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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.05.2007
Aktenzeichen: 3 K 1200/04 F
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 3c
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 1
AO 1977 § 170 Abs. 2 Nr. 1
AO 1977 § 181 Abs. 1 S. 1
AO 1977 § 181 Abs. 5 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

3 K 1200/04 F

Tenor:

Der Beklagte wird verpflichtet, auf den 31.12.1994 einen verbleibendenden vortragsfähigen Verlust von 35.427 DM, auf den 31.12.1995 einen verbleibenden vortragsfähigen Verlust von 90.240 DM und auf den 31.12.1996 einen verbleibenden vortragsfähigen Verlust von 90.240 DM gesondert festzustellen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen Kläger und Beklagter je zur Hälfte.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Nach seinem Abitur im Jahr 1992 studierte der Kläger, der nach seinen Angaben in den Jahren 1992 bis 1995 keine Einnahmen i.S.d. Einkommensteuergesetzes - EStG - erzielte, Maschinenbau. Das Studium brach er ohne Abschluss zum Beginn des Wintersemesters 1994/1995 ab, um ab dem 5.12.1994 eine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer zu machen. Nach erfolgreichem Abschluss dieser Ausbildung durch Erwerb der Erlaubnis zum Verkehrsflugzeugführer am 5.7.1996 begann der Kläger ab dem 1.8.1996 bei der Flug AG eine unbezahlte Standardisierungsschulung nebst Erwerb der Musterzulassung für den Airbus A 320. Der erste Schulungsabschnitt endete im Oktober 1996, der zweite Ausbildungsabschnitt begann im März 1997. In der ausbildungsfreien Zeit übte der Kläger eine Aushilfstätigkeit bei der P AG aus. Seit Beendigung der Standardisierungsschulung am 2.5. 1997 ist der Kläger bei der Flug AG als Verkehrsflugzeugführer fest angestellt.

Für die Jahre 1994 und 1995 gab er keine Steuererklärung ab. Für das Jahr 1996 wurde die Einkommensteuer mit Bescheid vom 27.2.1997 unter Berücksichtigung eines Gesamtbetrages der Einkünfte (GdE) von 5.607 DM erklärungsgemäß mit 0 DM festgesetzt und die einbehaltene Lohnsteuer von 738 DM erstattet. Mit Bescheid vom 18.8.1998 wurde - ausgehend von einem GdE von 36.071 DM und steuerfreien ausländischen, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften in Höhe von 6.504 DM - die Einkommensteuer für das Jahr 1997 auf 6.203 DM festgesetzt. Mit Änderungsbescheid vom 12.7.1999 (ursprünglicher Einkommensteuerbescheid vom 22.4.1999) wurde die Einkommensteuer des Klägers für das Jahr 1998 auf Basis eines GdE von 117.127 DM und steuerfreien ausländischen, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften in Höhe von 10.414 DM festgesetzt. In dem versteuerten Arbeitslohn waren 47.690 DM enthalten, die die Flug AG dem Kläger zur Erstattung seiner Ausbildungskosten gezahlt hatte.

Mit Schreiben vom 3.9.2003 beantragte der Kläger, wegen der mit der Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer verbundenen Aufwendungen auf den 31.12.1994, den 31.12.1995 und den 31.12.1996 einen vortragsfähigen Verlust gem. § 10 d EStG festzustellen. Dazu legte er die von ihm abgeschlossenen Ausbildungsverträge sowie die Mietverträge über Unterkünfte vor, die er am Ausbildungsort angemietet hatte. Des weiteren legte er Kontoauszüge vor, aus denen sich ergibt, dass der Kläger die Aufwendungen von seinem eigenen Konto gezahlt hatte. Das dazu erforderliche Geld hatten ihm jeweils zuvor seine Eltern auf sein Konto überwiesen. Neben den eigentlichen Kosten für die Flugschule machte der Kläger Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen und Werbungskosten für Familienheimfahrten und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltend, wobei er die Fahrtkosten unter Zugrundelegung der jeweiligen Kilometerpauschbeträge berechnete.

Der Beklagte lehnte den Erlass von Bescheiden über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes mit Bescheid vom 20.11.2003 ab und begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass eine Verlustfeststellung wegen Ablaufes der Festsetzungsfrist für die Verlustentstehungsjahre nicht mehr möglich sei und dem Kläger keine Werbungskosten entstanden seien, denn wirtschaftlich betrachtet hätten dessen Eltern die Aufwendungen getragen.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 3.2.2004) hat der Kläger eine Klage wegen der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Verlustes auf den 31.12.1994 und den 31.12.1995 (3 K 1200/ 04 F) und eine Klage für die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes auf den 31.12.1996 (3 K 1194/04 F) erhoben. Zur Begründung seiner durch das Gericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen trägt der Kläger vor:

Nach der neuen Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BStBl. II 2003, 403 und vom 27. Mai 2003 VI R 33/01, BStBl. II 2004, 884) seien die Kosten der ersten Ausbildung für einen Beruf vorweggenommene Werbungskosten bei der später ausgeübten Berufstätigkeit, wenn zwischen den Aufwendungen und den späteren Einnahmen erkennbar ein enger Zusammenhang bestehe. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt, denn der Kläger habe unmittelbar im Anschluss an seine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer eine Tätigkeit als Pilot bei der deutschen Flug AG aufgenommen und erziele daraus erhebliche, im Inland steuerpflichtige Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit.

