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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.05.2007
Aktenzeichen: 16 K 2686/04 F
Rechtsgebiete: HGB, FGO, EStG, AO


Vorschriften:

HGB § 255 Abs. 1 S. 1
FGO § 100 Abs. 1 S. 1
EStG § 10 Abs. 2 S. 2
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 6
AO § 179 Abs. 1
AO § 180 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

16 K 2686/04 F

Tenor:

Der Bescheid vom 12.1.2004 über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.4.2004 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 21.6.2001 (Urkundenrolle für 2001 Nr. 432 des Notars in Z-Stadt) 2/6 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Gemarkung Y-Stadt, Flur, Flurstück, X-Str. 1, verbunden mit dem Sondereigentum an den nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen im 1. Obergeschoss nebst einem Kellerraum (im Aufteilungsplan mit Nr. 2 bezeichnet) zu einem Kaufpreis von 330.000 DM zuzüglich 15.534,79 DM Nebenkosten (Grunderwerbsteuer 11.550 DM, Gerichtskasse/Auflassung 310,00 DM, Notar/Kaufvertrag 1.856,23 DM, Notar/Vorkaufsrecht 888,56 DM sowie Gerichtskasse/Eigentumsänderung 930,00 DM).

Für den Miteigentumsanteil erfolgte die Kaufpreisfinanzierung über die Bank, mit der die Klägerin zwei Darlehensverträge über nominal 230.000 DM (08) und 120.000 DM (09) abschloss. Die Auszahlung belief sich auf die volle Höhe der Darlehen. Der Miteigentumsanteil wurde nach dem Erwerb fremdvermietet.

Besichert wurden die Darlehen durch Eintragung einer Grundschuld über 350.000 DM auf dem Miteigentumsanteil sowie durch Abtretung der Ansprüche aus einer Lebensversicherung (Nr. 1/94) der Klägerin bei der Z-AG, wobei für das Darlehen 08 der Lebensversicherungsvertrag in Höhe von 230.000 DM und für das Darlehen 09 der Lebensversicherungsvertrag i. H. von 111.550 DM eingesetzt wurde.

Am 6.7.2001 wurden dem Konto 00 bei der Bank zwei Beträge über 100.000 DM und 230.000 DM gutgeschrieben. Am gleichen Tag überwies die Klägerin 330.000 DM an die Verkäuferin. Vor diesem Zeitpunkt war bereits am 2.7.2001 ein Haftpflichtversicherungsbetrag i. H. von 178 DM abgebucht worden. In der Folgezeit erfolgte ein Geldeingang für Praxismiete über 2.970 DM und wurden Abbuchungen/Überweisungen über 995 DM (Gerichtskasse), über 1.063,72 DM (Notar), über 709 DM (Lebensversicherungsbeitrag) sowie am 19.7.2001 über 11.550 DM für die Grunderwerbsteuerzahlung verbucht.

Zum 23.7.2001 erfolgte die Auszahlung des Restdarlehens über 20.000 DM auf das Konto.

Am 12.9.2001 erfolgten zwei Zahlungen an den Notar über 1.856,23 DM sowie 888,56 DM. Am 18.9.2001 erfolgte schließlich eine Überweisung an die Gerichtskasse Y-Stadt über 930 DM.

