und ist auf einem Sonderkonto hinterlegt und gesperrt. Der Geldbetrag steht (...) bis heute nicht zu ihrer freien Verfügung, solange kein rechtskräftiges Urteil zu Ihren Gunsten vorliegt.

In den Streitjahren hatte die Klägerin für die Gestellung der Bürgschaft folgende Avalprovisionen zu entrichten:

 1998199920002001
18.756,73 DM24.875,64 DM25.129,21 DM25.153,66 DM

Der Gerichtsstreit endete nach erfolgloser Berufung (Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16.12.1999) und Revision (Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.2.2002) zu Gunsten der Klägerin. Mit dem Erlöschen der Bürgschaft nach Verfahrensbeendigung gab die Bank das gesperrte Konto frei. Die Klägerin ging davon aus, dass dadurch der steuerliche Zufluss der Zinsen gem. § 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bewirkt wurde und erklärte in ihrer Einkommensteuererklärung für 2002 folgende Zinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen:

 Prozesszinsen994.304,39 DM
Zinsen Sperrkonto 199854.145,58 DM
Zinsen Sperrkonto 199999.330,57 DM
Zinsen Sperrkonto 2000128.374,23 DM
Zinsen Sperrkonto 200188.761,34 DM

Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht, sondern vertrat die Auffassung, dass die Zinsen der Klägerin bereits zum Zeitpunkt der jeweiligen Gutschrift auf dem Sperrkonto zugeflossen seien, und zwar wie folgt auf die einzelnen Veranlagungszeiträume verteilt:

 1998199920002001
1.048.449,97 DM99.330,57 DM128.374,23 DM88.761,34 DM

Zur Begründung wies das FA darauf hin, dass der Umstand, dass Leistungen auf ein Sperrkonto des Leistungsempfängers überwiesen würden und das Guthaben anschließend an eine Bank verpfändet werde, der Annahme eines Zuflusses nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht entgegenstehe. Denn die Verpfändung setze die vorangegangene Verfügungsbefugnis voraus. Der Einwand der Klägerin, im Streitfall handle es sich nicht um eine freie Vereinbarung, sondern um eine gerichtlich angeordnete Verfügungsbeschränkung in Gestalt einer Sicherheitsleistung, ändere daran nichts. Denn die Klägerin habe von der ihr frei eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Zwangsvollstreckung vor Rechtskraft durchzuführen. Der Umstand, dass infolge der Verpfändung der Geldanlage hernach die Verfügungsmöglichkeit eingeschränkt worden sei, sei nach Maßgabe der wiedergegebenen BFH-Rechtsprechung unmaßgeblich.

Das FA erließ am 19.12.2003 für 1998 und am 2.1.2004 für 1999 bis 2001 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen u.a. die hier streitigen Zinserträge als Einnahmen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG angesetzt und die Avalprovisionen als Werbungskosten in Abzug gebracht wurden. Die hiergegen fristgemäß eingelegten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 9.5.2006 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage. Zur Begründung führt die Klägerin aus, dass sie aus dem Urteil des LG vollstreckt habe, weil seinerzeit Unsicherheit darüber geherrscht habe, ob die zivilgerichtlich Beklagten dauerhaft in der Lage sein würden, die Klageforderung zu begleichen. Die Vollstreckung sei daher sinnvoll und erforderlich gewesen. Die Sicherheitsleistung habe sie ausschließlich im Wege einer Bankbürgschaft leisten können. Hierzu sei die Bank unter der Prämisse bereit gewesen, dass die Zahlungen für sämtliche Beträge auf ein Sperrkonto flössen. Im Zeitpunkt des Eingangs auf dem Sperrkonto sei nicht klar gewesen, ob die Klägerin jemals über die betreffenden Beträge würde verfügen können. Im Falle eines Unterliegens in der zweiten oder dritten Instanz hätte die Bank die Beträge aufgrund der von ihr gestellten Bürgschaft zu Lasten des Sperrkontos an die zivilgerichtlich Beklagten zurückgezahlt. Es habe somit ein Schwebezustand geherrscht, der einen Zufluss im Sinne des § 11 EStG verhindert habe.

Dieser Schwebezustand lasse sich auch anhand einer wirtschaftlichen Analyse verdeutlichen. Zwar seien die in erster Instanz Verurteilten verpflichtet, bei entsprechender Sicherheitsleistung die Beträge in die Verfügungsmacht des Klägers zu übergeben. Wirtschaftlich stehe ihnen jedoch bis zur endgültigen Entscheidung ein gleichwertiger Anspruch zu. Handelsrechtlich sei in diesen Fällen eine Rückstellung für den möglichen Rückzahlungsanspruch zu bilden. Dadurch werde klar und deutlich abgebildet, dass sich das Vermögen noch nicht erhöht habe. Steuerlich sei bei der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich entsprechend zu verfahren. Bei den Überschusseinkünften könne man zwar die Auffassung vertreten, dass mangels eines technischen Instrumentes zur Berücksichtigung einer Rückzahlungsverpflichtung Zufluss anzunehmen sei. Ob dies aber in allen Fällen angemessen sei, müsse bezweifelt werden, wie gerade anhand des Streitfalls deutlich werde.