Wer dem Kläger das Geld für seine Ausbildung zur Verfügung gestellt habe, sei irrelevant. Unerheblich sei auch, aus welchem Rechtsgrund die Eltern des Klägers diesem das Geld zugewendet hätten. Zum Unterhalt seien die Eltern nicht mehr verpflichtet gewesen, weil sie zunächst das Studium bezahlt hätten und dessen Abbruch und der Wechsel der Berufsausbildung nicht dadurch bedingt gewesen sei, dass die Eltern den Kläger zunächst zu einer Ausbildung gedrängt hätten, die seinen Neigungen und Interessen nicht entsprochen hätte (Hinweis auf BGH - Urteil vom 11. Februar 1987 IV b ZR 23/86, FamRZ 1987, 470). Der BFH habe außerdem in der Entscheidung vom 27. Mai 2003 darauf hingewiesen, dass es unerheblich sei, ob die Eltern die Ausbildung aufgrund einer vermeintlichen oder bestehenden Unterhaltsverpflichtung gezahlt und entsprechend Kinder - oder Ausbildungsfreibeträge in Anspruch genommen hätten.

Ob ein Verlust festzustellen sei oder wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr festgestellt werden könne, sei nach § 181 Abs. 5 AO zu beurteilen. Da die Feststellung eines vortragsfähigen Verlustes auf den 31.12.1994 Grundlagenbescheid für die Verlustfeststellung des Folgejahres und dieser Bescheid Grundlagenbescheid für die Verlustfeststellung auf den 13.12.1996 sei und letztere sich noch auf die Steuerfestsetzungen der Folgejahre auswirke, sei ein Bescheid zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Verlustes zu erlassen. Dass in dem Steuerbescheid für das Jahr 1996 ein positiver GdE zugrunde gelegt werde, stünde der Geltendmachung von Verlusten auch für dieses Jahr nicht entgegen, denn der BFH habe mit Urteil vom 2. August 2006 (XI R 65/05, BFH/NV 2006, 2345) entschieden, dass der verbleibende Verlustabzug - unabhängig davon, ob eine Veranlagung durchgeführt worden ist oder nicht, so zu berechnen sei, wie er sich bei zutreffender Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und des Verlustvortrages ergeben würde.

Der Kläger beantragt,

auf den 31.12.1994 einen verbleibenden vortragsfähigen Verlust von 36.344 DM, auf den 31.12.1995 einen verbleibenden vortragsfähigen Verlust von 115.867 DM und auf den 31.12.1996 einen verbleibenden vortragsfähigen Verlust von 173.145 DM gesondert festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er unter Bezugnahme und in Ergänzung seiner bisherigen Entscheidungen vor:

Werbungskosten lägen dem Grund nach nicht vor. Es handele sich um Aufwand der Eltern. Der Kläger selbst sei nicht belastet gewesen.

Die Höhe der behaupteten Werbungskosten sei unzutreffend. Die vom Kläger geltend gemachten Kosten für Miete, Verpflegungsmehraufwand und Familienheimfahrten seien nicht zu berücksichtigen, weil dies eine steuerlich berücksichtigungsfähige doppelte Haushaltsführung voraussetze, der Kläger aber im Haus seiner Eltern gewohnt und dort keinen eigenen Hausstand unterhalten habe. Die Ausbildungsstätten sowohl in Deutschland wie auch in den USA seien vom ersten Tag an als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen, was nach allgemeinen Grundsätzen den Abzug von Reisekosten und von Verpflegungsmehraufwendungen ausschließe.

Die Anträge auf Verlustfeststellung seien verfristet. Der Kläger habe seine Anträge innerhalb der zweijährigen Antragsfrist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG stellen müssen, da er künftig Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu erzielen beabsichtigt hätte, für die die genannte Vorschrift einschlägig gewesen wäre. Steuerpflichtige, von deren Einkünften tatsächlich ein Steuerabzug vorgenommen worden wäre, könnten nur innerhalb der Antragsfrist einen Verlust geltend machen. Würde man Steuerpflichtigen, die erst künftig solche Einkünfte erzielen, gestatten, ihre Verluste auch jenseits der Zweijahresfrist geltend zu machen, führte dies zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung dieses Personenkreises. Wegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG - müsse daher für beide Gruppen die Antragsfrist gelten.

Speziell für das Jahr 1996 sei die Verlustfeststellung auch deswegen ausgeschlossen, weil mit bestandskräftigem Steuerbescheid für dieses Jahr festgestellt worden sei, dass der Kläger einen positiven GdE gehabt habe.

Eine Verlustfeststellung habe wegen Verjährung nicht mehr zu erfolgen. Es widerspreche dem mit der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Verlustes verfolgten Gesetzeszweck, Streit über die Höhe des vortragsfähigen Verlustes zu vermeiden, wenn Verluste im Wege eines Antrages auf gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes auch noch Jahre nach Ablauf der jeweiligen Veranlagungszeiträume geltend gemacht werden könnten.

Bei einer auf § 181 Abs. 5 AO gestützten nachgeholten gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges sei im Wege einer teleologischen Reduktion die Feststellung auf die letzten fünf Veranlagungszeiträume zu beschränken, die vor Antragstellung abgelaufen seien. In § 10 d EStG in der für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1989 geltenden Fassung sei eine solche Begrenzung enthalten gewesen. Mit der Gesetzesänderung sei lediglich beabsichtigt gewesen, die zeitliche Beschränkung des Verlustvortrages aufzuheben. Weder die Gesetzesbegründung noch die Materialien ließen aber erkennen, dass die Möglichkeit geschaffen werden sollte, zeitlich uneingeschränkt noch nach Jahren in der Vergangenheit liegende Verluste geltend zu machen. Der Kläger müsse sich außerdem die Verwirkung etwaiger Ansprüche entgegenhalten lassen.

