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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.09.2003
Aktenzeichen: 18 K 121/99 AO
Rechtsgebiete: AO, EStG, FGO


Vorschriften:

AO § 149 Abs. 2
AO § 152 Abs. 1
AO § 152 Abs. 2
AO § 175 Abs. 1
AO § 233a
EStG § 4a Abs. 2
FGO § 102
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlags i.H.v. 200 DM zur Einkommensteuer 1995.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 1995 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin erzielte im Streitjahr Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen; der Kläger erzielte ebenfalls Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit und aus einer Altersrente, daneben als Beteiligter zweier Erbengemeinschaften Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Land- und Forstwirtschaft. Die Beteiligungseinkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowie aus Vermietung und Verpachtung wurden von den Lagefinanzämtern einheitlich und gesondert festgestellt.

Nachdem die Kläger mit Schreiben vom 22.07.1996 und vom 20.11.1996 vergeblich an die Abgabe der Einkommensteuererklärung 1995 erinnert worden waren, schätzte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen. Mit dem Einkommensteuerschätzungsbescheid vom 16.06.1997 setzte es die Einkommensteuer auf 40.524 DM und gleichzeitig einen Verspätungszuschlag i.H.v. 200 DM fest. Auf Grund der im anschließenden Einspruchsverfahren am 29.07.1997 eingereichten Einkommensteuererklärung setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 14.873 DM herab; der Verspätungszuschlag blieb in unveränderter Höhe bestehen.

Zur Begründung ihres Einspruchs gegen den Verspätungszuschlag trugen die Kläger vor, das Finanzamt habe rechtswidrig, insbesondere ermessensfehlerhaft gehandelt. Ein Verstoß gegen die Steuererklärungspflicht liege nicht vor, denn es gelte für die Frist zur Abgabe der Steuererklärung die Sonderregel für Land- und Forstwirte. Die Erklärung hätte bis zu dem geforderten Zeitpunkt nur unvollständig eingereicht werden können. Weiterhin sei die verspätete Einreichung entschuldbar, da Arbeitsüberlastung sowie die Abwicklung der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft eine fristgerechte Einreichung nicht möglich gemacht habe. Vorsorglich beantragten die Kläger rückwirkende Fristverlängerung gem. § 109 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung -AO- bis zum 31.07.1997. Dies lehnte das Finanzamt mit Schreiben vom 03.02.1998 ab. Eine weitere Stellungnahme der Kläger hierzu unterblieb.

Das Finanzamt wies den Einspruch gegen den Verspätungszuschlag als unbegründet zurück. Es führte aus, die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 AO lägen im Streitfall vor. Die Kläger hätten die Einkommensteuererklärung 1995, die bis zum 31.05.1996 abzugeben war, trotz mehrfacher Aufforderung nicht eingereicht; Gründe für eine Entschuldbarkeit der Säumnis seien nicht erkennbar gewesen. Insbesondere gelte im Hinblick auf die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft keine verlängerte Abgabefrist. Denn diese Einkünfte seien nicht vom Kläger, sondern von der Erbengemeinschaft, an der der Kläger lediglich beteiligt ist, ermittelt worden. Der Verspätungszuschlag sei auch der Höhe nach gemessen an den Kriterien des § 152 Abs. 2 Satz 2 AO gerechtfertigt. Der Aspekt des Vorteilsausgleichs habe wegen der Vollverzinsung keine Rolle gespielt. Vielmehr sei für die Bemessung des Verspätungszuschlags maßgeblich gewesen, dass die Kläger die Erledigung der Veranlagungsarbeit durch die wiederholte Missachtung ihrer Erklärungspflicht deutlich gestört hätten; so hätten die Kläger die Einkommensteuererklärung für die Vorjahre (1993 und 1994) ebenfalls deutlich verspätet abgegeben (am 14.12.1995 bzw. am 03.01.1997). Im Hinblick auf die Dauer der Verspätung von mehr als 13 Monaten sei der Verspätungszuschlag auch bezogen auf die festgesetzte Steuer laut Änderungsbescheid nicht zu hoch bemessen. Auch werde durch die Festsetzung i.H. von 200 DM die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kläger - angesichts eines Gesamtbetrags der Einkünfte i.H.v. 98.000 DM -angemessen berücksichtigt. Eine niedrigere Festsetzung dürfte kaum noch als spürbarer Anstoß zur Erfüllung der Erklärungspflichten empfunden werden.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Kläger im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholten. Insbesondere weisen sie darauf hin, dass im Hinblick auf die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft die Abgabefrist für die Einkommensteuererklärung nach § 149 Abs. 2 Satz 2 AO nicht vor Ablauf des dritten Monats ende, der auf den Schluss des in dem Kalenderjahr begonnenen Wirtschaftsjahres folge. Damit sei die Einkommensteuererklärung 1995 nicht verspätet eingereicht worden.

