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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.07.2009
Aktenzeichen: 16 K 3510/08 E
Rechtsgebiete: EStG, HGB, GmbHG


Vorschriften:

EStG § 17 Abs. 1
EStG § 17 Abs. 2
HGB § 255 Abs. 1
GmbHG § 32a Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind durch Bescheid vom 7.3.2007 zur Einkommensteuer für das Streitjahr 2005 zusammenveranlagte Eheleute. Streitig ist, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Verlust des Klägers gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen ist.

Der Kläger war mit einem Anteil von 26.500 EUR (6,625 %) am Stammkapital der im Juni 2001 gegründeten C Beteiligungsgesellschaft mbH beteiligt. Er war vormals nur an der C GmbH beteiligt (Anteil am Stammkapital 20 %) gewesen. Die Gesellschafter dieser GmbH, also auch der Kläger, veräußerten im Zusammenhang mit der Erhöhung des Stammkapitals der C Beteiligungs-GmbH mit Vertrag vom 16.4.2002 ihre Anteile zu einem Preis von insgesamt 7.600.000 EUR an die Beteiligungs-GmbH, deren Gesellschaftszweck in dem Halten eben dieser erworbenen Beteiligungen bestehen sollte. Von dem vereinbarten Kaufpreis wurde ein Teil von 1.375.000 EUR in Form von (partiarischen) Darlehen der Beteiligungs-GmbH überlassen. Auf den Kläger entfiel davon anteilig ein Darlehensbetrag von 275.000 EUR. Der zugehörige Darlehensvertrag vom 17.4.2002, auf dessen Inhalt im übrigen Bezug genommen wird, enthielt in § 6 des Vertrages Regelungen zum Kündigungsrecht. Danach wurde unter anderem "in Ergänzung allgemeiner Rechtsgrundsätze" neben dem jedem Darlehensgeber zustehenden Recht zu einer fristlosen Kündigung eine Möglichkeit fristloser Kündigung auch für die Fälle drohender Überschuldung oder drohender Zahlungsunfähigkeit der Beteiligungs-GmbH oder der C GmbH sowie drohender wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Beteiligungs-GmbH bzw. der C GmbH vereinbart.

Während die Beteiligungs-GmbH für 2003 noch einen Gewinn von 385.721,26 EUR ausgewiesen hatte, entstand bis zum 31.12.2004 ein Verlust von 699.097,99 EUR, der im Jahresabschluss in Höhe von 368.374,79 EUR als nicht mehr vom Eigenkapital gedeckt ausgewiesen wurde. Auf den Jahresabschluss wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Der Kläger (wie seine Mitgesellschafter) veräußerte seine Anteile an der Beteiligungs-GmbH mit Vertrag vom 21.1.2005 für 1 EUR unter Verzicht auf die Rückzahlung des (partiarischen) Darlehens, das noch in voller Höhe valutierte, an Herrn D. Nach § 5 dieses Vertrages wurden daneben noch 27.000 EUR in Bezug auf das Darlehen an den Kläger gezahlt.

Der Beklagte vertrat bei der Steuerfestsetzung, ebenso wie im nachfolgenden Einspruchsverfahren, das mit der zurückweisenden Einspruchsentscheidung vom 13.8.2008 abgeschlossen wurde, die Auffassung, es habe sich bei dem (partiarischen) Darlehen des Klägers zwar um ein sog. Finanzplandarlehen im Sinne der Rechtsprechung gehandelt, das jedoch im Zeitpunkt des sog. Kriseneintritts, nämlich im Jahre 2004, wertlos geworden sei und deshalb im späteren Veräußerungszeitpunkt nicht mehr zu einem Verlust habe führen können.

Daraufhin haben die Kläger am 10.9.2008 Klage erhoben.