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger ist durch die ablehnenden Bescheide vom 20.11.2003 insoweit in seinen Rechten verletzt ( § 101 Finanzgerichtsordnung - FGO -), wie der Beklagte in dem im Tenor ausgesprochenen Umfang verpflichtet gewesen ist, eine gesonderte Verlustfeststellung durchzuführen.

I. Kosten für den Erwerb der Verkehrsflugzeugführerlizenz als Werbungskosten

1. Werbungskosten dem Grunde nach

Die Aufwendungen für den Erwerb der Verkehrsflugzeugführerlizenz und die Standardisierungsschulung nebst Erwerb der Musterzulassung für den Airbus A 320 sind dem Grunde nach als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) zu berücksichtigen.

a) Unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BFH mit Urteil vom 4. Dezember 2002 (VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl. II 2003, 403) entschieden, dass Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus dem künftigen Beruf sein können. Im Anschluss an dieses Urteil hat der BFH in einer Entscheidung vom 27. Mai 2003 (VI R 33/01 BFHE 202, 314 BStBl. II 2004, 884) ausgeführt, vorab entstandene Werbungskosten könnten auch bei einer erstmaligen Berufsausbildung anzuerkennen sein, vorausgesetzt, die Aufwendungen seien beruflich veranlasst, weil sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang zu den künftigen steuerbaren Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit stehen. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung aus den in den zitierten Entscheidungen genannten Gründen an.

Der erforderliche erwerbsbezogene Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen für den Erwerb der Verkehrsflugzeugführerlizenz und der Standardisierungsschulung einerseits und den vom Kläger in den Jahren seit 1997 bezogenen, im Inland steuerbaren und steuerpflichtigen Einkünften als Pilot andererseits ist zu bejahen. Der Kläger hätte ohne Lizenz und Standardisierungsschulung nicht als Flugzeugführer für die Flug AG arbeiten können. Er hat seine Tätigkeit als Pilot unmittelbar nach Abschluss der genannten Ausbildungsmaßnahmen aufgenommen.

b) Dem Abzug als Werbungskosten steht es nicht entgegen, dass der Kläger seine Aufwendungen aus Geld bestritten hat, das ihm zuvor seine Eltern auf sein Konto überwiesen haben. Wie der BFH in seinem Urteil vom 27. Mai 2003 (VI R 33/01 BFHE 202, 314, BStBl. II 2004,884) ausgeführt hat, wird der Abzug von Bildungsaufwendungen beim Steuerpflichtigen nicht dadurch ausgeschlossen, dass - was im Falle erstmaliger Berufsausbildung die Regel sein dürfte - die Eltern dem Steuerpflichtigen das Geld für die Ausbildung zur Verfügung stellen und gleichzeitig die Regelungen zum Familienleistungsausgleich nach den §§ 31,32 i.V.m. § 62 ff EStG in Anspruch nehmen oder die an den Steuerpflichtigen geleistete Unterhaltsaufwendungen nach § 33 a EStG abziehen. Nach dieser Entscheidung ist es irrelevant, aus welchem Rechtgrund die finanziellen Mittel dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Entscheidend für den Abzug als Werbungskosten beim Steuerpflichtige ist allein, dass dieser das ihm zugewendete Geld zur Zahlung von Erwerbsaufwendungen verwendet hat. Der Senat schließt sich dieser Auffassung aus den in der zitierten Entscheidung des BFH genannten rechtssystematischen Gründen an. Es ist daher für den Werbungskostenabzug beim Kläger unerheblich, ob dessen Eltern das Geld zur freien Verfügung oder zur Finanzierung der Ausbildung geschenkt oder in Erfüllung einer vermeintlichen oder tatsächlich bestehenden Unterhaltspflicht zugewendet haben.

2. Werbungskosten der Höhe nach

a) 1994 (Aufstellung Bl. 166 GA 3 K 1194/04 F)

aa) Bewerbungskosten, Schulungskosten, Gebühren und sonstige Kosten

Von den in der Aufstellung genannten Aufwendungen handelt es sich bei den Positionen "Bewerbungskosten" (1212 DM) und "Schulungskosten" (32.330,20 DM) offenkundig um Werbungskosten, was auch vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird.

32.330,20 DM

1.212,00 DM

Bei der Position "Gebühren und sonstige Kosten " hat der Kläger die Finanzierungskosten in Höhe von 158,70 DM weder dargelegt noch nachgewiesen. Hinsichtlich der übrigen genannten Aufwendungen liegen Werbungskosten vor, so dass 638,90 DM (791,70 DM - 158,80 DM) zu berücksichtigen sind.

638,90 DM

bb) Doppelte Haushaltsführung

Aufwendungen für Verpflegungsmehraufwand, die Miete in Deutschland und Kosten für die Familienheimfahrten sind nur zum Teil zu berücksichtigen.