Ein Zufluss im Sinne des § 11 Abs. 1 EStG könne regelmäßig erst dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige die Verfügungsmacht erlangt habe. Nach der Rechtsprechung des BFH sei dies dann der Fall, wenn ein Geldbetrag auf dem Konto des Steuerpflichtigen gutgeschrieben worden sei. Dies gelte zwar auch dann, wenn der Betrag auf einem Sperrkonto des Steuerpflichtigen gutgeschrieben und dieses Guthaben anschließend an die Bank verpfändet werde, da die Verpfändung voraussetze, dass der Empfänger zunächst selbst Verfügungsberechtigter des Guthabens geworden sei (Hinweis auf BFH-Urteil vom 9. Juli 1987 IV R 87/85, Sammlung der Entscheidungen des BFH --BFHE-- 1988, 342, Bundessteuerblatt --BStBl-- II 1988, 342). Die letztgenannte Voraussetzung sei im Streitfall jedoch gerade nicht gegeben. Anders als vom BFH im bezeichneten Urteil gefordert sei die tatsächliche Überweisung auf das im Namen der Klägerin eingerichtete Sperrkonto hier erst nach der Stellung der Bürgschaft erfolgt. Die Beträge seien daher zu keinem Zeitpunkt, auch nicht für eine logische Sekunde, in die freie Verfügungsmacht der Klägerin gelangt, sondern seien unmittelbar an die Bank gegangen und hätten deren alleiniger Verfügungsmacht unterlegen. Man könne daher auch nicht davon ausgehen, dass die Klägerin aufgrund einer eigenen Disposition den Betrag der Sperre der Bank unterworfen habe. Im Kontoverhältnis zur Bank hätten die zugrunde liegenden Zahlungsmittel ohnehin der Bank gehört. Diese hätte hieraus während der Laufzeit der Bürgschaft auch keine Beträge an die Klägerin ausgezahlt. Vielmehr habe die Bank die Beträge zunächst im wirtschaftlichen und rechtlichen Interesse der zivilgerichtlich Beklagten verwaltet.

Der gesamte Vorgang habe ausschließlich der Durchführung der Bürgschaft gedient. Diese sei zwar von der Klägerin in Auftrag gegeben worden, habe aber letztlich im alleinigen Interesse der zivilgerichtlich Beklagten gelegen. Dies werde auch anhand der Konzeption der Zwangsvollstreckung nach deutschem Zivilprozessrecht deutlich. Die Aktivitäten zur Durchführung der Vollstreckung seien in Deutschland der Disposition der Parteien überlassen worden, allerdings mit der Einschränkung, dass die härtesten Eingriffe in Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols staatlichen Organen vorbehalten seien. Es bestehe daher ein Mischverhältnis zwischen staatlichem Handeln und privater Initiative. Das System verteile die Initiative nach Gerechtigkeitsvorstellungen und Praktikabilitätserwägungen. Dies gelte auch für die Frage, welche Partei in welchen Fällen und wann Sicherheit zu leisten habe. In Bezug auf die Möglichkeit der vorläufigen Vollstreckbarkeit stehe dahinter der Gedanke, dass der vorläufig Verurteilte für den Fall der Abänderung des Urteils vor Nachteilen geschützt werden müsse. Die Sicherstellung dieses Schutzes werde auf den Vollstreckungsberechtigten verlagert, was allerdings nichts daran ändere, dass der Schutz ausschließlich im Interesse des Schuldners liege.