Wegen des weiteren Klägervorbringens wird auf den Schriftsatz vom 02.01.1999 nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

die Festsetzung von 200 DM Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 1995 aufzuheben.

Der Kläger zu 1) beantragt hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, den Antrag des Klägers zu 1. vom 22.11.1997, nach § 109 Abs. 1 Satz 2 AO die Abgabefrist für die Einkommensteuererklärung 1995 rückwirkend bis zum 31.07.1997 zu verlängern, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die in der Einspruchsentscheidung getroffenen Erwägungen für rechtmäßig, insbesondere ermessensgerecht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die in Auszügen beigezogenen Steuerakten des Finanzamts verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Da der Streitwert bei der vorliegenden Klage, die sich gegen einen auf Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt richtet, 1.000 DM (seit dem 01.01.2002 gelten 500 EUR) nicht übersteigt, konnte das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen (§ 94 a der Finanzgerichtsordnung -FGO). Das Verfahren konnte deshalb ohne mündliche Verhandlung durchgeführt werden.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Der vom Finanzamt festgesetzte Verspätungszuschlag ist rechtmäßig.

Ob die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags (§ 152 Abs. 1 AO) erfüllt sind, ist eine vom Gericht voll überprüfbare Rechtsentscheidung. Die Entscheidung, ob und ggf. in welcher Höhe ein Verspätungszuschlag tatsächlich festgesetzt wird, ist dem gegenüber eine Ermessensentscheidung (§ 5 AO), die von den Gerichten nur in den von § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüft werden kann. Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 18. August 1988 V R 19/83, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1988, 929, 931).

Im Streitfall hat das Finanzamt zurecht die Tatbestandsvoraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags bejaht. Die Kläger haben ihre Einkommensteuererklärung für 1995 verspätet abgegeben. Die Fristen zur Abgabe von Steuererklärungen regelt § 149 Abs. 2 AO. Danach ist die Einkommensteuererklärung grundsätzlich binnen fünf Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres abzugeben, auf das sich die Steuererklärung bezieht; d.h. die Einkommensteuererklärung 1995 war bis Ende Mai 1996 beim Finanzamt einzureichen. Eine Verlängerung der Abgabefrist gilt jedoch gem. § 149 Abs. 2 Satz 2 AO für Steuerpflichtige, die allein oder zusammen mit anderen Einkunftsarten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft haben. Das Wirtschaftjahr bei Land- und Forstwirten richtet sich nach der Art der Bewirtschaftung; für reine Forstbetriebe endet das Wirtschaftsjahr am 30.09. Demnach endet nach der Sonderregel des § 149 Abs. 2 Satz 2 AO die Abgabefrist für reine Forstbetriebe am 31.12. des Kalenderjahres.

Der Sinn der verlängerten Abgabefrist bei abweichendem Wirtschaftsjahr beruht darauf, dass nach § 4 a Abs. 2 Nr. 1 EStG eine zeitanteilige Aufteilung des Gewinns aus den beiden das jeweilige Kalenderjahr betreffenden Wirtschaftsjahren erfolgt. Die Gewinnermittlung für das ablaufende Kalenderjahr, auf das sich die Steuererklärung bezieht, kann also erst nach Abschluss des in dem abgelaufenen Kalenderjahr begonnenen Wirtschaftsjahr erfolgen. Deshalb endet die Abgabefrist für Steuererklärungen dann spätestens nach drei Monaten nach Abschluss des anteilig einzubeziehenden Wirtschaftsjahres. Dementsprechend bezieht sich die Sonderregel des § 149 Abs. 2 Satz 2 nur auf Steuererklärungen, in denen die Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erfolgt. Erfolgt die Einkünfteermittlung im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung, gilt die Verlängerung der Abgabefrist für diese Erklärung; erfolgt die Einkünfteermittlung aus Land- und Forstwirtschaft im Rahmen der Einkommensteuererklärung, dann kann diese Erklärung später abgegeben werden. Da im Streitfall die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft für das jeweilige Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) im Rahmen des Verfahrens zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung erfolgt, gilt vorliegend die verlängerte Abgabefrist für die Feststellungserklärung der Erbengemeinschaft, nicht hingegen für die Einkommensteuererklärung der Kläger. Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft werden im Feststellungsbescheid mit bindender Wirkung für die Einkommensteuerfestsetzung festgestellt (§ 182 Abs. 1 AO). In der Einkommensteuererklärung der Kläger waren deshalb konkrete Angaben zur Höhe der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft entbehrlich. Ergeht der Feststellungsbescheid erst nach Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheides, ist letzterer gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 AO insoweit zu ändern, als die gesondert festgestellten Einkünfte im Einkommensteuerbescheid in Ansatz gebracht werden.