(1) Eine steuerlich anzuerkennende, zeitlich unbeschränkte doppelte Haushaltsführung des Klägers lag nicht vor, denn der Kläger hat in dem Haus seiner Eltern lediglich ein Zimmer bewohnt. Zwar kann ein lediger Arbeitnehmer auch im Haushalt der Eltern mit diesen zusammen einen eigenen Hausstand unterhalten, mit der Folge dass eine Wohnung am Ausbildungsort als doppelter Haushalt anzusehen ist. Voraussetzung ist allerdings, dass er sich an der Führung des elterlichen Haushaltes finanziell und persönlich maßgebend beteiligt (BFH - Urteil vom 12. September 2000 VI R 165/97, BFHE 193, 282, BStBl. II 2001, 29). Dies hat der Kläger nicht dargelegt. Im übrigen ist es auch nicht ersichtlich, wie sich der Kläger am elterlichen Haushalt maßgeblich persönlich hätte beteiligen können, da er sich während der Dauer der Ausbildung unter der Woche am Ausbildungsort aufgehalten hat und nur an den Wochenenden nach Hause gefahren ist. Dass sich der Kläger finanziell an der Haushaltsführung nicht beteiligt hat, ist evident, denn nach eigenen Angaben hat er im Jahr 1994 keine Einkünfte erzielt, sondern war darauf angewiesen, dass seine Eltern für seinen Unterhalt einschließlich der Ausbildungskosten aufgekommen sind.

(2) Bei Arbeitnehmern ohne Familienhausstand war allerdings nach Abschnitt 43 Abs. 5 der in den Jahren 1994 und 1995 anzuwendenden Lohnsteuerrichtlinien - LStR- 1993 bei einem Wohnungswechsel an den Beschäftigungsort oder in dessen Nähe eine zeitlich beschränkte doppelte Haushaltsführung anzunehmen. Danach sind für eine Übergangszeit von zwei Wochen am neuen Beschäftigungsort die Aufwendungen einer doppelten Haushaltsführung anzuerkennen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Senat nicht der Ansicht, dass die Aufwendungen an dem jeweiligen Beschäftigungsort für die Dauer von drei Monaten anzuerkennen sind. Zwar ist dies gem. Abschnitt 43 Abs. 5 Nr. 1 b LStR 1993 auch bei Arbeitnehmern ohne eigenen Familienhausstand dann möglich, wenn die Voraussetzungen einer Einsatzwechseltätigkeit im Sinne von Abschnitt 37 Abs. 6 LStR 1993 vorliegen. Nach einer Entscheidung des BFH (Urteil vom 4. Mai 1990 VI R 144/85 BStBl. II 1990, 856) kann selbst im Rahmen einer Ausbildung eine Einsatzwechseltätigkeit vorliegen, wenn der Auszubildende an ständig wechselnden Ausbildungsstätten eingesetzt ist und keine Ausbildungsstätte nach den Umständen des Einzelfalles als dauerhafter Mittelpunkt der Ausbildungstätigkeit angesehen werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Die Ausbildung ist, mit Ausnahme der drei Monate in den USA, ausschließlich an der deutschen Verkehrsfliegerschule in Deutschland erfolgt, die deshalb als regelmäßige Ausbildungsstätte anzusehen war.

Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung sind daher für das Jahr 1994 wie folgt anzuerkennen:

Pauschale Fahrtkosten aus Anlass des Wohnungswechsels ( = 1 einfache Fahrt) zu Beginn der doppelten Haushaltsführung (vgl. Abschnitt 43 Abs. 6 Nr. 1 LStR 1993 i.V.m. Abs. 7 Nr. 1 i.V.m. Abschnitt 38 Abs. 1 und Abs. 2 LStR 1993) = 292 Km x 0,52 DM

151,84 DM

die Kosten der Fahrt anlässlich des Rückumzuges sind im Jahr 1995 zu berücksichtigen s.u.

Pauschale Fahrtkosten für eine Familienheimfahrt wöchentlich (= 2 x einfache Fahrt nach den Grundsätzen über Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (vgl. Abschnitt 43 Abs. 6 Nr. 1, 43 Abs. 7 Nr. 2 und Abschnitt 42 Abs. 4 bis 6 LStR 1993 ) = 292 km x 2 x 0,70 DM)

408,80 DM

Pauschale Verpflegungsmehraufwendungen (vgl. Abschnitt 43 Abs. 6 Nr. 2 und Abs. 8 und Abschnitt 39 Abs. 2 Nr. 2 LStR 1993) bei fünf Arbeitstagen die Woche und Heimfahrt zu den Eltern am Wochenende = 10 x 46 DM

460,00 DM

Tatsächliche Aufwendungen für die Wohnung am Beschäftigungsort (Abschnitt 43 Abs. 9 LStR 1993) für zwei Wochen = 1/2 der tatsächlichen Monatsmiete von 450 DM

225,00 DM.

cc) Summe 1994

32.330,20 + 1.212 + 638,90+ 151,84 + 408,80 + 460 +225 DM =

35.426,74 DM

gerundet

35.427, 00 DM

b) 1995 (Aufstellung Bl. 168 GA

aa) Bei den in der Position Schulungskosten genannten Aufwendungen handelt es sich, was auch der Beklagte nicht in Zweifel zieht, offenkundig um vorweggenommene Werbungskosten 51.945,51 DM

bb) Hinsichtlich der Finanzierungskosten erfüllt nur die Position Kontoführungsgebühren die Voraussetzungen für Werbungskosten, hinsichtlich der weiter geltend gemachten Kosten ist weder dargelegt noch nachgewiesen, dass es sich um Aufwendungen im Zusammenhang mit der angestrebten Berufstätigkeit handelt.