Im Ergebnis seien daher weder die Prozesszinsen noch die auf dem Konto jährlich gutgeschriebenen Zinsen zugeflossen. Auch letztere seien noch keine vollgültigen Forderungen gewesen. Hiergegen lasse sich auch nicht argumentieren, dass die Klägerin durch das Anwachsen des Guthabens einen Betrag erlangt habe, der bei Zahlung an die zivilgerichtlich Beklagten die Leistungsfähigkeit der Klägerin erhöht hätte, denn auch diese Wirkung wäre erst am Ende des Schwebezustands eingetreten. Vorher hätte die Erhöhung des Guthabens dagegen nicht zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden können.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Einkommensteueränderungsbescheide für 1998 vom 19.12.2003 und für 1999 bis 2001 vom 2.1.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9.5.2006 dahingehend abzuändern, dass die Prozesszinsen in Höhe von 994.340,39 DM aus dem Rechtsstreit B-C-D sowie die auf dem Sperrkonto bei der Bank laufend gutgeschrieben Zinsen in Höhe von 54.145,58 DM (1998), 99.330,57 (1999), 128.374,23 (2000) und 88.761,34 (2001) in den Streitjahren nicht als Einnahmen im Sinne des § 20 Abs.1 Nr. 7 EStG erfasst werden, hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält an seiner im Veranlagungsverfahren bzw. Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Das FA hat zu Recht auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützte Änderungsbescheide erlassen und die hier streitigen Zinsen zutreffend in den Jahren 1998 bis 2001 als Einnahmen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfasst. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist von einem Zufluss nicht erst zum Zeitpunkt der Freigabe des Festgeldkontos bei der Bank im Jahr 2002 auszugehen.

1. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Zugeflossen ist eine Einnahme dann, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat (vgl. etwa BFH-Urteil vom 1.Oktober 1993 III R 32/92, BFHE 172, 445, BStBl II 1994, 179). Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juli 1987 IV R 87/85, BFHE 150, 345, BStBl II 1988, 342 m.w.N.). Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind sowohl die im Überweisungsbetrag der zivilgerichtlich Beklagten enthaltenen Prozesszinsen als auch die laufend auf dem Sperrkonto entstandenen Zinsen zum jeweiligen Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto und damit in den einzelnen Streitjahren 1998 bis 2001 der Klägerin zugeflossen. Denn zu diesem Zeitpunkt hat die Klägerin die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die entsprechenden Beträge erlangt.

2. Dem Zufluss steht nicht der Umstand entgegen, dass die Gutschrift der Prozess- bzw. Guthabenzinsen auf einem Sperrkonto erfolgte. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH wird hierdurch der Zufluss jedenfalls dann nicht gehindert, wenn die Sperre auf einer freien Vereinbarung zwischen Leistendem und Leistungsempfänger beruht, denn bereits in der Vereinbarung über die Sperre ist dann eine Verfügung zu sehen (vgl. grundlegend BFH-Urteil vom 23. April 1980 VIII R 156/75, BFHE 131, 41, BStBl II 1980, 643; ebenso bereits der Reichsfinanzhof --RFH--, vgl. etwa RFH-Urteil vom 20. November 1941 IV 193/41, RStBl 1942, 77 m.w.N.). Dem schließt sich der Senat an. Im Streitfall ist daher die Verfügungsbeschränkung durch die Kontensperre unbeachtlich, da diese auf den freiwilligen Willensentschluss der Klägerin zurückging, das Geld auf einem Sperrkonto als Sicherheit für die Bankbürgschaft zu hinterlegen. Zur Absicherung der Bürgschaft wäre jede andere Sicherheit - jedenfalls wenn die Klägerin über eine solche verfügt hätte - in Betracht gekommen.

Auch der Umstand, dass die Zahlung aufgrund des Gerichtsurteils bzw. die Entstehung der laufenden Zinsen letztlich auf einer vorläufigen Zwangsvollstreckungsmaßnahme im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens basierte, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Das von der Klägerin erstrittene Urteil des LG war gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar (§ 709 Satz 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Um diese Vollstreckungsmöglichkeit nutzen zu können, hat die Klägerin die geforderte Sicherheitsleistung durch Beibringung einer Bürgschaft der Bank erbracht, woraufhin die zivilgerichtlich Beklagten gezahlt haben. Wenn die Klägerin insoweit von einem vollstreckungsrechtlichen "Schwebezustand" spricht, bedeutet dies lediglich, dass eine durch den weiteren Rechtsgang bedingte Rückzahlungspflicht bestand. Dies ändert aber nichts daran, dass die Klageforderung (einschließlich der darin enthaltenen Prozesszinsen) zunächst auf einem Konto der Klägerin gutgeschrieben wurde und damit in ihre Verfügungsmacht übergegangen ist. Denn ein Zufluss von Einnahmen ist auch in den Fällen anzunehmen, in denen noch nicht zweifelsfrei feststeht, ob die Einnahmen dem Empfänger endgültig verbleiben oder ob er sie ggf. wieder erstatten oder an eine andere Person - im Streitfall an die Bank als Sicherungsnehmerin - weitergeben muss (vgl. etwa BFH-Urteile vom 30. Januar 1975 IV R 190/71, BFHE 115, 559, BStBl II 1975, 776;vom 9. Juli 1987 IV R 87/85, BFHE 150, 345, BStBl II 1988, 342; vom 1. Oktober 1993 III R 32/92, BFHE 172, 445, BStBl II 1994, 179).