Sie vertreten nach wie vor die Auffassung, das Darlehen sei von Anbeginn an ein Finanzplandarlehen gewesen, wie es auch der Beklagte anerkannt habe. Es sei daher ohne Weiteres ein Veräußerungsverlust in dieser Höhe entstanden. Bei der Beurteilung sei insbesondere zu berücksichtigen, dass in § 1 Nr. 3 und Nr. 4 des Darlehensvertrages vom 17.4.2002 Rangrücktrittsvereinbarungen geschlossen worden seien.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.8.2008 insoweit zu ändern, dass der bisher anerkannte Verlust aus der Beteiligung an der C-Beteiligungs-GmbH von 33.830 EUR um 275.000 EUR erhöht wird,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er hält daran fest, dass kein weiterer Verlust im Sinne von § 17 EStG entstanden sei. Anders als in der Einspruchsentscheidung ausgeführt, habe es sich nicht um ein Finanzplandarlehen gehandelt. Man habe es mit einem gewöhnlichen, nicht krisenbestimmten Darlehen zu tun.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Kläger sind nicht in ihren Rechten verletzt, denn der Beklagte hat zu Recht den Ansatz eines weiteren Verlustes aus der Veräußerung von GmbH-Anteilen im Sinne von § 17 EStG bei der Einkommensermittlung abgelehnt.

Nach § 17 Abs. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn und der Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter, wie im Falle des Klägers im Hinblick auf seine Beteiligung an der C Beteiligungsgesellschaft mbH, in den letzten fünf Jahren wesentlich am Kapital der Gesellschaft beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen gehalten hat.

Veräußerungsgewinn im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt.

Zu den Anschaffungskosten gehören nach der Definition des bis 2007 für derartige Rechtsfragen zuständigen VIII. Senates des Bundesfinanzhofs (BFH) neben dem Anschaffungspreis und den Anschaffungsnebenkosten auch sogenannte nachträgliche Anschaffungskosten. Das sind Aufwendungen auf die Beteiligung, die als offene oder verdeckte Einlagen den Wert der Beteiligung erhöhen oder die anderweitig durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind (vgl. im Einzelnen Gschwendtner, Darlehensverluste eines wesentlich an einer Kapitalgesellschaft beteiligten Gesellschafters in der Rechtsprechung des BFH, Deutsches Steuerrecht (DStR) 1999, Beihefter zu Heft 32). Beim Vorliegen dieser Voraussetzungen zählt zu den Anschaffungskosten auch der Ausfall oder die Wertminderung des Rückzahlungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehen und einer Bürgschaft (vgl. BFH-Urteil vom 31. Oktober 2000 VIII R 47/98, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2001, 589 m. w. N.).

Nach der Definition des inzwischen für Fragen im Zusammenhang mit § 17 EStG zuständigen IX. Senates des BFH sind Anschaffungskosten nach § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB), der für das gesamte Ertragssteuerrecht gilt, Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Dazu rechnen Darlehen und andere Finanzierungshilfen, z.B. durch Übernahme einer Bürgschaft oder durch andere Rechtshandlungen i.S. des § 32a Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), wenn sie eigenkapitalersetzenden Charakter haben (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 9/98, Entscheidungen des BFH -BFHE- 189, 383, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1999, 817). Maßgebend dafür, ob die Finanzierung eigenkapitalersetzenden Charakter hat und damit auch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, ist, ob ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine dem Darlehen wirtschaftlich entsprechend andere Rechtshandlung ausführt (BFH-Urteil vom 4. März 2008 IX R 8/06, BFHE 220, 451, BStBl II 2008, 577). Eine Änderung der Rechtsprechung soll mit diesem Definitionsansatz nicht verbunden sein. (vgl. Heuermann, Ausgefallene Finanzierungshilfen bei Anteilsveräußerungen im Privatvermögen - Nettoprinzip und künftige Entwicklungen, DStR 2008, 2089).