Der Beklagte (das Finanzamt - FA-) wertete diese Vorgehensweise als steuerschädliche Verwendung und stellte mit Bescheid vom 12.1.2004 die Steuerpflicht der Zinsen aus den in den Versicherungsbeiträgen enthaltenen Sparanteilen der bei der Z-AG bestehenden Lebensversicherung fest. Zur Begründung führte er in einer Anlage aus, die Darlehensmittel seien nicht unmittelbar und ausschließlich für die Zahlung der begünstigten Anschaffungskosten verwendet worden. Am 17.7.2001 habe das Konto einen Positivsaldo von nur 24,28 DM aufgewiesen. Die Zahlung der Grunderwerbsteuer am 19.7.2001 sei daher aus Eigenmitteln erfolgt. Diese Vorfinanzierung aus Eigenmitteln führe zur vollen Steuerschädlichkeit. Durch die am 23.7.2001 erhaltenen restlichen Darlehensmittel von 20.000 DM sei einerseits der durch die Grunderwerbsteuerzahlung entstandene Negativsaldo von 11.525,72 DM ausgeglichen worden. Andererseits seien die Darlehensmittel zur Begleichung steuerschädlicher Aufwendungen verwendet worden. Die 30-Tage-Frist (Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 15. Juni 2000 IV C 4 -S 2221- 86/00, Bundessteuerblatt -BStBl- I 2000, 1118 , 1124, Rdnr. 53) für die Verwendung begünstigter Anschaffungsnebenkosten sei nicht eingehalten worden, weil diese erst mit Wertstellung vom 12.9.2001 und 17.9.2001 beglichen worden seien.

Mit der nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 30.04.2004) erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, das Darlehen habe in Höhe der abgetretenen Lebensversicherungsansprüche ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungskosten des Miteigentumsanteils gedient. Das Zessionsvolumen von 341,550 DM entspreche dem Kaufpreis von 330.000 DM sowie der Grunderwerbsteuer von 11.550 DM. Weitere Bestandteile der sog. Anschaffungsnebenkosten sollten nicht zediert werden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 12.1.2004 über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.4.2004 aufzuheben,

sowie die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid vom 12.1.2004 über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.4.2004 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Der Beklagte hat zu Unrecht die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zur Lebensversicherung der Klägerin enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Einkommensteuergesetz - EStG -) festgestellt.

1. Nach §§ 179 Abs. 1 und 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung vom 16.12.1994 (Bundesgesetzblatt I 1994, 3834, BStBl I 1995, 3) stellt das für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige FA die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert fest, wenn für die Beiträge zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht erfüllt sind. Verfassungsmäßige Bedenken dagegen bestehen nicht (vgl. Söhn im Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Kommentar, § 180 AO Rz. 497 f., m.w.N.).

2. Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG steuerpflichtig. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Die Beiträge zu den Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG können mit den in Abs. 2 derselben Vorschrift aufgeführten Einschränkungen als Sonderausgaben abgezogen werden.

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG gilt die Steuerbefreiung nach Satz 2 in den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a oder b EStG erfüllt sind oder soweit bei Versicherungsverträgen Zinsen in Veranlagungszeiträumen gutgeschrieben werden, in denen Beiträge nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG abgezogen werden können (vgl. dazu im Einzelnen und mit Nachweisen zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift Bundesfinanzhof - BFH - Urteile vom 13.7.2004 VIII R 48/02, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 207, 136, BStBl II 2004, 1060; VIII R 52/03, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2005, 181 und VIII R 61/03, BFH/NV 2005, 184).

Die Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs sind im Streitfall erfüllt:

a) Die im Streitfall abgeschlossene Lebensversicherung der Klägerin ist unstreitig eine Versicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG.

b) Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag haben zwar zur Sicherung eines Darlehens gedient, dessen Finanzierungskosten Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung sind. Entgegen der Auffassung des FA liegt indes einer der in § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a bis c EStG aufgeführten Ausnahmetatbestände vor.

Bei der Lebensversicherung der Klägerin handelt es sich zwar weder um eine Direktversicherung (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b EStG) noch dienen die Ansprüche aus der Lebensversicherung der Besicherung eines betrieblich veranlassten Darlehens (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG). Allerdings können nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG Versicherungsbeträge auch dann als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn das Darlehen unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes dient, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist, und wenn die ganz oder zum Teil zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüche aus Versicherungsverträgen nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten übersteigen. Dabei ist es unbeachtlich, wenn diese Voraussetzungen bei Darlehen oder bei zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüchen aus Versicherungsverträgen jeweils insgesamt für einen Teilbetrag bis zu 5.000 DM (entspricht 2.556 EUR) nicht erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind entgegen der Auffassung des FA im Streitfall gegeben.

aa) Die Klägerin hat als Darlehensnehmerin unmittelbar die Anschaffungskosten des Miteigentumsanteils finanziert, der zur Fremdvermietung und damit dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt waren. Das Darlehen diente auch ausschließlich der Finanzierung dieser Anschaffungskosten.

Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen; zu den Anschaffungskosten gehören nach Satz 2 der Vorschrift auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten. Die gesamten Anschaffungskosten beliefen sich im Streitfall auf unstreitig 345.534,79 DM (Kaufpreis 330.000 DM zuzüglich o.g. Erwerbsnebenkosten). Das zur Finanzierung aufgenommene Bankdarlehen war mit 350.000 DM zwar - wenn auch nur geringfügig - höher als die Anschaffungskosten; der Differenzbetrag betrug 4.465,21 DM (entspricht 2.283,03 EUR), blieb aber unterhalb der Bagatellgrenze des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a, 2. Halbsatz EStG von 5.000 DM.

bb) Die zur Sicherung verwendeten Lebensversicherungsansprüche überstiegen auch nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungskosten des Miteigentumsanteils. Trotz Anschaffungskosten von 345.534,79 DM hat die Klägerin lediglich in Höhe von 341.550 DM ihre Ansprüche bei der Z-AG an die kreditgebende Bank abgetreten.

cc) Fraglich ist im Streitfall allein, ob die Darlehen ausschließlich und unmittelbar der Finanzierung von Anschaffungskosten gedient haben.

aaa) Dadurch, dass die Darlehen nicht direkt an die Verkäuferin, sondern auf ein bei der Bank geführtes Konto der Klägerin gezahlt wurden, ist es zunächst zur Begründung einer Forderung der Klägerin gegenüber der kontoführenden Bank verwendet worden. Bei einer wortlautgemäßen Auslegung haben die Darlehen damit unmittelbar zur Begründung einer Forderung und erst danach zur Finanzierung der Anschaffungskosten gedient, so dass eine steuerschädliche Verwendung vorliegen würde.

Das wortlautgemäße Gesetzesverständnis hätte zur Folge, dass bei der üblichen Zahlungsabwicklung bei Bauvorhaben für die Zinsen aus Lebensversicherungen, die der Absicherung von Darlehen zur Finanzierung von Bauvorhaben dienen, regelmäßig eine Steuerpflicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG einträte. Dieses Ergebnis geht über den Gesetzeszweck hinaus, der mit der durch das Steueränderungsgesetz 1992 eingeführten Einschränkung des Sonderausgabenabzugs verfolgt wurde. Denn bei der Auszahlung eines Darlehens, das für die Herstellungskosten eines Gebäudes verwendet werden soll, auf ein Baukonto handelt es sich nicht um ein steuersparendes Finanzierungsmodell, sondern um einen üblichen Zahlungsweg.

bbb) Der Senat ist daher der Auffassung, dass § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG dahingehend auszulegen ist, dass die zwischenzeitliche Begründung einer Forderung durch das mit der Lebensversicherung abgesicherte Darlehen dann - aber auch nur dann - steuerunschädlich ist, wenn die Forderung lediglich ein notwendiges Durchgangsstadium im Rahmen einer wirtschaftlich sinnvollen Zahlungsgestaltung ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 13.7.2004 VIII R 61/03, BFH/NV 2005, 184; so auch FG Düsseldorf, Urteil vom 14.9.2006 11 K 4804/05 F, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2006, 1827).

Auch die Finanzverwaltung scheint diese Auffassung grundsätzlich zu teilen. Allerdings hält sie dann, wenn Darlehensmittel i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG zunächst auf ein Konto (z.B. Kontokorrentkonto, Sparkonto) des Darlehensnehmers überwiesen werden, von dem sodann die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts bezahlt werden, dies nur dann für steuerunschädlich, wenn zwischen der Überweisung der Darlehensmittel auf das Konto und der Abbuchung zur Bezahlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ein Zeitraum von nicht mehr als 30 Tagen liegt (vgl. BMF-Schreiben vom 15.6.2000, a.a.O., Rdnr. 53; zustimmend Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 23. Aufl. 2004, § 10 Rz. 190; Nolde in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 10 EStG Anm. 382; kritisch Schlenker in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 10 EStG Rz. 840).