30,00 DM

cc) Hinsichtlich der doppelten Haushaltsführung bis April in Deutschland sind wegen des Ablaufes der Zweiwochenfrist bereits im Jahre 1994 lediglich die Aufwendungen für eine Heimfahrt anlässlich der (vorläufigen) Beendigung der Haushaltsführung in Deutschland durch Aufgabe der bisher innegehabten Wohnung anzuerkennen

= 292 km x 0,52 DM

151,84 DM

Wegen der im November 1995 wieder in Deutschland bezogenen Wohnung ist ab diesem Zeitpunkt abermals eine zeitlich befristete doppelte Haushaltsführung anzunehmen. Es gilt das zur zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung im Jahr 1994 Gesagte sinngemäß.

- die tatsächlich gezahlte Miete für 14 Tage (= 1/2 von 530 DM Monatsmiete)

265,00 DM

dd) Summe berücksichtigungsfähige Werbungskosten 1995

51.945,51 + 30,00 +151,84 + 265,00 + 460.00 + 560,64 + 1.400,00 DM

54.812,99 DM

gerundet 54.813,00 DM

c) 1996 (Bl. 173 GA)

Eine Ermittlung der für dieses Jahr berücksichtigungsfähigen Werbungskosten für Zwecke des Verlustvortrages erübrigt sich, weil in dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1996 vom 27.2.1997 ein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte ausgewiesen ist und das Gericht wegen der Unabänderbarkeit des Bescheides infolge Eintritts der Festsetzungsverjährung daran gehindert ist, davon abweichend einen Verlust für dieses Jahr anzusetzen (zur Begründung im Einzelnen siehe nachfolgend die Ausführungen zur Verlustfeststellung unter II. 2. a) cc).

d) Die vorstehend berechneten berücksichtigungsfähigen Werbungskosten von insgesamt 90.240 DM sind nicht zu kürzen, obwohl dem Kläger im Jahre 1998 von der Flug AG ein Teil der Ausbildungskosten erstattet worden ist. Eine Verrechnung der Aufwendungen der Jahre 1994 bis 1996 mit der Erstattung im Jahre 1998 findet nicht statt. Die erstatteten Werbungskosten führen im Zuflussjahr 1998 zu Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit, die der Beklagte zutreffend im Steuerbescheid dieses Jahres der Besteuerung unterworfen hat (Urteil des BFH vom 23. März 1993 IX R 67/88, BStBl. II 1993, 748).

e) Die vorstehend berechneten berücksichtigungsfähigen Werbungskosten sind im Rahmen der Feststellung des vortragsfähigen Verlustes nicht gem. § 3 c EStG in der in den Veranlagungszeiträumen 1994 bis 1996 gültigen Fassung (heute § 3 c Abs. 1 EStG) zu kürzen, obwohl der Kläger ausweislich der jeweiligen Einkommensteuerbescheide im Jahre 1997 DM 6.504 und im Jahr 1998 DM 10.414 steuerfreie ausländische Einkünfte erzielt hat. Ungeachtet der Frage, ob der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den Ausgaben der Jahre 1994 bis 1996 und den steuerfreien Einnahmen in den Folgejahren bejaht werden könnte, ist der Senat der Auffassung, dass über die Frage eines etwaigen, aus § 3 c EStG folgenden Abzugsverbotes wegen steuerfreier ausländischer Einkünfte erst im Rahmen der Veranlagung zu entscheiden ist, bei der die Werbungskosten geltend gemacht werden. Regelmäßig steht nämlich erst bei der späteren Veranlagung, nicht hingegen im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung des verbleibenden vortragsfähigen Verlustes fest, ob und in welchem Umfang überhaupt steuerfreie Einkünfte erzielt werden. Selbst dann, wenn zum Zeitpunkt der gesonderten Feststellung des verbleibenden vortragsfähigen Verlustes steuerfreie Einnahmen erwartet werden würden, wäre eine Kürzung zu diesem Zeitpunkt nicht sinnvoll. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 6 Juli 2005 XI R 61/04, BStBl. II 2006, 163) ist der Werbungskostenabzug nämlich nicht nach § 3 c EStG untersagt, wenn später tatsächlich keine steuerfreien Einnahmen zufließen. Im übrigen erachtet der Senat die Erfassung auch der ggfs. mit steuerfreien Einnahmen in Zusammenhang stehenden Werbungskosten im Rahmen der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Verlustes schon deswegen für sinnvoll, weil für die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden ausländischen, nicht der deutschen Steuer unterliegenden (§ 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG) oder nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung/sonstigem zwischenstaatlichen Übereinkommen steuerfreien ausländischen Einkünfte (§ 32 b Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 EStG) eine Einkünfteermittlung nach deutschem Recht zu erfolgen hat. Können sich, wie im vorliegenden Fall, auch die ggfs. nach § 3 c EStG nicht abziehbaren Werbungskosten in den Verlustentstehungsjahren steuerlich nicht auswirken, muss deren Berücksichtigung in späteren Jahren im Rahmen der Ermittlung der Höhe der ausländischen steuerfreien, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte sicher gestellt werden.

II. Die vom Kläger beantragte gesonderten Feststellungen des vortragsfähigen Verlustes auf den 31.12.1994, den 31.12.1995 und den 31.12.1996 waren trotz Ablaufes der für sie geltenden Feststellungsfristen durchzuführen, weil gem. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO eine Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Frist zu erfolgen hat, wenn sie für eine Steuerfestsetzung Bedeutung hat, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen sind.