Eine Veranlassung der Darlehensgewährung und einer Bürgschaft "durch das Gesellschaftsverhältnis" nimmt der BFH, wie schon erwähnt, in ständiger Rechtsprechung an, wenn das Darlehen nach zivilrechtlichen Grundsätzen eigenkapitalersetzenden Charakter hat (vgl. BFH-Urteile vom 13. Juli 1999 VIII R 31/98, BFHE 189, 390, BStBl II 1999, 724; vom 26. Januar 1999 VIII R 50/98, BFHE 188, 295, BStBl II 1999, 559; vom 6. Juli 1999 VIII R 9/98, BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817; vom 12. Dezember 2000 VIII R 22/92, BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385). Dabei geht er davon aus, dass die Entscheidung der Gesellschafter, ob, in welchem Umfang und auf welchem Weg sie Finanzierungsbeiträge an die Gesellschaft leisten wollen, zu respektieren ist (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1997 VIII R 23/93, BFHE 183, 397, BStBl II 1999, 342). Daher ist grundsätzlich, wenn der Gesellschafter mit der Gesellschaft vertraglich vereinbart hat, dass er nicht Eigenkapital, sondern Fremdkapital oder eine Bürgschaft zur Verfügung stellen will, das Darlehen und die Bürgschaft solange als "normales" Darlehen bzw. als "normale Bürgschaft" anzusehen, als die Gesellschaft unter den bestehenden Verhältnissen auch von einem Dritten noch einen Kredit oder eine Bürgschaft zu marktüblichen Bedingungen erhalten hätte und hätte behalten dürfen (vgl. BFH-Urteile vom 24. April 1997 VIII R 16/94, BFHE 183, 402, BStBl II 1999, 339; vom 04. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344). Bei einem "normalen Darlehen" bzw. einer "normalen Bürgschaft" ist ein Gesellschafter steuerrechtlich genauso zu behandeln, wie jeder andere dritte Darlehens- oder Bürgschaftsgläubiger, der einen Darlehens- oder Bürgschaftsverlust im Zusammenhang mit Einkünften nach § 20 EStG nicht einkommensteuerlich geltend machen kann.

Auch der IX. Senates des BFH knüpft für die Frage, ob Anschaffungskosten i. S. des § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB vorliegen, an Kapitalersatzrecht an (BFH-Urteile vom 4. März 2008 IX R 8/06, BFHE 220, 451, BStBl II 2008, 577 und vom 4. März 2008 IX R 8/06, BFHE 220, 446, BStBl II 2008, 575). Begründet wird dies damit, dass Anschaffungskosten nur vorliegen könnten, wenn der Gesellschaft Kapital zugeführt werde (vgl. Heuermann, DStR 2008, 2089, 2092). Die Rechtsprechung erweitere den Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten, um Aufwand zu erfassen, der darin bestehe, dass trotz anderer zivilrechtlicher Qualifikation in Wirklichkeit (wirtschaftlich) Eigenkapital zugeführt werde. Es sei dabei danach zu differenzieren, ob der Gesellschafter lediglich die Nutzung des Kapitals einlege oder das Kapital selbst. Bei einem Darlehen wolle der Gesellschafter wie ein fremder Dritter das Kapital lediglich zur Nutzung überlassen und es später wieder zurückerhalten (vgl. § 488 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-). Entscheidend sei daher die Beantwortung der Frage, ab wann nicht mehr von einer Nutzungsüberlassung, sondern vielmehr von einer Überlassung des Kapitals selbst gesprochen werden könne. Für die Abgrenzung zwischen Nutzungsüberlassung und Überlassung des Kapitals selbst ist nach Ansicht von Heuermann (aaO.) und des BFH das zivilrechtliche Eigenkapitalersatzrecht der richtige Maßstab. Denn werde das Darlehen haftungsrechtlich und damit seiner Funktion nach wie Eigenkapital behandelt, solle daran das Steuerrecht anknüpfen.