Der BFH hat im Urteil vom 13.7.2004 (VIII R 61/03, BFH/NV 2005, 184) ausdrücklich offengelassen, ob er dieser generellen Beschränkung auf 30 Tage folgen könnte. Im damaligen Entscheidungsfall sah der BFH jedenfalls eine zwischenzeitliche - mehrmonatige - Festlegung auf einem Festgeldkonto nicht mehr als ein notwendiges Durchgangsstadium an, weil damit der primäre Zweck des Darlehens, der Bezahlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu dienen, gegenüber dem Zweck, Zinsen zu erzielen, für einen Teilbetrag des Gesamtdarlehens für die Dauer der Festgeldanlage in den Hintergrund trete. Bei diesem Sachverhalt beruhe die Forderung gegenüber der Bank nicht mehr auf den üblichen Gepflogenheiten des Geldverkehrs, sondern auf der weiteren Willensentscheidung, aus der Forderung Zinserträge erzielen zu wollen. Darin liege eine steuerschädliche Verwendung, die der Gesetzgeber selbst dann habe unterbinden wollen, wenn sie "nur für kurze Zeit" (vgl. Bundestags-Drucksache 12/1506, S. 156) stattgefunden habe.

ccc) Der Senat teilt nicht die Auffassung der Finanzverwaltung, dass eine Steuerschädlichkeit immer schon dann zu bejahen ist, wenn zwischen der Überweisung der Darlehensmittel auf das Konto und der Abbuchung zur Bezahlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ein Zeitraum von mehr als 30 Tagen liegt. Bei der Beurteilung, wann die Begründung eines Anspruchs gegen die Bank lediglich ein notwendiges Durchgangsstadium im Rahmen einer wirtschaftlich sinnvollen Zahlungsgestaltung ist, muss einerseits berücksichtigt werden, dass der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs "unmittelbar" einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen der Auszahlung des Darlehens und der Anschaffung bzw. Herstellung des Wirtschaftsgutes gefordert hat (vgl. Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rdnr. P 108; Lindberg in Schwarz, EStG, § 10 Tz. 195). Dies wird bei einer Verweildauer von mehr als 30 Tagen zwar regelmäßig nicht der Fall sein, so dass die für das FA bindende Auffassung des BMF-Schreibens im Normalfall zu einer sachgerechten Entscheidung führt.

Andererseits können aber besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen, die eine abweichende Beurteilung erfordern, z.B. wenn die verzögerte Begleichung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht in der Einflusssphäre des Steuerpflichtigen liegt. Im Streitfall ist der Senat der Auffassung, dass trotz einer Verweildauer des Darlehensrestbetrages von mehr als 30 Tagen noch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Auszahlung des Darlehens und der Anschaffung des Wirtschaftsgutes bestand. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Die steuerlich beratene Klägerin hat sofort bei Erhalt der für den Kaufpreis erforderlichen Darlehensmittel diese an die Verkäuferin bezahlt. Den restlichen Darlehensbetrag von lediglich 20.000 DM hat sie offensichtlich in zeitlichen Zusammenhang mit dem Erhalt des Grunderwerbsteuerbescheides abgerufen und am 23.7.2001 dem Konto gutgeschrieben bekommen. Es kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob es der Klägerin im Rahmen des Darlehensverhältnis zur Bank überhaupt möglich gewesen wäre, angesichts dieser Größenordnung des Restbetrages einen geringeren - nur auf den Grunderwerbsteuer begrenzten - Mittelabruf zu tätigen. Jedenfalls standen zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich der steuerunschädlich zu finanzierenden Anschaffungsnebenkosten lediglich noch Rechnungen des beurkundenden Notars betr. die Beurkundung des Kaufvertrages und eines Vorkaufsrechts sowie des die Grundbucheintragung vornehmenden Amtsgerichts aus. Obwohl die den Rechnungen des Notars zu Grunde liegenden Beurkundungen bereits am 21.6.2001 erfolgten, wurde die Klägerin erst mit "Kostenberechnungen" vom 7.9.2001 für die Notarkosten herangezogen. Die nicht datierte Rechnung der Gerichtskasse ist nach den nicht in Zweifel gezogenen Angaben der Klägerin erst am 24.8.2001 bei ihr eingegangen.