1. Die Feststellungsfristen für die Verlustfeststellungen waren im Zeitpunkt des Antrages auf Feststellung des vortragsfähigen Verlustes im Jahr 2003 abgelaufen. Gem. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die gesonderte Feststellung die Vorschriften über die Besteuerung sinngemäß, so dass sich die Verjährung nach den §§ 169 ff AO richtet. Die regelmäßige vierjährige Verjährungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) begann gem. § 170 Abs. 1 AO jeweils mit Ablauf des Verlustentstehungsjahres. Die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Nr. 2 AO war nicht einschlägig, weil sie nur im Falle einer bestehenden Pflicht zur Abgabe einer Erklärung gilt, es dem Steuerpflichtigen aber freisteht, einen Antrag auf gesonderte Feststellung des verbleibenden vortragsfähigen Verlustes zu stellen oder darauf zu verzichten. Die Feststellungsfrist für das Jahr 1994 endete daher mit Ablauf des Jahres 1998, die Frist für das Jahr 1995 mit Ablauf des Jahres 1999 und die Frist für das Jahr 1996 mit Ablauf des Jahres 2000.

2. Es entspricht mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des BFH (zur Rechtslage bis zum Inkrafttreten des JStG 2007 !), dass trotz Ablaufes der Feststellungsfrist eine gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes durchzuführen ist, wenn die Voraussetzungen von § 181 Abs. 5 Satz 1 AO erfüllt sind (vgl. z. B. Urteile des BFH vom 2. August 2006 XI R 65/05, BFH/NV 2006, 2345 und vom 1. März 2006 XI R 33/04, BFHE 212, 497, BFH/NV 2006,1204). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung aus den in den zitierten Entscheidungen genannten Gründen an. Eine Verlustfeststellung scheitert deshalb auch nicht daran, dass im Zeitpunkt der Antragstellung auf gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes für die Veranlagungszeiträume der Verlustentstehung bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war oder dass der Antrag nicht innerhalb der für eine Antragsveranlagung geltenden Frist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG gestellt worden ist (BFH - Urteil vom 1. März 2006 XI R 33/04, BFHE 212, 497). Entscheidend ist nach der genannten Rechtsprechung allein, dass die beantragten Feststellungen für eine oder mehrere Steuerfestsetzungen, für die noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist, von Bedeutung sind. Im Zeitpunkt der Antragstellung musste sich ein etwa festzustellender Verlust noch in einer Steuererklärung tatsächlich auswirken können.

Diese Voraussetzungen waren für die vom Kläger beantragten Feststellungen erfüllt, weil auf den 31.12.1996 ein Verlust von 90.240 DM festzustellen gewesen wäre und sich dieser Betrag über eine darauf aufbauende Verlustfeststellung auf den 31.12.1997 auf die Steuerfestsetzung des Jahres 1998 im Zeitpunkt der Antragstellung hätte auswirken können.

a) Höhe der auf den 31.12.1994, den 31.12.1995 und den 31.12.1996 verbleibenden Verluste

aa) Wie oben unter I.2.a) dargelegt worden ist, sind für das Jahr 1994 Werbungskosten in Höhe von 35.427 DM zu berücksichtigen. Da der Kläger keine Einkünfte erzielt hat und ein Verlustrücktrag gem. § 10 d Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG in die Veranlagungszeiträume 1993 und 1992 nicht in Betracht kommt, weil der Kläger in diesen Jahren keine Einkünfte erzielt hat, ist der gesamte Verlust vorzutragen.

Auf den 31.12.1994 bestand daher ein vortragsfähiger Verlust in Höhe von 35.427 DM .

bb) Wie oben unter I.2.b) dargelegt worden ist, sind für das Jahr 1995 Werbungskosten in Höhe von 54.813 DM zu berücksichtigen. Da der Kläger keine Einkünfte erzielt hat, erhöht der gesamte Betrag den vorzutragenden Verlust.

Auf den 31.12.1995 bestand daher ein vorzutragender Verlust in Höhe von 90.240 DM.

cc) Auf den 31.12.1996 bestand ebenfalls ein vorzutragender Verlust in Höhe von 90.240 DM.

Der Steuerbescheid für das Jahr 1996 vom 27.2.1997 ist unabänderbar, denn mit Ablauf des Jahres 2000 war für die Steuer Festsetzungsverjährung eingetreten. Es handelte sich um eine Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr.8 EStG. Die Verjährung begann daher mit Ablauf des Jahres 1996, in dem die Steuer entstanden war und endete mit Ablauf des vierten darauf folgenden Jahres (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO i.V.m. § 170 Abs. 1 AO). Der BFH hat mit Urteilen vom 9. Dezember 1998 (XI R 62/97, BStBl. II 2000, 3) und vom 9. Mai 2001 (XI R 25/99, BStBl. II 2002,817) entschieden, dass der erstmalige Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides für einen Veranlagungszeitraum voraussetzt, dass der diesem Veranlagungszeitraum zugrunde liegende - bisher keinen Verlust ausweisende - Steuerbescheid noch entsprechend geändert werden kann. Offen geblieben ist allerdings, wie zu verfahren ist, wenn im Rahmen der erstmaligen gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Verlustes mehrerer Jahre für einige Veranlagungszeiträume eine Verlustfestellung durchgeführt werden kann, weil diese nicht veranlagt worden sind (Urteil des BFH vom 2.8.2006 XI R 65/05, BFH/NV 2006,2345), für ein späteres Jahr aber eine bestandskräftige, unabänderbare und ein positiven GdE ausweisende Steuerfestsetzung vorliegt.