Ob Gesellschafterdarlehen und Bürgschaften zivilrechtlich eigenkapitalersetzenden Charakter haben, richtet sich zum einen nach den §§ 32 a, 32 b GmbHG und zum anderen nach den vom Bundesgerichtshof (BGH) analog §§ 30, 31 GmbHG entwickelten Regeln. Das Rechtsschutzsystem knüpft an eine sogenannte Krise der Gesellschaft an und soll der Gesellschaft in jeder Lebensphase das Stammkapital sichern und auch den Finanzierungsbereich oberhalb der Stammkapitalziffer abdecken (§§ 32 a, 32 b GmbHG), wenn unter bestimmten weiteren Voraussetzungen ein Insolvenzverfahren hinzutritt. Die Rechtsprechung des BFH nimmt nur hinsichtlich des Tatbestandes "Krise" und "Finanzierungsentscheidung", nicht aber hinsichtlich der differenzierenden Rechtsfolgen auf das Kapitalersatzrecht Bezug. Fällt der Gesellschafter nach Erfüllung dieses Tatbestandes mit dem Darlehen oder dem Bürgschaftsrückgriffsanspruch aus, knüpft sich daran stets als steuerrechtliche Rechtsfolge die (nachträgliche) Erhöhung der Anschaffungskosten um den jeweils zu berücksichtigenden Wert des Darlehens (vgl. Gschwendtner, DStR 1999, Beihefter zu Heft 32).

Das zivilrechtliche Kapitalersatzrecht unterstellt demnach nicht jede Kredithilfe eines Gesellschafters besonderen Haftungsgrundsätzen. Vielmehr muss sich die Gesellschaft im Zeitpunkt der Gewährung oder der Weitergewährung eines Kredits in einer besonderen finanziellen Situation befunden haben, der sogenannten Krise. In § 32 a Abs. 1 GmbHG wird die Krise als der Zeitpunkt umschrieben, in dem der Gesellschafter der Gesellschaft als ordentlicher Kaufmann Eigenkapital zugeführt hätte, statt ihr ein Darlehen zu gewähren.

Eine Krise liegt immer vor, wenn bereits Insolvenz (Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit) eingetreten ist (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1997 VIII R 23/93, BFHE 183, 397, BStBl II 1999, 342). Eine Überschuldung der Gesellschaft liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten die bestehenden Verbindlichkeiten nicht decken würde (rechnerische Überschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft mittelfristig nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht (Überlebens- oder Fortbestehensprognose) (vgl. BGH-Urteile vom 13. Juli 1992 II ZR 269/91, BGHZ 119, 201, BB 1992, 1898 und vom 12. Juli 1999 II R 87/98, BB 1999, 1887; FG Düsseldorf, Urteil vom 19. Oktober 1999 13 K 7553/95 F, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2000, 257). Zahlungsunfähigkeit liegt regelmäßig vor, wenn die Liquiditätslücke der Gesellschaft 10 % oder mehr der fälligen Gesamtverbindlichkeiten beträgt, sofern nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern der Gesellschaft ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zuzumuten ist (BGH-Urteil vom 24. Mai 2005 IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, BB 2005, 1923).

Daneben wird ein Darlehen auch bereits dann zu funktionalem Eigenkapital im Sinne des Kapitalersatzrechtes, wenn die Gesellschaft bereits kreditunwürdig geworden ist. Kreditunwürdig ist die Gesellschaft dann, wenn sie ohne die Gesellschafterleistung liquidiert werden müsste und kein vernünftig handelnder außenstehender Kreditgeber ihr einen Kredit unter den selben Umständen wie der Gesellschafter gewähren würde. Ganz kurzfristige Überbrückungskredite bei denen noch mit einer Rückführung innerhalb der vorgesehenen kurzen Zeitspanne gerechnet werden kann, werden von den Kapitalersatzregeln nicht erfasst.