Die mit den schriftlichen Erinnerungen (vom 27.07.1996 und 20.11.1996) an die Abgabe der Einkommensteuererklärung verbundenen Fristsetzungen für die Erklärungsabgabe zum 22.08.1996 und zum 02.01.1997 stellen keine Verlängerung der gesetzlichen Abgabefrist dar; es handelt sich lediglich um Fristen bis zu deren Ablauf das Finanzamt von weiteren Maßnahmen (Androhung von Zwangsgeld und Schätzung) absehen wollte.

Die Kläger haben keine Gründe dargelegt, die sie in entschuldbarer Weise an der rechtzeitigen Abgabe der Einkommensteuererklärung gehindert haben. Die angeführte Arbeitsüberlastung des Klägers reicht als Entschuldigungsgrund nicht aus.

Das Finanzamt hat ohne Ermessensfehler die Festsetzung eines Verspätungszuschlags für erforderlich gehalten (Entschließungsermessen), um die Kläger für die Zukunft zur fristgerechten Abgabe ihrer Einkommensteuererklärungen anzuhalten. Immerhin waren Einkommensteuererklärungen bereits in den beiden Vorjahren erheblich verspätet abgegeben worden. Angesichts der wiederholten und erheblichen Verspätung ist die Entscheidung des Finanzamts, einen Verspätungszuschlag festzusetzen, nicht zu beanstanden, zumal die Veranlagungsarbeit des Finanzamts durch die verspätete Abgabe offensichtlich beeinträchtigt worden ist (Mahnungen, Überwachung, Schätzungserfordernis, Einspruchsverfahren).

Die Festsetzung der Höhe des Verspätungszuschlags ist auch, gemessen an den Maßstäben des § 152 Abs. 2 Satz 2 AO, ermessensgerecht. Das Finanzamt hat den Verspätungszuschlag unter Hinweis auf § 233 a AO nicht zur Abschöpfung von aus der verspäteten Abgabe gezogenen (Zins-)Vorteilen festgesetzt, sondern zu dem Zweck, die Kläger zukünftig zur fristgerechten Abgabe ihrer Einkommensteuererklärung anzuhalten. Das Finanzamt hat in seiner Einspruchsentscheidung die für die Bemessung des Verspätungszuschlags erheblichen Gesichtspunkte gem. § 152 Abs. 1 Satz 2 AO, nämlich die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des Zahlungsanspruchs, das Ausmaß des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kläger, ermessensgerecht gewürdigt. Das Finanzamt ist zutreffend von einer erheblichen Fristüberschreitung ausgegangen. Bei der Höhe des Verspätungszuschlags hat das Finanzamt in besonderem Maße auf das erhebliche Verschulden der Kläger abgestellt und dies darin gesehen, dass sie bereits in den Vorjahren ihrer Steuererklärungspflicht nur mit erheblicher Verspätung nachgekommen sind. Insofern hat das Finanzamt angesichts der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kläger im Hinblick auf den der Steuerfestsetzung zu Grunde gelegten Gesamtbetrag der Einkünfte i.H.v. rd. 98.000 DM einen Verspätungszuschlag von 200 DM für angemessen gehalten, um die Kläger in Zukunft zu einer Änderung ihres Abgabeverhaltens zu bewegen und die mit der verspäteten Abgabe der Erklärungen regelmäßig verbundene Störung der Verwaltungsarbeit in Zukunft zu unterbinden. Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden.

Der Hilfsantrag des Klägers zu 1) ist unzulässig.

Insoweit ist das erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden. Der Kläger hat die Ablehnung des Antrags auf nachträgliche Fristverlängerung nicht mit dem Einspruch angefochten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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