Aus dieser zeitlichen Abfolge ergibt sich, dass die Klägerin von Beginn an immer bemüht war, den ihr obliegenden Zahlungsverpflichtungen hinsichtlich der Anschaffungskosten insgesamt zeitnah nach Erhalt der entsprechenden Rechnungen nachzukommen. Nachdem bereits der Grunderwerbsteuerbescheid vorlag, konnte sie ohne weiteres davon ausgehen, dass zeitnah auch die Rechnungen für die übrigen Anschaffungsnebenkosten eingehen würden (und innerhalb der auch von der Finanzverwaltung als steuerunschädlich angesehenen Frist von 30 Tagen hätten beglichen werden können). Daher stellt sich auch der Abruf der gesamten Darlehensrestmittel zu diesem Zeitpunkt als ein notwendiges Durchgangsstadium im Rahmen einer wirtschaftlich sinnvollen Zahlungsgestaltung dar. Die strikte Anwendung der grundsätzlich zu billigenden 30-Tage-Frist würde im Streitfall außer Acht lassen, dass die Klägerin hinsichtlich der hier allein fraglichen geringfügigen (Rest-) Anschaffungsnebenkosten die Darlehensmittel aus nicht ihrer Einflusssphäre unterliegenden Umständen nicht verausgaben konnte. Die Gründe für die verspäteten Rechnungsstellungen (Ferienzeit, betriebliche Gründe bei den Rechnungsstellern) können dahinstehen, jedenfalls entzogen sie sich dem Einflussbereich der Klägerin. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es der Klägerin nach Ausbleiben der Rechnungen zur Vermeidung der Steuerschädlichkeit der bereits abgerufenen Darlehensrestmittel möglich gewesen wäre, diese der darlehensgewährenden Bank vorübergehend zurückzugeben.

Letztlich fehlt es auch - anders als in dem BFH-Urteil vom 13.7.2004 (VIII R 61/03, BFH/NV 2005, 184) zugrunde liegenden Fall - an einer gesonderten Verfügung der Klägerin, die es rechtfertigen würde, den primären Zweck des Darlehens, der Bezahlung der Anschaffungskosten zu diesen, gegenüber einem Zweck, Zinsen zu erzielen, in den Hintergrund treten zu lassen. Im Streitfall konnte die Klägerin schlichtweg für einen geringen Teilbetrag des Darlehens (3.674 DM von 350.000 DM) mangels zugrunde liegender Rechnungen keinen restzeitigen Mittelabfluss gewährleisten und ließ das Geld lediglich bis zum Erhalt der Rechnungen liegen.

ddd) Eine steuerschädliche Verwendung der Darlehensmittel liegt auch nicht darin, dass die Klägerin durch die bereits am 19.7.2001, einem Donnerstag, angewiesene Bezahlung der Grunderwerbsteuer einen Negativsaldo auf dem Darlehenskonto bewirkte mit der Folge, dass die Grunderwerbsteuer damit aus "Eigenmittel" vorfinanziert. Der Umstand, dass der am 23.7.2001, d.h. 2 Arbeitstage später eingegangene Darlehensbetrag zwangsläufig auch die Auffüllung dieses Negativsaldos von 11.525,72 DM bewirkte, verleiht der Darlehensaufnahme nicht die steuerschädliche Zielsetzung, durch Eigenmittel vorfinanzierte Anschaffungskosten zu refinanzieren. Daher hat der Beklagte diese Überlegung im Klageverfahren - zu Recht - nicht weiter verfolgt.

3. Nach alledem war der Klage mit der Kostenfolge der § 135 Abs. 1 FGO stattzugeben.

Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig (§ 139 Abs. 3 FGO).

4. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.



Ende der Entscheidung

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