Der Senat ist der Auffassung, dass die Bestandskraft des Steuerbescheides für das Jahr 1996 nicht daran hindert, auch auf den 31.12.1996 erstmals einen vortragsfähigen Verlust festzustellen. Dies gilt allerdings nur insoweit, wie der auf den 31.12.1996 festzustellende Verlust darauf beruht, dass auf den 31.12.1995 ein Verlust gesondert festzustellen war, weil in den Vorjahren Verluste entstanden waren. Der Kläger ist hingegen wegen der Unabänderbarkeit des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1996 daran gehindert, geltend zu machen, er habe abweichend von dem dem Bescheid zugrunde gelegten positiven GdE tatsächlich einen Verlust erlitten.

Bei dieser Lösung wird berücksichtigt, dass es sich bei der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Verlustes um ein selbständiges, neben der Steuerfestsetzung bestehendes Verwaltungsverfahren handelt. Andererseits wird auch die im Falle einer tatsächlich durchgeführten Steuerveranlagung vom Gesetz in § 10 d Abs. 4 Satz 3 und 4 EStG angeordnete Wechselwirkung zwischen Verlustfeststellung und Steuerveranlagung beachtet.

Der Senat geht allerdings davon aus, dass die Bestandskraft der Steuerfestsetzung nur die Geltendmachung eines Verlustes für das Jahr 1996 ausschließt und sich nicht auf den dem Bescheid zugrunde gelegten positiven GdE erstreckt, da es sich insoweit lediglich um eine unselbständige Besteuerungsgrundlage i.S.v. § 157 Abs. 2 AO handelt. Der Kläger ist deshalb nicht gehindert, geltend zu machen, der positive GdE sei niedriger gewesen, als in dem Steuerbescheid für das Jahr 1996 zugrunde gelegt. Vorliegend ist im Rahmen der Berechnung des vortragsfähigen Verlustes auf den 13.12.1996 von einem GdE von 0 DM auszugehen. Der Kläger hat im Jahr 1996 Schulungskosten von ca. 43.000 DM aufgewendet, die - wie bereits dargelegt wurde - als vorweggenommene Werbungskosten anzusehen sind und die den in dem Steuerbescheid angesetzten Betrag des positiven GdE von 5.608 DM deutlich übersteigen.

b) Die vorzutragenden Verluste hätten sich im Falle ihrer gesonderten Feststellung im Zeitpunkt der Abgabe des Antrages auf gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes noch auf Steuerfestsetzungen ausgewirkt, für die keine Festsetzungsverjährung eingetreten war.

aa) Verlustfeststellung auf den 31.12.1996

(a) Eine Verlustfeststellung auf den 31.12.1996 konnte sich allerdings nicht mehr auf den Einkommensteuerbescheid des Jahres 1997 auswirken, denn dieses Jahr war bei Stellung des Antrages auf gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes im Jahr 2003 wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung unabänderbar. Es handelte sich wegen der den Betrag von 800 DM übersteigenden ausländischen, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte um eine Pflichtveranlagung i.S.v. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG. Die Einkommensteuererklärung wurde im Jahr 1998 abgegeben, die Verjährungsfrist begann deshalb gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf dieses Jahres und endete nach vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) mit Ablauf des Jahres 2002.

(b) Die Verlustfeststellung auf den 31.12.1996 wäre aber zugleich Grundlagenbescheid für die Verlustfeststellung auf den 31.12.1997 gewesen. Der gesondert auf diesen Zeitpunkt festzustellende Verlust betrüge 54.169 DM (90.240 DM ./. 36.071 DM pos. GdE lt. Bescheid für 1997).

Dieser auf den 31.12.1997 festzustellende Verlust konnte sich im Zeitpunkt des Antrages auf gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes noch auf die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 1998 auswirken, denn für dieses Jahr war noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten:

Auch für das Jahr 1998 war wegen der ausländischen Einkünfte der Tatbestand einer Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG erfüllt. Die vierjährige Festsetzungsfrist (vgl. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) für dieses Jahr begann gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 1999, in dem der Kläger seine Steuererklärung abgegeben hatte. Die Frist endete regulär mit Ablauf des Jahres 2003. Der Kläger hat am 30.9.2003 - vor Ablauf der Festsetzungsfrist für das Jahr 1998 - den Antrag auf gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes gestellt.

Dass die Festsetzungsfrist für das Jahr 1998 mittlerweile abgelaufen sein könnte, führt nicht dazu, dass die Voraussetzungen von § 181 Abs. 5 Satz 1 AO nunmehr nachträglich zu verneinen sind. Zwar bestimmt § 181 Abs. 5 Satz 1 AO, dass die gesonderte Feststellung nach dieser Vorschrift nur so lange möglich ist, wie die Festsetzungsfrist für den Folgebescheid im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Der Senat ist aber der Auffassung, dass diese Einschränkung nur zugunsten des Steuerpflichtigen, nicht hingegen dann gilt, wenn ein Antrag des Steuerpflichtigen auf Erlass eines ihm günstigen Grundlagenbescheides bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist für den Folgebescheid nicht bearbeitet wird. Insoweit besteht eine Lücke im Gesetz, die durch eine analoge Anwendung von § 171 Abs. 3 AO zu schließen ist. Unmittelbar kann § 171 Abs. 3 AO, der gem. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO auch für das Feststellungsverfahren gilt, nur bis zum Ablauf der Feststellungsfrist angewendet werden. Die Feststellungsfristen waren bei Antragstellung bereits abgelaufen (s.o.).

