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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 03.12.2008
Aktenzeichen: 2 K 3575/07 F
Rechtsgebiete: EStG, LStDV 1990


Vorschriften:

EStG § 10d Abs. 4
EStG § 12
LStDV 1990 § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der im Jahre 1981 geborene Kläger schloss am 12.8 2003 mit der A GmbH (A) einen Schulungsvertrag über die fliegerische Grundschulung des Klägers zum Verkehrsflugzeugführer nach den Standards der A. Der Kläger trug von den Gesamtkosten der Schulung einen Eigenanteil in Höhe von 40.903 EUR. Dieser Betrag wurde zwölf Monate nach Schulungsbeginn fällig. Ebenfalls am 12.8.2003 schloss der Kläger einen Darlehensvertrag mit der A AG über den Betrag von 40.903 EUR. Das Darlehen wurde für die Dauer der Schulung und bis zum Beginn einer Beschäftigung als Flugzeugführer im A-Konzern zins- und tilgungsfrei gestellt. Der Kläger verpflichtete sich im Schulungsvertrag u.a., an allen Schulungsveranstaltungen regelmäßig teilzunehmen. Dem Kläger sollte nach erfolgreicher Schulung von der A oder einer Gesellschaft, die unter den Konzerntarifvertrag für das Cockpitpersonal fällt, ein "Cockpitarbeitsplatz" angeboten werden, sofern ein Personalbedarf ausgewiesen ist und einem Arbeitsverhältnis keine andere rechtlichen Gründe entgegenstehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopien des Schulungs- und des Darlehensvertrages in der Einkommensteuerakte Bezug genommen.

Der Kläger wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. In seiner Steuererklärung 2004 machte er Werbungskosten in Höhe von insg. 47.224 EUR bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, insb. die Schulungskosten in Höhe von 40.903 EUR sowie Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von 4.675 EUR. Sonstige Einkünfte hatte der Kläger nicht.

Der Kläger trug vor, er befinde sich in einem Ausbildungs-Dienstverhältnis im Sinne des § 12 Nr. 5 2. Halbsatz des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne ein Ausbildungsverhältnis auch dann vorliegen, wenn ein Vergütungsanspruch nicht von Beginn an, sondern erst im Laufe des Dienstverhältnisses entstehe. Zudem verwende § 12 Nr. 5 EStG mit dem Begriff des "Dienstverhältnisses" einen weit gefassten Begriff, der über das "Arbeitsverhältnis" hinausgehe. Zu der Vergütung gehörten auch Ausbildungsleistungen als geldwerte Leistungen sowie die zinslose Darlehensgewährung. Es komme daher nicht entscheidend auf einen "formalen Lohnanspruch" an. Eine Vielzahl von Haftungsproblemen sei der Grund dafür, dass während der Ausbildung zum Piloten - anders als bei anderen Auszubildenden - kein Entgelt gezahlt werde. Wesentlich sei vor allem, dass die spätere Einstellung bei der A als dem auszubildenden Unternehmen für beide Seiten die Geschäftsgrundlage darstelle. Schon das erhebliche finanzielle Risiko einer solchen Ausbildung führe zu einem "äußersten Maß an Vertragstreue". Die vom Flugschüler und der Flugschule geschuldeten Dienste seien im Einzelnen in dem Vertrag festgelegt. Der Flugschüler unterwerfe sich einem strengen Dienstplan mit ständigen theoretischen und praktischen Prüfungen.

Der Beklagte berücksichtigte die Aufwendungen als Sonderausgaben (Berufsausbildungskosten), setzte die Steuer auf null EUR fest und stellte den verbleibenden Verlustvortrag auf den 31.12.2004 unverändert - wie in dem bestandskräftigen Bescheid über den verbleibenden Verlustvortrag auf den 31.12.2003 - mit 10.203 EUR fest. Der Einspruch des Klägers gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2004 hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage machte der Kläger ursprünglich geltend, Aufwendungen in Höhe von insg. 47.224 EUR im Rahmen der Verlustfeststellung als Werbungskosten zu berücksichtigen. Er ist der Auffassung, er habe sich in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 12 Nr. 5 2. Halbsatz EStG befunden. Hilfsweise verweist er darauf, § 12 Nr. 5 EStG sei wegen Verstoßes gegen das objektive Nettoprinzip verfassungswidrig. Eine Vergütung des Klägers sei in Sachbezügen sowie in der zinslosen Darlehensgewährung zu sehen. Der Kläger weist darauf hin, dass die Kosten für die Ausbildung zum Piloten besonders hoch seien und die Finanzierung daher regelmäßig - sofern keine ausreichende finanzielle Unterstützung durch die Eltern erfolge - nur durch Darlehen erfolgen könne.