Es trifft auch nicht zu, dass die Bank die auf dem Sperrkonto eingegangenen Beträge im alleinigen wirtschaftlichen und rechtlichen Interesse der zivilgerichtlich Beklagten verwaltete. Ebenso wenig standen die betreffenden Beträge im Eigentum der Bank. Inhaberin war vielmehr allein die Klägerin, auf deren Namen und zu deren Gunsten das Konto geführt, verwaltet und verzinst wurde, wenn auch mit der Besonderheit, dass die Bank auf die betreffenden Beträge im Falle ihrer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft als Sicherheit zurückgreifen durfte.

Gleiches gilt für die laufenden Zinsgutschriften. Die Zinsen resultierten aus der Kapitalüberlassung durch die Klägerin an die Bank und standen damit ausschließlich ihr zu. Diese unterlagen im Übrigen allenfalls mittelbar insoweit einer "Rückzahlungsverpflichtung", als auch die Zinsen der Sicherung eines - ggf. die Sicherheitsleistung der Klägerin übersteigenden - Rückforderungsanspruchs seitens der zivilgerichtlich Beklagten dienten.

3. Der Senat folgt schließlich auch nicht der Unterscheidung der Klägerin zwischen nachträglichen und anfänglichen Verfügungsbeschränkungen. Dass nachträgliche Verfügungsbeschränkungen den Zufluss unberührt lassen, folgt bereits aus dem Grundsatz der Tatbestandsverwirklichung (vgl. BFH-Urteil vom 30. Januar 1975 IV R 190/71, BFHE 115, 559, BStBl II 1975, 776 für den Fall der Pfändung des Honorars nach Zufluss). Auch bereits im Leistungszeitpunkt bestehende Verfügungsbeschränkungen schließen jedoch den Zufluss nach Auffassung des Senats regelmäßig nicht aus, und zwar insbesondere dann nicht, wenn sie - wie hier - auf einer vorherigen Verpfändung des Kontos im Interesse des Leistungsempfängers (hier zur Erlangung der Bankbürgschaft der Bank) beruhen (gl.A. im Hinblick auf diese Differenzierung nach der Interessenlage offenbar die Finanzverwaltung, vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 27. Dezember 1995 IV B 3-S 2181-5/95, BStBl I 1995, 809). Von der Unbeachtlichkeit einer bereits vor der Gutschrift bestehenden Verfügungsbeschränkung geht auch der BFH in seinem - von der Klägerin zitierten - Urteil vom 9. Juli 1987 IV R 87/85 (BFHE 150, 345, BStBl II 1988, 342) aus, das im Übrigen von seiner Grundkonstellation her dem zugrunde liegenden Streitfall entspricht. Wie dem Tatbestand des Urteils zu entnehmen ist, hatte dort der Leistende, vergleichbar der Konstellation im Streitfall, die Zahlung von der Abgabe einer Bürgschaftserklärung durch die Bank des Leistungsempfängers abhängig gemacht, die ihrerseits hierzu nur unter der Bedingung bereit war, dass ihr der Kläger das Konto, auf dem das Geld eingehen sollte, zuvor verpfänden werde. In den Entscheidungsgründen ging der BFH, ungeachtet der "Verfügungsbeschränkung" in Gestalt der Verpfändung, von einem Zufluss aus, und zwar "ohne dass es auf den zeitlichen Ablauf des Abschlusses der einzelnen Verträge ankäme"; die Verpfändung setze jedenfalls voraus, dass der Kläger selbst Verfügungsberechtigter hinsichtlich des Guthabens geworden sei. Der BFH hat seine Rechtsprechung, dass auch im Leistungszeitpunkt bereits bestehende Verfügungsbeschränkungen dem Zufluss nicht entgegenstehen, im Übrigen in seinem Urteil vom 1. Oktober 1993 III R 32/92 (BFHE 172, 445 , BStBl II 1994, 179) ausdrücklich bestätigt. Nichts anderes kann daher nach Auffassung des Senats auch im Streitfall gelten.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

III.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Vor dem Hintergrund, dass die Anwendung des § 11 EStG bei Verfügungsbeschränkungen im Zusammenhang mit Sperrkonten nicht gänzlich unstreitig ist (vgl. Heinicke, in Schmidt, Kommentar zum EStG, 26. Aufl. 2007, § 11 Rn. 30 Stichwort "Sperrkonto"), erschien eine Zulassung der Revision angebracht. Hinzu kommen die von der Klägerin herausgestellten Besonderheiten von Verfügungsbeschränkungen im Zusammenhang mit für vorläufig vollstreckbar erklärten zivilgerichtlichen Urteilen.



Ende der Entscheidung

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