Funktionales Eigenkapital liegt auch dann vor, wenn ein Darlehen oder eine Bürgschaft krisenbestimmt ist. Krisenbestimmt ist ein Darlehen oder eine Bürgschaft, wenn sich aus einer entsprechenden Vereinbarung zwischen der Gesellschaft bzw. ihren Gläubigern und dem kreditgebenden Gesellschafter ergibt, dass das Darlehen schon von vornherein auch als Krisenfinanzierung angelegt ist, d. h., dass der Gesellschafter sich verpflichtet hat, das Darlehen oder die Bürgschaft auch in der Krise der Gesellschaft stehen zu lassen bzw. dass die Darlehensforderung im Range hinter die Forderungen der übrigen Gesellschaftsgläubiger zurücktreten solle (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1997 VIII R 16/94, BFHE 183, 402, BStBl II 1999, 339).

Für das Klagebegehren bedeutet dies, dass in enger Anlehnung an das zivilrechtliche Eigenkapitalersatzrecht, wie sie der 9. Senat des BFH offenbar sucht, die Entstehung nachträglicher Anschaffungskosten der Beteiligung schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil der Kläger mit weniger als 10 % am Stammkapital beteiligt und nicht geschäftsführender Gesellschafter gewesen war und damit für ihn die Regeln über den Eigenkapitalersatz nicht gelten konnten (§ 32 a Abs. 3 Satz 2 GmbHG).

Aber auch dann, wenn man sich in diesem Punkt von dem zivilrechtlichen Eigenkapitalersatzrecht lösen wollte und nur eine tatbestandliche Anknüpfung (§ 32 a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GmbHG) suchte, wären die Voraussetzungen für die Entstehung nachträglicher Anschaffungskosten nicht als erfüllt anzusehen.

Denn das am 17.4.2002 von dem Kläger der C Beteiligungsgesellschaft mbH gewährte Darlehen i. H. v. 275.000 EUR war weder krisenbestimmt noch in einer Krise gewährt worden.

Es war deshalb nicht krisenbestimmt, weil der Kläger sich nicht verpflichtet hatte, das Darlehen bei Eintreten einer Krise stehen zu lassen, sondern ganz im Gegenteil, nach der Formulierung im Darlehensvertrag über die gesetzlichen Regelungen hinaus, sich ausdrücklich ein außerordentliches Kündigungsrecht schon für den Fall des Drohens einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse hatte einräumen lassen. Damit hatte er kenntlich gemacht, dass er sich die Möglichkeit offen halten wollte, schon im Vorfeld einer Krise seinen Darlehensrückzahlungsanspruch nebst einem Schadensersatzanspruch (§ 7 Nr. 5 des Darlehensvertrages) geltend zu machen. Den Klägern ist zuzugeben, dass es hieran gemessen an einer eindeutigen Abstimmung mit dem in § 1 Nr. 3 des Vertrages enthaltenen Rangrücktritt fehlte. Dort wurde allerdings kein genereller Rangrücktritt dokumentiert, sondern lediglich eine bestimmte Art der Befriedigung der laufenden Ansprüche aus dem Darlehen festgehalten sowie ein Erlass für den Fall des Insolvenzeintritts vereinbart. Letztgenannter Situation konnte jedoch gerade durch das frühzeitig einsetzende Kündigungsrecht vorgegriffen werden. Die in § 1 des Vertrages enthaltenen Klauseln sind daher nicht geeignet, die Krisenbestimmtheit des Darlehens zu belegen.

Das Darlehen wurde auch nicht in einer Krise der Gesellschaft begeben. Die GmbH befand sich zum 17.04.2002 noch nicht in einer Krise, da weder eine Überschuldung noch eine Zahlungsunfähigkeit der GmbH vorlag. Dafür, dass die GmbH zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung kreditunwürdig gewesen sein könnte, sind ebenfalls keine Anhaltspunkte ersichtlich. Mangels gegenteiliger Erkenntnisse ist vielmehr davon auszugehen, dass der für den Anteilserwerb vereinbarte Kaufpreis dem Wert der Beteiligungen entsprach und die erhebliche Werthaltigkeit des Unternehmens widerspiegelte, wie sie auch noch im Jahre 2003 durch den erhebliche Gewinn zum Ausdruck kam und eine Krisenlage nicht erkennen ließ.