Die Beteiligten haben sich in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Höhe der Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung verständigt.

Der Kläger beantragt nunmehr,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2004 vom 24.04.2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.8.2007 dahin abzuändern, dass der verbleibende Verlustvortrag um 44.887 EUR erhöht wird;

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, es liege kein Ausbildungs-Dienstverhältnis vor. Der Fall unterscheide sich nicht wesentlich von Konstellationen, in denen Steuerpflichtige sich auf eigene Kosten zum Piloten ausbilden ließen und danach eine Anstellung suchten.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat zu Recht die geltend gemachten Aufwendungen nicht bei der Verlustfeststellung nach § 10d Abs. 4 EStG berücksichtigt. Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung dürfen gem. § 12 Nr. 5 EStG nicht bei den einzelnen Einkunftsarten abgezogen werden. Die Regelung ist verfassungsgemäß.

Nach § 12 Nr. 5 EStG können Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium weder bei den einzelnen Einkommensarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, wenn diese nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Dies gilt, soweit in den § 10 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 6, 7 und 9, §§ 10 a, 10 b und den §§ 33 bis 33 c EStG nichts anders bestimmt ist. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG können Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung bis 4.000 EUR im Kalenderjahr als Sonderausgaben abgezogen werden. Zu diesen Aufwendungen gehören auch Aufwendungen für eine auswärtige Unterbringung.

1. Die Voraussetzungen des § 12 Nr. 5 EStG sind erfüllt. Es handelt sich im Streitfall um die erstmalige Berufsausbildung des Klägers. Demgegenüber findet die Ausbildung entgegen der Auffassung des Klägers nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses statt (§ 12 Nr. 5 2. Halbsatz EStG).

Die Regelung des § 12 Nr. 5 2. Halbsatz EStG beruht auf der gesetzgeberischen Erwägung, dass im Rahmen eines (Ausbildungs-) Dienstverhältnisses die Aufwendungen zur Erzielung von Einnahmen dienen. Der Gesetzgeber orientierte sich dabei an der langjährigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu Ausbildungs-Dienstverhältnissen (Bundestags-Drucksache - BTDrS - 15/3339, S. 11; vgl. bereits BFH-Urt. v. 21.1.1972 VI R 337/70, BStBl. II 1972, 261 und Urt. v. 3.12.1974 VI R 159/74, BStBl. II 1975, 356).

Aufwendungen für die Berufsausbildung können somit dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn die Berufsausbildung in der Weise Gegenstand des Dienstverhältnisses ist, dass die vom Arbeitnehmer geschuldete Leistung, für die der Arbeitgeber ihn bezahlt, in der Teilnahme an den Berufsausbildungsmaßnahmen besteht (vgl. BFH-Urt. v. 15.4.1996 VI R 99/95, BFH/NV 1996, 804). Ein Dienstverhältnis liegt nach § 1 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) vor, wenn der Angestellte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Ein Ausbildungs-Dienstverhältnis ist von der Rechtsprechung bspw. bei Finanzanwärtern, Rechtsreferendaren, Lehramtskandidaten und Zeitsoldaten bejaht worden (siehe v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 9 EStG Rn. B 295 m.N.).

Der Kläger befand sich nicht in einem (Ausbildungs-) Dienstverhältnis. Er hat vielmehr einen Schulungsvertrag mit der A und einen Darlehensvertrag mit der A abgeschlossen, gerade aber kein Dienstverhältnis mit seiner späteren Arbeitgeberin, der A, begründet. Die vom Kläger mit der A bzw. der A geschlossenen Verträge begründen weder für sich genommen noch in einer Gesamtschau ein Dienstverhältnis im Sinne des § 12 Nr. 5 2. Halbsatz EStG. Im Einzelnen ist wie folgt zu unterscheiden:

a) Der Schulungsvertrag mit der A begründet kein Dienstverhältnis, weil der Kläger weder der A seine Arbeitskraft schuldet noch von ihr Arbeitslohn bezieht. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) Sachleistungen in gewissem Umfang auf die Bruttovergütung angerechnet werden können (siehe § 17 BBiG), so ändert dies nichts daran, dass nicht die A dem Kläger eine Vergütung schuldet, sondern vielmehr der Kläger einen Teil der Schulungskosten zu vergüten hat.