Zweck von § 171 Abs. 3 AO ist es aber, für die Fälle, in denen die Behörde nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag tätig wird, sicher zu stellen, dass sich die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehende verfahrensrechtliche Situation nicht durch bloße Nichtbearbeitung seitens der Behörde zu Lasten des Steuerpflichtigen verschlechtert. Da im Rahmen von § 181 Abs. 5 Satz 1 AO eine vergleichbare Problemlage besteht und kein Grund für eine Ungleichbehandlung zwischen dem Ablauf der Feststellungs/Festsetzungsverjährungsfrist nach den § 169 ff AO einerseits und der Frist nach § 181 Abs. 5 AO andererseits besteht, muss § 171 Abs. 3 AO auf den vorstehenden Sachverhalt entsprechend anwendbar sein.

Der eventuelle Eintritt der Festsetzungsverjährung für das Jahr 1998 führt auch nicht dazu, dass eine gesonderte Feststellung des verbleibenden vortragsfähigen Verlustes auf den 31.12.1997 ins Leere ginge, denn ein solcher Bescheid könnte gem. § 171 Abs. 10 AO (vgl. zur Anwendung dieser Verfahrensvorschrift im Rahmen der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Verlustes v. Groll in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff § 10 d EStG Rz. D 82 m.w.N.) trotz Eintritts der regulären Festsetzungsverjährung für den Veranlagungszeitraum 1998 bei der Steuerfestsetzung für dieses Jahr noch berücksichtigt werden.

b) Da sich die Verlustfeststellung auf den 31.12.1996 im Zeitpunkt der Antragstellung über die Verlustfeststellung auf den 31.12.1997 auf das Jahr 1998 noch auswirken konnte, die Verlustfeststellung auf den 31.12.1995 Grundlagenbescheid für die Verlustfeststellung auf den 31.12.1996 und die Verlustfeststellung auf den 31.12.1994 Grundlagenbescheid für die Verlustfeststellung auf den 31.12.1995 ist, waren die Voraussetzungen der Regelung des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO im Zeitpunkt der Antragstellung auch für die Feststellungen auf den 31.12.1994 und den 31.12.1995 erfüllt.

Das vom Beklagten kritisierte Ergebnis, dass bei dieser Betrachtungsweise nahezu unbegrenzt die einheitliche und gesonderte Feststellung von Verlusten aus der Vergangenheit beantragt werden konnte, entspricht der bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007) vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, 2878) gültigen Rechtslage.

3. Die Anwendung von § 181 Abs. 5 Satz 1 AO ist nicht durch den mit dem JStG 2007 in § 10 d Abs. 4 EStG neu eingefügten Satz 6 ausgeschlossen. Zwar ist § 181 Abs. 5 Satz 1 AO nach dieser Vorschrift nur noch anwendbar, wenn die Finanzbehörde die Verlustfeststellung bis zum Ablauf der Feststellungsverjährung pflichtwidrig unterlassen hat. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, denn der Beklagte hat erstmals im Jahr 2003 und damit nach Ablauf der Feststellungsfristen für die gesonderten Feststellungen des verbleibenden vortragsfähigen Verlustes auf den 31.12.1994, den 31.12.1995 und den 31.12.1996 von den geltend gemachten vorweggenommenen Werbungskosten erfahren.

§ 10 d EStG i.d.F. des JStG 2007 ist vorliegend jedoch nicht anwendbar, weil § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F.d. JStG 2007 bestimmt, dass die Neuregelung (nur) für die am 19.12.2006 noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen gilt. Für die Verlustfeststellungen auf den 31.12.1994, auf den 31.12.1995 und den 31.12.1996 waren aber die Feststellungsfrist am 19.12.2006 bereits abgelaufen (siehe oben).

III. Die Verluste sind daher wie folgt festzustellen:

35.427 DM

90.240 DM

90.240 DM

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136 FGO. Die Kosten wurden den Beteiligten im Verhältnis zu ihrem jeweiligen Unterliegen auferlegt.

V. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 FGO zugelassen, weil soweit ersichtlich bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist, wie es sich auswirkt, wenn im Falle eines Antrages auf gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes für mehrere Jahre frühere Verlustentstehungsjahre nicht, spätere hingegen unter Berücksichtigung eines positiven Gesamtbetrages der Einkünfte bestandskräftig und unabänderbar veranlagt sind; ob im Falle einer bestandskräftigen und unabänderbaren Steuerfestsetzung auf 0 Euro ein diesem Bescheid zugrunde gelegter positiver Gesamtbetrag der Einkünfte im Rahmen der Berechnung des gesondert auf den 31.12. diesen Jahres festzustellenden vortragsfähigen Verlustes zu berücksichtigen ist oder ob der Steuerpflichtige geltend machen kann, wegen eines tatsächlich entstandenen Verlustes sei dieser oder nur ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 0 zu berücksichtigen; ob ein vor Ablauf der in § 181 Abs. 5 Satz 1 AO bestimmten Frist gestellter Antrag auf Erlass eines Grundlagenbescheides den Ablauf der in § 181 Abs. 5 Satz 1 genannten Frist bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Antrag hindert.



Ende der Entscheidung

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