Das Darlehen wurde lediglich in der Krise stehen gelassen. Da keine Anhaltspunkte vorliegen, aus denen geschlossen werden könnte, dass der Kläger zu einem früheren Zeitpunkt, abweichend vom Vertragswortlaut, die Krisenbestimmtheit erklärt hätte, ist davon auszugehen, dass, wie auch in den meisten vergleichbaren Fällen, das Darlehen ohne weitere Bestimmung schlicht nicht gekündigt wurde. Der Wert des Rückzahlungsanspruchs verflüchtigte sich daher ohne weiteres Zutun des Darlehensgläubigers bis zum Kriseneintritt. Zu diesem Zeitpunkt, der im Laufe des Jahres 2004 mit dem Gewinneinbruch eingetreten war, betrug der Rückzahlungswert noch 27.000 EUR, die der Kläger auch erhalten hatte. Hinweise auf einen möglichen höheren Wert waren weder den Feststellungen des Beklagten noch dem Vortrag der Kläger zu entnehmen.

Der Darlehensaufwand des Klägers führte auch unter dem Gesichtspunkt eines sog. Finanzplandarlehen nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile:

Das sogenannte Finanzplandarlehen sieht der BGH, anders als noch der VIII. Senat des BFH, nicht mehr als eigenständige Kategorie des Eigenkapitalersatzrechtes an (vgl. BGH-Urteil vom 28. Juni 1999 II ZR 272/98, BGHZ 142, 116, BB 1999, 1672; a. A.; BFH-Urteil vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344; BFH-Urteil vom 27. März 2007 VIII R 60/05, BFHE 217, 485, BStBl II 2008, 303). Nach Ansicht des BGH rechtfertigt sich die Gleichstellung der in der Krise gewährten oder belassenen Gesellschafterleistungen mit dem Kapital der Gesellschaft nicht aus einer entsprechenden Planung der Gesellschafter oder einer Finanzierungsabrede. Sie tritt vielmehr kraft Gesetzes nur deswegen ein, weil der Gesellschafter keine der beiden für einen ordentlichen Kaufmann eröffneten Möglichkeiten der Reaktion auf die Krise der Gesellschaft ergriffen hat, nämlich die GmbH weder in die Liquidation geführt, noch sie mit neuem haftenden Kapital versehen hat, sondern vielmehr versucht hat, die Krise dadurch abzuwenden und den Fortbestand der Gesellschaft in der Weise zu sichern, dass er ihr als Drittgläubiger Hilfen gewährt oder belassen hat (vgl. BGH-Urteil vom 28. Juni 1999 II ZR 272/98, BGHZ 142, 116, BB 1999, 1672).

Nach einem neueren BFH-Urteil vom 7. April 2005 IV R 24/03 (BFHE 209, 353, BStBl II 2005, 598) des IV. Senates des BFH zu § 15 a EStG kommt dem Begriff "Finanzplandarlehen" nur die Funktion eines Schlagwortes zu. Der BFH definiert in diesem Urteil Finanzplandarlehen als Darlehen, das nicht einseitig von dem Gesellschafter gekündigt werden darf und das im Falle des Ausscheidens oder der Liquidation der Gesellschaft mit einem eventuell bestehenden negativen Kapitalkonto eines Kommanditisten zu verrechnen ist und somit materielles Eigen- und nicht Fremdkapital der Gesellschaft ist.