b) Der mit der A geschlossene Darlehensvertrag stellt ebenfalls kein Dienstverhältnis dar, denn der Kläger schuldet der A während der Ausbildung nicht seine Arbeitskraft. Dem Kläger ist einzuräumen, dass durch die Belastung des Flugschülers mit einem erheblichen Teil der Schulungskosten ein starker wirtschaftlicher Druck ausgeübt wird; dies kann aber nicht der rechtlichen Verpflichtung zur Teilnahme an einer Ausbildungsmaßnahme, wie sie für ein Ausbildungs-Dienstverhältnis prägend ist, gleichgestellt werden. Der Kläger befindet sich insoweit nicht in einer entscheidend anderen Situation als Flugschüler, die ihre Ausbildung nicht bei einer Tochtergesellschaft eines Luftfahrtunternehmens absolvieren und keine Finanzierungshilfe von einem Luftfahrtunternehmen erhalten. Ob der Verzicht auf Zinsen bzw. Teile des Darlehns im Hinblick auf die spätere Beschäftigung bei der A bzw. einer Tochtergesellschaft steuerlich als Arbeitslohn zu behandeln ist, braucht hier nicht geklärt zu werden.

c) Die Aussicht auf die spätere Einstellung bei der A nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung genügt für die Anwendung des § 12 Nr. 5 2. Halbsatz EStG nicht, da während der gesamten Ausbildung gerade kein Dienstverhältnis bestand. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall von Fällen, in denen für einen Teil der Ausbildung keine Vergütung gezahlt wird (siehe BFH-Urt. v. 24.9.1985 IX R 96/82, BStBl. II 1986, 184).

2. Die Regelung des § 12 Nr. 5 EStG 2004 ist nicht verfassungswidrig. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des Niedersächsischen Finanzgerichts in seinem Urteil vom 15.5.2007 (13 K 570/06, EFG 2007, 1431) an.

a) Mit der in § 12 Nr. 5 EStG 2004 vorgesehenen Unterscheidung zwischen der erstmaligen Berufsausbildung bzw. dem Erststudium einerseits und Fortbildungskosten sowie Aufwendungen im Rahmen eines (Ausbildungs-) Dienstverhältnisses andererseits nimmt der Gesetzgeber eine verfassungsrechtlich zulässige und praxistaugliche Typisierung vor. Die grundlegende Entscheidung des Gesetzgebers, die Aufwendungen der erstmaligen Berufsausbildung wie die Aufwendungen für Erziehung oder andere Grundbedürfnisse dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen (BTDrS 15/3339, S. 10), hält sich im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens und entspricht auch der allgemeinen Systematik des EStG, zwischen Ausbildung und Fortbildung zu unterscheiden (vgl. §§ 10 Nr. 7, 32 Abs. 4 Nr. 2 , 33a Abs. 1 und 2 EStG; v. Bornhaupt in Kirchhof/Sohn/Mellinghoff, § 9 EStG Rn.B. 278 ff.). Die allgemein konstatierte wachsende Bedeutung der Ausbildung für das moderne Erwerbsleben kann den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht so weit einschränken, dass ein unbeschränkter Abzug der Aufwendungen verfassungsrechtlich zwingend geboten wäre. Der Gesetzgeber durfte den geänderten Lebensverhältnisses insoweit durch die Erhöhung des Sonderausgabenabzugs Rechnung tragen (a.A. Drenseck in Schmidt, EStG, 27. A. 2008, § 12 Rn. 57).

b) § 12 Nr. 5 EStG 2004 wurde durch Art. 3 Nr. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und anderer Gesetze vom 21.7.2004 (BGBl. I 2004, 1753) mit Wirkung zum 1.1.2004 eingeführt. Da die Aufwendungen für die Piloten-Ausbildung aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (siehe BFH-Urt. v. 27.5.2003, VI R 33/01, BStBl. II 2004, 884) bis zum Inkrafttreten der Gesetzesänderung als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen waren, führt die Gesetzesänderung zu einer Einschränkung des Werbungskostenabzugs im Wege einer unechten Rückwirkung bzw. tatbestandlichen Rückanknüpfung, die jedoch als Reaktion auf die Änderung der Rechtsprechung durch den Bundesfinanzhof und die deshalb befürchteten Steuerausfälle gerechtfertigt war (siehe ausführlich Finanzgericht Niedersachen a.a.O. S. 1433 f. m.w.N.; a.A. Drenseck a.a.O). Es ist im Streitfall auch nicht ersichtlich, dass der Kläger gerade im Hinblick auf die Rechtsprechungsänderung disponiert hätte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

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