Nach Ansicht des VIII. Senates des BFH und der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 8. Juni 1999, BStBl I 1999, 545) sind Finanzplandarlehen Darlehen, die ein Gesellschafter zusätzlich zu seiner Einlage zur Verfügung stellt und die von vornherein in die Finanzplanung der Gesellschaft in der Weise einbezogen sind, dass die zur Aufnahme der Geschäfte erforderliche Kapitalausstattung der Gesellschaft durch eine Kombination von Eigen- und Fremdfinanzierung erreicht werden soll. Dies soll unabhängig davon gelten, ob die kapitalersetzende Finanzierung im Gesellschaftsvertrag niedergelegt ist. Entscheidend soll sein, ob sich die planmäßige Gesellschafterfinanzierung aus einer Gesamtwürdigung des Gesellschaftsvertrages und/oder des Darlehensvertrages und der im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Verträge vorliegende Umstände ergibt. Liegt ein in diesem Sinne krisenunabhängiges Finanzplandarlehen vor, so soll dieses Darlehen nicht nur von vornherein - also mit seiner Hingabe - gesellschaftsrechtlich als Haftkapital gebunden sein; es soll auch für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung davon auszugehen sein, dass es mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt wurde. Dementsprechend erhöhen sich im Falle seines Verlustes die Anschaffungskosten der Beteiligung nicht nur in Höhe seines Wertes im Zeitpunkt der Krise, sondern in Höhe seines Wertes im Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft, also seines Nennwertes (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344; Gschwendner DStR 1999, Beihefter zu Heft 32, 14 ff.).

Indizien für ein Finanzplandarlehen bzw. einer Finanzplanbürgschaft im Sinne der Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH sind: Unentbehrlichkeit des Darlehens für die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks, fehlende Bereitschaft eines außenstehenden Kreditgebers zur Darlehensgewährung, Darlehensgewährung zu nicht marktüblichen Konditionen, kein Ausgleich eines nur vorübergehenden Geldbedarfs der Gesellschaft (vgl. BFH-Urteil vom 04. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344). Entscheidend soll sein, ob sich die planmäßige Gesellschafterfinanzierung aus einer Gesamtwürdigung des Gesellschaftsvertrages und/oder des Darlehensvertrages und der im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Verträge vorliegenden Umstände ergibt. Auf die Prüfung, wann die Krise der Gesellschaft eingetreten ist und wann die Gesellschafter hiervon Kenntnis erlangt haben, soll nach Ansicht des BFH bei einem Darlehen, das von vornherein in die Finanzplanung der Gesellschaft in der Weise einbezogen ist, dass die zur Aufnahme der Geschäfte erforderliche Kapitalausstattung der Gesellschaft durch eine Kombination von Eigen- und Fremdfinanzierung erreicht werden soll, verzichtet werden (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juli 1999 VIII R 31/98, BFHE 189, 390, BStBl II 1999, 724).

Rechtssystematisch ist es nicht möglich, der Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH zu folgen. Wenn nur Finanzierungshilfen, die dem zivilrechtlichen Eigenkapitalersatzrecht unterfallen, zu nachträglichen Anschaffungskosten führen können, was vom BFH bestätigt wurde (vgl. BFH-Urteil vom 22. April 2008 IX R 75/06 aaO.), dann kann es kein von der zivilrechtlichen Rechtslage abweichendes steuerrechtliches Kapitalersatzrecht in Form von Finanzplandarlehen geben.

Nach Auffassung des Senates wären allerdings auch dann, wenn man dem XIII. Senat des BFH folgte, im Falle des Klägers die Voraussetzungen für die Annahme eines Finanzplandarlehens nicht erfüllt. Anders als in den für Finanzplandarlehen typischen Sachverhalten wurde der GmbH kein Geld zur Verfügung gestellt, um beabsichtigte betriebliche Aktivitäten zu ermöglichen, sondern, wirtschaftlich betrachtet, ein Teil des Anteilskaufpreises kreditiert. Ein Finanzierungsplan ist nicht erkennbar geworden, zumal sich der Kläger einseitige Kündigungsmöglichkeiten vorbehalten hatte. Es ist überdies nicht ersichtlich, dass nicht auch ein außenstehender Kreditgeber den Anteilserwerb insoweit zu finanzieren bereit gewesen wäre.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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